KINOFILME
Interessant ist, dass das Thema Obdachlosigkeit - Leben auf der Straße - Soziale Bedürftigkeit im Kino eher unterrepräsentiert ist. Vielleicht, weil (zu) häufig das Happy End fehlt und der Kinobesucher dies dann doch wünscht? Ihre Meinung dazu würde uns interessieren.
Anbei ein paar Filme, die sich mutig an das Thema wagen und mehr als sehenswert sind.
1. Hans Weingärtner/Cüneyt Kaya:
Die Summe meiner einzelnen Teile
Hauptdarsteller: Peter Schneider/Timur Massold
Universum Film GmbH, erschienen 21.09.2012, FSK ab 12 Jahren

Martin hält einen Brief in den Händen und scheint kaum glauben zu können, was er liest. in deutscher Gründlichkeit erfährt er nun schriftlich den Wert der Summe seiner einzelnen Teile. Mehr als 3500 Euro nämlich. Soviel Geld soll er an das Amt zahlen, sonst droht ihm die Pfändung. An dieser Stelle gibt Martin auf und bemüht sich nicht mehr um einen Weg zurück ins bürgerliche Leben. Der Film Die Summe meiner einzelnen Teile zeigt von dieser Szene an den schier bodenlosen Fall des ehemals erfolgreichen Mathematiker Martin.
Schon lange vor dem Pfändungsbescheid lief es für Martin gar nicht gut. Nach einen Zusammenbruch wurde er in einer Psychiatrie behandelt. Anfangs ist er wieder guten Mutes und möchte zurück in die Gesellschaft. Eine einfache Chance bekommt er nicht. Sein Chef stellt ihn nicht mehr ein und seine ehemalige Verlobte Petra hat bereits einen neuen Mann. Martin kann den Gerichtsvollzieher nicht bezahlen, verliert seine Sozialwohnung und landet auf der Straße. Als Obdachloser geht er durch das kalte Berlin, schläft in Abrissbauten zwischen Abfall und Bauschutt. Er entwickelt autistische Charakterzüge und nimmt seine Umwelt zunehmend verzerrt war.
Regisseur Hand Weingartner inszeniert seine Hauptfigur als Opfer der Gesellschaft . Besonders deutlich wird dies in der Szene, in der Martin betrunken über die Straße wankt und von einem Auto angefahren wird. Der Fahrer, ein überheblicher Geschäftsmann, schleppt ihn schimpfend an den Straßenrand, um ihn dort liegen zu lassen. Deutlicher kann man soziale Kälte kaum darstellen. Als er den herumstreunenden Jungen Viktor vor einer Horde prügelnder Rowdys rettet, geht es mit Martins Seelenleben leicht bergauf. Trotz der Sprachbarriere zwischen dem zenjährigen Ukrainer und Martin wächst zwischen den beiden eine Freundschaft. Oder ist es Abhängigkeit? So wie Martin den Jungen vor Übergriffen schüzt, zeigt Viktor, wie sie mit Flaschensammeln Geld verdienen können. Die beiden Heimatlosen brauchen einander. Hilfe von anderen bekommen sie nicht. Also sogar Martins Vater seinen Sohn bei der Klinik verrät, fliehen sie und bauen sich im Wald eine Hütte.
Der Film Die Summe meiner einzelnen Teile führt Martin bis zu diesen Szensen auf direktem Weg aus der Gesellschaft heraus. Der Zuschauer weiß: Ein Obdachloser mit einem Jungen im Wald, dass kann nicht gutgehen. Doch bevor die Behörden Wind vom Leben der beiden Waldbewohner bekommen, findet Martin beim Flaschensammeln einige Fotos. Die angebildete junge Lena erinnert Martin an seine Vergangenheit und er erkent, dass ihm sein Leben entglitten ist. Aber nicht Lena bringt Martin endgültig um den Verstand. Es ist die Angst um Viktor, der verschwindet, nachdem Behörden die Waldhütte zerstören und Martin in die Psychiatrie einliefern. Dort stellt die Ärztin die Existenz Viktors infrage und behauptet, der Junge sei ein Konstrukt in Martins Fantasie. Damit gewinnt Die Summe meiner einzelnen Teile an Dynamik. Martin flieht aus der Klinik und geht auf die Suche nach Viktor, Dass er bei seiner Suche zu Waffengewalt greift, wird sein endgültiges Aus bedeuten. Ob Viktor hingegen existiert oder symbolisch für Martins fortschreitenden Wahnsinn ist, lässt Regisseur Weigarten offen. Das Drehbuch liefert Hinweise auf beide Möglichkeiten.
Die Summe meiner einzelnen Teile beeindruckt mit der Härte, mit der Martins Niedergang inszeniert ist. Weingartner zeigt Martins Seelenzustand durch die graublauen und eiskalt wirkenden Bilder zum einen und den Einsatz von Ton zum anderen. Während im ersten Teil des Filmes ohrenbetäubender Stadtlärm dominiert, unterstreichen Gitarrenklänge Martins neu gewonnene Freiheit im Wald.
Quelle: http://www.kino-zeit.de/filme/die-summe-meiner-einzelnen-teile
Trailer: //youtube.com/watch?v=1cckBYrtsm0
2. Dave Schultz:
Jet Boy
Hauptdarsteller: Branden Nadon/Dylan Walsh/Kelly Rowan
cmv-Laservision (ALI!VE), erschienen 18.05.2012, FSK ab 16 Jahren

Es ist Nathans 14. Geburtstag - der Tag, an dem er seinen Körper zum ersten Mal verkauft. Nathan ist Waise, völlig allein. Und er ist Stricher, aber immer noch ein Kind. Sein Leben ist trostlos und ohne viel Raum für Träume. Da trifft er auf Boon, einen dubiosen Charakter. Ihm schließt sich Nathan auf dem Weg nach Vancouver an. Auf ihn setzt er alle Hoffnung auf ein besseres Leben, für ihn würde er alles tun, um geliebt zu werden. Boon ist wieder Erwarten ein feiner Kerl, der in seinem Leben einige Tiefschläge wegstecken musste. Er passt auf Nathan auf, doch die Beziehung zwischen den beiden verläuft nicht ohne Reibereien. Als sich Nathan in einer Situation zurückgestoßen fühlt und mit einem Fremden weggeht, nimmt das Verhältnis von Boon und Nathan eine mehr als bemerkenswerte Wendung...
Jet Boy behandelt ein überaus heikles Thema mit größter Sensibilität, ohne in eine stereotype oder melodramatische Bildsprache zu verfallen. Dieser vielfach preisgekrönte Film überzeugt mit großer Authentizität im grandiosen Zusammenspiel der beiden Protagonisten.
Quelle: http://www.moviepilot.de/movies/jet-boy
Trailer: http://www.filmstarts.de/kritiken/205344/trailer/19321811.html
3.Darioush Shirvan:
Schattenmenschen
Hauptdarsteller: Peter Reinwarth/Petr Kuschmitz/Giuliana Tirziana
Fan-Film Production, erschienen 25.04.2012, FSK k.A.
Den Rahmen der Geschichte bildet eine Gruppe von Obdachlosen und Prostituierten, mit all ihren Problemen und kleinen Freuden. Pauls Clan besteht aus unterschiedlichen Nationalitäten, wie etwa Jacov, ein geflüchteter, russischer Jude und sein Freund Ahmed, ein in seinem Land gedemütigter und verfolgter, persischer Schauspieler.

Paul ist ein ca. 70-jähriger, gebildeter, ehemaliger Professor. Man könnte ihn als Philosoph bezeichnen, mit einer Schwäche für Bücher und Zitate. Durch Selbstverschulden erfuhr er ein tragisches Schicksal und konnte in seiner bürgerlichen Existenz keinen Sinn mehr erkennen. Er lebt seit 23 Jahren auf der Straße. Paul unterhält eine innige, platonische Liebesbeziehung zu der jungen Prostituierten Isabel, die ihn an seine verstorbene Tochter erinnert. Durch ihre starke menschliche Beziehung zu Paul und dessen Verständnis verändert sich Isabels Sichtweise und Selbstwertgefühl, der Beruf widert sie zusehends an.
Es entsteht eine Freundschaft zwischen Paul und dem jungen tschechischen Klavierspieler Vaclav, den seine Frau auf die Straße gesetzt hat. Vaclav ist Paul symphatisch und seine Verzwiflung und Hilflosigkeit weckt in ihm eine art Helfersyndrom. Nachdem Paul die musikalischen Fähigkeiten von Vaclav erkennt setzt er alles daran, um ihn ins bürgerliche Leben zurück zu führen. Kurz vor dieser Rückehr kommt es zwischen ihm und Vaclav zu einer Auseinandersetzung. Paul, dem nicht verborgen blieb, dass Vaclav Gefühle für Isabel hegt und der aus einem Missverständnis heraus glaubt, Isabel würde diese Gefühle erwidern, bittet ihn, sie mit sich zu nehmen. Vaclav weist dieses Ansinnen in einer entwürdigenden Art zurück und Paul muss erkennen, dass er sich in Vaclavs Persönlichkeit getäuscht hat.
Nach diesem Konflikt sucht Paul, physisch und psychisch stark angeschlagen, Isabel an ihrem Arbeitsplatz auf. Ein Tabubruch, Isabel ist erzürnt und zudem durch ein Geschäft mit einem Freier abgelenkt. Sie verkennt Pauls prekäre Situation und nimmt seinen Hilferuf nicht wahr. In jenem Moment wiederholt sich für Paul das Trauma seines bürgerliche Lebens. Allein und voller Verzweiflung beginnt er zu trinken, da ihm sein einziger Lebensinhalt, Isabel, scheinbar entglitten ist.
Isabel wird sich ihres Fehlverhaltens bewusst und beginnt voller Panik nach Paul zu suchen. An dem von Schnee bedeckten Lieblingsplatz Pauls findet sie seine Spur und folgt ihr. Als sie ihn endlich findet, bemerkt sie, dass er auf Grund seines hohen Alkoholkonsums in akuter Lebensgefahr schwebt.
Doch sie...
Quelle: http://schattenmenschen.com
Trailer: http://www.kino-zeit.de/filme/trailer/schattenmenschen
4. Joe Wright:
Der Solist
Hauptdarsteller: Jamie Fox/ Robert Downey Jr.
Universal Pictures Germany GmbH, erschienen am 15. April 2010, FSK ab 12 Jahre
Joe Wright, Regisseur des Oscar nominierten Films "Abbitte", Oscar-Preisträger Jamie Foxx und der für einen Oscar nominierten Robert Downey Jr. machen aus "Der Solist" eine packende und ergreifende Geschichte, die einem noch lange in Herz und Gedächtnis bleibt. Die Verfilmung basiert auf der unglaublichen, aber wahren Geschichte eines desillusionierten Journalisten und dessen Odyssee durch die berüchtigte Downtown von Los Angeles, wo er einen geheimnisvollen Mann entdeckt, mit dem er eine höchst ungewöhnliche Freundschaft knüpft.

Kolumnist Steve Lopez (Robert Downey Jr.) steckt in einer Sackgasse. Das Zeitungsgeschäft ist im Umbruch, seine Ehe mit einer Kollegin ist zerrüttet und er kann sich noch nicht einmal genau daran erinnern, was er anfangs an seinem Job eigentlich mochte, Eines Tages, als er in einem heruntergekommenen Viertel von Los Angeles gerade durch die Skid Road spaziert, hört er den geheimnisvollen und scheinbar etwas verwirrten Nathaniel Ayers (Jamie Fox), der sich voller Inbrunst auf einer Violine mit nur zwei Saiten die Seele aus dem Leib geigt - und Lopez kann sich vor Staunen kaum vom Fleck bewegen.
Anfangs nähert sich Lopez dem Musiker nur aus Interesse an einer weiteren Idee für eine mögliche Story in der Millionenstadt. Doch als Lopez das Geheimnis um Ayers zu lüften beginnt und entdeckt, wie dieser wechselweise brilliante und verstörte Musiker - einst ein Wunderkind auf dem Weg zu Weltruhm und Erfolg - schließlich in Hauseingängen und Unterkünften hausen musste, löst das eine unerwartete Wendung aus.
Über dreißig Jahre zuvor war Ayers ein hochtalentierter Student am Elite-Konservatorum Juilliard - bus er an Schizophrenie erkrannte. Ayers, der obdachlos und paranoid ist, aber immer noch seine frühere Genialität erkennn lässt, und der Kolumnist Lopez freunden sich an. Diese Freundschaft wird ihr Leben in einer Art und Weise verändern, wie sie beide es nie für möglich gehalten hätten...
Lopez meint, Ayers Leben verändern zu können, und widmet sich in einer Don Quixote gleichen Mission der Aufgabe, Ayers von der Straße und zurück in die Welt der Musik zu helfen. Doch noch während er um das Leben des Musikers kämpft, beginnt Lopez zu erkennen, dass es vielmehr Ayers - mit sicher unaufhaltsamen Leidenschaft, seiner freiheitsliebenden Sturheit und seinen mutigen Bemühungen um Verbundenheit und Liebe - ist, der Lopez selbst zutiefst verändert.
DreamWorks Pictures und Universal Pictures präsentieren zusammen mit StudioCanal und Participant Media: "Der Solist", eine Krasnoff/Foster Entertainment Production in Zusammenarbeit mit Working Title Films.
Quelle: http://movies.universal-pictures-international-germany.de/dersolist
Trailer: http://www.trailerseite.de/archiv/trailer-2009/10128-the-soloist-film-trailer.html
5. Maria Speth:
9 Leben
Mitwirkende: Za, Sunny, Krümmel, Toni & Band "Les Petits Hotz", Sonja, JJ, Stöpsel & Familie
Filmgalerie 451 (Alive AG), erschienen am 3. Februar 2012, FSK ab 12 Jahre
Der Film porträtiert das Schicksal mehrerer Jugendlicher, die sehr früh – oft schon im Alter von 11, 12 oder 13 Jahren - entschieden haben, von zu Hause wegzugehen und für eine bestimmte Zeit oder dauerhaft auf der Straße zu leben: Sunny, Toni, Krümel, JJ, Stöpsel, Soja und Za.

Menschen also, von denen jeder einzelne mittlerweile auch schon neun Leben gelebt haben könnte. Versehen mit seelischen und körperlichen Beschädigungen.Doch trotz dieser Zerstörungen gibt es bei ihnen eine enorme Kraft, Talente und Fähigkeiten zu entdecken. Dieser Reichtum an persönlichen Möglichkeiten steht im Mittelpunkt des Films. Die Lebensumstände der Jugendlichen auf der Straße werden deshalb auch nicht dokumentiert, sondern sie werden von ihnen in freier Wahl erzählt oder auch nicht. So kommen sehr persönliche, mitreissende und berührende Zeugnisse zustande.
Um den Fokus auf ihre Persönlichkeiten zu legen, erzählen sie vor neutralem Hintergrund im Studio von ihren Leben. Einige haben ihre Musikinstrumente mitgebracht und spielen
spontan, andere zeigen Fotos oder andere künstlerische Arbeiten. So entstehen filmische Porträts wie in einer Ausstellung, einem Kunstraum. Vorurteile und Klischeevorstellungen über „Penner“ und „Punks“ lösen sich auf. Die Jugendlichen werden in ihrer bewundernswerten Einmaligkeit erkennbar.
Und sie werden zu Stars – zu Recht.
Quelle: http://www.madonnenfilm.de/9lebenFilm.html
Trailer: http://www.kino.de/kinofilm/9-leben/117095
6. Henning Klattenhoff:
Unter den Strassen von Hannover - eine unterirdische Geschichte
Mitwirkende: Benjamin Bruns, Stefan Hartmann, Christian Rosenkranz
Hollewood Media OHG, erschienen am 23. September 2005, FSK k.A.
Mittelalterliche Gänge, Grabkammern, Stollen, Abwasserkanäle und Bunker - all das befindet sich in der Tiefe Hannovers. Was an die Oberfläche gelangt, sind Gerüchte und Ungewissheiten. Dabei ist die Unterwelt von ihrem Wesen her sehr nüchtern: Es gibt keine Werbeplakate, keine Putzkolonnen, sondern nur die ungeschminkte Funktionalität. Die Unterwelt verändert kaum ihre Gestalt. In ihr scheint die Zeit stillzustehen.

Im Spannungsfeld zwischen nüchterner Funktionalität und fantastischer Legendenbildung dokumentiert der Film die Geschichte unterirdischer Bauwerke in Hannover. Fachleute, Zeitzeugen, Eigentümer und Künstler klären über die Stollen und Gänge der Stadt auf und rollen dabei Ereignisse der letzten 500 Jahre auf. Das Erstaunliche ist: An den Legenden ist tatsächlich mehr dran, als es Stadthistoriker für möglich halten.
Quelle: http://www.nordmedia.de/produktionsspiegel/detail/unter_den_strassen_von_hannover_.193.html