NICO
Mein Name ist Katrin und ich bin ein Mitglied im Verein Ganz unten e.V.
Vor Kurzem habe ich mich mit Nico getroffen. Das Leben hat es bisher nicht gut gemeint mit ihm und viele Fehler hat er auch gemacht, doch nun hat er sich an Ganz unten e.V. gewendet, um einen Neustart zu wagen. Darüber möchte ich hier berichten, wobei der Bericht fortgesetzt wird und wir seinen Neustart kontinuierlich begleiten werden. Hier nun Bericht Nr. 1:
Katrin: „Nico, wann hat es begonnen, dass Dein Leben nicht mehr in geordneten Bahnen verlief? Wie war Deine Kindheit?“
Nico: „Ich bin mit einem älteren Bruder aufgewachsen, der mich bereits früh hänselte. Verpetzt habe ich ihn nie. Auch für seine Freunde war ich ein dankbares Opfer. Die ersten drei Jahre der Schulzeit habe ich in der Sonderschule verbracht. Danach bin ich zur Grundschule gekommen. Hier war ich aber nur der Dumme von der Deppen-Schule. Da musste ich mich doch irgendwann mal wehren. Mit acht Jahren habe ich angefangen zu rauchen, im Alter von elf folgte der erste Joint. In der 9. Klasse bin ich dann von der Hauptschule geflogen und hatte die falschen Freunde.“
Katrin: „Und dann? Wie ging es weiter?“
Nico: „Ich habe dann noch mehrere Schulen und Maßnahmen vom Amt besucht. Zwischendurch habe ich viele Drogen ausprobiert: Ecstasy, LSD, Kokain, Pilze und Heroin kamen zum Alkohol hinzu. Das kostet natürlich. Diebstahl, unerlaubter Waffenbesitz, Körperverletzung, Erpressung, Betrug und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz gehen auf mein Konto. Stolz bin ich nicht darauf, aber dafür hatte ich immer Geld in der Tasche. 2011 habe ich nach langem Hin und Her mit dem Amt meinen Hauptschulabschluss nachgeholt.“
Katrin: „Hat man Dich nie erwischt?“
Nico: „Doch, häufig. Sozialstunden, Jugendarreste, Geldstrafen, Ersatzfreiheitsstrafen und Privatinsolvenz. Gelernt habe ich aber erst jetzt daraus.“
Katrin: „Gab es besonders einschneidende Erlebnisse in Deinem Leben?“
Nico: „Ja, ich habe mittlerweile drei Mal Geburtstag.“
Katrin: „Wieso das?“
Nico: „Mit 15 Jahren wurde ich an den Mandeln operiert; es traten Nachblutungen auf, wäre ich nur 10 Minuten später ins Krankenhaus gekommen, wäre ich gestorben. Mit 20 Jahren bin ich Opfer eines Mordversuchs geworden; mir hat ein Typ unter Drogen die Kehle aufgeschlitzt; einfach so, den kannte ich gar nicht. Ich wäre fast verreckt.“
Katrin: „Wie kam es dazu, dass Du jetzt einen Neustart wagen möchtest?“
Nico: „Ich hatte eine Wohnung, eine Freundin, einen Führerschein, ein Auto und einen Job. Von den Drogen war ich ja bereits länger weg. Außer Alkohol und Kiffen in geselligen Runden. Dann wurde ich mit Resten von THC im Blut von der Polizei am Steuer erwischt. Führerschein weg, Auto weg, Job weg, Freundin weg. Da ich in meinem Job nicht all zu viel verdient hatte, erhalte ich jetzt noch Hartz IV zum Arbeitslosengeld. Ich bin jetzt an einem Punkt angekommen, an dem ich nicht mehr so weiter machen möchte. Ich möchte nicht weiter straffällig werden, um mein Leben zu finanzieren. Ich möchte einfach ein normales Leben führen. Allein ist das schwer.“
Katrin: „Wie soll es für Dich weitergehen?“
Nico: „Für das Amt ist meine Wohnung zu groß und zu teuer, daher habe ich sie gekündigt und suche etwas Kleineres und Billigeres. Ich habe Ende Mai ein Praktikum gemacht für eine Ausbildung auf dem Bau. Der Arbeitgeber war sehr zufrieden mit mir. Ich hoffe, ich bekomme bei ihm trotz meiner Vergangenheit eine Chance und ich kann dort eine Ausbildung anfangen. Ich möchte nicht als Ungelernter von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob wechseln. Ich möchte eine Freundin finden, so akzeptiert werden, wie ich bin, mit meiner Vergangenheit. Ich möchte eine feste Beziehung aufbauen und dann auch irgendwann eine Familie gründen. Einfach ein normales Leben führen.“
Einfach ein „normales“ Leben zu führen ist jetzt der große Traum von Nico. Wir werden ihn auf seinem Weg begleiten und ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wir wollen ihn bei der Suche nach einem neuen Heim und auf dem Weg in die Ausbildung unterstützen.
Fortsetzung folgt....