HAZ vom 13.05.2014, S. 15:
Brockmann fordert Ehrenamtskarte
(mak). Axel Brockmann, Kandidat der CDU für das Amt des Regionspräsdenten, fordert die Einführung einer sogenannten Ehrenamtskarte in der Region Hannover. "Die Region muss die Ehrenamtlichen besser unterstützen", so Axel Brockmann. Ein erster Schritt könne die Einführung eines solchen Ausweises sein. Zahlreiche Kommunen in der Region machen bereits bei der niedersachsenweit angelegtem Ehrenamtskarte mit, zum Beispiel die Landeshauptstadt. Brockmann schlägt für die Besitzer der Karte verbilligte Eintrittskarten für den Zoo, Monats- und Jahreskarten für den Nahverkehr und ein kostenloses Girokonto bei der Sparkasse vor.
Dazu in HAZ vom 14.05.2014, S. 17:
Brockmann fordert Karte, die es gibt
(mak). CDU-Regionspräsidentenkandidat Axel Brockmann hat die Einführung einer Ehrenamtskarte in der Region gefordert, obwohl es diese Karte schon längst gibt. Die Karte wurde bereits im Jahr 2010 in der Region Hannover eingeführt, teilte Regionssprecherin Christina Kreutz gestern mit. Seitdem wurden insgesamt 997 Karten für Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Region Hannover - ohne Landeshauptstadt Hannover - ausgegeben. Zum Start der Aktion hatten die damalige Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) und Regionspräsident Hauke Jaguau (SPD) gemeinsam die ersten Ehrenamtskarten überreicht. Brockmann gab gestern zu, einen Fehler gemacht zu haben. Er kritisierte aber dennoch die Region, weil aus seiner Sicht mehr Anreize für Ehrenamtliche geschaffen werden müssten, wie zum Beispiel Ermäßigungen beim Zoobesuch oder ein gebührenfreies Girokonto bei der Sparkasse.
HAZ vom 12.05.2014, S. 10:
Ein Viertel aller Kinder ist arm
Statistik für Hannover vorgelegt / 12.215 Familien brauchen Transferleistungen
Von Veronika Thomas
In Hannover lebt mehr als jedes vierte Kind (25,8 Prozent) und jede vierte Familie (25,2 Prozent) in Armut. Bei den 6.400 Alleinerziehenden liegt die Quote sogar bei 48,4 Prozent. Das heißt in absoluten Zahlen, dass Ende 2012 insgesamt 20.152 aller in Hannover lebenden Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre in 12.215 Familien auf Transferleistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts angewiesen waren. Diese Zahlen der städtischen Koordinierungsstelle Sozialplanung hat die Verwaltung jetzt im Internationalen Ausschuss vorgelegt. Seit 2006 führt die Stadt die Statistik über die Armut von Kindern und ihren Familien.
Von 2007 bis 2010 war die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Armut schrittweise von 22.083 auf 18.962 gesunken und erreichte mit 24,5 Prozent ihren vorläufigen Tiefpunkt. Seitdem steigt sie wieder an. Ende 2011 lag sie mit 19.415 Kindern bei 25 Prozent; Ende 2012 bezogen gegenüber dem Vorjahr zusätzlich 737 Kinder und Jugendliche Transferleistungen, was einem Anstieg von 0,8 Prozentpunkten entspricht. Die Zahl der Familien hingegen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, sank leicht von 25,3 auf 25,2 Prozent Ende 2012. Dagegen bezogen aber 6.400 Alleinerziehende Transferleistungen, das war fast die Hälfte (48,4 Prozent) aller Alleinerziehenden in Hannover.
Aber nicht alle Familien, die Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe zur Existenzsicherung erhalten, sind arbeitslos. Ein Drittel aller Erwerbstätigen zählen zur Gruppe der sogenannten Working Poor. Als Geringverdiener oder Teilzeitbeschäftigte beziehen sie ergänzende Leistungen zu ihrem Einkommen, das sonst nicht zum Leben reichen würde. Besonders hoch hierbei ist mit fast 36 Prozent der Anteil unter den Paaren mit Kindern. Von den Alleinerziehenden gingen rund 29 Prozent einer Arbeit nach, die nicht zur Existensicherung reichte.
Bezogen auf die Stadtteile lag der Anteil der Kinder, die in Armut leben, mit mehr als 40 Prozent in Linden-Süd, Mühlenberg, Bornum, Hainholz, Sahlkamp und Vahrenheide besonders hoch. In Isernhagen-Süd, Kirchrode, Waldhausen, Waldheim, Seelhorst, Lahe und im Zooviertel betrug die Armutsquote weniger als drei Prozent.
Mit dem sogenannten hannoverschen Weg bemüht sich die Stadt, die Armut insbesondere für Kinder zu mildern. Die Maßnahmen reichen vom Ausbau der Krippen über den Hannover-Aktivpass bis hin zu Leselernhelfern, Hausaufgabenbetreuung und Beschäftigungsförderung.
HAZ vom 07.05.2014:
Spurensuche in der Tiefgarage
Fassungslosigkeit nach dem Tod des Wohnungslosen Uwe unter dem Maritim Hotel / Polizei sucht Angehörige
Von Jörn Kießler, Michael Thomas und Mathias Klein
Bei dem Toten, der am Montag in der Tiefgarage des Maritim-Hotels gefunden wurde, handelt es sich um einen 58 Jahre alten Wohnungslosen. Das hat die Obduktion ergeben, die Gerichtsmediziner gestern in Hannover vorgenommen haben. „Dabei haben wir den Mann, der bei der Polizei schon einmal erkennungsdienstlich erfasst wurde, anhand körperlicher Merkmale eindeutig identifizieren können“,, sagte Polizeisprecher Holger Hilgenberg. Die genaue Ursache für den Tod des Mannes konnte durch die Autopsie nicht geklärt werden. Hinweise auf ein Fremdverschulden liegen nach Informationen der Polizei aber nicht vor.
Der gestrige Bericht der HAZ über den Menschen, der offenbar wochenlang tot im Notausgangsschacht der Tiefgarage lag und von niemandem vermisst wurde, hat gestern viele Menschen erschüttert. „Der Gesundheitszustand dieser Menschen ist oft durch chronische Krankheiten stark eingeschränkt“, sagt Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes. Während die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland 77 Jahre betrage, liege sie bei Wohnungslosen mindestens 15 Jahre darunter. Einige Studien haben Müller-Brandes zufolge sogar eine um 30 Jahre geringere Lebenserwartung festgestellt.
Der Tote, der nach Informationen der HAZ mit Vornamen Uwe hieß, hatte in dem Schacht allem Anschein nach länger gewohnt. Auf den Stufen hatte er sein Hab und Gut in Tüten untergebracht, seine Schuhe waren nebeneinander auf der Treppe angeordnet.

Quelle: HAZ-Archiv
In der benachbarten Markthalle ist nicht bekannt, woher Uwe kam. „Wir haben ihn nur häufig in den frühen Morgenstunden gesehen, wenn er in die Markthalle kam, um sich hier auf der Toilette zu waschen“, sagte ein Standbetreiber. Regelmäßig habe Uwe sich auch aus den Mülleimern der Markthalle Lebensmittel geholt.
Ein Mitarbeiter der benachbarten Agip-Tankstelle in der Leinstraße hatte den Leichnam am Montag gegen 15 Uhr in dem Notausgangsschacht gefunden. Er wollte gemeinsam mit Kollegen Überwachungskameras installieren. Durch den Geruch des Toten, der dort bereits seit mehreren Wochen lag, wurden sie auf den Körper aufmerksam. Auch Tankstellenbetreiber Bernd Gartmann, der das Parkhaus verwaltet, wusste nicht, dass der Mann dort dauerhaft wohnte. Er sagt aber: „Ich würde einen Obdachlosen, der im Winter Schutz sucht, nie abends aus der Garage werfen.“
„Dass er offenbar regelrecht in der Garage wohnte, wussten wir nicht“, sagt der Direktor des Maritim-Hotels, Oliver Risse. Weil die Parkplätze vom benachbarten Tankwart betreut werden, kontrolliere das Hotel den Bereich nicht. „Dass der Mann dort aber so lange nicht gefunden wurde, ist wirklich tragisch“, findet Risse. Schuld will er aber niemandem geben: „Das hätte ja niemand ahnen können.“

Quelle: HAZ-Archiv
Unter den Obdachlosen in der Landeshauptstadt hatte sich der Tod des Leidensgenossen gestern bereits herumgesprochen. Die Betroffenheit in der Szene ist groß. „Ich weiß nicht einmal, ob ich ihn kenne oder nicht“, sagte ein Wohnungsloser. „Aber wenn einer so einsam irgendwo stirbt, das ist furchtbar.“ Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes wundert das nicht. Die Anonymität in der Szene sei groß. „Wenn ein Wohnungsloser plötzlich verschwunden ist, kann es auch sein, dass er einfach in eine andere Stadt weitergegangen ist“, berichtet Müller-Brandes. Seinen Schätzungen nach gibt es in Hannover etwa 3.000 Obdachlose. Rund 300 davon lebten ganzjährig auf der Straße, der Rest ist in Unterkünften der Stadt untergebracht oder kommt bei Bekannten unter.
Selbst bei der Stadtverwaltung wusste man nichts von dem Unterschlupf des Wohnungslosen in der Garage, obwohl die Behörde 225 Stellplätze für ihre Mitarbeiter dort angemietet hat. „Wie viele Plätze täglich genutzt werden oder infolge von Abwesenheiten frei stehen, ist nicht feststellbar“, sagte Stadtsprecherin Konstanze Kalmus.
Einen Tag nach dem grausigen Fund sind die beiden Dauerparkplätze für Verwaltungsangestellte vor dem Notausgang wieder belegt. Als zwei Beamte der zuständigen Kriminalfachinspektion gestern zum Fundort zurückkehren, um den spärlichen Besitz des Obdachlosen einzusammeln, lag noch immer ein scharfer Geruch in der Luft. „Der für die Vermietung an Mitarbeiter zuständigen Stelle wurden keine Hinweise zu ungewöhnlichen Gerüchen in der Tiefgarage gegeben“, sagte Kalmus. Selbst Gartmann und seinen Angestellten, die täglich in dem Bereich unterwegs sind, fiel der Geruch in der vergangenen Woche zum ersten Mal auf. „Das war kurz nach dem Regen“, sagt der 48-Jährige.

Quelle: HAZ-Archiv
Die Polizei versucht derzeit, Angehörige von Uwe zu finden. Gelingt den Beamten das, übergeben sie ihnen den Leichnam des Obdachlosen. Sollte das nicht möglich sein, wird der Tote von der Stadt beerdigt.
Region verstärkt Hilfsangebote
Von Bernd Haase
Die Region Hannover will sich stärker um Menschen kümmern, die keine Wohnung haben oder Gefahr laufen, ihre zu verlieren. Dafür hat sie einige Modellprojekte ins Leben gerufen und fördert Beratungsstellen. „Wir wollen Wohnungslosigkeit vermeiden, Betroffenen Hilfen anbieten und ihnen ermöglichen, den Weg ins normale Leben zurückzufinden“, sagt Projektleiterin Sabine Sell.
Formaler Anlass für die Initiative ist eine Gesetzesänderung – seit 2011 ist die Region bei der sogenannten Hilfe zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten auch für das Gebiet der Stadt Hannover zuständig. Deshalb hat sie eine Bestandsaufnahme gemacht, und die fällt nicht immer positiv aus. Hilfsangebote konzentrierten sich auf die Stadt Hannover, in der allerdings auch zwei Drittel aller Wohnungslosen leben. Ambulante Hilfen seien oft unzureichend ausgestattet. Es fehle an präventiven Angeboten und an Einrichtungen für Frauen. „Sie machen mittlerweile 20 Prozent aller Wohnungslosen aus und haben andere Bedürfnisse als Männer. Die meisten von ihnen haben Gewalt erlebt“, schildert Sell. Was auch aufgefallen ist: Obdachlosenunterkünfte sollen für die Betroffenen eigentlich kein Wohnungsersatz sein. „Wir haben aber festgestellt, dass mehr als die Hälfte aller Bewohner seit mindestens zwei Jahren in den Unterkünften lebt“, erklärt die Projektleiterin.
Einstweilen will die Region eine Million Euro für Projekte ausgeben. Dazu zählt etwa das begleitete Wohnen: Droht jemandem wegen Mietschulden oder einer Räumungsklage der Wohnungsverlust, nehmen sich Sozialpädagogen der Sache an und versuchen, zu beraten und zu vermitteln. In Burgdorf, Seelze und Ronnenberg hat die Region in Zusammenarbeit mit dem Land und den Kommunen neue Beratungsstellen eingerichtet. Bereits existierende in Hannover erhalten zusätzliche finanzielle Unterstützung – etwa der Tagestreff der Caritas am Leibnizufer sowie „Szenia“ in der Burgstraße, an die sich Frauen in Nöten wenden können. Langfristig soll das Beratungsangebot noch weiter ausgebaut werden.
Erwin Jordan, Sozialdezernent der Region, verweist auf das schmaler werdende Angebot preiswerter Wohnungen vor allem in der Stadt Hannover. „Menschen in Notlagen Unterstützung anzubieten ist eine Aufgabe, deren Bedeutung in den kommenden Jahren zunehmen wird“, folgert er.
Kirchen rügen die Stadt
Von Mathias Klein
Der Zeitpunkt ist ein Zufall: Einen Tag nach der Entdeckung der Leiche im Maritim-Parkhaus haben die beiden großen Kirchen die Praxis der Stadt bei sogenannten Bestattungen „von Amts wegen“ kritisiert. Jeder verstorbene Hannoveraner, für dessen Beerdigung niemand aufkommt, wird durch die Stadt in einem anonymen Urnengrab beigesetzt, darunter jedes Jahr auch zahlreiche Obdachlose. Aber betroffen sind auch Menschen, die vereinsamt in Wohnungen sterben.
Im vergangenen Jahr hat die Stadt nach Angaben der Kirchen 333 Menschen „von Amts wegen“ bestattet, jede dieser Bestattungen kostet das Rathaus 1.800 Euro. Das heißt, dass die Verstorbenen in den meisten Fällen in anonymen Urnengräbern beigesetzt werden – ohne jede Gelegenheit, dass sich Angehörige oder Freunde von ihnen verabschieden können. Meist werden auf einem der städtischen Friedhöfe in Stöcken, Lahe oder Ricklingen mehrere Urnen gleichzeitig unter die Erde gebracht.
Eine Praxis, die Stadtsuperintendent Hans-Martin Heinemann angreift: „Diese Verstorbenen werden wie ein Stück Müll betrachtet und entsorgt“, sagt er. Das entspreche in keinster Weise seinem Menschenbild. Die Stadtgesellschaft müsse einen anderen Weg finden, mit diesen Verstorbenen umzugehen, sagt Heinemann.

Quelle: HAZ-Archiv
Ähnlich argumentiert der Probst der katholischen Kirche, Martin Tenge. „Es kann nicht sein, dass an diese Menschen nicht gedacht wird und für sie nicht gebetet werden kann“, sagt er. Es sei schwer zu verstehen, dass fast jeden Tag in dieser Stadt ein Mensch sterbe, ohne eine Trauerfeier zu erhalten.

Quelle: HAZ-Archiv
Stadtsprecherin Konstanze Kalmus betont, die Stadt halte sich an das niedersächsische Bestattungsgesetz. Die Namen der Verstorbenen dürften aus Datenschutzgründen nicht einfach mitgeteilt werden. Wenn im Melderegister der Verstorbenen eine Konfession verzeichnet sei, würden die jeweiligen Kirchengemeinden über den Tod unterrichtet. „Die Kirchen können Abschied nehmen in den Gemeinden, aber nicht am Grab“, sagt sie. Wenn es aber ein Testament gebe, in dem geregelt sei, dass eine anonyme Bestattung oder eine Verbrennung nicht infrage komme, halte sich die Stadt auch daran, betont Kalmus.
Die Kirchen wollen an diesem Freitag der namenlosen Verstorbenen gedenken. Der Gottesdienst mit dem Titel „Unvergessen“ in der Basilika St. Clemens, Goethestraße 33, beginnt um 16 Uhr.
HAZ vom 06.05.2014, S. 11:
Toter Mann liegt im Maritim-Parkhaus
Obdachloser schon vor Wochen gestorben
Von Jörn Kießler und Mathias Klein
Grausiger Fund mitten in der Innenstadt von Hannover: Ein Mitarbeiter der Agip-Tankstelle an der Leinstraße hat gestern Nachmittag eine Leiche im Parkhaus des Maritim-Hotels entdeckt. Der Tote, bei dem es sich offenbar um einen Obdachlosen handelt, lag nach ersten Erkenntnissen schon mehrere Wochen in einem Schacht, der als Notausgang aus dem Untergeschoss des Gebäudes dient.
Die Polizei hat den Fundort gestern untersucht und glaubt nicht, dass der Mann durch ein Verbrechen ums Leben kam. „Zur endgültigen Klärung wird der Leichnam in den nächsten Tagen obduziert“, sagte Polizeisprecherin Anja Gläser. Gottfried Schöne, Obdachlosenexperte der Diakonie Hannover, sprach gestern von einer „schrecklichen Nachricht“.
Ein Mitarbeiter der Agip-Tankstelle fand den Toten, dessen Identität bisher noch nicht feststeht, gegen 15 Uhr. „Wir wollten Sicherheitskameras in den Eingängen zu dem Parkhaus installieren“, sagt Tankstellenbetreiber Bernd Gartmann, der seit 20 Jahren auch das Parkhaus am Friedrichswall verwaltet. Schon in den Tagen nach dem letzten Regenguss hatten der 48-Jährige und seine Angestellten immer wieder einen starken Geruch wahrgenommen. „Bei den Arbeiten bemerkten wir ihn wieder und wollten die Ursache dafür finden“, berichtet Gartmann. Als einer der Kollegen dann die Tür zu einem der Notausgänge nicht öffnen konnte und der Geruch unerträglich wurde, alarmierten sie die Polizei. „Als wir dann noch die vielen Fliegen sahen, war uns klar, dass dort etwas Schlimmes passiert sein muss“, sagt der Tankstellenchef.

Quelle: HAZ-Archiv
Die Mitarbeiter des Kriminaldauerdienstes bargen wenig später die Leiche des Mannes und untersuchten den Fundort. Nach Aussagen von Zeugen hatte der Obdachlose dort anscheinend in unregelmäßigen Abständen übernachtet. In dem Schacht lagen Gebrauchsgegenstände sowie Kleidung des Mannes. Warum ihn zuvor niemand entdeckte, obwohl das Parkhaus während der Öffnungszeiten gut besucht wird, ist unklar. 75 Parkplätze nutzt das Hotel für seine Gäste. Die restlichen Stellflächen sind von der Stadtverwaltung gemietet, damit dort die Mitarbeiter aus dem Bürgeramt Mitte und dem nahen Rathaus ihre Autos abstellen können. Vom Maritim-Hotel wollte sich gestern niemand zu dem Vorfall äußern.
„Dass der Körper so lange unentdeckt bleiben konnte, zeigt, wie gut sich die Obdachlosen verstecken, wenn sie sich schlafen legen“, sagt Diakoniemann Schöne: „Sie haben Angst vor Übergriffen.“ Die Möglichkeit, dass der Mann Opfer einer Gewalttat wurde, schließt die Polizei bereits aus. Dort prüft man nun, ob der Obdachlose in dem Schacht womöglich betrunken oder unter Drogeneinfluss einschlief und im Anschluss erfror. Auch diese Version hält Schöne für plausibel. Sie könne erklären, warum das Verschwinden des Mannes nicht aufgefallen sei. „In der Obdachlosen- und Drogenszene ist die Anonymität besonders hoch“, sagt Schöne.
„Dadurch, dass die Tür zu dem Schacht geschlossen war, konnte man den Mann vom Parkdeck aus nicht sehen“, versucht Gartmann zu erklären, warum der Tote so lange unentdeckt blieb. „Auch von oben muss man schon gezielt zu dem Schacht gehen, um dort hineinsehen zu können.“ Dem Zustand der Leiche zufolge lag er dort schon mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate.
Auch die Mitarbeiter der Agip-Tankstelle können sich nicht explizit an den Mann erinnern. Für sie ist der grausige Fall auch noch nicht beendet. Als Betreiber des Parkhauses muss sich Bernd Gartmann nun darum kümmern, dass der Fundort der Leiche gereinigt wird.

Quelle: HAZ-Archiv
NP vom 06.05.2014, S. 11:
Diebe steigen bei Fairkauf ein. Zehntausende Euro Schaden. Täter brachen Fenster auf.
Von Vera König und Eva-Maria Weiss
HANNOVER. Sie helfen Armen und Bedürftigen. Sie leben von Spenden und Engagement. Sie schaffen Arbeitsplätze, für Menschen, die lange Zeit keine Perspektive hatten. Umso dreister ist dieser Diebstahl: Das Sozialkaufhaus Fairkauf wurde bestohlen, das Lager dafür aufgebrochen.
Das eiserne Rolltor blieb dabei unversehrt. Als Thomas Siese gestern Morgen die Eingangstür zum Fairkauf-Lager an der Mogelkenstraße (Hainholz) öffnen wollte, entdeckte er dennoch sofort die Einbruchsspuren: In der Nacht waren Einbrecher eingedrungen – durchs Fenster. Sie flexten sogar den großen Tresor auf.

Quelle: Elsner
In dem Geldschrank fanden die Täter nichts – bis auf die Reserveschlüssel zu den Lastwagen, mit denen die Mitarbeiter des Sozialkaufhauses Möbelspenden abholen. Offenbar gerieten sie darüber in Rage und sorgten für ziemliche Verwüstung.
„Schubladen wurden rausgerissen, Akten zerfledert, Bildschirme umgestoßen“, berichtet Fairkauf-Vorstandschef Reinhold Fahlbusch. Die gläsernen Türen zwischen den Büros „öffneten“ die Eindringlinge mit Hilfe von Feuerlöschern. Einen Laptop, auf dem Geschäftskorrespondenz und Personaldaten gespeichert waren, nahmen sie mit.
Über das Nachbargrundstück waren die Einbrecher durch einen Maschendrahtzaun auf das Fairkauf-Gelände gekommen. Sie schnitten einfach ein großes Loch in den Zaun. An einem Seitenfenster des Bürogebäudes rissen sie eine Jalousie ab, brachen das Fenster auf und drangen so in das Haus ein.
Weil sie kein Geld fanden, machten sich die Täter an den Autos zu schaffen. Glück im Unglück: „Die großen Lastwagen springen nur an, wenn man zuvor eine Fahrerkarte eingeschoben hat“, so Fahlbusch. Die aber hatte nicht im Tresor gelegen: „Die Mitarbeiter tragen sie stets bei sich“ Von den zwölf Wagen nahmen die Einbrecher nur zwei Mercedes Sprinter mit, zu denen sie die Schlüssel hatten.
Über den Diebstahl und die Verwüstung waren die Mitarbeiter entsetzt. Fahlbusch: „Der materielle Schaden ist groß. Ein Neuwagen wird um die 20.000 Euro kosten.“ Weitaus schlimmer aber sei etwas ganz anderes: „Für Menschen, die hier eine berufliche Heimat gefunden haben, ist eine Welt zusammengebrochen.“ Sie müssten getröstet und ermutigt werden weiterzumachen.
Michael Dette, Fraktionsvize der Grünen, war bestürzt, als er von dem Vorfall hörte: „Diese Ganoven haben wirklich keine Ehre.“
HAZ vom 30.04.2014, S. 16:
Erste Erfolge bei Jugendarbeit in Garbsen
(bil). Die Stadt Garbsen und das Jugendamt der Region kümmern sich seit Februar intensiver um eine Gruppe von 40 bis 50 Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die dort an öffentlichen Orten immer wieder negativ aufgefallen sind. Dabei sind trotz der kurzen Zeit bereits erste Fortschritte gemacht, wie Florian Dallmann, Leiter der Jugendhilfestation der Region in Garbsen, gestern im Jugendhilfeausschuss der Region berichtete. Neun jungen Männern konnte eine Arbeit, drei weiteren eine Ausbildung vermittelt werden. „Dabei spielt aber eine wesentliche Rolle, dass einige Jugendliche bereits mehrere Verfahren vor dem Jugendrichter hinter sich haben“, sagt Dallmann. Wenn sie jetzt kooperieren, werden drohende Gefängnisstrafen oder mehrwöchiger Arrest ausgesetzt.
Zehn Jugendliche haben sich darauf eingelassen, von einem Erziehungsbeistand betreut zu werden, der zum Beispiel bei Bewerbungen hilft oder bei Problemen berät. Ein Mitarbeiter versucht, bei Hausbesuchen Kontakt zu den Eltern aufzubauen. Eine Gruppe von Zehn- bis 14-Jährigen, die vor einem Jahr ebenfalls noch in Garbsen auffiel, hat sich inzwischen von den Älteren gelöst. Ihre Eltern wirken jetzt aktiv auf die Kinder ein. Der Brand der Willehadi-Kirche, habe alle Familien aufgerüttelt, sagt Dallmann. Der Verursacher ist nicht gefunden.
HAZ vom 30.04.2014, S. 18:
„Papierlose“ benötigen dringend Unterstützung
Diakonieprojekt hilft abgelehnten Asylbewerbern, Flüchtlingen und Migranten in prekären Lebenslagen
Von Veronika Thomas
Sie zeigen sich nicht, sie leben so unauffällig wie es irgend geht - aber sie sind trotzdem da: Einige Tausend sogenannte Papierlose leben allein in Hannover, so schätzen Experten der Diakonie. 20.000 könnten es demnach in Niedersachsen sein, und bundesweit sogar mehr als eine Million. „Darunter sind viele schwangere Frauen und kranke Menschen, die häufig schwarz beschäftigt sind, aber auch zur Prostitution gezwungen werden“, sagte Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes gestern bei der Vorstellung des Projektes DiaMiPa (Diakonische Migrationsarbeit für Personen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus). „Diese Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus, abgelehnte Asylbewerber, Flüchtlinge und immer mehr EU-Bürger in prekären Lebenssituationen benötigen unsere Hilfe.“
Von Januar 2012 bis Ende 2013 wurden bereits 635 Menschen durch DiaMiPa unterstützt und begleitet. „116 Personen konnten aus der Illegalität herausgeholt werden“, sagte Sozialarbeiterin Visitación Aceituno-Castellanos. „Wir begleiten sie auch im Asylverfahren, um Abschiebungen zu vermeiden.“ Die Menschen stammten unter anderem aus Afrika (Ghana, Nigeria, Sudan), Asien, Südamerika, Russland, Afghanistan, aber auch aus Rumnänien, Bulgarien oder Bosnien. Das Projekt wird von Beginn an von der hannoverschen Ricarda- und Udo-Niedergerke-Stiftung unterstützt. 45.000 Euro haben die beiden Ärzte im Ruhestand mittlerweile dafür bereitgestellt; weitere Geldgeber sind Spender, die Stadt und die Landeskirche Hannover. 65.000 Euro benötigt die Diakonie jährlich, um davon eine Sozialarbeiterstelle und notwendige Sachkosten finanzieren zu können. „Ohne Papiere können die Menschen keine medizinische Hilfe in Anspruch nehmen“, beschrieb Müller-Brandes die prekäre Lage der Betroffenen.
„Wir wünschen uns vor allem für Asylsuchende und EU-Bürger ohne Krankenversicherung eine politische Lösung“, sagte der Diakoniepastor und verweis auf Bremen, wo Flüchtlinge eine Krankenkassenkarte erhalten, anstatt sich im Krankheitsfall jedes Mal beim Sozialamt einen Behandlungsschein besorgen zu müssen. DiaMiPa arbeitet eng mit der Malteser Migranten Medizin, dem Kontaktladen „Mecki“ und dem „Zahnmobil“ zusammen. Dort meldeten sich immer mehr Menschen ohne Papiere, um sich behandeln zu lassen.
HAZ vom 29.04.2014, S. 8:
Pizza für "Obdachlosen"
(afp). Von Mitgefühl überwältigt hat eine Französin einem vermeintlichen Obdachlosen in New York ihre Pizza angeboten - unwissend, dass es sich bei dem Mann um Hollywoodstar Richard Gere (64) handelte, der gerade einen Film drehte. Karine Valnais Gombeau kam aus einer Pizzeria in der Nähe der Grand Central Station in Manhattan, als ihr der im Müll suchende Mann auffiel, wie die Zeitung "New York Post" berichtete. Ohne zu zögern habe Gombeau ihm den Rest ihrer riesigen Pizza angeboten. Daraufhin habe Gere gesagt: "Vielen Dank. Gott segne Sie." Gere drehte in New York für seinen neuen Filn "Time Out of Mind."
Hallo LINDEN vom 20.04.2014, S. 2:
Hilfe für den Elterntreff
Deutsche Bank unterstützt die neue Einrichtung finanziell und personell
Calenberger Neustadt (bt). Der Elterntreff Calenberger Neustadt öffnete seine Tür vor Kurzem in frisch renovierten Räumen. Damit die Einrichtung in der Calenberger Straße 19 zum Eröffnungstag in frischem Weiß erstrahlte, griffen Gernot Bär und seine Mitarbeiter der Deutschen Bank-Filiale am Schwarzen Bär höchstpersönlich zu Farbeimer und Pinsel.
Im Rahmen eines Social Day ermöglicht die Deutsche Bank ihren Mitarbeitern, sich während der Arbeitszeit an gemeinnützigen Projekten zu beteiligen und sich sozial zu engagieren. „Wir bedanken uns sehr für die Unterstützung von Herrn Bär und seinen Kollegen. Sie haben gute Arbeit geleistet“, freut sich Anne Korte-Polier, Leiterin der Katholischen Familienbildungsstätte Hannover (FaBi). Die FaBi ist Trägerin des Calenberger Elterntreffs.
Doch mit dem persönlichen Einsatz hat Gernot Bär sich nicht zufrieden gegeben. Um die Arbeit in der Einrichtung über den persönlichen Einsatz hinaus zu unterstützen, überreichte Bär dem Elterntreff eine Spende in Höhe von 1.000 Euro, finanziert aus dem Spendentopf der Deutschen Bank.
HAZ vom 16.04.2014, S. 15:
Betrunkener beißt Mann im Streit ein Stück Ohr ab
(jki) Ein Streit zwischen drei betrunkenen Männern in der List ist gestern ähnlich eskaliert wie der Boxkampf zwischen Mike Tyson und Evander Holyfield. Ein 32-Jähriger biss seinem Gegenüber im Streit ein Stück Ohr ab. Sein Opfer wurde daraufhin in eine Klinik gebracht.
Nach Informationen der Polizei war es gegen 15 Uhr in einer Wohnung an der Drostestraße zu einem Streit zwischen dem 28 Jahre alten Mieter und einem Bekannten gekommen, der ihn offenbar besuchte. Von der lautstarken Auseinandersetzung fühlte sich ein 32-Jähriger gestört, der sich in der Wohnung darüber aufhielt. Daraufhin schaltete er sich in den Disput zwischen den beiden Streithähnen ein, die genau wie er stark alkoholisiert waren. Es kam zu Handgreiflichkeiten. Nach Aussage des 32-Jährigen wurde er von dem 28 Jahre alten Mann geschlagen und getreten. Daraufhin packte er ihn und biss ihm ein Stück von seinem Ohr ab. Sein Opfer alarmierte daraufhin die Polizei, die die Streitenden voneinander trennte. Gegen alle Beteiligten wurden Ermittlungen wegen Körperverletzung in unterschiedlich schweren Fällen aufgenommen.
HAZ vom 11.04.2014, S. 18:
Trinkerszene zurück am Raschplatz
Stadt und Geschäftsleute wollen unliebsame Folgen exzessiven Alkoholkonsums bekämpfen
Von Tobias Morchner und Andreas Schinkel
Die Trinkerszene am Raschplatz bereitet Geschäftsleuten, Pendlern und Passanten, der Polizei, der Stadt und der Gesellschaft HRG als Eigentümerin der Fläche immer größere Probleme. Mit steigenden Außentemperaturen vergrößert sich auch die Gruppe, die sich regelmäßig am Ausgang der Stadtbahn oder auf den Treppen trifft, um dort Alkohol zu trinken. Dabei kommt es auch zu unschönen Szenen. Einige der Trinker urinieren auf den Platz, grölen, hören laut Musik oder belästigen Passanten. „Das Problem ist uns bekannt, und wir haben ein Auge darauf“, sagt Stadtsprecherin Konstanze Kalmus.

Quelle: Körner
Die City-Gemeinschaft sieht jetzt alle Beteiligten in der Pflicht, das Problem zu lösen. „Wir haben hier einen Missstand, den wir mit vereinten Kräften angehen müssen“, sagt der Geschäftsführer der City-Kaufleute, Martin Prenzler. Polizei, Stadtverwaltung und die Grundstücksgesellschaft HRG sollten an einem Strang ziehen. Zwar könne man die Trinkerszene nicht vertreiben, doch die gröbsten Belästigungen, das Urinieren und Herumbrüllen in der Einkaufspassage, müssten abgestellt werden. So könne es jedenfalls nicht weitergehen. Auch die Gesellschaft HRG, die das Hausrecht auf dem Platz ausübt, möchte bei der Lösung der Probleme auf dem für 12,5 Millionen Euro sanierten Gelände hinter dem Bahnhof alle Beteiligten in die Pflicht nehmen. „Das ist ein gesellschaftliches Problem, das nicht singulär gelöst werden kann“, sagt HRG-Geschäftsführer Thomas Heinermann. Ähnliche Probleme gebe es auch am Opernplatz, sagt Heinemann.
Allerdings gestaltete es sich als einigermaßen schwierig, den Trinkern am Raschplatz Einhalt zu gebieten. Zwar ist im vergangenen Jahr wegen der anhaltenden Probleme die Haus- und Benutzungsordnung für den Platz verschärft worden, sodass beispielsweise das Liegen und Lagern auf dem Gelände nicht mehr gestattet ist. Doch bei der Durchsetzung gibt es gewaltige Probleme.
Zuständig ist zunächst einmal der Sicherheitsdienst ProTec. Dessen Mitarbeiter können die Trinker allerdings lediglich darauf hinweisen, dass sie durch das Liegen auf der Treppe gegen die Regeln verstoßen. Hoheitliche Rechte haben sie jedoch nicht. Kommt es zu Schwierigkeiten, müssen sie die Polizei von der nahe gelegenen Wache am Raschplatz einschalten. Doch auch die Beamten können in der Regel nur wenig ausrichten. Denn das Herumlungern auf einem Platz stellt keine Straftat dar, sodass sie oft unverrichteter Dinge wieder abziehen.
Ein generelles Alkoholverbot auf dem Raschplatz hält die Verwaltung für nicht umsetzbar. Die rechtlichen Rahmenbedingungen seien für einen solchen Schritt nicht gegeben.
Die Trinkerszene selber fühlt sich von den zuständigen Stellen ungerecht behandelt. „Die scheren alles immer über einen Kamm, dabei gibt es hier sehr wohl Leute, die den Platz aufräumen und darauf achten, dass keiner in die Ecke pinkelt, sondern alle das Klo in der Nähe der Polizeistation benutzen“, sagt einer von ihnen, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Er kommt, wie die meisten seiner Bekannten auch, aus zwei Gründen zum Raschplatz: in den nahen Supermärkten gibt es billiges Bier zu kaufen, und der Hauptbahnhof liegt zentral, ist somit für alle gleich gut zu erreichen. „Wenn die wollen, dass wir hier weggehen, müssen sie die billigen Läden schließen“, sagt ein anderer regelmäßiger Raschplatz-Besucher. Er ärgert sich auch über die Verwaltung. „Von denen war noch nie jemand hier, um mit uns in Ruhe zu sprechen.“
Möglicherweise kommt auf die Stadt bald noch ein weiteres Problem zu. Im Sommer soll der neue Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB) in unmittelbarer Nähe des Raschplatzes fertiggestellt werden. Der Platz war bereits in der Vergangenheit von der Trinkerszene frequentiert worden. Es ist nicht auszuschließen, dass der ZOB nach seiner Fertigstellung noch mehr Menschen anzieht, die dann dort ihr Bier trinken möchten.
HAZ vom 09.04.2014, S. 15:
Haftstrafe für das Bespucken einer Richterin
Obdachloser muss zehn Monate ins Gefängnis
Von Tobias Morchner
Das Amtsgericht Hannover hat am Dienstag einen 52-jährigen Obdachlosen zu einer Haftstrafe von zehn Monaten ohne Bewährung verurteilt. Der in Salzgitter geborene Mann hatte unter anderem eine Richterin mit unflätigen Worten beleidigt und bespuckt. Michael D., dessen Vorstrafenregister 27 Einträge aufweist, nahm das Urteil noch im Gerichtssaal an. Damit ist es rechtskräftig.
Der 52-Jährige war am Nachmittag des 12. Februars von einer Polizeistreife aufgegriffen worden, weil er sich betrunken auf eine Straße gelegt hatte und den Verkehr blockierte. Den Polizisten gegenüber erklärte der Obdachlose, er werde sich erneut auf die Straße legen, wenn die Beamten weggefahren seien. Um dies zu verhindern, wollten die Polizisten Michael D. daraufhin in Gewahrsam nehmen und brachten ihn zu einer Anhörung zur zuständigen Bereitschaftsrichterin im Amtsgericht.
Gegenüber der 33-Jährigen verhielt sich Michael D. zunächst korrekt. Erst als seiner Bitte, das Telefon der Amtsrichterin benutzen zu dürfen, nicht entsprochen wurde, rastete der 52-Jährige aus. Wie die als Zeugin geladene Amtsrichterin schilderte, schlug der Obdachlose erst zweimal mit der Hand auf den Schreibtisch der 33-Jährigen. Dann beleidigte er sie auf das Übelste und spuckte schließlich mehrfach nach ihr und traf sie dabei zweimal im Gesicht.
Michael D. entschuldigte sich im Saal zwar bei der Betroffenen, doch Amtsrichter Olaf Wöltje ließ in seiner Urteilsbegründung keinen Zweifel daran, dass er davon überzeugt ist, der 52-Jährige könne schlicht nicht mit Frustrationen umgehen. Auch sah er keine günstige Sozialprognose für den Obdachlosen, weshalb er die Strafe auch nicht zur Bewährung aussetzte.
Hierzu ein Leserbrief von Ralf Buhmann, Hannover (HAZ vom 11.04.2014, S. 18):
Es ist aus meiner Sicht nahezu ein Skandal: Einer Richterin widerfährt das, was Hunderten Polizisten oder anderen Amtsträgern in ähnlichen Situationen schon häufig widerfahren ist, sie werdem beleidigt, bedroht, beschimpft, bespuckt. Nur sehr selten kommt es in diesen Fällen überhaupt zu einer Anklage, trotz der Strafanträge dr Betroffenen und ihrer Behörden, die in den meisten Fällen Rückendeckung geben.
Kommen Fälle ähnlicher Gewichtung vor Gericht, dürfte es die absolute Ausnahme sein, dass eine Haftstrafe verhängt wird, oft enden diese Verfahren in Vergleichen.
Wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Ich würde mir wünschen, dass das auch journalistisch aufgearbeitet wird und die Urteile vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit ausgewertet werden. Warum müssen die Beamten auf der Straße so viel mehr aushalten und werden nur wenig von der Justiz unterstützt und geschützt, während ein einziger Fall, bei welchem ein Richter oder eine Richterin betoffen ist, ausreichend für ein hartes Urteil ist?
NP vom 05.04.2014, S. 18:
Ökumenischer Verein plant Kindertafel und Nachhilfe
Quarterly sucht Spenden und Ehrenamtliche für Hilfsprojekt
Von Marleen Gaida
HANNOVER. Viele Kinder kommen hungrig aus der Schule. Doch was tun, wenn wenig Geld vorhanden ist oder die Eltern nicht da sind ?
Darum, dass diese Kinder aufgefangen werden, will sich zukünftig der Verein Quarterly kümmern. Der ökumenische Zusammenschluss gemeinnütziger Träger plant in den Brennpunkten Hannovers in Linden, Vahrenwald und Vahrenheide die Versorgung bedürftiger Kinder mit einer warmen Mahlzeit und Nachhilfe. Einen finalen Standort gibt es bis jetzt noch nicht. Rechtsanwalt Motoki Tonn (40) und seine Frau Katja (39) sind engagierte Mitglieder des Vereins. Sie hatten die Idee zur Kindertafel und haben klare Vorstellungen, wie das Angebot aussehen soll. „Wir planen, kurzfristig einmal die Woche ein warmes Mittagessen anzubieten. Langfristig soll das Angebot auf sieben Tage pro Woche ausgeweitet werden. Außerdem wollen wir Nachhilfe und musikalische Früherziehung anbieten.“ Um das karitative Projekt zu verwirklichen, sucht der Verein Spender und Helfer.
Gestern waren deshalb bei einem Benefizkonzert in der BBL-Hannover-Kanzlei Adelige aus ganz Niedersachsen geladen, um für Spendengeld zu werben. „Unser Verein hat bis jetzt 45 ehrenamtliche Mitglieder. Für unser neues Projekt suchen wir noch Mitstreiter“, sagt Tonn.

Quelle: Surrey
In Hannover kümmern sich bereits die Hannöversche und die Nordstädter Kindertafel um die Versorgung von Bedürftigen. Die Hannöversche Kindertafel fährt pro Woche 22 Einrichtungen mit Lkw an, um diese mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen. Horst Walter Gora hat diese 2005 ins Leben gerufen: „Mit ging es vor allem um die gesunde Ernährung von Kindern.“ Sein Projekt versorgt rund 1.000 Kinder in der Region. Die Ziele von Quarterly bezeichnet er als „ambitioniert“. Bedarf bestünde aber. Jedoch: „Aus Erfahrung kann ich sagen, dass so etwas mit sehr hohem finanziellen Aufwand verbunden ist.“
HAZ vom 04.04.2014, S. 15:
Straßenmagazin "Asphalt" mit neuer Führung
Von Veronika Thomas
"Asphalt" hat einen neuen Geschäftsführer: Seit dem 1. April führt Reent Stade das hannoversche Straßenmagazin und folgt damit auf Almut Maldfeld, die zum Freiwilligenzentrum Hannover gewechselt ist.

Quelle: HAZ
Der 44-jährige Kulturwissenschaftler war zuvor elf Jahre lang Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising im Stephansstift Hannover und in der Dachstiftung der Diakonie. "In den ersten Tagen musste ich erst mal meine Kollegen in Redaktion und Vertrieb, die "Asphalt"-Verkäufer und ehrenamtlichen Mitarbeiter kennenlernen", sagt der zweifache Familienvater. Bisher kannte er "Asphalt" lediglich als sporadischer Leser: "Ich habe immer die Ausdauer der Verkäufer bewundert, für die die Zeitung eine Möglichkeit ist, wieder ein geregeltes, selbstbestimmtes Leben zu führen", sagt der begeisterte Chorsänger. Wichtigste Aufgabe in diesem Jahr ist der 20. Geburtstag von "Asphalt", der am 25. September mit einem Fest im Pavillon am Raschplatz gefeiert wird. "Wir freuen uns sehr, mit Reent Stade einen Geschäftsführer gefunden zu haben, der dafür sorgen wird, dass "Asphalt" auch weiterhin so erfolgreich wirken kann", sagte Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes.
HAZ vom 03.04.2014, S. 5:
Land will Kinder besser schützen
Hannover (lni). Niedersachsen will Kinder besser schützen, die Gewalt in einer Paarbeziehung miterlebt haben. Dazu will das Land fünf Modellprojekte ausschreiben, kündigte Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) am Mittwoch in Hannover an. Für sie stünden bis 2016 zusätzlich 100.000 Euro pro Jahr bereit. Je früher die Kinder die Chance bekämen, die miterlebte Gewalt zu bewältigen, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst später ein gewaltfreies Leben führen könnten. Jährlich suchen rund 30.000 Frauen und Mädchen Schutz und Unterstützung in Frauenhäusern, Gewaltberatungsstellen und Interventionsstellen.
HAZ vom 03.04.2014, S. 18:
Obdachlose müssen künftig weniger zahlen
Von Conrad von Meding
Obdachlose Familien zahlen in Hannover zuweilen mehr für eine Unterkunft als normale Mieter für ihre Wohnungen – diesen Zustand soll die Stadt jetzt auf Initiative der Linken-Fraktion im Rat abstellen. Die rot-grüne Ratsmehrheit hatte gestern ein Einsehen und stimmte dem Vorhaben mit kleinen Änderungen zu.
Wohlfahrtsverbände hatten die Praxis der Stadt zuletzt mehrfach kritisiert. Demnach summieren sich die Kosten für die Unterbringung von Wohnungslosen in städtischen Einrichtungen auf 100 Euro im Monat pro Person. Vor allem wegen des Zuzugs kinderreicher Familien aus Osteuropa waren jetzt Fälle publik geworden, in denen Familien mit fünf Kindern 700 Euro im Monat zahlen mussten. „Das steht in keinem Verhältnis zu den Kosten einer Unterbringung in einer Mietwohnung“, sagte Linken-Fraktionschef Oliver Förste gestern im Bauausschuss des Rates. Er forderte, die Stadt möge die Gebühren bei Familien mit Kindern komplett erlassen.
SPD und Grüne schlugen einen Kompromiss vor: Für Kinder und Jugendliche solle die Stadtverwaltung künftig nur noch den halben Satz verlangen. „Es ist richtig, das Ungleichgewicht zu entschärfen“, sagte SPD-Politiker Thomas Herrmann. CDU-Ratsherr Felix Blaschzyk entgegnete, die Stadt habe glaubhaft versichert, bei Familien ohne Einkommen das Geld ohnehin nicht einzutreiben. Der Antrag wurde schließlich gegen CDU-Stimmen angenommen.
HAZ (Stadt-Anzeige Süd) vom 03.04.2014, S. 1:
Fünf Freundinnen müsst ihr sein
Eine Gruppe von fünf Mädchen aus der Südstadt sammelt für die Kindernothilfe
Von Heike Schmidt
SÜDSTADT. Es ist schon toll, wenn man solche Freundinnen hat. Da hat man eine Idee, und alle ziehen mit – so jedenfalls ging es Ida Hessenius. Die 13-jährige Schülerin wurde gemeinsam mit Charlotte Weinberg Annika Münstermann, Eike Paebst und Henrike Weingarten Teil der „Action!Kidz“ der Kindernothilfe, die mit dem Projekt gegen Kinderarbeit vorgeht. Mehr als 400 Euro haben die Schülerinnen der St.-Ursula-Schule für Mädchen und Jungen in Äthiopien gesammelt. Und da das bundesweit das zweitbeste Ergebnis in der Kategorie „Höchste Pro-Kopf-Spende“ ist, bekamen sie von der ehrenamtlichen Kindernothilfe-Mitarbeiterin Claudia Bartels-Krupp am vergangenen Freitagvormittag eine entsprechende Auszeichnung.
Ein wenig stolz sind die Schülerinnen auch gewesen, als sie die Auszeichnung im Beisein von ihrem Schulleiter Norbert Junker und ihrer Klassenlehrerin Claudia Probst entgegen nehmen konnten. Die Idee, beim Projekt „Action!Kidz“ mitzumachen, hatte Ida. „Wir hatten früher ein Patenkind über die Kindernothilfe“, erinnert sie sich. Damals habe sie begonnen, sich für die Projekte zu interessieren – auch weil sie in der Zeitschrift der Kindernothilfe über solche Aktionen las. Vor zwei Jahren hatte sie dann die Idee, selbst aktiv zu werden. Sie sprach ihre Freundinnen an. Gemeinsam überlegten sie sich, für den Herbstbasar Lavendelsäckchen zu nähen und diese dann zugunsten der Kindernothilfe zu verkaufen. Im vergangenen Jahr nähten die engagierten Schülerinnen zudem Türstopper, die sie mit Sand aus Norderney und aus einem Baumarkt füllten. Klar, dass der Sand vom Strand und der Stoff aus dem eigenen Haushalt oder von Oma kam. Alle halfen mit – und machten den Erlös von mehr als 400 Euro überhaupt möglich. Auch Henrike trug ihren Teil bei: „Da ich nicht nähen kann, habe ich gegen eine Spende Schuhe geputzt“, erzählt sie. „Außerdem sind wir beim letzten Herbstbasar mit Spendendosen herumgelaufen“, erinnert sich Eike.

Quelle: Schledding
Auch in diesem Jahr wollen die Mädchen wieder helfen. Die Lavendelsäckchenproduktion ist bereits angelaufen. Im vergangenen Jahr haben sie zwischen einem und 3,50 Euro gekostet. „Und es gab sogar Leute, die gefragt haben, ob der Lavendel aus Deutschland oder Frankreich kommt“, erinnert sich Henrike. Lavendel aus Frankreich sei gefragter gewesen als der einheimische. An ihn heranzukommen, wird in diesem Jahr kein Problem sein. Denn auch die Klassenlehrerin hilft inzwischen mit: „Ich habe euch welchen aus Frankreich mitgebracht.“
HAZ vom 26.03.2014, S. 5:
Toter am Bahnhof gefunden
(lni) Stadthagen: Eine unbekannte männliche Leiche beschäftigt die Polizei in Stadthagen. Der Tote habe in der Nähe des Bahnhofs gelegen und sei dort von einem Mitarbeiter der Bahn entdeckt worden, teilte ein Polizeisprecher am Dienstag mit. Nach den bisherigen Erkenntnissen stamme der Mann aus der Obdachlosenszene. Alles deute darauf hin, dass er an seinem desolaten Gesundheitszustand gestorben ist. Die Obduktion am Dienstag habe keine Anzeichen für ein Gewaltverbrechen oder einen Unfall ergeben, hieß es.
HAZ vom 22.03.2014, S. 17:
Für ein Almosen
In der City sind so viele Bettlerinnen wie noch nie unterwegs. Passanten sind genervt, Geschäftsleute wünschen sich eine härtere Gangart. Die Stadt sagt, sie könne nichts machen
Von Mathias Klein
„Ziemlich genervt“, sei sie, sagt Karin Granobs. Sie sitzt am Vormittag mit ihrem Mann vor einem Café auf dem Ernst-August-Platz. Eigentlich wollten die beiden Hannoveraner die wenigen Sonnenstrahlen des Freitags genießen und das bunte Treiben auf dem Platz beobachten. „Aber die Lust ist uns fast schon wieder vergangen“, sagt die Rentnerin. Gerade war eine Frau mit Kopftuch bei ihnen und hat die Hand hingehalten.

Quelle: Schledding
Das Phänomen ist derzeit eine Dauerbegleitung in der Innenstadt. Es wird so viel gebettelt wie schon lange nicht mehr, oft von frühmorgens vor Geschäftsöffnung bis spätabends, und oft nur im Abstand von wenigen Metern. Die Stadt bestätigt die Beobachtung: Ungewöhnlich viele Menschen aus Südosteuropa bettelten derzeit in der Innenstadt. Einschreiten könne die Verwaltung allerdings nicht: Betteln sei schließlich nicht verboten, solange niemand aggressiv auftrete, sagt ein Sprecher. Nur wenn die Rathausmitarbeiter bettelnde Personen mit kleinen Kindern anträfen, schritten sie ein.
Den Geschäftsleuten in der Innenstadt ist das nicht genug. Für sie wird das gehäufte Auftreten der Bettlerinnen inzwischen zum ernsten Problem. Martin Prenzler, Geschäftsführer der City-Gemeinschaft, sorgt sich „um die Aufenthaltsqualität der Innenstadt“. Die sinke mit der hohen Zahl der Bettler. „Wenn man auf dem Weg vom Bahnhof bis zum Kröpcke zehnmal angebettelt wird, kann man die Lust verlieren, wieder in die Innenstadt zu kommen“, sagt Prenzler. Er wünsche sich von der Stadt eine härtere Gangart, wie sie „in vergleichbaren Städten durchaus üblich“ sei. Und er fordert die Besitzer von Straßencafés auf, die Frauen anzuzeigen, wenn sie aggressiv bettelten. „Die müssen richtig merken, dass sie hier nicht erwünscht sind“, sagt Prenzler.
Nicht nur die Steuern zahlenden Geschäftsleute der Innenstadt sind verärgert. Die Bettler sind sogar Konkurrenz für die Punker, die auf einer Bank in der Bahnhofstraße Geld schnorren „Das sind doch richtige Banden“, sagt eine junge Punkerin namens Sarah. Jeden Abend würden die Frauen „mit einem fetten Mercedes“ aus der Innenstadt wieder abgeholt. Die bettelnden Frauen seien schlecht für ihre eigenen Einnahmen, weil sie die Passanten belästigten, erzählt Sarah: „Wir verscheuchen die hier.“ In der sozialen Rangordnung der Innenstadt rangieren die Südosteuropäerinnen eben ganz unten.
Woher die Häufung der um Almosen Bittenden auf einmal kommt, weiß niemand. Um Weihnachten gibt es regelmäßig einen Höhepunkt, dann ist es etwas ruhiger, ab März kommen die Bettler zurück. In diesem Jahr aber sind es auffällig viele. Mit der neuen Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren muss das nicht zusammenhängen. Dass es sich aber um organisierte Gruppen handelt, gilt als wahrscheinlich. „Zeitweise gehen Frauen in Gruppen mit bis zu fünf Personen in einer Reihe mit Bechern in der Hand die Fußgängerzone auf und ab“, berichtet Stadtsprecher Udo Möller. Mit der HAZ reden wollen die Frauen am Freitag nicht: Wortlos strecken sie ihre Arme aus, verziehen dabei das Gesicht, als hätten sie Schmerzen. Antworten gibt es nicht.
Passantin Hayedeh Adni-Azar tun die Bettlerinnen im Grunde leid - und trotzdem schimpft auch sie. Zu manchen Zeiten könne man kaum noch einen Meter gehen, ohne angesprochen zu werden, sagt sie. Geld zu geben, lohne kaum: „Das fließt doch ohnehin nicht in die Taschen der Frauen, die sind im Grunde ganz arm“, sagt die 47-Jährige aus der List und fordert: Man müsse die Hintermänner ausfindig machen.
Auch die Polizei aber kann nur darauf verweisen, das Betteln nicht verboten ist. Probleme habe es in den vergangenen Wochen nicht gegeben, berichtet ein Polizeisprecher.
Die Geschäftsleute in der Innenstadt haben zum Teil ihre eigenen Wege gefunden, mit dem Problem umzugehen. So muss ein Pächter einer Schnellimbisskette in der Nähe des Kröpcke täglich einen Mitarbeiter bereitstellen, um die bettelnden Frauen aus seinem Lokal zu vertreiben. Auch das Personal in den Cafés der Innenstadt gerät immer häufiger mit den Frauen in Konflikt. „Wir versuchen, sie zu vertreiben, weil wir nicht wollen, dass unsere Gäste draußen belästigt werden“, berichtet eine Kellnerin, die ungenannt bleiben will. Aber nicht immer ließen sich die Frauen davon beeindrucken. „Neulich hat eine auf den Tisch gespuckt.“
Die Wohnungslosenhilfe des Diakonischen Werks hat versucht, Kontakt zu den Frauen aufzunehmen. „Aber sie sind nicht bereit, mit sich reden zu lassen“, sagt Gottfried Schöne. An fehlenden Sprachkenntnissen habe das nicht gelegen. Doch handele es sich „offenbar nicht um Menschen, die aus dem Hilfesystem herausgefallen sind“, sagt Schöne. Er warnt davor, bei der Hilfsbedürftigkeit zwischen der Herkunft der Menschen zu unterscheiden. Freiwillig bettele schließlich niemand in der Innenstadt.
HAZ vom 20.03.2014, S. 16:
Rewe hilft der Tafel
Lebensmittel im Wert von 20.000 Euro übergeben
Von Mathias Klein
Rewe hat gestern Lebensmittel im Wert von 20.000 Euro an die Hannöversche Tafel übergeben. „Das ist etwas ganz Besonderes“, sagte die organisatorische Leiterin der Tafel, Katja Keßler. Üblicherweise erhält die Tafel in erster Linie leicht verderbliche Ware. „Heute haben wir viele Waren bekommen, deren Haltbarkeit noch lange nicht abläuft“, sagte Keßler. Darunter sind Nudeln, Konserven und Kekse. Das bringe Abwechslung auf dem Speiseplan der Tafelgäste. Keßler freute sich auch über frisches Obst und Gemüse. „Sonst bekommen wir nur aussortierte Ware, die nicht mehr verkauft werden kann“, erklärte sie. Helfer transportierten die Lebensmittel in fünf Lieferwagen ab. Bereits heute sollen die ersten Rewe-Spenden in Vahrenheide an Bedürftige verteilt werden.

Quelle: HAZ
Die Waren sind nach der alle sechs Monate stattfindenden Warenbörse für die norddeutschen Filialleiter im Congress-Centrum übrig geblieben und werden von den Lieferanten zur Verfügung gestellt. „Es ist uns wichtig, jeden Tag Gutes zu tun“ sagte Thorsten Ritscher von Rewe. Deshalb denke Rewe immer über besondere Aktionen für arme Menschen nach.
HAZ (Stadt-Anzeiger Süd) vom 13.03.2014, S. 2:
Ehrung für die Türöffner
Bezirksrat Mitte verleiht Bürgerpreis für Engagement in Flüchtlingsheim / Sonderpreis für Kontaktbeamten
Bei einem späten Neujahrsempfang im Neuen Rathaus hat der Bezirksrat Mitte den Bürgerpreis 2013 an drei Frauen vergeben. Inge Goßman, Kira Brack und Eva-Lena Eilert wurden für ihr ehrenamtliches Engagement im Flüchtlingswohnheim in der Rumannstraße geehrt. Zugleich überreichte Bezirksbürgermeister Norbert Gast den Sonderpreis 2013 an Werner Paetz, der als Kontaktbeamter der Polizei lange in der Oststadt und im Stadtteil Zoo tätig war.

Quelle: Gerda Valentin
Seit mehreren Jahren unterhält der katholische Sozialverband Caritas an der Rumannstraße ein Wohnheim für bis zu 65 Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten in aller Welt. Das Haus des katholischen Sozialverbandes lernte Kira Brack während eines Praktikums als Studentin der Erziehungswissenschaften näher kennen. Ehrenamtlich arbeitete sie von 2009 an weiter, gab Hausaufgabenhilfe, spielte mit den Kindern und ähnliches mehr. In deren Lage kann sie sich gut hineinversetzen, denn als Zehnjährige kam sie selbst mit ihrer Familie aus Kasachstan nach Deutschland. „Leben auf gepackten Koffern“ hieß schließlich ihre Masterarbeit. „Als Flüchtlinge leben die Menschen in existenzieller Unsicherheit und Furcht vor Abschiebung“, sagt Kira Brack. Nach einer Babypause nimmt sie gerade wieder Kontakt zu dem Wohnheim in der Rumannstraße auf, um dessen Bewohnern weiter zu helfen.
Von 2010 auf 2011 hatte auch Eva-Lena Eilert dort einen Praktikumsplatz. In ihrem Studium im Fach Soziale Arbeit machte sie an der Rumannstraße weiter, gab Hausaufgabenhilfe, half mit gezieltem Lernen vor Klassenarbeiten oder übte mit älteren Schülern das Schreiben von Bewerbungen. „Gerade in einer ungewissen Lebenssituation ist Bildung von großer Bedeutung“, bekräftigt Eva-Lena Eilert. Wenn die 24-Jährige ihr Studium demnächst abschließt, will sie ihre ehrenamtliche Arbeit in der Rumannstraße fortführen.
Einen anderen Weg nahm Inge Goßmann. „Nach meiner Pensionierung wollte ich etwas für die Allgemeinheit tun und bin außerdem politisch interessiert“, erläutert die frühere Englischlehrerin. Anfang 2012 fand sie zu dem Flüchtlingswohnheim in der Oststadt und gibt seitdem einer kleinen Gruppe Unterricht in der deutschen Sprache. Eine Schwierigkeit ist die hohe Fluktuation unter den Teilnehmern. Für Mütter mit kleinen Kindern fand sich eine Lösung, mit der sich das Ehrenamt für Inge Goßmann erweitert hat: Gemeinsam mit anderen Helfern wechselt sie nun nach Bedarf zwischen Deutschunterricht und Kinderbetreuung.
Den pensionierten Kontaktbeamten Werner Paetz kennt der Bezirksrat Mitte schon länger. Für den Polizeibereich Oststadt/Zoo beriet er bis im vergangenen Sommer das Gremium in zahllosen Sitzungen, erörterte von der Straßenbeleuchtung bis zur Fußgängerampel die Fragen der Sicherheit und sparte – falls nötig – nicht an Kritik. Ehemals Friseur und Verkäufer, kam Werner Paetz erst als „Späteinsteiger“ zur Polizei. 1997 trat er seinen Dienst bei der Polizeiinspektion Ost am Welfenplatz an. Bei allen seinen Aufgaben war er mit „Bauch und Herz“ dabei, wie er selber sagt. Das reichte vom Verkehrsunterricht in Kindergärten bis zur Situation, verwirrten älteren Menschen klar zu machen, dass sie Hilfe benötigen. Auch schlimme Nachrichten musste er manchmal überbringen.
Mit tiefer Freude nahm er vom Bezirksrat Mitte seinen Sonderpreis entgegen. „Damit sehe ich die Arbeit aller Kontaktbeamten aufgewertet“, betonte der Polizeioberkommissar außer Dienst und dankte öffentlich seiner Familie, die ihm in all den Jahren einen Rückhalt gegeben habe.
HAZ vom 13.03.2014, S. 16:
Diakonie hilft Menschen ohne Papiere
(vt). Nicht nur die Malteser Migranten Medizin versorgt seit Jahren Menschen ohne Papiere und Krankenversicherung, sondern zunehmend auch die Diakonie. Im Kontaktladen "Mecki" am Hauptbahnhof, wo an fünf Tagen die Woche eine Krankenschwester sowie einmal wöchentlich ein Arzt arbeiten, wurden 2013 von 3.662 Behandlungen 684 Menschen versorgt, die keinen Versicherungsschutz hatten. "Wir finanzieren diese Arbeit aus Spenden", sagt Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes. Häufige Probleme seien offene Wunden und Tuberkulose. Oft seien es Frauen, die aus Angst und fehlenden Möglichkeiten nicht zum Arzt gingen. Inzwischen kämen neben Wohnungslosen auch immer mehr Menschen ohne Papiere in den Kontaktladen, um sich beraten zu lassen. Mittlerweie sei dafür eine halbe Stelle eingerichtet worden. "Das Entscheidende ist, dass wir diese Menschen aus der Illegalität herausholen können. Wir gehen mit ihnen zu den Behörden, und dann bekommen sie Hilfe", so Müller-Brandes weiter. "Bei allen Herausforderungen, vor die uns die Zuwanderung stellt, sollten wir ihnen als vergleichsweise reiches Land helfen. "
HAZ vom 03.03.2014, S. 9:
Hannover sucht Eltern für Paul
Pflegekind braucht nach schwerer Zeit Zuwendung
Von Conrad von Meding
Die Stadt sucht dringend ein hannoversches Paar, das viel Liebe und Humor auch in schwierigen Zeiten mitbringt. Von diesen positiven Eigenschaften soll ein Kind profitieren, das bisher wenig Liebe und Zuwendung erfahren hat. Die Geschichte von Paul, wie die Stadt den Achtjährigen für diesen Suchaufruf genannt hat, ist kein Einzelschicksal - es gebe mehrere Kinder, für die Pflegeeltern gesucht werden. Bei Paul aber drängt es besonders.
Der Junge kommt nach Angaben der Stadt "aus sehr belasteten Lebensverhältnissen, hat viele Unsicherheiten im Umgang mit seinen leiblichen Eltern erfahren und wenig Stabilität und Kontinuität kennengelernt", wie die Sozialbehörde vorsichtig formuliert. Man ahnt, was das Kind durchgemacht hat. Es lebt derzeit in einer sogenannten Inobhutnahmestelle, soll fremden Menschen gegenüber eher misstrauisch sein und teste seine Gegenüber auf ihre Glaubwürdig- und Beständigkeit. Paul geht in die zweite Klasse einer Grundschule und soll in eine Pflegefamilie vermittelt werden.
Wegen der schweren Vergangenheit von Paul sucht die Stadt ausdrücklich Paare, die in einer stabilen Beziehung leben und deren eigene Kinder älter als acht Jahre sind. Sie müssen viel Zeit für den Jungen aufbringen können, sollten möglichst über pädagogische Erfahrungen verfügen und sich therapeutischen Gesprächen stellen.
Wer als Pflegeperson Kinder wie Paul betreuen möchte, bekommt Informationen bei Elfriede Lorenz unter der E-Mail-Adresse 51.23.4KSD@hannover-stadt.de von der städtischen Abteilung Pflegekinderdienst und Adoptionen im Jugendamt.
HAZ (Stadt-Anzeiger Süd) vom 27.02.2014, S. 1:
DRK-Shop sucht dringend Bekleidung
Kindersachen sind rar
Von Laura Kettler
DÖHREN-WÜLFEL. Der DRK-Ortsverein Döhren-Wülfel sucht dringend gut erhaltene Kleidung für Erwachsene und Kinder. Er bittet besonders um Kleiderspenden für Kinder in Größe 74 bis 164. Der DRK-Shop wird häufig von kinderreichen Familien besucht, die auf die Kleidung aus dem Secondhand-Laden angewiesen sind. Die Kleidung dort können Bedürftige gegen eine Spende erwerben.
Der Vorsitzende des DRK-Ortsvereins Döhren-Wülfel Arno Kirse bedauert, dass viele Leute immer den kürzesten Weg gehen – den zum Kleidercontainer. „Wir sind wirklich sehr eng ausgestattet“, sagt Arno Kirse. Er fordert, die Kleidung an den DRK zu geben, „weil wir den direkten Kontakt zu den Leuten haben.“
Ungefähr 140 bis 150 Leute stehen jede Woche vor der Tür des DRK-Ortsvereins, um Lebensmittel abzuholen. Etwa ein Viertel davon geht auch in die Kleiderkammer. Der Ortsverein ist für Anwohner aus Hannover-Mittelfeld und den umliegenden Stadtbezirken gedacht. Die Einkommensverhältnisse müssen durch einen behördlichen Nachweis belegt werden.
Wer gut erhaltene Kinder- oder Erwachsenenkleidung spenden möchte, kann diese montags und donnerstags von 18 bis 20 Uhr im Secondhand-Shop im Musäusweg 1 in Mittelfeld abgeben. Wer bedürftig ist, kann dienstags und freitags von 10.30 Uhr bis 13 Uhr die Lebensmitttelausgabe und die Kleiderkammer besuchen.
Ehrenamtliche Mitarbeiter und Spenden ermöglichen diese Einrichtungen. Für weitere Informationen zum Secondhand-Shop oder zur ehrenamtlichen Mitarbeit können Interessierte Arno Kirse vom Ortsverein unter der E-Mail-Adresse kirse@drk-hannover.de erreichen.
NP vom 26.02.2014, S. 13:
Obdachloser (45) zum zweiten Mal in Straßenunterführung überfallen
Von Britta Mahrholz
HANNOVER. Zwei Überfälle, ein Opfer: Ein 45-jähriger Obdachloser ist am Sonnabend in der Straßenunterführung Waterloostraße (Calenberger Neustadt) innerhalb von acht Monaten zum zweiten Mal von Unbekannten misshandelt worden. Die beiden Täter traktierten den Mann gegen 17.30 Uhr mit Tritten und Schlägen. Bereits am 16. Juni 2013 war das Opfer von einem fünfköpfigen Schlägertrupp vermöbelt worden. Ein 25- und ein 47-Jähriger, die damals dabei gewesen sein sollen, wurden erst vergangene Woche vor Gericht freigesprochen - der Geschädigte konnte sie nicht zweifelsfrei identifizieren (NP berichtete). Am Sonnabend waren es zwei etwa 20 Jahre alte Männer, die den Obdachlosen malträtierten. Ein Zeuge (29) kam auf die Gruppe zu und verscheuchte das Schläger-Duo. Die Gesuchten sind 1,75 bis 1,80 Meter groß, haben dunkle, kurze Haare, sind vermutlich südländischer Herkunft und trugen Jeans. Ein Täter hatte bunte Oberbekleidung an. Hinweise an die Polizei unter Telefon 0511/1093920.
HAZ vom 20.02.2014, S. 13:
Schneller Freispruch für vermeintliche Räuber
Obdachloser wurde in Waterloo-Unterführung mit Baseballschläger traktiert – doch dann identifiziert er die Falschen
Von Michael Zgoll
Viel kürzer kann ein Landgerichtsprozess kaum sein, nach zwei Stunden war alles vorbei. Vor der 2. Großen Strafkammer verantworten mussten sich gestern zwei Männer, die im vergangenen Sommer einen Obdachlosen nahe dem Waterlooo-Biergarten mit einem Baseballschläger traktiert und ausgeraubt haben sollen. Doch die Vernehmung des Opfers war für die Anklage ein Desaster, das Verfahren endete für die vermeintlichen Täter mit einem doppelten Freispruch.

Das Opfer, ein 45-jähriger Litauer, verstrickte sich bei der Identifizierung seiner angeblichen Peiniger in heillose Widersprüche, wurde mit Täterbeschreibungen aus früheren Vernehmungen konfrontiert, die mit den zwei Rumänen auf der Anklagebank nichts zu tun hatten. Die Konsequenz: Der Vorsitzende Richter Frank Rosenow brach die Befragung ab. Der Staatsanwalt nannte die Zeugenaussage „überraschend“, forderte für die Angeklagten ebenso wie deren Verteidiger Dieter Adler und Mario Venter einen Freispruch. Eine halbe Stunde später kam die Kammer diesen Anträgen nach.
Der Überfall in der Unterführung zwischen Archivstraße und Waterlooplatz hatte im Vorjahr ob seiner Brutalität Aufsehen erregt. Vier Männer und eine Frau, so die Aussage des Opfers, seien in einer Juninacht frühmorgens um 5 Uhr über ihn hergefallen, hätten ihn im Schlaf überrascht. Die Täter prügelten auf den Straßenmusiker ein, raubten ihm seine Börse mit einem zweistelligen Geldbetrag und seine Gitarre. Der dem Vernehmen nach alkoholisierte Mann wurde wegen seiner Gesichtsverletzung in einem Krankenhaus behandelt, mochte sich aber nicht stationär aufnehmen lassen.
Zwei Männer, nicht älter als 40, hatte der Obdachlose erkannt. Die Polizei gab auf der Basis seiner Aussagen einen Fahndungsaufruf heraus, in dem davon die Rede war, dass einem der Täter ein Finger fehlt und der andere an seinen rotblonden Haaren zu erkennen sei. Die anderen männlichen Räuber konnte das Opfer nicht beschreiben.
Die beiden Rumänen auf der Anklagebank waren 25 und 47 Jahre alt. Ein Finger fehlte keinem von ihnen, rotblond waren sie ebenso wenig. Eine schiefe Nase schrieb das Opfer dem falschen Mann zu; auch die Angaben, das einer der Täter 1,80 Meter groß und 90 Kilo schwer sei, sorgten eher für Irritationen: Der damit gemeinte Angeklagte wirkte eher wie ein Fliegengewicht. Dabei hatte dieser Rumäne mit den Angaben zur eigenen Person zunächst auch keine gute Figur gemacht. Er tischte dem Gericht ungefähr fünf verschiedene Versionen auf, seit wann er – oft obdachlos und früher als Gelegenheitsarbeiter in Frankreich beschäftigt – überhaupt in Deutschland oder in Hannover weilte.
Demgegenüber schien sich das Opfer im Zeugenstand seiner Sache zu Beginn sehr sicher zu sein. Er habe in der russischen Armee als Fallschirmjäger in Afghanistan gedient, erzählte der Litauer. Wäre er bei dem Überfall nicht durch seinen Schlafsack gehandicapt gewesen, hätte er die Angreifer sicher in die Flucht geschlagen. Fünf Minuten später vergoss der angeblich so harte Elitesoldat aber Tränen: Die Täter hätten ihm neben Geld und Gitarre auch eine Kinderzeichnung weggenommen, die ihm ein von seiner Musik begeistertes Mädchen geschenkt habe.
Verhaftet worden waren die beiden Angeklagten im November 2013. Damals begegneten sie dem Opfer des Überfalls im Obdachlosentreffpunkt „Dach überm Kopf“ (DüK) der Caritas, waren von ihm in der Lavesstraße als vermeintliche Täter erkannt und angezeigt worden. Seitdem saßen sie in Untersuchungshaft, hatten aber stets ihre Unschuld beteuert. Nun erwartet die Rumänen als Entschädigung für dreieinhalb Monate Untersuchungshaft jeweils ein Betrag von mehr als 2.500 Euro – ein Sümmchen, das sie sicher gut gebrauchen können. Ob sie sich aber noch lange in der Stadt Hannover aufhalten werden, darf man getrost bezweifeln.
HAZ vom 18.02.2014, S. 12:
Obdachlose zahlen 3,55 Euro pro Nacht
Stadt fordert Beiträge auch für Kinder, setzt aber niemanden auf die Straße Neuregelung angedacht
Von Gunnar Menkens
Es ist, auch nach Maßstäben der Kommunalpolitik, noch nicht allzu lange her, seit der Rat beschloss: Obdachlose, die in kommunalen Wohnungen, Heimen oder Containern untergebracht sind, müssen dafür zahlen. 3,55 Euro pro Bett und Nacht. Das war im März 2012. Der Satz gilt für Deutsche, für zugewanderte EU-Bürger wie Rumänen und Bulgaren, und er gilt auch für deren Kinder.
Jetzt diskutieren Politiker, ob man zumindest für Kinder eine neue Regelung einführen sollte. Damit sollen Armutseinwanderer, oft rumänische Familien mit vielen Kindern, nicht über Gebühr belastet werden. Ein Paar mit zwei Kindern kommt mit der Gebühr auf Kosten von mehr als 400 Euro monatlich. Gudrun Koch, sozialpolitische Sprecherin der SPD, sagte am Montag: „Man sollte darüber nachdenken, für Familie eine Pauschale einzuführen oder den Satz für Kinder zu verringern.“
Die Unterbringung von 850 Obdachlosen, 150 von ihnen sind Rumänen und Bulgaren, hat die Stadt zuletzt 2,9 Millionen Euro jährlich gekostet. Ein Viertel bekam die Verwaltung zurück – 710.000 Euro. Im Rathaus wies ein Sprecher gestern darauf hin, dass das Baudezernat keinen harten Kurs fahre, wenn Bewohner das Geld nicht aufbringen können: „Wer nicht zahlt, bekommt einen Gebührenbescheid und eine Mahnung. Aber wir setzen keine Zwangsmittel ein.“ Was bedeutet: Hannover wirft Obdachlose nicht auf die Straße. Nach Angaben der Stadt bekommt die Verwaltung drei Viertel der ausstehenden Gebühren dennoch zurück, oft zahlt das Jobcenter.
Der Satz für Unterkünfte ist seit beinahe zehn Jahren stabil. Für die CDU gibt es keinen Grund, etwas zu ändern. „Die Stadt stellt eine Leistung zur Verfügung, dafür nimmt sie eine Gebühr, die bei Weitem nicht die Kosten deckt.“ Derzeit ist die Stadt verstärkt gefordert, rumänischen Familien in Containern unterzubringen, weil Wohnungen fehlen. Ausnahmen für diese Zuwanderer lehnt der Christdemokrat ab. „Durch das Kindergeld haben diese Familien Einkommen.“ Seidel forderte die SPD-geführten Landesregierungen auf, Hannover bei der Unterbringung zu helfen. Das Verhalten der Stadt letztlich niemanden hinauszuwerfen, hält Grünen-Fraktionschef Lothar Schlieckau für richtig. Er sagte, die Verwaltung müsse „den Einzelfall prüfen, das Bezahlbare einfordern, aber kulant handeln“. Neue Gebühren hält Schlieckau für überflüssig.
HAZ vom 15.02.2014, S. 6:
Leiche liegt monatelang auf Hochsitz
54-Jähriger hatte seit April keine Wohnung mehr
Von Gabriele Schulte
Osterode. Ein wohnungsloser Mann auch Osterode hat mindestens seit dem vergangenen Sommer tot auf einem Hochsitz gelegen. Wie ein Sprecher der Polizeiinspektion Northeim/Osterode am Freitag sagte, starb der 54-Jährige dort womöglich sogar schon Ende April 2013. Ein Jogger habe die mumifizierte Leiche entdeckt, als er – abweichend von seiner üblichen Laufrunde – von einem Waldweg aus eine Abkürzung nehmen wollte. Der Hochsitz stehe 100 Meter vom befestigten Wanderweg zur Hanskühnenburg entfernt versteckt hinter Bäumen.
Die Leiche sei bereits am 31. Januar gefunden worden, als noch Schnee lag. Der Tote lag rücklings auf dem Hochsitz, die Füße auf einer der oberen Leitersprossen. Die mittlerweile abgeschlossene Obduktion ergab keine Hinweise auf Fremdverschulden, aber auch keine auf Suizid. Denkbar sei, dass der als alkoholkrank bekannte Mann auf dem Hochsitz übernachten wollte und dort einem Herzinfarkt erlag, sagte der Polizeisprecher. „Er hatte eine Wohnung im April aufgegeben, nachdem er sich wegen Mietschulden mit dem Vermieter zerstritten hatte.“ Das letzte Lebenszechen gab es am 26. April 213. An dem Tag sei der Mann bei der Polizei wegen eines Ladendiebstahls und wegen Sachbeschädigung in der Wohnung befragt worden. „Seitdem verliert sich die Spur.“ An die Stadt habe sich der Wohnungslose offenbar nicht wegen einer neuen Bleibe gewandt.
Niemand habe den Thüringen stammenden 54-Jährigen vermisst gemeldet, der seit rund zwei Jahren in einem Ortsteil von Osterode lebte. „Seine Schwester dachte, er macht mal wieder eine Entziehungskur.“ Bei der Obduktion seien Ausweispapiere des Mannes gefunden worden, und sicherheitshalber sei zusätzlich DNA entnommen worden. Dass ein Hochsitz über viele Monate nicht von Jägern genutzt wird, sei nach Auskunft eines örtlichen Försters kein Einzelfall, berichtet der Polizeisprecher: dann nämlich, wenn das Wild neuerdings andere Stellen bevorzugt. So war es erst der Jogger, der durch unberührten Schnee zu dem Hochsitz lief – und nach de grausigen Fund sofort die Polizei alarmierte.
HAZ vom 11.02.2014, S. 12:
Grüne: Keine Zwei-Klassen-Unterbringung
Bedingungen für Flüchtlinge sollen auch für Obdachlose gelten / Roma-Familien haben Turnhalle verlassen
Von Andreas Schinkel
Der Ausbau einer ehemaligen Förderschule zur Notunterkunft für bis zu 150 Obdachlose hat in der hannoverschen Ratspolitik zwiespältige Reaktionen ausgelöst. Einerseits sehen die Parteien ein, dass sich die Stadt vorbereiten muss auf mögliche Zuwanderer aus Südosteuropa, die in Hannover keine Bleibe finden. Andererseits befürchten die Ratspolitiker, dass am Burgweg eine Massenunterkunft für wohnungslose Roma-Familien entstehen könnte. Denn ein paar Schritte von der Förderschule entfernt stehen bereits Wohncontainer, in denen Zuwanderer einquartiert sind. "Die Bedingungen für Obdachlose dürfen nicht schlechter sein als die für Flüchtlinge", sagt Grünen-Sozialpolitikerin Kathrin Langensiepen. Eine "Zwei-Klassen-Unterbringung" müsse vermieden werden.
Die Forderung der Grünen hat weitreichende Konsequenzen. Denn für die Unterbringung von Flüchtlingen, die aus Ländern außerhalb der EU kommen und in Deutschland Asyl beantragen, hat der Rat kürzlich neue Standards beschlossen. So dürfen nur bis zu 50 Flüchtlinge unter einem Dach leben. „Massenunterkünften“ erteile man damit eine Absage, hieß es zur Begründung. Für zugewanderte Roma-Familien, die in Hannover keine Bleibe finden, gilt die neue Vorschrift nicht. Denn sie sind keine Flüchtlinge, sondern EU-Bürger, die volle Freizügigkeit genießen. Insofern verstößt die Stadt auch nicht gegen ihre eigenen Standards, wenn sie die ehemalige Paul-Dohrmann-Schule im Burgweg komplett belegt. Würde man aber für obdachlose Südosteuropäer denselben Maßstab bei der Unterbringung anlegen wie für Flüchtlinge, wären die Kapazitäten in der ehemaligen Förderschule auf 50 Plätze begrenzt.
Das gesamte Konzept der Obdachlosenunterkunft sei „mit der heißen Nadel gestrickt“, sagt CDU-Fraktionschef Jens Seidel. Letztlich befänden sich Förderschule und Wohncontainer am Burgweg in einer Randlage. „Wir brauchen einen integrativen Standort“, sagt Seidel. Oberbürgermeister Stefan Schostock (SPD) müsse in einen Dialog mit den Bürgern treten, um über die Frage der Unterbringung zu diskutieren. „Der Stadtteil Burg ist gebeutelt“, sagt auch FDP-Fraktionschef Wilfried Engelke. Als Notunterkunft sei ein Klassenzimmer aber immer noch besser als eine Turnhalle. Damit spielt Engelke auf die Sporthalle in der Wörthstraße an, in der 27 Mitglieder von Roma-Familien untergebracht waren. Nach Informationen der HAZ steht die Halle jetzt leer, denn ein Teil der Südosteuropäer fand mithilfe der Stadt neue Wohnungen. Ein anderer Teil der Roma ist in die Containersiedlung an der Alten Peiner Heerstraße gezogen.
Die Unterbringung in der Turnhalle hatte im vergangenen Jahr Aufsehen erregt. Ärzte der Caritas schlugen Alarm, weil sie das Domizil in schlechter Erinnerung hatten. 2012 quartierte die Stadt schon einmal obdachlose Zuwanderer in der Sporthalle ein. Nach einiger Zeit waren die hygienischen Zustände katastrophal, Hepatitis brach aus, sodass die Gesundheitsbehörde die Halle schloss.
„Eine Turnhalle ist kein Baustein für eine konzeptuelle Unterbringung“, sagt Caritas-Chef Andreas Schubert. Er hofft, dass die Stadt die Roma in ihren neuen Wohnungen nicht allein lässt. „Das neue Umfeld erfordert Begleitung“, sagt Schubert.
HAZ vom 10.02.2014, S. 9:
Förderschule wird Obdachlosenheim
Paul-Dohrmann-Schule in Burg soll als Unterkunft dienen / Schröder-Köpf hat Bedenken
Von Andreas Schinkel
Die Stadt Hannover bereitet sich auf eine steigende Zahl von obdachlosen Zuwanderern aus Südosteuropa vor und baut eine ehemalige Förderschule zur Notunterkunft aus. Nach Informationen der HAZ sollen bis zu 150 Menschen in den ehemaligen Klassenzimmern der Paul-Dohrmann-Schule im Stadtteil Burg einquartiert werden. Handwerker stellen derzeit Betten auf und richten die Räume her. Gleich nebenan gibt es bereits eine Obdachlosenunterkunft, in der Roma-Familien leben. Die Containeranlage wurde erst kürzlich mit zusätzlichen Wohnmodulen aufgestockt, sodass dort schon jetzt Platz für mehr als 60 Menschen ist.
Vereinssportler, die die ehemalige Turnhalle der Förderschule nutzen und die räumlichen Gegebenheiten kennen, befürchten nun soziale Konflikte und haben Niedersachsens Integrationsbeauftragte Doris Schröder-Köpf (SPD) um Stellungnahme gebeten. „Grundsätzlich sollten dort nicht so große Gruppen von obdachlosen Zuwanderern zusammen untergebracht werden“, sagte Schröder-Köpf der HAZ. Auf der anderen Seite könne die Stadt nicht vorhersehen, wie viele Zugewanderte künftig Hilfe benötigten. „Da kann es passieren, dass kurzfristig mehr Menschen zusammengelegt werden müssen“, sagt sie. Letztlich dürfe die Stadt keine Familie auf der Straße stehen lassen.

Quelle: Archiv der HAZ
Die Sozialdemokraten im Rat bleiben gelassen. Zwar gebe es das ehemalige Schulgebäude her, dort bis zu 150 Menschen unterzubringen, sagt Fraktionsvize Thomas Hermann. „Aber die Stadt würde eine Komplettbelegung nicht als Dauerlösung zulassen.“
Die Stadtverwaltung selbst gibt sich zugeknöpft. Sie bestätigt lediglich, dass die Schule derzeit als „Notfallunterkunft“ hergerichtet wird. Zahlen zu den Kapazitäten will man aber nicht nennen, und noch sei dort niemand einquartiert. „Wir werden einen gewissen Standard einhalten und die Menschen gut unterbringen“, versichert Stadtsprecher Alexis Demos. Keinesfalls wolle man ein „Lager“ in den Räumen der ehemaligen Paul-Dohrmann-Schule errichten.
Damit folgt die Stadt der von Oberbürgermeister Stefan Schostock (SPD) vorgegebenen Linie. Wo Not ist, werde man helfen, hatte er zugesichert. Aber zugleich werde man keine Anreize schaffen. Daher hält sich die Stadt jetzt bedeckt, wenn es um die Unterbringungsmöglichkeiten für obdachlose Zuwanderer geht. Sollte es sich in den Heimatländern herumsprechen, dass hier Unterkünfte vorgehalten werden, kämen immer mehr Menschen, heißt es hinter vorgehaltener Hand im Rathaus.
Jedoch ist die Zahl der Zuwanderer aus Südosteuropa in Hannover seit dem 1. Januar „nicht signifikant“ angestiegen, wie Stadtsprecher Demos berichtet. Man wolle aber vorbereitet sein und deshalb die Notunterkunft im Burgweg einrichten.
Der Deutsche Städtetag hatte befürchtet, dass es in diesem Jahr deutlich mehr Rumänen und Bulgaren, die in ihrer Heimat in bitterarmen Verhältnissen leben, in deutsche Städte zieht. Denn ab dem 1. Januar gilt für die beiden EU-Länder die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Eine Reisewelle nach Deutschland ist bisher ausgeblieben. Doch schon jetzt haben Städte wie Dortmund, Berlin und auch Hannover alle Hände voll zu tun, obdachlosen Roma-Familien ein Dach über dem Kopf zu geben und sie zu integrieren.
HAZ vom 10.02.2014, S. 10:
Zwei Feuer in Wohnheimen gelöscht
Von Jörn Kießler
Zwei Unterkünfte haben am Sonntag in Hannover und Gehrden gebrannt. In Gehrden handelte es sich um ein Gebäude für Obdachlose, im hannoverschen Stadtteil Misburg um ein Flüchtlingswohnheim.
In Gehrden retten die Brandschützer nach Angaben der Feuerwehr drei Männer und eine Frau aus dem Feuer. Einer der Männer musste mit einer Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Gegen 17.45 Uhr war in dem Haus auf dem Gelände am Bünteweg aus bisher ungeklärter Ursache das Feuer ausgebrochen. Da die Feuerwache nur wenige Meter entfernt ist, waren die Einsatzkräfte binnen Minuten am Brandort. Meterhoch loderten die Flammen aus dem Gebäude. Trotzdem brachte die Feuerwehr das Feuer schnell unter Kontrolle.

Quelle: Dillenberg
Am Sonntagmorgen brannte es in dem Flüchtlingswohnheim „Sleep in“ in Misburg-Nord. Ein Rauchmelder alarmierte gegen 7.30 Uhr den Wachmann in dem Gebäude an der Deurag-Nerag-Straße. Als die Rettungskräfte eintrafen, hatte der Mann bereits alle 26 Bewohner ins Freie gebracht. Die Einsatzkräfte löschten daraufhin den Brand, der in der Küche des Hauses ausgebrochen war. Verletzt wurde bei dem Feuer niemand.
HAZ vom 06.02.2014, S. 15:
Hoffen auf die zweite Chance
Manche Jugendliche hatten bislang kaum Aussicht auf einen Ausbildungsplatz - vor allem wenn sie straffällig geworden sind. Das ändert sich jetzt langsam. Denn Lehrlinge werden dringend gesucht.
Von Bernd Haase
Der Küchenbereich der Kulturwerkstatt Süd des diakonischen Werkes in der Kleefelder Hölderlinstraße ist zweigeteilt. Links schnippeln junge Männer und Frauen Möhren, Zwiebeln und Paprika; rechts hantieren andere mit Pfannenwendern und Rührlöffeln. Es geht geschäftig zu, der Auslieferungstermin für den Cateringdienst rückt näher. Auf dem Speiseplan stehen heute wahlweise Schweinelachsbraten mit Mischgemüse und Kartoffelgratin oder Eblygemüsepfanne. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man denken, die Kulturwerkstatt Süd sei eine normale Großküche. Ist sie aber nicht, und das liegt am Personal. Hier arbeiten einige junge Leute, die in ihrem Leben Mist gebaut haben. Und die nun lernen, was man an praktischen Fähigkeiten und sogenannten Sekundärtugenden - also Dinge wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit - mitbringen muss, wenn man eine zweite Chacne bekommen will. Einen Ausbildungsplatz.
Einer wie Dennis Guretzke hätte sich vor drei, vier Jahren gar nicht erst bewerben müssen. Der schmächtige junge Mann mit dem kurz geschorenen Haar saß im Gefängnis, verurteilt wegen Einbruchsdiebstahls. Für Ausbildungsbetriebe und Lehrmeister war ein derartiger Makel im Lebenslauf ein Ausschlusskriterium, es gab ja gneug Bewerber für Lehrstellen. Inzwischen hat sich der Markt gedreht. Immer häufiger können Betriebe ihre Ausbildungsplätze nicht mehr besetzen, weil es zu wenige oder zumindest zu wenig geeignete Asprianten gibt. Dies, so die Theorie, führt dazu, dass Betriebe nicht mehr nur auf Zeugnisse und Lebenslauf gucken, sondern auch Bewerber zum Vorstellungsgespräch bitten, auf die sie sich früher nicht eingelassen hätten. "In der Praxis hat sich dieser Gedanke noch nicht überall durchgesetzt", sagt Ingelore Holz, Geschäftsführerin der Werkstätten Stadtkirchenverband Hannover. Dort läuft das Projekt Perspektivwechsel, das straffällig gewordenen Jugendlichen einen neuen Anfang ermöglichen soll.

Dennis Guretzke hat mindestens eine Eigenschaft an den Tag gelegt, die moderne Arbeitgeber schätzen: Flexibilität. "Ich bin nach Hannover gekommen, weil es hier viele Betriebe gibt, und weil es eine große Stadt ist, in der mich niemand kennt. Das ist gut für einen zweiten Start", sagt der 21-Jährige, der in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern geboren ist und den es danach nach Peine, Greven (bei Münster) und Nordhorn verschlagen hat - Kleinstädte, in denen man als Heranwachsender Langeweile schieben und auf dumme Gedanken kommen kann.
Guretzke, dessen Eltern sich getrennt haben der früh in seinem Leben den familiären Halt verlor, erzählt seine Geschichte frank und frei, ohne dabei die Augen zu senken: Wie er an Kumpels geriet, von denen er im Nachhinein sagt, es seien "die falschen Leute gewesen". Wie er, um "zu beweisen, dass man mithalten kann und dazugehört", Dinge tat, die man besser lässt. Und wie das Ganze dann dazu führte, dass er Gefahr lief, sein Leben zu verpfuschen.
In Guretzkes Clique wurde gekifft, in Läden geklaut. Als man ihn erwischte, bekam er Sozialstunden im Tierpark Nordhorn aufgebrummt. "Ich musste die Drecksarbeit leisten, die die angestellten Mitarbeiter nicht machen wollten", sagt er. Mit 18 Jahren war er obdachlos, lebte in einer Unterkunft, wo er aber nach eigenen Angaben "mit den Alkis nicht klarkam". Er landete auf der Straße. Damals hatte er einen gesetzlichen Betreuer, der, so schildert es Guretzke, seine Tätigkeit eher nachlässig ausübte, sodass es zu einer Sperre von Hartz-IV-Leistungen kam. Mit einem Bekannten ist er dann in das Büro des Betreuers eingestiegen; sie stahlen Geld und Elektrogeräte. "Es war ein Racheakt", sagt Guretzke. Die Sache flog auf, das Gericht schickte ihn für 14 Monate in die Jugendanstalt Hameln. Dort wurde er Ende vergangenen Jahres nach acht Monaten wegen guter Führung vorzeitig entlassen.
"Wir dürfen keinen aufgeben", lautet das Credo von Vertretern der Jobcenter oder der Jugendhilfe, wenn es um Jugendliche mit Brüchen im Lebenslauf geht. Deshalb gibt es Einrichtungen wie die Werkstätten des Stadtkirchenverbandes in Kleefeld und in Linden, die sich um "bisher prspektivlose Jugendliche und Heranwachsende kümmern", wie Geschäftsführerin Ingelore Holz sagt. Dazu zählen auch Jugendliche, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Gemäß ihren Fähigkeiten bekommen sie soziales Training und praktische Ausbildung. In Kleefeld sind die Fachbereiche Veranstaltung, Gastronomie, Einzelhandel und Büromanagement angesiedelt,
Es geht nicht um graue Theorie, sondern um handfeste Praxis. Die Werkstätten betreiben einen Cateringdienst und einen täglichen Mittagstisch für Senioren im Veranstaltungsraum, in dem sie auch bei Hochzeiten oder Betriebsfeiern auftischen.
Dort ist nun Dennis Guretzke gelandet, der weder Auto noch Handy besitzt, dafür aber eine Wohnung in der Jugendwerksiedlung in Misburg bekommen hat. In seiner Freizeit angelt er. "Eigentlich habe ich alles, was ich zum Leben brauche", sinniert er - wenn da nicht die Sache mit dem Ausbildungsplatz wäre. Rund 50 Bewerbungen hat er geschrieben, nicht ein einziges Mal ist er überhaupt zum Vorstellungsgespräch vorgelassen worden. Dabei ist es nicht so, dass er gar nichts vorweisen kann: Er hat einen Hauptschulabschluss, ein Berufsgrundbildungsjahr und ein Praktikum in einer Nordhorner Autowerkstatt als Fahrzeuglackierer absolviert. Er sagt von sich, dass er schnell lerne, ordentlich und selbstständig arbeiten könne. Die Sozialarbeiterin Agnes Jaskolowski, die ihn betreut, nicht zustimmend.
Dennis Guretzke würde am liebsten eine Ausbildung als Maler und Lackierer beginnen, wäre aber auch für alle anderen Berufsbereiche offen. Er fände es sehr schön, wenn ein Ausbildungsbetrieb sich tatsächlich für den heutigen Dennis Guretzke interessieren würde und nicht für den, dem bisher vieles misslang. Bis Ende August muss sich entscheiden, ob der Perspektivwechsel funktioniert. So lange läuft für ihn das Projekt. Die Vermittlungsquote der Werkstäten liegt nach Angaben von Ingelore Holz bei 40 Prozent.
HAZ vom 03.02.2014, S. 3:
Jede Woche drei tote Kinder
Die Rechtsediziner Saskia Guddat und Michael Tsokos beklagen das alltägliche Versagen des deutschen Kinderschutzsystems - und fordern Konsequenzen
Von Gabi Stief
Berlin. Yagmur wurde drei Jahre alt. Weihnachten stand vor der Tür, als sie qualvoll an inneren Blutungen und einer zerrissenen Leber in einer Sozialwohnung in Hamburg-Billstedt starb. Der kleine Körper war übersät mit Blutergüssen, die überschminkt waren, als die Rettungskräfte eintrafen. Der 25 Jahre alte Vater soll Yagmur totgeschlagen haben. Die 26 Jahre alte Mutter hat vermutlich weggeschaut.

Yagmur ist nicht der erste Fall von Kindesmisshandlung, der in den vergangenen Jahren öffentlich wurde. Auch Chantal, Jessica, Kevin oder Michel wurden berühmt, als es bereits zu spät war. Jede Woche sterben laut Polizeistatistik drei Kinder, weil sie in der eigenen Familie geschlagen, erniedrigt und gequält wurden. In vermüllten Wohnungen im Problemviertel oder in der Villa am Stadtrand. Etwa 70 Kinder werden jede Woche schwer misshandelt, aber überleben. Wohlgemerkt: ohne Berücksichtigung der Dunkelziffer.
Die Täter werden selten belangt. „Es ist immer das Gleiche“, sagt die Berliner Rechtsmedizinerin Saskia Guddat. „Weil nicht geklärt werden kann, ob der Vater oder die Mutter zugeschlagen hat, kommen beide frei.“ Wenn niemand verurteilt wurde, schickt das Familiengericht das Kind zurück zu seinem Peiniger. Besser wird meist nichts. „Sie hören nicht auf. Es sind Serientäter“, sagt Guddat.
Saskia Guddat kennt sich aus. Sie wird nicht nur zur Leichenschau gerufen, sondern auch in die Notaufnahme, wenn Klinikärzte bei der Versorgung verletzter Kinder stutzig werden. Sie erkennt, ob ein Kind vom Sofa gefallen ist oder geschlagen wurde. Sie kann sagen, ob der Hund oder die Mutter den Säugling gebissen hat – und ob die Brandwunde auf der Wange von einer ausgedrückten Zigarette stammt.
Weil sie es nicht mehr ertragen wollte, dass viele wegschauen, wenn Eltern prügeln, hat sie gemeinsam mit dem renommierten Leiter der Rechtsmedizin an der Charité in Berlin, Michael Tsokos, ein Buch über ihren Berufsalltag geschrieben. Es ist die erschütternde Klageschrift gegen ein System, das Kinderschutz verspricht, aber Tag für Tag versagt. „Es ist ungewöhnlich, dass jemand in diesem System aufsteht“, sagt Tsokos. „Aber wir wollen die Familienpolitiker und viele andere wachrütteln.“
Zum System gehören die Behörden, die das Kindeswohl schützen sollen. Yagmur wurde seit ihrer Geburt von verschiedenen Jugendämtern betreut. Zeitweilig wohnte sie bei einer Pflegefamilie. Im August vergangenen Jahres kam sie zurück zu den leiblichen Eltern, auf Wunsch der Mutter und mit Zustimmung einer Familienrichterin. Dabei hatte der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel die kleine Yagmur bereits im Januar 2013 aufgrund „massiver Verletzungen“ an Kopf und Bauch für „hochgradig gefährdet“ erklärt. Püschel erstattete Anzeige; doch die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein – wenige Wochen später starb Yagmur.
„In allen bekannten Todesfällen waren Jugendämter längst in den Familien gewesen“, sagt Tsokos. „Die Kinder sterben unter den Augen der Wächter.“ In ihrem Buch schildern die beiden die Tricks der Eltern, mit denen Familienhelfer getäuscht werden. Mal wird der Sozialarbeiterin ein anderes gesundes Kind vorgeführt, während das Sorgenkind im Keller verhungert. Ein anderes Mal werden die Kinder regelmäßig mit Medikamenten ruhiggestellt und ins Bett gelegt, wenn ein Kontrollbesuch ansteht.
Es funktioniere, so meinen die beiden Mediziner, weil „das System“ fehlerhaft sei. Die schlecht bezahlten Familienhelfer sind häufig jung und unerfahren. Die Verbände, die sich im Auftrag der Jugendämter um die Familien kümmern, sind finanziell abhängig von den Ämtern. Wer die Empfehlung ausspricht, ein Kind aus der Familie zu nehmen, riskiert, seinen Auftrag zu verlieren. Zudem ist die Inobhutnahme eine teure Variante, die das Jugendamt aus Kostengründen gern vermeidet.
Saskia Guddat und Michael Tsokos fordern eine bessere Schulung der Kinderschützer. Sie plädieren für Gewaltschutzambulanzen, die jederzeit als versierte Ansprechpartner helfen, und eine verpflichtende Leichenschau für jedes tote Kind. Sie wünschen sich von der Familienministerin eine Agenda für die nächsten Jahre. Die Reformen der vergangenen Jahren seinen nur Flickschusterei gewesen, sagt Tsokos.
Doch wie erklärt er sich das Wegschauen? „Wir wollen nicht wahrhaben, dass nicht der „Schwarze Mann“, sondern die Eltern die Gefährlichen sind.“ Die Familie sei noch immer heilig. Dabei gehe es nicht um den Klaps auf den Po. Er habe Kinder kennengelernt, die geschüttelt wurden, bis sie blind waren. Er habe Kinder untersucht, die so geschlagen wurden, dass sie nie im Leben einen Schulabschluss schaffen werden. „Das Einzige, was sie zu Hause lernen, ist Gewalt.“ Aus den Opfern, die überlebten, würden dereinst oft selbst Täter.

Die Eltern von Yagmur sitzen seit Dezember in Untersuchungshaft. Die Hamburger Jugendhilfeinspektion kommt in einem internen Prüfbericht zu dem Ergebnis, dass die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamts „gegen anerkannte Grundsätze guter Sozialarbeit“ verstoßen habe. „Der Tod des Mädchens geht uns allen sehr nahe, und wir wollen gemeinsam allen daransetzen, den tragischen Fall restlos aufzuklären“, erklärte der Leiter des zuständigen Bezirksamts im Dezember. Ein Satz, den die beiden Rechtsmediziner Tsokos und Guddat schon sehr oft gehört haben.
Literatur-Tipp: Saskia Guddat und Michale Tsokos: „Deutschland misshandelt seine Kinder“, 256 Seiten, Droemer Verlag, 19,99 Euro.
HAZ vom 31.01.2014, S. 2:
Freibier für die Trinkerszene
Von Dirk Schmaler
Es ist eine ungewöhnliche Idee, die der Sozialdezernent der Stadt Essen in dieser Woche präsentiert hat. Weil die Trinkerszene rund um den Bahnhof in der nordrhein-westfälischen Stadt regelmäßig Müllberge und Dreck hinterlasse, will er die Betroffenen dazu bewegen, ihre Umgebung selbst zu putzen. Als Motivationshilfe hat sich Sozialdezernent Peter Renzel etwas Kühnes ausgedacht: Die putzwilligen Trinker sollen Freibier bekommen.
Schon morgens vor dem Putzeinsatz könnte es ein oder zwei Dosen geben, danach über den Tag verteilt mehrere weitere Bierrationen. Im Gegenzug sorgen die Trinker dafür, dass die Plätze in der Innenstadt sauber bleiben. Von der Freibierstrategie erhofft sich die Stadt weniger Probleme für Geschäftsleute und eine lebenswertere Innenstadt. Zudem solle die Putzaktion den Abhängigen eine verlässliche Tagesstruktur geben. Auch sind sie für ein paar Stunden nicht bei ihren Treffpunkten und trinken in dieser Zeit kontrolliert Alkohol – Bier und nichts Hochprozentiges. Schätzungen zufolge gibt es in der Stadt rund 1.000 Trinker, etwa 100 halten sich in der Regel in der Innenstadt auf.
Die Idee für das Projekt stammt ursprünglich aus Amsterdam. Dort werden seit Jahren rund 20 Suchtkranke als Straßenreiniger beschäftigt. Sie arbeiten drei Tage die Woche jeweils von neun bis 15.30 Uhr und halten in dieser Zeit Plätze und Grünanlagen sauber. Bis zu sieben Dosen Bier bekommen sie dafür pro Tag, außerdem ein halbes Päckchen Tabak und bis zu zehn Euro in bar. Die Kosten tragen die Stadt Amsterdam und eine Stiftung. Mitarbeiter der Suchthilfe in Essen sind extra in die Niederlande gereist, um sich das Projekt genauer anzuschauen. Ihren Eindruck schildern sie in einem Erfahrungsbericht, den der Sozialdezernent gelesen hat. Dort heißt es, die Ansammlung von Trinkern in den Parks habe sich durch die Mitarbeiter deutlich reduziert. „Und die Anwohner betonen ihre hohe Zufriedenheit über die tägliche Säuberung des Quartiers“, zitiert die „Westdeutsche Allgemeine“ aus dem Bericht. Stadtdezernent Renzel, der der CDU angehört, kündigte gestern an: „Ich möchte das auch in Essen testen“. Er werde über die Umsetzung demnächst mit dem Jobcenter und der Suchthilfe diskutieren.
Auch in Bremen kümmert man sich in nicht alltäglicher Art um Menschen auf der Straße – wenn auch in weniger umstrittener Weise. Seit einigen Tagen dürfen obdachlose Menschen in der Hansestadt kostenlos in Bussen und Straßenbahnen mitfahren, um sich aufzuwärmen. Die Erlaubnis gilt bei anhaltender Kälte zunächst bis Ende Februar. Auch Hunde dürfen Obdachlose mitnehmen. Ein Sprecher der Bremer Stadtbahn Aktiengesellschaft (BSAG) erklärte, er verstehe die Aktion als Zeichen aller Fahrgäste und des Unternehmens an Menschen in Not, ihnen gemeinsam beizustehen. In den vergangenen beiden Jahren sei die Resonanz der Fahrgäste sehr gut gewesen, viele Menschen hätten das Angebot genutzt. „Wir bitten alle Bremerinnen und Bremer darum, frierende, wohnungslose Mitmenschen auf diese Möglichkeit in unserer Stadt hinzuweisen“, heißt es in einer Mitteilung der Stadtbahn-Betreiber.
HAZ vom 24.01.2014, S. 14:
„Wir werden aufdringlich“
Ein Team von Pace mobil bietet jungen Menschen in Not vor Ort Unterstützung an
Von Bernd Haase
Paul B., ein junger Mann, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen mag, hat eines Tages unangemeldeten Besuch bekommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der 24-Jährige einiges hinter sich. Der familiäre Halt war verloren gegangen, das Vertrauen in Behörden auch. „Ich bekam Sanktionen vom Jobcenter, konnte die Miete nicht mehr bezahlen und wurde obdachlos“, erzählt er. Er lebte zusammen mit seinem Hund eine Zeit lang auf der Straße. Als die Verhältnisse schlechter wurden, gab er das Ter ab und meldete sich selbst in einem Obdachlosenheim an. Die Besucher, die dann bei Paul B. unverhofft klingelten, waren Sozialarbeiter des Projektes Pace mobil.
Bei Region und Jobcentern ist schon seit Längerem die Erkenntnis gereift, dass man erstens keinen jungen Menschen in Nöten abschreiben sollte - egal, ob die Situation selbst verschuldet ist oder nicht. Und dass man zweitens in manchen Fällen nicht warten sollte, bis Jugendliche und junge Erwachsene von sich aus um Hilfe rufen. „Wir werden aufdringlich und fahren einfach hin“, sagt Sozialdezernent Erwin Jordan.
Pace mobil wurde vor knapp einem Jahr ins Leben gerufen. Zur Verfügung stehen den Sozialarbeitern zwei in Laatzen und Hannover stationierte Kleinbusse. Wegen des Erfolgs und des immer noch hohen Bedarfs kommen zwei weitere hinzu: einer in Garbsen und einer in Langenhagen. „Einsatzgebiet ist die gesamte Region, aber wir sind schwerpunktmäßig in Hannover unterwegs“, sagt Projektkoordinatorin Petra Langelotz.

Der typische Klient von Pace mobil hat eine ähnliche Biografie wie Paul B. Ein Muster wiederholt sich: „Die jungen Menschen sind Hartz-IV-Bezieher, kommen ihren Pflichten etwa bei Meldeauflagen oder Teilnahme an Qualifizierungsprogrammen nicht nach und erhalten dann Sanktionen. Die begreifen sie aber nicht als Ermahnung, sondern als Mechanismus der weiteren Ausgrenzung“, schildert Jordan.
Die Listen möglicher Kunden erhalten die Sozialarbeiter vom Jobcenter. „Wir fahren dann hin und haben oft den Eindruck, es sei ein Moment, auf den die Betroffenen gewartet haben“, sagt Sozialarbeiter Gerd Geil. Die Kleinbusse verfügen über abgetönte Scheiben, um bei Gesprächen eine Intimsphäre zu haben, und über eine Büroausstattung samt Internetanschluss. Geil und seine Kollegen klären dann erst einmal die Situation des Betroffenen und stricken erste Hilfskonzepte. Wer ist überhaupt bereit, Hilfen anzunehmen? Wer braucht eine Wohnung, wer eine Schuldnerberatung, wer eine berufliche Qualifizierung ?
In den ersten Monaten zwischen April und Ende Dezember 2013 hat Pace mobil 78 Menschen im Durchschnitt etwa vier Wochen lang betreut, die große Mehrheit von ihnen junge Männer. Fast jedem zweiten konnten die Sozialarbeiter weiterhelfen. „Einige gingen in Ausbildung, einige wieder zur Schule, sechs in Betreuung und vier in eine Therapie“, bilanziert Langelotz. Insgesamt stehen derzeit noch 120 potenzielle Klienten auf der Warteliste.
Paul B. hat Pace mobil als Chance begriffen und sie genutzt. Er ist von seinen Schulden runter, hat eine Wohnung und absolviert eine Ausbildung zum Kurier- und Postfahrer.
Info: Intensive und individuelle Betreuung
Das Kürzel Pace steht für Pro-Aktiv-Center und ist ein Landesprogramm, das von der Region Hannover umgesetzt wird. Ziel ist es, benachteiligte junge Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahren durch intensive und individuelle Betreuung in eine Ausbildung, ein Praktikum, eine Qualifizierung oder in einen freiwilligen Dienst zu vermitteln. Pace verfügt über insgesamt rund 40 Mitarbeiter. Sie arbeiten in 13 stationären Anlaufstellen und seit knapp einem Jahr auch mit den Kleinbussen für den mobilen Dienst, bei dem es sich um eine auch aus anderen Bereichen bekannte Form der aufsuchenden Sozialarbeit handelt. Nach Angaben von Dietmar Langer, Mitglied der Geschäftsführung der Jobcenter, sind im Raum Hannover 6.000 junge Menschen Harzt-IV-Empfänger. Etwa 8 Prozent davon haben wegen Verstößen gegen Auflagen schon einmal finanzielle Sanktionen hinnehmen müssen.
Pace kostet rund zwei Millionen Euro im Jahr. Die Hälfte davon zahlt das Land mit Unterstützung des Sozialfonds der Europäischen Union. Ein knappes Drittel steuert die Region bei, den Rest das Jobcenter.
HAZ vom 21.01.2014, S. 12:
Wohnungslose
Von Veronika Thomas
Die Stadt erweitert ihre Unterkunft für Wohnungslose in der Wörthstraße in Vahrenwald. Noch in diesem Jahr soll die Einrichtung für 962.000 Euro um 24 Einzelzimmer und ein Zweibettzimmer ausgebaut werden. Das hat der Sozialausschuss gestern beschlossen. Der zusätzliche Wohnraum entsteht im Dachgeschoss des Gebäudes. In der Wörthstraße sind zurzeit obdachlose, alleinstehende Männer untergebracht. Künftig sollen dort auch wohnungslose Frauen mit Behinderungen eine Unterkunft erhalten.
Die Zahl der Wohnungslosen in Hannover steigt seit Jahren an. Zum Stichtag 31. Oktober 2010 registrierte die Stadt noch 503 Obdachlose, Ende Oktober 2013 waren es bereits 733. Für sie stehen stadtweit 160 Wohnungen und 300 Wohnheimplätze zur Verfügung.
HAZ vom 17.01.2014, S. 12:
Opfer von Messerangriff ist jetzt ein Pflegefall
Eifersüchtiger Mann dringt über Balkon in Wohnung ein – jetzt steht er wegen versuchten Totschlags vor Gericht
Von Michael Zgoll
Ein Verbrechen im hannoverschen Drogen-und Obdachlosenmilieu beschäftigt seit gestern das Schwurgericht. Christian K. soll seine ehemalige Partnerin mit Messerstichen so schwer verletzt haben, dass sie nur mit viel Glück überlebte. Holger Nitz, der Verteidiger des 34-Jährigen, verlas ein ausführliches Geständnis des Angeklagten. Dieser steht nicht nur wegen versuchten Totschlags vor Gericht, sondern auch wegen weiterer Delikte, die mit dem Eifersuchtsdrama zusammenhängen. Auch das Opfer sagte gestern aus: Eine gesundheitlich ruinierte Frau, die jetzt in einem Pflegeheim lebt.
Die Bluttat geschieht im Juli 2013 in einer Wohnung in Vahrenheide. Das Opfer, eine heute 42 Jahre alte, drogenabhängige Frau, ist für ein paar Tage bei einem alten Freund untergekommen. Der 36-Jährige hat sie in „Schutzhaft“ genommen, wie er es nennt, weil ihr Christian K. seit einer Woche nachstellt. In der Unterkunft für drogenabhängige Obdachlose in Lahe hat er die Frau einige Tage zuvor geschlagen und ihr eine Üstra-Monatsfahrkarte weggenommen. Auch der 36-Jährige hat in einer Misburger Einrichtung für Wohnungslose bereits Tritte und Schläge von K. kassiert. Der in Stralsund geborene Täter ist seit Jugendtagen gewalttätig, hat schon oft im Gefängnis gesessen. Nun kommt er offenbar nicht damit klar, dass sich seine Ex-Freundin mit anderen Männern trifft.

Am Tatabend klopft es an der Tür. Die Frau und ihr Beschützer öffnen nicht, gucken Fernsehen. Plötzlich steht Christian K. im Zimmer. Er ist auf das Dach gestiegen, hat sich auf den Balkon im zweiten Stock heruntergelassen, dort steht die Tür offen. Nach eigenem Bekunden hat er über den Tag verteilt bereits viel Alkohol und Drogen konsumiert. Nach einigen verbalen Drohungen attackiert er den 36-Jährigen mit einem Messer, doch der kann ausweichen. Dieses Glück hat die kleingewachsene Frau nicht: Ihr Ex-Freund sticht ihr in die Halsschlagader, ein Stich verletzt die Leber, ein weiterer dringt in ihren Oberschenkel ein. Der Täter flieht, schließt die Wohnungstür von außen ab. Der Wohnungsinhaber ruft die Polizei; wenige Minuten später treten Beamte die Tür ein, ein Notarzt kümmert sich um das Opfer. K. wird schon am nächsten Tag gefasst.
Der 36-Jährige, der dem Messerangriff nur knapp entging, war gestern als Zeuge geladen. Er habe sich so viel Mut angetrunken dass er nicht mehr verhandlungsfähig sei, außerdem brauche er einen Anwalt. Den Vorsitzenden Richter Wolfgang Rosenbusch brachte das nicht aus dem Konzept: Er ließ eine Polizistin kommen, die den Mann mit der deutlich zu riechenden „Fahne“ in ein Messgerät blasen ließ. Weil ein Blutalkoholwert von 1,73 Promille einen Trinker nicht aus der Bahn wirft, lehnte das Gericht seinen Antrag schließlich ab. Das Ergebnis gab der Kammer recht – der Zeuge machte einige gut verständliche Angaben.
Wesentlich schwieriger gestaltete sich die Befragung des eigentlichen Opfers. Die 42-Jährige mit der Kurzhaarfrisur antwortete sehr einsilbig, sprach mit monotoner Stimme, konnte sich oft nicht an die einfachsten Dinge erinnern. Nach der Bluttat hatte sie mehrere Monate in verschiedenen Kliniken verbracht, zudem einen Schlaganfall und einen Herzinfarkt erlitten. Nun kann sie ihren linken Arm kaum noch bewegen, hat etliche Narben am Kopf, leidet unter Depressionen und ist gelegentlich desorientiert. Wenig anfangen konnte sie gestern auch mit der Entschuldigung, die ihr Christian K. anbot – doch das ist sicher nicht verwunderlich.
HAZ (Stadt-Anzeiger Süd) vom 16.01.2014, S. 4:
Spende für Kinder in St. Joseph
SÜDSTADT. (hs) Der Lions Club Hannover Löwenbastion hat den Erlös seiner diesjährigen Spendenaktion auf dem Lister Weihnachtsmarkt den 16 Kindern gestiftet, die im Flüchtlingsheim von St. Joseph wohnen. Von den 1.000 Euro sollen nach Bedarf Schuhe oder auch warme Jacken gekauft werden. Die Gemeinde um Pfarrer Heinrich Plochg unterstützt auch alleinerziehende Frauen und Männer, das Leben mit kleinen Kindern zu bewältigen.
Große Unterstüzung kleiner Handballer
ANDERTEN. (hs) Große Freude bei den kleinen Handballern des TSV Anderten. Henning Müller, Geschäftsführer der Stiftung Niedersächsische utomatenwirtschaft, überbrachte dem Organisator ihrer "Mini-EM", Marco Palazzi, einen Scheck in Höhe von 2.500 Euro. "Wir freuen uns wahnsinnig, die Stiftung als Unterstützer gefunden zu haben. Es ist eine große Hilfe, um wieder ein unvergessliches Turniererlebnis für die Kinder auf die Beine stellen zu können", betonte Palazzi in der Sporthalle Eisteichweg. Die Stiftung Niedersächsische Automatenwirtschaft unterstützt regelmäßig Projekte im sozialen Bereich. Unabhängig vom Alter der Geförderten steht dabei außergewöhnliches soziales Engagement im Vordergrund. Neben dem Mini-EM-Event fördert die Stiftung beispielsweise auch das Kinderkrankenhaus auf der Bult bei Veranstaltungen. "Wir freuen uns, gesellschaftlich wichtige Projekte unterstützen zu können. Persönliches Engagement von Menschen für Menschen muss gefördert werden", unterstrich Müller.
Spielen auf warmen Matten
SÜDSTADT. (hs) Mädchen und Jungen im Flüchtlingswohnheim der evangelischen Gemeinde am Döhrener Turm können künftig auf neuen, warmen Bodenmatten spielen - dank des Engagements der katholischen Gemeinde St. Heinrich in der Südstadt. Der Erlös des Weihnachtsbasares von 1.950 Euro ging zu einem Drittel an das Wohnheim. Friederike Gröner und Inge Koch übergaben die Spende an Leiterin Irene Wegener und die Bewohner. Außerdem werden mit dem Erlös Projekte in Pakistan und Brasilien unterstützt. Acht Frauen aus St. Heinrich haben genäht, gestrickt und gebastelt, mit Unterstützung aus dem Nähkurs der Katholischen Familienbildungsstätte. So entstand auch aus Altem Neues: Aus Stoffen einer Mustermappe oder alten Jeans wurden so beispielsweise Mützen, Taschen und Gärtnerschürzen.
Geld für die Partnerschule
SÜDSTADT. (hs) Die Schüler der Ludwig-Windthorst-Schule haben 520 Euro bei der Kollekte im Anschluss an ihre Weihnachtsmusik eingenommen. Dieses Geld geht nun an die Partnerschule in Lona Alta in Bolivien. Seit 2007 besteht die Partnerschaft zu der südamerikanischen Schule, die 105 Kilometer von der Hauptstadt Santa Cruz entfernt ist. Dort gibt es eine Grundstufe mit 145 Schülern und eine Zwischen- und Mittelstufe für Jugendliche mit 130 Schülern. Es unterrichten 15 Lehrkräfte.
Ehrungen bei der Liedertafel
DÖHREN. (hs) Sie sind schon sehr lange dabei: Für ihr langjähriges Engagement bei der Liedertafel von 1888 Hannover-Döhren sind Walter Schrader für 25 Jahre aktives Singen sowie Ehrenchorleiter Rainer Roscher für 40 Jahre fördernde Mitgliedschaft, die neben seiner Chorleiter-Tätigkeit bestanden hat, geehrt worden. In Abwesenheit ausgezeichnet wurden Hugo Höwelkröger für 60 Jahre fördernde Mitgliedschaft sowie Heinz Löffler und Arthur Feldkeller, der 50 Jahre als förderndes Mitglied dabei ist. Der stellvertretende Vorsitzende des Kreischorverbandes, Dirk Elmenthaler, und der Vorsitznede der Liedertafel, Hermann Meyer, zeichneten die Sänger aus.
HAZ vom 14.01.2014, S. 2:
Kommentar zum Thema "Zuwanderung" - Beide Seiten
Dirk Schmaler, Hannover: Der aktuellen Debatte um die Zuwanderung wohnt eine unsinnige Unterscheidung inne. Die „guten“, gut ausgebildeten Ausländer sind willkommen, sie retten unsere Unternehmen mit ihrer Expertise und mit ihren Steuern die Staatskasse. Die schlecht qualifizierten sogenannten Armutseinwanderer – und auch Flüchtlinge von außerhalb Europas – sorgen angeblich für das genaue Gegenteil. Sie lassen die Sozialabgaben in die Höhe schnellen und verstopfen den Arbeitsmarkt. Es wird höchste Zeit, beide Seiten zusammenzudenken.
Auf mittlere Sicht entscheidet nämlich auch der Umgang mit den Armen und Verfolgten hierzulande darüber, ob gut ausgebildete Menschen aus aller Welt die Lebensentscheidung treffen, in Deutschland zu leben und zu arbeiten. Wer eine „Willkommenskultur“ beschwört und gleichzeitig erklärt, dies gelte nur für diejenigen, die großen Nutzen für Wirtschaft und Staatskasse versprechen, wird Zuwanderer kaum emotional und langfristig an das Land binden.
Die Wirtschaft hat das verstanden. Sie kämpft schon heute entschiedener als mancher Sozialpolitiker für mehr Offenheit. Sie treibt nicht die Furcht vor Zuwanderung um, sondern die Furcht vor zu wenig Zuwanderung. Der Grund liegt auf der Hand: Fachkräftemangel führt zu hohen Löhnen und bremst das Wachstum.
Ähnliches gilt auch für die vom Kollaps bedrohten Sozialsysteme. Nur mit ausreichend Zuwanderung lässt sich dem demografischen Wandel entgegenwirken – und lassen sich die Sozialsysteme auch in Zukunft noch finanzieren. Das rechtfertigt keinen Missbrauch. Wer allerdings die Zuwanderung auf das Problem von Sozialbetrügern verkürzt, könnte letztlich selbst zu einer Belastung werden – für die Sozialkassen und die Wirtschaft gleichermaßen.
HAZ vom 09.01.2014, S. 10:
Leserbrief zu dem Artikel der HAZ vom 03.01.2014: "Wenn Rumänen die Deutschen ratlos machen"
Uwe Grunenberg, Hannover: Dieser Artikel plus Interview macht Mut! Es scheint, als ob die hannoverschen Bürger pragmatisch und trotzdem menschlich mit diesem Thema umgehen werden. Hoffentlich halten alle Beteiligten diese Art des Umgangs auch dann durch, wenn es einmal „richtig stürmisch“ in der Diskussion wird. Wir alle sind gefordert, dieses Thema sozial verträglich zu gestalten und umzusetzen. In diesem Sinn verdient auch die Haltung der CDU-Bezirksratsfraktion Bothfeld-Vahrenheide Anerkennung. Diese Haltung in der Diskussion der Obdachlosenpolitik stimmt optimistisch.
Leserbrief zu dem Artikel der HAZ vom 04.01.2014: "Merkel will internen Streit um die Zuwanderung dämpfen"
Klaus Heinemann, Hannover: Seit Wochen füllt die Propaganda über die angeblich drohende Zuwanderung von Menschen aus Bulgarien und Rumänien die Schlagzeilen der Medien. CSU und NPD kochen hier ihr völkisches Süppchen, Politiker anderer Couleur melden sich wichtig zu Wort. Wieder einmal werden den Menschen hierzulande Sündenböcke serviert, die ja angeblich nur unser Geld wollen. Dass diese Propaganda im 21. Jahrhundert noch auf fruchtbaren Boden fällt, zeigen die Leserbriefe der vergangenen Tage.
Warum geben Menschen ihre Heimat auf und versuchen, in ein fremdes, ihnen feindlich gesinntes Land zu ziehen? Erinnern wir uns: In den neunziger Jahren nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus strömten westeuropäische und insbesondere deutsche Konzerne nach Bulgarien und Rumänien. Die alten Sozialsysteme wurden mithilfe der dortigen Nomenklatur zerschlagen beziehungsweise privatisiert, ganze Industriezweige für wenig Geld aufgekauft und stillgelegt. Die Arbeitslosenzahlen stiegen dramatisch und mit ihnen die Armut. Anstelle der alten Strukturen wurden Produktionsanlagen errichtet, in denen ein Teil der bulgarischen oder rumänischen Arbeiter für Niedrigstlöhne für den EU-Markt schuften durften und dürfen. Die billige Ware wird hierzulande gern genommen, aber bitte doch keine Menschen. Deutschland gehört zu den reichsten Ländern der Welt, wenn auch mit zunehmend ungerechter Verteilung der Vermögen.
Erinnern wir uns: Im Oktober 2008 brauchte die damalige Bundesregierung gerade eine Woche, um den armen Banken mehrere Hundert Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Und jetzt kann dieses Land nicht mal für ein paar Tausend arme Menschen aufkommen? Den deutschen Steuerzahler kostet eine Roma-Familie im Monat nicht mal so viel wie Herr Seehofer an einem einzigen Tag.
Erinnern wir uns weiter: Als Mitte der achtziger Jahre die damalige Sowjetunion für bestimmte Menschen ihre Grenzen öffnete und in den Folgejahren Millionen von sogenannten Aussiedlern aus Russland, Ukraine oder Tadschikistan nach Deutschland strömten, sprach keiner der Politiker von einem „Zuzug in die Sozialsysteme“. Nein, die Aussiedler erhielten nicht nur eine bevorzugte Betreuung und Finanzierung, sondern unter anderem auch einen Anspruch auf Rente - nach eigener Aussage waren sie ja „Deutsche“. War dieses Land damit überfordert?
Die gesamte deutsche Politik ist ausschließlich auf völkisches Denken ausgerichtet, nicht auf soziales Helfen. Da bleibt den rumänischen Familien nur noch der Weg über Russland nach Deutschland, um dann zu behaupten, sie seien doch Deutsche seit eh und je.
HAZ vom 07.01.2014, S. 11:
Neues Heim für Flüchtlinge in Bemerode
Entscheidung für Standort Oheriedentrift umstritten
Von Andreas Schinkel
Am nördlichen Kronsberg soll möglichst noch in diesem Jahr ein Wohnheim gebaut werden, das Platz für rund 50 Flüchtlinge bietet. Das hat der Umweltausschuss des Rates gestern mit rot-grüner Mehrheit entschieden Damit ist die politische Vorentscheidung für den letzten von sieben Standorten für Flüchtlingsunterkünfte in Hannover gefallen. Noch muss der Rat seine Zustimmung für das Bauvorhaben am Kronsberg geben.

Die sieben Standorte für neue Unterkünfte verteilen sich über das gesamte Stadtgebiet. Schon in diesem Jahr sollen neben dem Wohnheim am Kronsberg nahe der Oheriedentrift weitere Bauten in der Treckowstraße (Wettbergen), in der Kopernikusstraße (Nordstadt) und in der Tirnithistraße (Döhren) entstehen. Einquartiert werden dort nur die sogenannten Kontingentflüchtlinge, also Asylsuchende, die das Land Niedersachsen zuteilt. Zuwanderer aus EU-Staaten die keine Wohnung finden, bringt die Stadt dagegen in Obdachlosenheimen unter, etwa in der Burgstraße in Herrenhausen.
Der Standort für die Flüchtlingsunterkunft am Kronsberg nahe der Oheriedentrift ist umstritten. Anwohner hatte sich in der Sitzung des zuständigen Bezirksrats um die Sicherheit ihrer Kinder gesorgt, weil das Wohnheim gleich neben einer Grundschule entstehen wird. Ein anderer Standort inmitten des Wohngebiets sei besser geeignet, hieß es. Aufgegeben hat die Stadt den Plan, das Wohnheim auf dem Festplatz am Sandberge zu errichten. Der Widerstand aus dem Stadtbezirk war zu groß.