KATERINA
„Ich will einen normalen Alltag, gesund werden und auf meinen eigenen Beinen stehen, um somit mein Kind und meine Familie in Bulgarien zu unterstützen.“
Mein Name ist Sarah S., Studentin an der Hochschule Hannover, Fachrichtung BwL. Ich traf Katerina zu einem gemeinsamen Interview am 10. Februar 2015.
Katerina ist 39 Jahre alt, bulgarische Staatsbürgerin, alleinerziehend mit einer Tochter von 13 Jahren und lebt seit dem Jahr 2000 in Deutschland.
Warum hast du Bulgarien verlassen?
Ich habe meinen heutigen Ex-Ehemann kennengelernt. Er wollte nicht nach Bulgarien ziehen, ihm war es zu primitiv, vielleicht, ich weiß es nicht.
Wie verlief dein Leben bis zur Ausreise nach Deutschland?
Ich habe eine Ausbildung als Frisörin gemacht und bis zum letzten Tag auch als Frisörin gearbeitet. Praktisch, habe ich bis zuletzt gearbeitet und saß am nächsten Tag im Flieger.
Hattest du Vorkenntnisse von der deutschen Sprache?
Ich hatte in der Schule deutsch und konnte mich grundlegend verständigen, natürlich kann man es nicht vergleichen mit der normalen Sprache, aber man konnte sich verständigen.
Was passierte, als du nach Deutschland kamst?
Mein Exmann wohnte damals in Bayern. Er war Alkoholiker und auch gewalttätig. Meine Tochter war damals ein paar Monate alt, ein Baby. Irgendwann habe ich sie dann genommen und wir sind ins Frauenhaus. Ich hatte damals von meiner Frauenärztin einen Zettel mit der Adresse des Frauenhauses bekommen. Eines Tages nahm ich mein Baby, verließ meinen Mann und sprach letztendlich eine fremde Frau auf der Straße an mich ins Frauenhaus zu bringen.
Dann habe ich erst einmal zweieinhalb Monate mit ihr im Frauenhaus gelebt, bis ich mir dann eine Wohnung genommen habe. Er war natürlich im selben Ort und die Probleme hörten nicht auf. Darauf dachte ich: Ich muss einfach fliehen. Ich hatte Freunde hier in Hannover, die mich unterstützt haben hierher zu ziehen und so bin ich nach Hannover gekommen.
Mit einer solch schwierigen Situation ist es ja nicht sehr leicht umzugehen, gerade wenn man erst kurz in Deutschland lebt. Was passierte daraufhin?
Ich reichte die Scheidung ein. Mein Exmann versuchte mir das Kind wegzunehmen. Das hat er zum Glück nicht geschafft.
Erst einmal musste ich mich an ein Jahr Trennung halten, danach kam die Scheidung, dann der Sorgerechtsstreit und dann kam alles Mögliche. Alles in allem dauerte es zweieinhalb Jahre bis wir endlich geschieden waren. Es hat mich viele Nerven gekostet.
Seitdem du in Hannover bist, wie gefällt es dir?
Gut. Ich habe einen Freundeskreis aufgebaut, natürlich nicht so groß wie früher. Ich habe mich irgendwie integriert hier. Ich habe jedoch keine Verwandten hier in Deutschland.
Wie ergeht es dir in Hannover?
Ich komme gut zurecht hier. Es ist mittlerweile meine Heimatsstadt geworden.
Beschreibe bitte deine momentane berufliche und private Situation.
Im Moment versuche ich soziale Kontakte zu knüpfen. Ich habe eine Zeitlang in einer Firma gearbeitet, jedoch hat mich die Chefin viel ausgenutzt. Ich habe nachts gearbeitet, damit ich mich tagsüber um meine Tochter kümmern konnte. Ich dachte, das wäre nicht schlecht, jedoch waren es schlechte Zahlungsverhältnisse und ich habe viel gearbeitet für wenig Geld.
Deshalb entschloss ich mich eine Ausbildung als Wachfrau zu machen. Die Ausbildung habe ich in Braunschweig gemacht und bin täglich gependelt. Die Ausbildung dauerte vier Monate und so schloss ich sie mit bestandener Prüfung ab.
Ich wollte diese Ausbildung machen um einfach mal was in der Hand zu haben.
Normalerweise wollen Frisörgeschäfte junge Leute und Menschen mit Diplom. Ich habe lange versucht, eine deutsche Ausbildung als Frisörin zu machen aber wegen meines Alters hat es nicht geklappt. Mehrere Frisörgeschäfte wollten nur Praktikanten, die kein Geld kosten. Deshalb wollte ich das nicht.
Was sind deine Pläne für die nächste Zeit?
Erst einmal muss ich gesund werden. Im Sommer 2014 hatte ich einen Autounfall. Bis heute habe ich Probleme mit zwei Bandscheiben an der Halswirbelsäule. Die Folge ist, dass es meinen Körper sehr beansprucht. Ich bin auf Schmerzmittel angewiesen, die mich körperlich und psychisch schwächen. Außerdem habe ich mit Nierensteinen zu kämpfen. Wie es weitergeht, (...) ich weiß es nicht. Ich hoffe, dass diese gesundheitlichen Probleme schnell ein Ende finden werden.
Wenn es mir besser geht, möchte ich mich gerne für einen Job als Wachpersonal bewerben, speziell das Amtsgericht würde mich interessieren.
Erzähle bitte von deiner Familie in Bulgarien.
Meine Familie in Bulgarien besteht aus meinem Vater, meiner Mutter und meinem Bruder. Ich war seit drei Jahren nicht zu Hause und habe meine Familie seitdem nicht gesehen. Ich kann nur zur Ferienzeit nach Hause fliegen. Die Flüge sind jedoch sehr teuer und das kann ich mir beim besten Willen nicht leisten. Ich habe nach Abzügen 200 Euro monatlich zur freien Verfügung. Diese werden für die Wünsche meiner Tochter und zum täglichen Leben benötigt.
Mein Vater hat mehrere Herzinfarkte und einen Schlaganfall erlitten. Meine Mutter bekam zu Anfang des neuen Jahres die Diagnose einer Leberzirrhose. Diese Situation ist schlimm, ich will meine Mutter noch einmal lebend sehen. Mein Vater kümmert sich um meine Mutter, die nicht einmal allein auf die Toilette gehen kann, geschweige denn zum Arzt. Sie ist zu einem Pflegefall geworden. Mein Vater selbst ist jedoch auch sehr geschwächt. Mein Bruder unterstützt meine Eltern nach der Arbeit so viel er kann.
Auf welche Weise könnte man deiner Mutter helfen?
Ehrlich, ich weiß es nicht, ich bin weit weg. Ich muss vor Ort sein, um die Lage einschätzen zu können. Ich denke, dass mein Vater mir nicht die ganze Wahrheit erzählt, um mir die schlimmsten Dinge zu ersparen.
Sie muss Anfang März ins Krankenhaus jedoch kann sie selbst nicht mehr gehen und bräuchte einen Rollstuhl. Dieser ist jedoch nicht in bulgarischen Krankenhäusern zu bekommen. Ich würde ihr gerne einen Rollstuhl kaufen, ein gebrauchter würde mir schon reichen, jedoch kann ich es mir zur Zeit aber nicht leisten. Es geht mir darum, das Leben was meiner Mutter noch bleibt zu erleichtern.
Welche Wünsche hast du für die Zukunft?
Ich will meinem Kind ein besseres Leben ermöglichen. Ich will einen normalen Alltag, gesund werden und auf meinen eigenen Beinen stehen, um somit mein Kind und meine Familie in Bulgarien zu unterstützen. Dazu muss ich aber gesund werden. Bis dahin muss ich gucken wie ich meinen Eltern helfen kann. Das kann ich am besten, indem ich hinfliege. Selbst eine Woche würde meinen Eltern schon viel Last von den Schultern nehmen. Ich würde es mir nicht verzeihen, wenn der schlimmste Fall eintritt und meine Mutter stirbt, bevor ich sie noch einmal sehen kann.
Deutsche Staatsbürgerin bin ich noch nicht, obwohl ich es gerne werden würde, aber das wird, denk ich mal, ein wenig dauern. Irgendwann, hoffe ich, wird mir dieses gelingen.
Was gibst du den deutschen Mitbürgern mit auf den Weg?
Deutschland bietet so viel Möglichkeiten wie kaum ein anderes Land und dafür sollen sie sich glücklich schätzen.