YILDIZ
"Unser Schicksal zu tragen heißt, es zu besiegen"
Frau S., 26 Jahre alt mit sog. Migrationshintergrund, gehört zu den Frauen, die es niemals leicht im Leben hatten. Jedoch war sie immer stark genug, um weiterzumachen und ihr Schicksal anzunehmen. Unser Interview (Interviewerinnen: Tamana & Mariam) soll den Lesern verdeutlichen, dass viele Arten von Hilfe benötigt werden und wie sehr diese das Leben eines Menschen positiv verändern können.
Der Verein „Ganz unten e.V.“ spendete dieser jungen Dame einen Führerschein, den sie im Moment am Nötigsten braucht.
Welche Nationalität haben Sie?
Ich bin syrische Türkin. Meine Mutter stammt aus Syrien und mein Vater aus der Türkei…
…und wie lange leben Sie schon in Deutschland?
Nun ja, ich erinnere mich nicht so ganz, aber ich denke, dass wir 1989 aus der Türkei geflohen sind.
Aus welchem Grund sind Sie denn mit Ihrer Familie damals nach Deutschland geflohen?
Oh, um ehrlich zu sein, war ich zu jung und habe bis heute nicht richtig nachgefragt, aber ich denke, dass wir yezidische Kurden als Minderheit in der Türkei politisch verfolgt wurden und uns daher entschieden haben, nach Deutschland zu gehen, um dort ein besseres Leben führen zu können.
Was haben Sie beruflich erlernt?
Leider habe ich nach meiner Ehe die Schule abgebrochen und mich nur auf die Ehe konzentriert, daher habe ich auch keine Ausbildung angefangen und bereue das heute sehr. Allerdings habe ich etwas später meinen Hauptschulabschluss nachgeholt und wurde von meiner damaligen Lehrerin motiviert, weiterzumachen, jedoch war ich verhindert, da ich zu dieser Zeit schwanger war.
Wie alt waren Sie, als Sie geheiratet haben?
Ich war damals 18 Jahre alt, als ich meinen "Noch-Ehemann" geheiratet habe.
Vorsichtig haken wir nach: Was meinen Sie mit "Noch-Ehemann"?
Nach mehreren negativen Ereignissen habe ich mich entschieden, meinen Weg alleine zu gehen. Ich bin der Meinung, dass er sich einfach zu viel geleistet hat und dieses Verhalten kann und will ich nicht länger dulden.
Dürfen wir fragen, was genau vorgefallen ist?
Mein Ehemann sitzt derzeit in der JVA. Er ist schon mehrere Male mit kriminellen Machenschaften in Konflikt geraten. Die nächsten 7 1/2 Jahre wird er dort auch nicht mehr rauskommen.
Etwas schockiert über die Antwort von Frau Suleymann stellen wir uns folgende Frage: War es denn Liebe oder eine Zwangsheirat?
Dies kann ich gar nicht wirklich beantworten. Ich war damals zu jung, um zu verstehen, ob ich diesen Mann liebe oder einfach zu stark den Wunsch hatte, zu heiraten, aber Zwang war es nicht.
Wie viele Kinder haben Sie und wie alt sind diese?
Mein Großer ist jetzt 6 Jahre alt und der kleine Frechdachs 2, der mich ganz schön auf Trab hält.
Unsere Dozentin hatte uns erzählt, dass die Kinder krank sind. Dürfen wir fragen, was denn die zwei kleinen Männer haben?
Es handelt sich um eine Art Asthma/Krupp.
Etwas berührt fragen wir: Wie gehen Sie denn damit um?
Die Kinder sind alles, was ich habe und wofür ich lebe. Trotzdem ist die Situation sehr schwierig, da ich die Kinder sehr oft abends ins Krankenhaus fahren muss und auch viele Arztbesuche tätigen muss. Und die Schwierigkeit liegt darin, dass ich auf mich selbst gestellt bin und keinen Führerschein habe. Daraufhin hatte ich das Glück, Frau Dr. P. durch einen Zufall kennengelernt zu haben, die mir in so einer schwierigen Lebenssituation, ohne mich wirklich zu kennen, helfen wollte. Ihre Idee war es, mir den Führerschein zu spenden. Mir fiel es schwer, diese überaus nette Geste anzunehmen, jedoch war ich überaus dankbar.
Unsere Dozentin hat uns erzählt, dass es Ihnen schwer gefallen ist, jegliche Art von Hilfe anzunehmen. Jedoch haben Sie am Ende die Spende eines Führerscheins angenommen. Warum gerade das?
Das wichtigste ist das Wohlergehen meiner Kinder. Und genau aus dem Grund war es an der Zeit, dass ich mich mobiler mache. Dazu gehört nun mal ein Führerschein, um meine kranken Kinder zu jeglichen Arztbesuchen und Krankenhäusern fahren zu können. Auch ist es schwer, Einkäufe ohne einen Wagen zu tätigen.
Diese Schwierigkeiten waren mir früher nicht bewusst, da damals mein Ehemann solche Aufgaben erledigte.
Wie kam es dazu, dass Sie bis heute den Führerschein noch nicht gemacht hatten?
Mir hat das nötige Kleingeld dazu gefehlt und bisher dachte ich, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auskommen zu können.
Wie kommen Sie mit dem Führerschein momentan voran?
Bisher hatte ich eine Fahrstunde und freue mich schon auf die weiteren.
Auch bin ich fleißig am Lernen um den Theorieteil abzulegen.
Was sagt eigentlich Ihre Familie dazu, dass Sie den Führerschein machen?
Meine Familie freut sich nach anfänglicher Kritik darüber, dass ich im Leben selbstständiger werde. Auch ist es so, dass sie mich auf ihre Art unterstützen, indem sie z.B. meine Kinder betreuen, während ich in der Fahrschule bin.
Haben Sie eigentlich vor, nachdem Sie hoffentlich Ihren Führerschein bestehen, einen Wagen zu kaufen?
Na klar. Allerdings fehlt auch hier das nötige Kleingeld. Ich werde versuchen, etwas zu sparen.
Was bedeutet Ihnen der Kontakt mit Frau Dr. P.?
Mir bedeutet der Kontakt sehr viel, denn ich war an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich komplett überfordert war. Fast schon wie bei einem Wunder trat dann Ihre Dozentin und der Verein Ganz unten e.V. in mein Leben. Frau Dr. P. hat mir sehr viel Kraft und Mut gegeben und das werde ich nicht vergessen.
Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?
Zunächst ist es mir wichtig, Selbstvertrauen aufzubauen und mich persönlich zu entwickeln. Dazu gehört für mich der Beginn einer Ausbildung und klare Lebensverhältnisse zu haben, wie die Scheidung von meinem Ehemann. Ich warte nur noch darauf, dass der Kleine in den Kindergarten kommt. Mein zweites wichtiges Lebensziel ist es, meinen Kindern ein behutsames und glückliches Leben zu ermöglichen.
Zum Schluss gaben wir Frau S. noch ein paar ermunternde Worte mit und bedankten uns für das Interview.
Anmerkung: Das obige Interview ist eine eigenständige Leistung der Studierenden und gibt wieder, was den beiden Lernenden wichtig war. Interviews müssen natürlich noch geübt werden.
Im Namen von Ganz unten e.V. möchte ich aber in jedem Fall noch herzlich danken Frau Ruschemeier-Kochen und Frau Garben-Mogwitz. Die beiden engagierten Damen vom Rotary Club Hannover-Luisenhof haben sich ebenso wie der ehemalige Justizminster Prof. Dr. Pfeiffer zum Glück meinem Überfallkommando nicht schnell genug entziehen können und haben nach meinem beharrlichen Blick auf die Geldbörse diese geöffnet und großzügig mit einer sofortigen Geldspende mitgeholfen, dass Frau S. jetzt den Führerschein machen kann - es kommt oben nur sehr dezent zur Sprache, aber ohne diesen könnten die Kinder den Kontakt zum Vater, der entfernt einsetzt, gar nicht mehr halten, denn Fahrkarten für alle sind schlicht "nicht drin", wäre Sportunterricht unmöglich und ganz vieles Weitere mehr.
Ich habe darüber ja im persönlichen Gespräch näher berichtet.
An dieser Stelle schlicht: Danke - und, an alle mit Geld in der Tasche: ich komme wieder, in Deckung gehen ....