2010
HAZ vom 06.12.2010:
Suppenküche ist wichtige Anlaufstelle für Bedürftige
Für viele Bedürftige in Hannover ist die Ökumenische Essensausgabe in der St.-Clemens-Propstei ein wichtiger Anlaufpunkt im Winter. Auch in diesem Jahr werden bis zu 120 Menschen am Tag erwartet.
„Für wohnungslose Menschen ist der Advent eine besonders bittere Zeit“, sagt Hans-Martin Joost. Viele Straßen, Häuser und Geschäfte seien festlich geschmückt, während 3000 bis 4000 Menschen in Hannover tagsüber noch nicht wüssten, wo sie die nächste Nacht verbringen sollen. 500 von ihnen finden nach Angaben des Leiters des Diakonischen Werks Hannover überhaupt keinen Unterschlupf. „Sie übernachten auf Parkbänken, in U-Bahn-Schächten, Hauseingängen.“ Für diese Menschen bedeute die ökumenische Essensausgabe in der St.-Clemens-Propstei in der Goethestraße einen Lichtblick. Bis zum 19. März erhalten Bedürftige dort von Montag bis Sonnabend, täglich von 11 bis 13 Uhr, eine kostenlose warme Mahlzeit.
Auch in diesem Jahr rechnen die vier Kirchengemeinden und die zentrale Beratungsstelle (ZBS) des Diakonischen Werks, die die Suppenküche mithilfe von Spendern und Ehrenamtlichen betreiben, mit 120 und mehr Besuchern täglich. Im vergangenen Winter waren 11 500 Mahlzeiten von Dezember bis März 2009/2010 ausgegeben worden, gekocht vom Küchenteam des Friederikenstifts. Es gibt Eintöpfe, Nudelgerichte, Menüs mit Kartoffeln, Gemüse und Fleisch; außerdem Obst, Kaffee und Kekse – Nachschlag inklusive. Bis zu sechs Mitarbeiter sind täglich im Einsatz, um das Essen auszuteilen, abzuwaschen, bei Problemen zuzuhören und Hilfen zu vermitteln.
Schon seit Jahren kommen nicht nur Wohnungslose und Senioren mit Renten kaum über dem Sozialhilfesatz in den Propsteikeller, sondern auch Hartz-IV-Empfänger, bei denen es gerade noch für eine warme Wohnung reicht. Immer mehr junge Menschen sind darunter. 330 Euro an Spenden benötigt die Suppenküche täglich, gut 30 000 Euro pro Saison, um all die Bedürftigen zu verköstigen. Als sehr hilfreich bezeichnete Michael Schröder-Busch von der ZBS für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten den Einsatz von Sozialarbeitern, den die Stadt Hannover mit 25 000 Euro finanziert. Sie versuchten vor allem, mit jenen Obdachlosen in Kontakt zu kommen, die Hilfsangebote normalerweise ablehnen. „Die Teams haben immer warme Kleidung und Schlafsäcke dabei“, sagt Schröder-Busch.
Ein in der hannoverschen City verteiltes Flugblatt an Passanten, das über die Lage von Obdachlosen aufklärt und eine Reihe von Notrufnummern enthält, habe ebenfalls Wirkung gezeigt. Unter der Winternotfallnummer (05 11) 9 90 40 15 (Anrufbeantworter) meldeten sich jeden Tag besorgte Mitbürger, die Wohnungslose beobachtet hätten, die sich auch bei Minusgraden im Freien aufhielten. „Durch diese Meldungen können wir diesen Menschen gezielt Hilfe anbieten“, berichtet Schröder-Busch. Der Flyer kann von der Internetseite www.diakonisches-werk-hannover.de heruntergeladen werden.
Wer bei der ökumenischen Essensausgabe mithelfen oder spenden möchte, kann sich telefonisch unter (05 11) 9 90 40 39 oder per E-Mail unter essenausgabe@zbs-hannover.de melden.
HAZ vom 01.12.2010:
Obdachloser zündet seinen Kumpan an
Im Suff mit brennbarer Flüssigkeit übergossen und angezündet: Im Vorgarten der Obdachlosenunterkunft von Schmarbeck-Grube im Landkreis Celle ist ein Obdachloser von seinem Kumpan angezündet worden. Eigentlich war die Gemeinde durch Klagen der Nachbarn vorgewarnt.
Verkohlte Kleiderfetzen und eine Gürtelschnalle – das ist alles, was von Andreas Schulte zurückgeblieben ist. Die Brandreste liegen noch im Vorgarten der Obdachlosenunterkunft von Schmarbeck-Grube, einem Ortsteil der Gemeinde Faßberg im Norden des Landkreises Celle. Gegen 21.30 Uhr stand hier am vergangenen Donnerstag einer der Bewohner in Flammen, nachdem ihn zuvor ein Mitbewohner im Suff mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und angezündet hatte.
Nachbar Thomas Otto ist immer noch aufgebracht, wenn er erzählt, wie sich die Tragödie zugetragen hat. Anfangs habe er nur gehört, wie sich die beiden Männer grölend betrunken und hämmernde Musik gehört hätten, erzählt er. Irgendwann am Abend aber habe Carsten S. dann an seine Tür geklopft. „Otti, mach auf“, habe der 39-Jährige gerufen und lauthals lachend hinzugefügt: „Guck mal da, Schulte brennt.“ So schnell wie möglich sei er daraufhin nach draußen gestürmt, habe dem brennenden Mitbewohner einen Eimer Wasser über den Kopf gegossen und den Rettungsdienst alarmiert. Doch die Rettung kam zu spät. Andreas Schulte starb wenig später im Krankenhaus.
Der mutmaßliche Täter sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Celle ermittelt wegen vorsätzlicher Tötung. Nach den vorläufigen Erkenntnissen der Polizei hat der Obdachlose seinen Kumpan zuerst misshandelt und dann in Brand gesetzt. Es war nicht das erste Mal, dass Carsten S. ausgerastet ist. „Der ist hier schon mit der Axt rumgerannt und hat geschrien, dass er uns alle umbringen will“, erzählt Nachbar Thomas Otto. „Drei Fensterscheiben hat er mir eingeschlagen.“ Als er sich bei der Gemeinde, der Trägerin der Obdachlosenunterkunft, darüber beklagt habe, habe die sich darauf beschränkt, die zerstörten Scheiben durch Plexiglas zu ersetzen. „Die haben das einfach laufen lassen“, klagt Otto. „Dabei ist der hier schon in einer Tour Amok gelaufen. In Socken ist der draußen rumgerannt und hat vor aller Augen auf die Straße gepinkelt.“
All dies hat auch Ulrich Klein miterlebt, der ebenfalls als Obdachloser in dem grauen Flachbau am Rande des Truppenübungsplatzes lebt: „Das kann doch nicht angehen, dass so ein Mensch frei rumläuft.“
Der Leiter des Faßberger Ordnungsamts, Andreas Schulze, bestätigt, dass der gelernte Bäcker auch andere Nachbarn belästigt hat. „Der stand schon ziemlich weit neben sich.“ Die Gemeinde habe schließlich die Polizei eingeschaltet und sich bemüht, mithilfe eines Betreuers, den das Amtsgericht Celle für den Obdachlosen eingesetzt hatte, auf den Mann einzuwirken. Vergebens. „Wir konnten wegen öffentlichen Urinierens nur ein Verwarngeld gegen ihn verhängen.“
Carsten S. war im März 2010 nach diversen Alkoholexzessen von seinen Eltern im Faßberger Ortsteil Müden auf die Straße gesetzt worden – unter anderem hatte er auf dem Wohnzimmertisch ein Feuer entzündet. Da der Mann daraufhin obdachlos war und eine Entziehungskur ablehnte, brachte ihn die Gemeinde in ihrer Schlichtunterkunft unter, in der sein späteres Opfer seit vielen Jahren lebte – ebenfalls schwer alkoholabhängig.
Gewalt und Alkohol belasten auch das Leben in anderen Obdachlosenunterkünften. Manche Nichtsesshafte ziehen es daher vor, auf der Straße zu übernachten. Trotz bitterer Kälte. Nach dem Feuertod des Mitbewohners will auch Ulrich Klein nicht mehr länger in dem Flachbau von Schmarbeck leben. „Ich zieh’ aus, ich halte das nicht mehr aus.“
HAZ vom 01.12.2010:
Tödliche Verletzungen: Obdachloser in Celle angezündet
Im niedersächsischen Faßberg bei Celle ist ein Obdachloser angezündet worden, er starb später an seinen schweren Verletzungen. Der Tatverdächtige, ein 39-Jähriger aus dem Obdachlosenmilieu, sitzt bereits in Untersuchungshaft.
Ein 48 Jahre alter Obdachloser ist in Faßberg bei Celle (Niedersachsen) angezündet worden und an seinen schweren Verletzungen gestorben. Die Staatsanwaltschaft Celle bestätigte am Mittwoch entsprechende Medienberichte. Die Polizei nahm einen 39- Jährigen unter dringendem Tatverdacht fest. Der Mann stammt nach Polizeiangaben wie sein Opfer aus dem Obdachlosenmilieu.
Warum er seinen Zechkumpan anzündete, ist noch völlig unklar. Ausgeschlossen scheint nach den bisherigen Ermittlungen aber zu sein, dass sich die Kleidung des Mannes versehentlich entzündete. Die Ermittler gehen von einer vorsätzlichen Tötung aus, berichtete Staatsanwalt Lars Janßen.
Die Tat ereignete sich bereits am Donnerstag vergangener Woche auf dem Grundstück einer Obdachlosenunterkunft. Das Opfer soll nach ersten Erkenntnissen stark angetrunken gewesen sein. Der Mann wurde nach den Ermittlungen erst misshandelt und dann in Brand gesetzt. Der Verdächtige wurde schon einen Tag nach der Tat festgenommen und sitzt seit Samstag in Untersuchungshaft. Er bestreitet aber bisher jede Beteiligung an der Tat. Die Staatsanwaltschaft erwartet in dieser Woche die Ergebnisse der Obduktion des Opfers.
In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu schweren Übergriffen auf Obdachlose. Häufig waren es Jugendliche, die auf die Menschen losgingen. Zwei 16-Jährige ermordeten im Januar 2005 einen 46-Jährigen in Stuttgart. Die betrunkenen Schüler pöbelten den Mann in einer Stadtbahn an und schlugen ihn. Das Opfer starb zwei Tage später im Krankenhaus. Die Jugendlichen fotografierten ihre blutigen Schuhe mit einem Handy und prahlten im Freundeskreis mit der Bluttat. Beide wurden wegen Mordes zu neun Jahren Haft verurteilt. Im September 2004 starb in Weil am Rhein ein 45 Jahre alter Obdachloser, als er und zwei weitere Obdachlose von einer Gruppe junger Männer angegriffen wurden.
HAZ vom 02.11.2010:
Straßensozialarbeiter gehen im Winter gezielt auf Obdachlose zu
Hilfe in der Kälte: Seit drei Wochen verteilen Sozialarbeiter Handzettel an Obdachlose und machen auf das Winternotprogramm aufmerksam. Am Dienstag teilte die Stadt mit, dass die umstrittene Notunterkunft am Welfenplatz in der List vorerst geöffnet bleibt.
Jahrelang fehlte das Geld, um Straßensozialarbeiter zu bezahlen, die sich gezielt der Obdachlosen der Stadt annehmen. Vor allem solchen, die sich so weit aus der Gesellschaft herausgezogen haben, dass sie sich auch in de größten Not noch schwertun, um Hilfe zu bitten. "Diese Mesnchen sind einfach stehen geblieben", sagt Gottfried Schöne von der Zentralen Beratungsstelle der Diakonie. In den bevorstehenden Wintermonaten sollen sozialarbeiter des Vereins "Selbsthilfe für Wohnungslose" und der Diakonie diese Obdachlosen gezielt aufsuchen und ihnen wenigstens warme Kleidung, regelmäßige Mahlzeiten und ärztliche Hilfe anbieten. "Nach unseren Schätzungen geht es um rund 300 Frauen und Männer, die in der Stadt auf der Straße leben. Sie leben völlig zurückgezogen, wir müssen sie abholen", sagt Schöne. Die Maßnahme ist Teil des Winternotprogramms für Wohnungslose, für das die Stadt den Träögern der Wohlfahrtspflege insgesamt 25.000 Euro bereitgestellt hat.
Seit knapp drei Wochen machen die Sozialarbeiter bereits ihre Runden durch das Stadtgebiet. An drei Tagen in der Woche sind sie für jeweils zwei Stunden unterwegs. "Bisher hat es etwa 40 Kontakte gegeben", sagt Sozialarbeiter Joachim Teuber vom Kontaktladen "Mecki". Die Schwierigkeit liege vor allem darin, die Orte zu finden, an denen sich die Obdachlosen ihr Quartier eingerichtet haben. "Wir sprechen sie an. Wenn sie beim ersten Mal Hilfe ablehnen, nehme sie die Unterstüzung vielleicht beim zweiten Kontakt an." Teil des Winternotprogramms ist auch ein Angebot der Johanniter-Unfall-Hilfe. Mit einem Bus werden die Helfer während der Wintermonate im Stadtgebiet unterwegs sein, um Wohnungslose mit warmen Getränken und Decken zu versorgen.
Das traurige Schicksal des Obdachlosen Bernd C. hatte den Rat der Stadt dazu bewogen, die Winterhilfe für Menschen, die auf der Straße leben, zu verstärken. Der 57-jährige C. war an einem eisigen Tag im Februar 2010 auf der Bank eines Spielplatzes in der Eilenriede tot aufgefunden worden. Die erste Vermutung, der Mann sei erfroren, bestätigte sich später nicht; der 57-Jährige erlag einem Herzinfarkt. Dennoch war sein Tod ausschlaggebend daür, die Hilfe für Wohnungslose auszuweiten, die selbst bei Minusgraden im Freien übernachten wollen und den Kontakt zu Behörden oder die Unterbringung in einem Wohnheim ablehnen.
In der Hoffnung, in den nun bevorstehenden Wintertagen keinen Todesfall beklagen zu müssen, haben das Diakonische Werk und der Verein "Selbsthilfe für Wohnungslose" einen Handzettel veröffentlicht. Er soll in den kommenden Wochen in der Innenstadt verteilt werden und zeigt auf, was zu tun ist, wenn man auf einen der Kälte ausgesetzten Obdachlosen trifft. "Sprechen Sie die Person ruhig an. Fragen Sie, ob Hilfe gewünscht ist", rät Schöne. Bestehe der Eindruck, dass die Person hilflos sei, solle die Polizei informiert werden. Alternativ haben die Träger des Programms eine Winternotfallnummer eingerichtet. Unter der Telefonnummer 0511-9904015 beantworten die Sozialarbeiter alle Fragen zum Thema und nehmen Hinweise entgegen.
HAZ vom 29.10.2010:
48-jähriger Obdachloser mit Messer schwer verletzt
(frs). In der Nordstadt von Hannover ist am Freitagmorgen ein 48-jähriger Mann mit schweren Stichverletzungen aufgefunden worden. Der Obdachlose lag in einem leerstehenden Gebäude auf dem Gelände des Güterbahnhofes am Weidendamm.
Nach Polizeiangaben hatten zwei Bekannte den Mann am Freitag gegen 4:20 Uhr in dem regelmäßig von Obdachlosen genutzten Gebäude am Weidendamm entdeckt. Das Opfer gab gegenüber seinen Bekannten an, von einem ebenfalls aus der Obdachlosenszene stammenden Mann mit einem Messer verletzt worden zu sein. Der 48-Jährige kam mit mehreren oberflächlichen Stichverletzungen am Oberkörper ins Krankenhaus, Lebensgefahr bestehe aber nicht, teilte die Polizei mit. Die Hintergründe der Tat sind noch unklar.
HAZ vom 07.10.2010:
Stadt erarbeitet Konzept für Trinker und Obdachlose
Der Bezirksrat Linden-Limmer hat sich in der jüngsten Sitzung darauf geeinigt ein Konzept zum Umgang mit öffentlichen Alkoholkonsum in Linden und Limmer zu erarbeiten.
Um die Probleme mit Trinkergruppen in der Limmerstraße in den Griff zu bekommen, soll zunächst ein vernünftiges Konzept erarbeitet werden. Darauf haben sich die Stadtverwaltung und die Kommunalpolitiker des Stadtbezirksrats Linden-Limmer in der jüngsten Sitzung des Gremiums verständigt. Zuvor hatte Hans-Joachim Sbresny, Leiter des städtischen Fachbereichs Soziales, angekündigt, dass die Stadt ein Handlungskonzept für den Umgang mit Alkoholkonsum im öffentlichen Raum erarbeitet. Gleichzeitig warnte er davor, die Trinkergruppen zu vertreiben und das Problem damit lediglich zu verlagern.
Grundlage für die Diskussion war unter anderem eine nicht repräsentative Studie, die das Karl-Lemmermann-Haus in Ricklingen auf Anfrage des Bezirksrates erstellt hatte. Die Einrichtung in Trägerschaft der Diakonie betreut Alkoholabhängige in unterschiedlichen Angeboten. Sie hat auch das Konzept für den Schünemannplatz in Ricklingen erarbeitet, wo seit einigen Jahren Sozialarbeiter die öffentliche Fläche tagsüber betreuen. Für die vorläufige Erhebung zur Limmerstraße haben Sozialpädagogen des Hauses die üblichen Treffpunkte der Trinkergruppen auf Bänken oder in der Nähe von Lebensmittelmärkten in dem Zeitraum vom 7. September bis 23. September regelmäßig aufgesucht und beobachtet.
In der Zeitspanne der Untersuchung haben sich demnach insgesamt 188 Menschen – 143 Männer und 45 Frauen – mit auffälligem Verhalten dort getroffen. Da teilweise unterschiedliche Mitarbeiter im Einsatz waren, ist jedoch ungewiss, ob es sich bei der Angabe um die tatsächliche Zahl handelt oder ob einige Personen mehrmals gezählt wurden. Die tägliche Zahl der beobachteten Trinker variierte stark, durchschnittlich wurden fünf bis maximal 13 Personen gezählt.
Über die Motivation der Gruppen, die mit ihrem Verhalten vor allem bei Einzelhändlern an der Limmerstraße sowie Passanten Unmut hervorrufen, lässt sich bisher offenbar wenig sagen. „Die Gruppen sind sehr heterogen, es handelt sich dabei nicht allein um Obdach- oder Arbeitslose, auch anderes Publikum ist an den Treffpunkten vertreten“, sagte Harald Bremer, Geschäftsführer des Karl-Lemmermann-Hauses.
Als beliebteste Treffpunkte registrierten die Experten unter anderem die Bank vor dem Elektrogeschäft am südwestlichen Ende der Limmerstraße sowie den Fußboden unter dem Vordach des Rewe-Marktes direkt gegenüber. Dieser Platz biete den Gruppen Schutz vor Regen, sagte Bremer.
Im Ergebnis raten die Experten davon ab, Bänke abzubauen und das Problem damit an einen anderen Standort zu verlagern. Denkbar ist nach Ansicht der Sozialarbeiter jedoch ein Dialog aller Beteiligten. Eine ähnliche Lösung wie am Schünemannplatz in Ricklingen wurde zunächst nicht in Betracht gezogen. „Die Situation ist nicht übertragbar auf die Limmerstraße“, sagte Bremer.
„Das Problem können wir nicht von heute auf morgen lösen“, sagte Christian Eggers von der CDU. Eine Maßnahme reiche da nicht aus. Auch SPD-Bezirksratsherr Horst Knoke sprach sich dafür aus, das Problem nicht zu überstürzt anzugehen. Es sei ratsam, zunächst das Handlungskonzept der Stadt abzuwarten.
HAZ vom 14.09.2010:
Verein verteilt Futter an bedürftige Tierbesitzer
In Kooperation mit dem DRK unterstützt der Laatzner Verein Helfende Pfötchen Bedürftige bei der Versorgung ihrer Tiere mit Nahrung. Inzwischen sogar schon in Hannover.
Erst vor fünf Monaten haben sich die Helfenden Pfötchen gegründet, jetzt weitete die Laatzener Tafel für Tiere schon ihr Einzugsgebiet aus: „Wenn wir sonnabends nach unserer Ausgabe in Laatzen noch etwas übrig haben, fahren wir noch nach Linden“, sagt Mitarbeiter Dietmar Plömer.
In Hannover betreibt das Deutsche Rote Kreuz (DRK) an der Rampenstraße eine Suppenküche, bei der Obdachlose freitags eine warme Mahlzeit bekommen. Nach der Ausgabe der Speisen verteilen die Laatzener dort nun auch Futter für obdachlose Tierbesitzer. „Hauptsächlich geben wir dort Hunde- und Katzenfutter aus“, sagt Plömer. „Das sind Waren, die kurz vor dem Ablaufdatum stehen und in Laatzen nicht mehr rechtzeitig verteilt werden können.“
Der Kontakt mit dem DRK kam über die Laatzener Tafel zustande: Das Rote Kreuz hole schon jetzt freitags bei der Laatzener Tafel Waren ab, die nicht verteilt wurden und über das Wochenende verderben würden, sagt Plömer. Auch Sachspenden wie Schlafsäcke, Regenjacken und Decken geben die Laatzener Helfer mitunter an die Obdachlosen in Hannover weiter.
In Gesprächen stellte sich eine weitere Gemeinsamkeit heraus: „Die Leute vom DRK sammeln ebenfalls Hundefutter.“ Von der Kooperation profitieren beide Seiten – und in Laatzen nicht nur die Tafel, sondern auch die Helfenden Pfötchen: „Wenn die vom DRK noch Hundefutter übrig haben, geben sie das an uns weiter. Das funktioniert ganz gut“, sagt Kornelia Brandt-Plömer, Vereinsvorsitzende der Helfenden Pfötchen.
Der Verein zählt aktuell 25 Mitglieder und einen Stamm von zehn Helfern. Über die Laatzener Ausgabestelle an der Nürnberger Straße 1 werden derzeit etwa 60 Hunde und 75 Katzen von 38 Bedürftigen versorgt. Die Ausgabetermine sind jeweils sonnabends von 10 bis 12 Uhr. Futter kann für eine Woche mitgenommen werden. Dafür zahlen die Bedürftigen entsprechend der Größe ihres Tieres 50 Cent oder einen Euro.
Weitere Informationen über den Verein gibt es im Internet auf www.helfendepfoetchen.de.
HAZ vom 21.08.2010:
Speisetafel für die Armen in Hannover gedeckt
Um auf das Schicksal der Armen aufmerksam zu machen, haben Caritas und Diakonie am Sonnabend in Hannover und Osnabrück eine Speisetafel gedeckt. Tausende kamen und ließen sich Erbsensuppe oder Hühnertopf schmecken.
Mehr als 50 Meter zieht sich die sommerlich geschmückte Speisetafel auf dem Domvorplatz in Osnabrück. Es gibt Erbsensuppe für alle - egal ob arm, ob reich. Menschen strömen zum nahe gelegenen Markt, werfen einen Blick, bleiben stehen, kommen ins Gespräch. Genau das wünscht sich der Caritasverband. „Wir möchten aufmerksam machen auf die Armut in Deutschland und die Grenze überschreiten zwischen denen, die noch im grünen Bereich leben und denen, die auf Unterstützung angewiesen sind“, sagt Gabriele Bührs, Sozialpädagogin bei der Caritas Osnabrück.
„Wir haben hier 500 Dauergäste und mindestens 1000 Menschen, die im Vorbeigehen stehenbleiben und sich informieren“, sagt der stellvertretende Caritasdirektor Günter Sandfort. 700 Mahlzeiten werden insgesamt ausgegeben. Auch in Hannover haben Wohlfahrtsverbände einen langen Tisch gedeckt. Vom Hauptbahnhof bis zum Kröpcke reicht die Tafel, mit der Caritas und Diakonie zu asiatischem Hühnertopf einladen. Der Andrang ist groß. „Hier ist die Hölle los“, ruft Caritas-Sprecher Willi Schönamsgruber im Getümmel. 5000 Gäste zählt er um die Mittagszeit rund um die 400 Meter lange Tafel.
Nebeneinander können die Gäste Platz nehmen. Wer wer ist, fällt nicht immer auf. Die Osnabrücker Sozialpädagogin Bührs meint: „Vielen sieht man ihre Armut gar nicht an.“ So auch nicht Heinz-Walter (37), der seinen Nachnamen nicht nennen will. Nach privaten Problemen landete er auf Straße, nahm Drogen. Seit einer Woche nun lebt er in einer Obachlosen-Unterkunft, versucht wieder Tritt zu fassen. Die Gespräche mit den Besuchern der Tafel bedeuten dem Mann mit den kurzrasierten Haaren viel: „Ich finde es aufregend, dass sich Menschen für uns interessieren“, sagt er strahlend.
Gut 14 Prozent der Niedersachsen gelten als armutsgefährdet, so lauten Angaben des statistischen Landesamtes. Die Armutsquote bei Kindern liegt bei 15,4 Prozent. In einigen Stadtteilen Osnabrücks liegt sie bei 21 Prozent. Das bedeutet: Kinder unter 13 Jahren benötigen ergänzende Leistungen, um etwa Schulbücher bezahlen zu können.
Die Zahl der Betroffenen sei erheblich gestiegen, hat Bührs in ihrer täglichen Arbeit festgestellt. Die Caritas habe deshalb die Sprechzeiten ausgeweitet, um dem Beratungsbedarf vor allem bei finanzieller Not entgegen zu kommen. Sie zahlt kein Geld, sondern überlegt mit den Betroffenen Lösungen und verhandelt beispielsweise mit Energie-Anbietern, damit der Strom bei den Betroffenen weiter fließt.
Es gebe immer mehr Obdachlose, berichtet Andrea Ostendorf, die seit sechs Jahren bei der Wohnungslosenhilfe Osnabrück tätig ist. Sprunghaft sei dabei die Zahl der Jugendlichen unter 25 Jahren seit der Einführung von Hartz IV in die Höhe geschnellt. „Sie dürfen nicht mehr ohne weiteres bei ihren Eltern ausziehen. Bei Problemen versuchen sie deshalb, bei Freunden unterzukommen. Und wenn es da zum Streit kommt, landen sie auf der Straße.“
Einige Betroffene laufen bei einer Modenschau mit, bei der auch Mitarbeiter, Ehrenamtliche und Kundinnen Kleidung aus einem Kaufhaus präsentieren, in dem Menschen mit geringem Einkommen Second-Hand-Ware erstehen können. Für Unterhaltung sorgen Musik- und Theatergruppen. Im Dom gibt es besinnliche Angebote und an 18 Ständen werden Beratungs- und Unterstützungsangebote vorgestellt.
Anlass für die Tafeln ist das „Europäische Jahr gegen Armut und sozialer Ausgrenzung 2010“, mit dem die Europäische Kommission das Bewusstsein für Armut und Ausgrenzung schärfen möchte.
HAZ vom 16.08.2010:
Winterhilfe für Obdachlose beschlossen
Um wohnungslosen Menschen im Winter noch gezielter Hilfe anzubieten, hat die Verwaltung in Zusammenarbeit mit Trägern der freien Wohlfahrtspflege ein Winternotprogramm für Obdachlose entwickelt. Am Montag votierten die Sozialpolitiker des Rates einstimmig für das Konzept.
Sein vorrangiges Ziel ist es, Wohnungslose, die Vorbehalte gegen bestehende Hilfsangebote haben, aufzusuchen, sie über Gefahren zu informieren und Hilfen anzubieten. Für das zunächst auf sechs Monate begrenzte Programm stellt die Stadt 25 000 Euro bereit.
Grund für die Initiative war der Tod eines 57-jährigen Obdachlosen, der an einem eisigen Tag im Februar auf der Bank eines Spielplatzes in der Eilenriede gefunden worden war. Die erste Vermutung, der Mann sei erfroren, bestätigte sich später nicht. Der 57-Jährige war an einem Herzinfarkt gestorben. Doch letztlich war der Tod von Bert C. der Grund dafür, die Hilfen für Wohnungslose zu verstärken, die selbst bei Minusgraden im Freien übernachten wollen und Kontakte zu Behörden ablehnen.
Zwei Straßensozialarbeiter mit jeweils einer Viertelstelle von der Selbsthilfe für Wohnungslose (SeWo) und der Zentralen Beratungsstelle, der Wohnungslosenhilfe des Diakonischen Werks, werden zwischen Oktober und März Kontakt mit den Betroffenen aufnehmen und Hilfe anbieten. Dazu gehören neben Schlafplätzen in festen Unterkünften auch U-Bahn-Stationen, alternativ gibt es Schlafsäcke, Isomatten, warme Kleidung und bei Bedarf medizinische Versorgung. Die Johanniter-Unfall-Hilfe, die seit 2008 bei länger anhaltendem Frost mit einem „Wärmebus“ im Stadtgebiet unterwegs ist, um Betroffene mit heißem Tee und Decken zu versorgen, erhält jetzt erstmals 4000 Euro, um diese Arbeit weiter anbieten zu können.
Erste Anlaufstellen für die Sozialarbeiter sind der Kontaktladen „Mecki“ und der Tagestreff „Nordbahnhof“, um dort auf das zusätzliche Angebot aufmerksam zu machen und um Aufenthaltsorte von Wohnungslosen zu erfahren. Parkranger, Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten und Kontaktbereichsbeamte sollen ebenfalls mit einbezogen werden.
lm Umbau des Lindener Rathauses: Auch die Sozialpolitiker des Rates haben am Montag dem 9,5 Millionen Euro teuren Umbau des Lindener Rathauses zugestimmt. Zuvor war es zu einem Schlagabtausch zwischen Ratsmitgliedern von SPD und CDU gekommen. Grund war ein Zusatzantrag der Linken, die über den Umbau hinaus erneut den Erhalt der Bücherei in Linden Nord forderten. Darüber wollten die CDU-Vertreterinnen jedoch noch einmal in ihrer Fraktion beraten und baten um Vertagung. Gudrun Koch (SPD), der Debatte um dieses Dauerthema offenbar leid, warf der CDU daraufhin vor, sich vor der Verantwortung drücken zu wollen. Der Antrag der Linken wurde ohne die Stimmen der CDU abgelehnt.
HAZ vom 11.08.2010:
ZOB in Hannover: Politiker drängen Stadt zum Handeln
Im Streit über die Zukunft des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB), eine der hässlichsten Ecken in Hannover, fordern Kommunalpolitiker die Stadt nun zum raschen Handeln auf. „Die Situation dort ist inzwischen unhaltbar geworden“, sagt CDU-Fraktionschef Jens Seidel.
Wie berichtet, kritisieren Busunternehmer nicht nur den baufälligen und schmutzigen Zustand des Areals. Das Verkehrsunternehmen Regiobus hatte auch moniert, dass seine wartenden Fahrgäste auf dem Bussteig immer häufiger von Betrunkenen belästigt werden.
„Man muss jetzt über einen Platzverweis für pöbelnde Trinker nachdenken“, sagt Fraktionschef Jens Seidel. Schließlich habe die Stadt andernorts genügend Hilfsangebote für Obdachlose und Drogensüchtige. „Erschreckt“ habe ihn die Haltung von Ordnungsdezernent Marc Hansmann (SPD), dass sich die Konflikte zwischen Fahrgästen und Trinkern durch eine Neukonzeption des ZOB schon irgendwie lösen würden.
Mit einem Platzverweis wollen die Grünen nicht drohen, sehen aber ebenfalls dringenden Handlungsbedarf. „Wenn Bürger belästigt werden, muss die Stadt eingreifen“, sagt Fraktionsvize Michael Dette. Die Sozial- und Ordnungsdezernenten sollten sich zusammensetzen und eine Lösung finden, die etwa darin bestehen könnte, Sozialarbeiter zum ZOB zu schicken. Die Linken warnen davor, die Trinkerszene einfach zu vertreiben. „Damit verlagert man nur das Problem“, sagt Fraktionschef Michael Höntsch.
Die SPD liegt ganz auf der Linie des Ordnungsdezernenten und hofft, dass sich die Missstände mit dem Bau eines neuen Busbahnhofs von selbst erledigen. „Wir brauchen auf dem ZOB schnell eine sichtbare Veränderung“, sagt Thomas Hermann, Fraktionsvize der SPD. Er schlägt vor, mit dem Bau des geplanten, kleineren Reisebusterminals an der Rundestraße rasch zu beginnen und das alte ZOB-Areal mit einem Bauzaun zu versperren. „Dann hören dort auch die Probleme auf“, sagt er.
Ähnlich argumentiert die FDP. „Ein moderner Busbahnhof wird für die Trinker zu ungemütlich“, sagt Fraktionschef Wilfried Engelke. Ein Schandfleck wie der ZOB ziehe eben auch eine entsprechende Klientel an, die sich diesen Ort zum Treffpunkt wählt.
Doch stehen die Pläne der Stadt für ein neues Terminal seit Kurzem unter Vorbehalt. Denn Hannover könnte zu einem Knotenpunkt im Fernbuslinienverkehr werden, meinen Busunternehmer und Politiker. Die Bundesregierung bereitet derzeit eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes vor, das neben dem Schienenverkehr auch Busverbindungen zwischen deutschen Städten zulassen wird. Ob für Hannover dann noch ein Busterminal mit nur acht Parkbuchten ausreicht, mag man auch in der Bauverwaltung nicht mehr beschwören.
Die FDP schlägt einen Kompromiss vor: Der alte ZOB soll bebaut werden, so wie es die Stadt vorgesehen hatte, aber ein großer Busbahnhof könne dann auf dem ehemaligen Hauptgüterbahnhof in der Nordstadt errichtet werden.
HAZ vom 05.07.2010:
Drogenkranker fand übers Joggen den Weg aus der Sucht
Lauf zurück ins Leben: Fast zwei Jahrzehnte war Martin Buchhofer aus Hannover drogenkrank – und fand übers Joggen den Weg aus der Sucht.
Die Beine haben ihn gerettet. Damals, als sein Leben noch hinter Mauern stattfand, aus Gitterstäben bestand und dem Verlangen nach einer Substanz, die eigentlich glücklich machen sollte, ihn am Ende aber fast zerstörte. Heute haben diese Beine weniger Kraft als früher, aber er durfte sie behalten, durfte weiter laufen. Auch das war seine Rettung.
Martin Buchhofer schaut aufs Handgelenk, stellt an der Uhr und trabt los. Kurzes, braunes Haar, Brille mit kleinen Gläsern, weißes, ärmelloses T-Shirt – in der Masse der Jogger fällt der 40-Jährige eigentlich nicht auf, nicht am Maschsee und auch nicht hier in Herrenhausen, wäre da nicht dieses eine Detail: Der Hannoveraner trägt auch bei Hitze eine lange Trainingshose. Passanten gucken, Buchhofer aber ist das egal. Er will heute einfach nur laufen, seine alte Trainingsrunde, einmal durch den Georgengarten.
Eigentlich ist Buchhofer schon immer gelaufen. Als kleiner Junge war er im Leichtathletikverein, dort brachten sie ihm bei, dass es beim 5000-Meter-Rennen keinen Tiefstart gibt. Buchhofer lacht, als er mit der Orangerie im Rücken davon erzählt.
Vielleicht wäre er ein guter Sportler geworden. Doch sein Leben nahm eine andere Wendung. Buchhofer, aufgewachsen im Ruhrgebiet als Bergmannssohn, macht gerade seine Lehre, als er mit Drogen in Kontakt kommt. Erst Haschisch, dann härtere Sachen, irgendwann beschließt er, den Stoff selbst zu verkaufen – bis sie ihn schnappen.
Kaum erwachsen, landet er im Gefängnis. Er kommt wieder raus, nimmt weiter Drogen, verkauft wieder, sie erwischen ihn, er verbüßt eine zweite Strafe – und das Spiel geht von vorne los. „Ich saß überall“, sagt er. Während er die Namen der Haftanstalten nennt, verschwindet die Orangerie langsam hinter einer Kurve.
Buchhofer hat eine dicke Akte bei der Justiz. „Ich war aber nie ein Schläger, auch mit Klauen will ich nichts zu tun haben“, betont er, um dann mit besonderem Nachdruck in der Stimme festzustellen: „Ich war krank“. Das Wort Sucht benutzt er nicht gern.
Tatsächlich hat die Krankheit seinen Körper gezeichnet: Die rauen Hände sind angeschwollen, in seinen Beinen sind die Gefäße kaputt, weshalb er Stützstrümpfe tragen muss, auch im Sommer – versteckt unter der langen Hose. Vor ein paar Jahren hätte er die Beine wegen der Thrombose fast verloren. Und vielleicht wäre dann alles ganz anders geworden. Aber er konnte weiter laufen. „Das hat mich gerettet“, sagt Buchhofer.
Ende der Neunziger: Buchhofer sitzt in Hannover in U-Haft, der Gefängnisarzt verordnet kalten Entzug. „Turboprogramm“ nennt er das, in zehn Tagen muss der Körper ohne die Ersatzdroge Methadon auskommen. Wie sich das anfühlt? Buchhofer weicht aus und erzählt von der 200-Meter-Runde im Innenhof, auf die er sich nach wenigen Tagen wagt, auch wenn sein Körper damals noch nicht wollte. „Anfangs bin ich nur gestolpert, die anderen haben gelacht.“ Nach sechs Monaten lacht keiner mehr. Zehn Kilometer am Stück joggt er jetzt, Wärter begegnen ihm freundlicher, andere Insassen mit Respekt. Er habe die Aufpasser beim Training ganz vergessen, sagt Buchhofer.
„Laufen ist ein guter Gegenpol zur Sucht“, bestätigt Volker Schepers. Der 63-Jährige ist Sozialarbeiter beim Verein Werkheim, der an der Büttnerstraße in Vahrenwald ein Heim für obdachlose und in Not geratene Männer betreibt. Er leitet seit Herbst 2005 eine Laufgruppe für Wohnungslose – damals ein Novum in der Region. Die Idee kam ihm beim Anti-Sucht-Lauf in Hannover. Einen Wettkampf mit den Bewohnern zu laufen, das wäre was. Also hob er das Laufangebot aus der Taufe, rührte die Werbetrommel und fand in Det’s Laufshop einen Sponsor, der Schuhe und Kleidung bereitstellte.
Immer donnerstags um 16 Uhr ist seitdem Training, mal am Maschsee, mal in der Eilenriede oder am Großen Garten. Bei Wind und Wetter, denn das Laufen bietet den Männern in ihrem oft strukturlosen Leben etwas Halt. Bis zu 25 Teilnehmer hat die Gruppe, die Zahl schwankt. Manche zögen weg, „andere werden verhaftet“, sagt Schepers. Auch das ist die Realität.
Einer, der blieb, war Martin Buchhofer. 2006 lässt er die Mauern ein letztes Mal hinter sich. Er kommt in die Büttnerstraße und schließt sich der Laufgruppe an. Vieles ist neu für ihn, und so wird das Laufen zum zweiten Mal ein Rettungsanker. „Die Laufgruppe hat mir viel gebracht“, sagt der 40-Jährige. Er holt zwei Ordner hervor, in denen fein säuberlich drei Jahre abgeheftet sind – Urkunden, Fotos, Zeitungsausschnitte in Klarsichthüllen. Zu jedem Wettkampf erzählt er eine Geschichte. Beim ersten traf er alte Bekannte. Guck mal, der kaputte Typ von früher, hätten sie gesagt – aber Buchhofer hielt durch.
Und dann zeigen seine großen Hände auf den unscharfen Ausdruck eines Fotos. Eine Gruppe Werkheim-Läufer ist zu sehen, links außen steht Buchhofer, neben ihm ein Mann, der den Arm um seine Schultern legt. „Dieter Baumann, der Olympiasieger“, sagt Buchhofer. Er strahlt über das ganze Gesicht – wie damals bei der Aufnahme.
Schepers ist vom positiven Effekt des Laufens überzeugt. Der Sport sei es nicht allein, aber viele Teilnehmer der Laufgruppe hätten später eine Wohnung bekommen. Seit zwei Monaten hat auch Buchhofer seine eigenen vier Wände, und wenn er davon spricht, liegt Stolz in seiner Stimme. Die Sorgen um die Gesundheit sind geblieben, auch die kleinen, alltäglichen Probleme. „Aber“, sagt er nach fünf Kilometern durch den Georgengarten, „ich bin glücklich.“
Es ist eine Erfolgsgeschichte. Ob sie auch anderen hilft? Buchhofer reagiert zurückhaltend: „Ich habe so viel Mist gebaut, ich bin sicherlich kein Vorbild.“ Und auch bei der nächsten Frage zögert er nicht mit der Antwort. Nein, Laufen sei für ihn kein Muss geworden. Er habe einfach Lust darauf. Und sagt dann diesen einen Satz, der für ihn so wichtig ist: „Laufen macht frei.“
HAZ vom 05.03.2010:
Großer Benefizabend
für Obdachlose
Unter dem Motto „Die Ohnmacht ist da – aber auch Lebendigkeit“ will Anke Meyer am Mittwoch, 10. März, in Hannover für das Thema Obdachlosigkeit sensibilisieren.
Während einer Benefizveranstaltung, zu der die Initiatorin für 19.30 Uhr in die Lukaskirche an der Dessauerstraße 2 einlädt, soll Geld für das Straßenmagazin Asphalt sowie die hannoverschen Obdachloseneinrichtungen Nordbahnhof am Engelbosteler Damm und das Karl-Lemmermann-Haus in Oberricklingen gesammelt werden. Für die Veranstaltung konnte die Erzieherin, die Mitglied der Lukasgemeinde ist, „Die kleine Bühne Hannover“, die Flamenco-Gruppe „Grupo Adelante“ und die Musikgruppe „Spiritu One“ gewinnen. Außerdem kommt der Hamburger Künstler Detlef Wutschik alias „Herr Mommsen“, den viele Hannoveraner vom Kleinen Fest kennen, eigens aus der Hansestadt, um bei der Benefizveranstaltung aufzutreten.
Die Künstlerinnen Birgit Schrader (Fotografie) und Gertraude Frischmuth (Acrylbilder) stellen ihre Werke aus, die auch gekauft werden können. Preise der Tombola sind unter anderem Kindermützen von Hannover 96, signierte Bücher des Cartoonisten Uli Stein, Saunagutscheine des Eishockeyklubs Hannover Indians und Bücher der Schauspieler Pierre Frankh und Michaela Merten. Der Eintritt beträgt fünf Euro, ein Los für die Tombola kostet einen Euro. Um Spenden wird gebeten.
HAZ vom 21.02.2010:
56-Jähriger tot im Wald entdeckt
Spaziergänger haben am Sonntagnachmittag in Seelze-Letter die Leiche eines 56-jährigen Mannes entdeckt. Der leblose Körper lag in einem Waldstück im Bereich der Klöcknerstraße, das sich zwischen den Bahngleisen und dem Stichkanal Linden befindet.
Spaziergänger in Seelze-Letter haben am Sonntagnachmittag die Leiche eines 56-jährigen Mannes aus Linden entdeckt. Sie waren gegen 14.20 Uhr in einem Wäldchen in der Nähe der Klöcknerstraße hinter dem Gelände des Motoball Clubs Seelze mit ihrem Hund unterwegs. Vor einem Gebüsch schlug das Tier plötzlich an. Als der 41-jährige Hundebesitzer nach dem Grund für das Gebell suchte, stieß er auf ein Fahrrad, das in der Nähe des Gebüschs an einem Baum gelehnt war. Unmittelbar daneben fand der Zeuge dann einen leblosen Körper.
Die Polizei konnte die Identität des Mannes anhand eines Personalausweises, den der Lindener bei sich trug, schnell feststellen. Er gilt als obdachlos, hatte sich in dem Waldstück offenbar seinen Schlafplatz eingerichtet. Die genauen Todesumstände sind bislang allerdings unklar. Hinweise auf ein Fremdverschulden liegen der Kripo derzeit nicht vor. Ob der Obdachlose, der dem Vernehmen nach bereits vor mehreren Tagen verstarb, im Wald erfroren ist oder ob möglicherweise eine Krankheit zum Tod des 56-Jährigen geführt hat, soll durch eine Obduktion in der Rechtsmedizin am Montag geklärt werden.
Der Fall weist Parallelen zum Tod des Obdachlosen Bert C. auf, der vor knapp zwei Wochen auf einem Spielplatz in der Eilenriede entdeckt worden war. Er war einem Herzinfarkt erlegen. Wohnungslose Menschen stehen nicht selten unter extremem Stress und leiden zumeist unter Bluthochdruck. Das belastet das Gefäßsystem und kann langfristig zu einem Infarkt führen. Die anhaltende Kälte verstärkt diese Stresssituation und treibt, nach Auskunft von Experten, auf der Straße lebende Menschen in einen Zustand der totalen Erschöpfung.
HAZ vom 17.02.2010:
Ein Dutzend Menschen schläft trotz des Winters im Freien
Von Thorsten Fuchs
Der Mann in der Kälte: Günter G. übernachtet im Freien, einen Winter wie diesen hat er noch nie erlebt. Wie er schlafen derzeit etwa ein Dutzend Menschen in Hannover auf der Straße - und sie alle hoffen auf wärmeres Wetter.
Günters Platz ist draußen. Auch jetzt, da es seit Wochen bitterkalt und vor wenigen Tagen ein anderer Obdachloser in der Eilenriede erfroren ist, nur ein paar Hundert Meter von hier. Es ist ein eisig-sonniger Morgen, das Licht gleißt von der schneebedeckten Lichtung, im Schutz eines Unterstands steckt Günter G. seinen Kopf aus einem Hügelchen aus Decken und Schlafsäcken. „Ob ich friere?“, fragt er zurück. „Ich kann doch gar nicht frieren.“
Den „harten Kern“ nennen Sozialarbeiter Menschen wie Günter G. Jene wohl ungefähr ein Dutzend Obdachlosen, die in Hannover auch in diesen Zeiten draußen übernachten, trotz des grimmigen Winters. Auch Bert C. gehörte zu diesem harten Kern. Bert C. ist vor einer Woche in der Eilenriede gestorben. Er sei erfroren, hieß es zunächst. Dann entdeckten die Pathologen bei der Obduktion einen Herzinfarkt. Vielleicht kam beides zusammen, die Kälte und sein krankes Herz. Auf jeden Fall kann es lebensgefährlich sein, jetzt draußen zu übernachten. Günter G. tut es dennoch.
Sein Haar hat schon seit einiger Zeit keinen Friseur gesehen, die Farbe seines Barts schwankt zwischen rötlich und grau, und nicht jeden fehlenden Zahn hat ein Arzt bislang ersetzt. Seit vier Jahren lebt Günter G. auf der Straße. So erzählt der 59-Jährige es jedenfalls, und wenn man dem vertraut, was er sonst noch berichtet, hat es früher ein Leben gegeben, das von einem winterlichen Schlafplatz in der Eilenriede einigermaßen weit entfernt war. Koch sei er gewesen, in der Kantine eines Unternehmens – jedenfalls, bis dieses Unternehmen beschloss zu sparen. Seine Wohnung in Anderten habe er gekündigt, leichtfertig, noch ohne sich einer neuen Wohnung sicher sein zu können. Und eine Frau, ja, die habe es auch gegeben, „27 Jahre waren wir verheiratet“. Dann sei sie zur Kur gefahren, ein anderer Mann, „da habe ich sie aber rausgeschmissen“.
Und Kinder? „Ja, drei Mädels, sind schon richtig erwachsen.“ Ob er noch Kontakt zu ihnen hat? „Nein, die sind alle in Bayern.“ Bayern ist nicht so weit. „Aber Bayern ist groß. Ich weiß doch nicht, wo sie stecken.“
Günter G. ist dem Plausch selten abgeneigt, er mag Geschichten. Aber man stößt bei ihm auch rasch auf jenes Einzelgängertum, die ausgeprägte Scheu vor der Nähe zu anderen, auf die Sozialarbeiter bei Männern, die ganzjährig Platte machen, immer wieder treffen. Es mangelt in Hannover nicht an Not-unterkünften, im Bunker am Welfenplatz bleiben Nacht für Nacht Dutzende Betten leer. Der Bunker ist eine raue Herberge, aber besser als eine Nacht im Freien ist er schon.
Günter G. jedoch meidet den Weg dorthin. Gegen Mittag zieht er aus seinem Lager in der Eilenriede los und läuft Richtung Innenstadt. Wenn ihm zu kalt wird, wärmt er sich in einer U-Bahn-Haltestelle auf. In der Markthalle kauft er sich etwas zu essen. Und wenn er abends zurückgeht, trinkt er an der Marienstraße, wenn das Geld reicht, für 60 Cent noch einen Kaffee. Warum er in keine Notunterkunft will, warum er auch nicht in den Wohnungslosen-Treffpunkt „Mecki“ am Raschplatz geht, genau erklären kann oder möchte er es nicht. Vor vielen Jahren sei er mal für einige Wochen in einem Wohnheim gewesen, nie wieder werde er dorthin gehen. Er habe auch kaum Kontakt zu anderen Wohnungslosen, den toten Bert C. kannte er nicht. Es ist, als hege Günter G. ein tiefes Misstrauen gegenüber allem Institutionellen, gegenüber allen Festlegungen, allen Gruppen, selbst wenn sie aus Menschen in ähnlichen Situationen bestehen. „Ist nicht mein Spiel“, sagt er knapp. Das muss reichen.
Menschen, die sich professionell um Günter G. und überhaupt die Menschen auf der Straße kümmern, bringt er damit in ein Dilemma. „Wir haben einen Schutzauftrag“, erklärt Gottfried Schöne, Leiter der Zentralen Beratungsstelle der Diakonie. „Aber wir können niemanden gegen seine Überzeugung überreden, in eine Unterkunft zu gehen.“
Im Fall Günter G. sind die Sozialarbeiter relativ beruhigt. Viele Kleefelder wissen um den Mann im Wald. Manche bieten ihm Kleidung oder einen Schlafsack an, andere kommen mal mit heißem Kaffee vorbei. Er sei relativ gut eingebunden, befanden die Sozialarbeiter nach ihrer letzten Visite. Furcht vor Übergriffen hat Günter G. nicht. Neben seinem Nachtlager liegt ein Messer. „Ich war vier Jahre Soldat, ich hab’ ‘ne Nahkampfausbildung.“ Das Wetter? Ja, sagt er, zu schaffen mache es ihm schon. In seinen vier Jahren auf der Straße habe er so etwas noch nicht erlebt. Aus seinen Worten spricht jedoch mehr Überdruss als Sorge. Und ewig könne es mit dem Wetter ja wohl so nicht weitergehen. „Irgendwann“, sagt Günter G., „muss es doch mal wieder wärmer werden.“
HAZ vom 15.02.2010:
Keine Streichung bei Sozialarbeitern in Hannover
Die SPD-Ratsfraktion hat die Kritik von Sozialarbeitern zurückgewiesen, dass aufgrund von Einsparungen im Sozialetat der Stadt die Stellen der Straßensozialarbeiter zur Betreuung von Obdachlosen weggefallen seien. „Es gab keine Streichung bei den Straßensozialarbeitern“, sagte die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion Gudrun Koch am Montag.
Auch die Grünen im Rat wiesen die Vorwürfe zurück. „Die zwei städtischen Sozialarbeiter sind nach wie vor im Einsatz, und die Arbeit, die sie leisten, ist auch unbedingt notwendig“, ergänzte Koch. Allerdings habe das Land vor einiger Zeit die Stelle eines dritten Sozialarbeiters gestrichen.
Sozialarbeiter des hannoverschen Vereins Selbsthilfe für Wohnungslose hatten am Wochenende im Zusammenhang mit dem tragischen Tod des Obdachlosen Bert C. Kürzungen im Sozialetat der Stadt kritisiert, die unter anderem Stellenstreichungen der Straßensozialarbeiter zur Folge gehabt hätten. „Trotz aller Spardiskussionen gab es in den vergangenen Jahren keine Kürzungen bei der Obdachlosenhilfe“, sagte auch Christopher Bodirsky, sozialpolitischer Sprecher der Grünen Ratsfraktion. „Ganz im Gegenteil.“
Trotz angespannter Haushaltslage habe Rot-Grün zusätzlich 25 000 Euro für ein Winternotprogramm in den Haushalt 2010 eingestellt“, erläuterte Bodirsky. Die Stadtverwaltung sei nun aufgefordert, in Zusammenarbeit mit der Obdachlosenhilfe ein Konzept zu erarbeiten, mit dem bei besonderen Witterungsverhältnissen im Winter schnelle und angemessene Hilfe für Menschen gewährleistet werden soll, die im Freien übernachteten. Nach Vorstellung der Grünen könnte beispielsweise ein Wärmebus betrieben werden, um Wohnungslose, die im Freien übernachten, mit Heißgetränken zu versorgen oder sie gegebenenfalls in Unterkünfte zu bringen.
„Es ist sehr traurig, dass Bert C. nicht in der Lage war, das Hilfsangebot in Hannover in Anspruch zu nehmen, es vielleicht auch nicht wollte“, sagte Bodirsky. Das ändere aber nichts an der guten Qualität und dem differenzierten Hilfsangebot für Obdachlose in Hannover. „Aber wir wissen auch, dass die beste Straßensozialarbeit nicht dorthin reichen kann, wo jemand seine Ruhe haben oder nicht gefunden werden möchte.“
HAZ vom 10.02.2010:
Obdachloser erfriert in der Eilenriede
(vmd/vt). Der strenge Winter hat offenbar ein erstes Kälteopfer gefordert. Ein obdachloser Mann ist am Mittwochabend in der Oststadt vermutlich erfroren.
Eine 32-jährige Passantin war am Nachmittag auf den 57-Jährigen Obdachlosen aufmerksam geworden, der in der Eilenriede in Hannver leblos auf einer Bank an einem Spielplatz nahe dem Königinnen-Denkmal lag. Die genaue Todesursache ist noch unklar.
Sehr betroffen reagierte Gottfried Schöne vom Stadtverband des Diakonischen Werks auf den Tod des wohnungslosen Mannes. „Bis jetzt waren wir davon ausgegangen, dass die Hilfen in Hannover ausreichen“, sagte der Leiter der Wohnungslosenhilfe. „Jetzt ist die Katastrophe da. Es gibt keine 100-prozentige Sicherheit, die Betroffenen vor der Kälte zu schützen, wenn sie es nicht wollen.“
Im Stadtgebiet von Hannover gibt es rund 2500 wohnungslose Menschen. Sie leben in Einrichtungen der Stadt, bei Freunden oder Bekannten. Nur eine kleine Gruppe von etwa 15 Personen verbringt die Nächte trotz eisiger Temperaturen im Freien. Dank einer Spende sei diese Gruppe aber mit guten Schlafsäcken ausgestattet, sagte Schöne. Seit Wochen schon steht Obdachlosen die U-Bahn-Station Kröpcke nachts offen. „Aber offenbar reichen auch die Temperaturen am Tag jetzt aus, um draußen zu erfrieren.“ Wer einen wohnungslosen Menschen jetzt draußen antreffe, sollte ihm gut zureden, sich ins Warme zu begeben, rät Schöne.
HAZ vom 06.01.2010:
Zuflucht für Obdachlose in Hannovers U-Bahn-Stationen
Fast wäre es so weit gekommen, dass das kalte Wetter auch eine landespolitische Diskussion über U-Bahnschächte mit sich gebracht hätte. Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann jedenfalls lief sich am Dienstag dafür schon einmal warm.
Angesichts der anhaltenden Kälte forderte sie gegenüber der Nachrichtenagentur dpa „unbürokratisch schnelle Hilfe“ für Obdachlose. „Dazu kann auch die Öffnung von U-Bahnstationen gehören“, appellierte die Ministerin an Verkehrsbetriebe und Verwaltungen. In der aktuellen Kälteperiode könne dies für Obdachlose „überlebensnotwendig“ sein.
Bei den meisten Verwaltungen und Verkehrsbetrieben in Niedersachsen dürfte der Hinweis allerdings, obschon gut gemeint, ungehört verhallt sein. Denn über U-Bahnhöfe verfügt allein die Landeshauptstadt. Hier wiederum müssen die Verkehrsbetriebe Üstra nicht lange gebeten werden, ihre Bahnhöfe für Obdachlose zu öffnen – denn das haben sie mit der zentralen Station am Kröpcke wie in jedem Jahr längst getan. „Bereits seit Oktober wird diese Möglichkeit von Obdachlosen genutzt“, hieß es gestern bei der Üstra.
Derzeit übernachte rund ein halbes Dutzend Obdachloser im Bereich der Bahnsteige der Linien 4, 5, 6 und 11 in einem geschützten Bereich unter einer Fahrtreppe, sagt Steffen Guder, Sicherheitschef des Üstra-Tochterunternehmens Protec. Allabendlich ab 22 Uhr hielten sich die Obdachlosen hier auf würden jeden Morgen um 7 Uhr von Mitarbeitern der Protec geweckt. Überdies spreche die Protec auch Obdachlose an, die rund um die Bahnstationen im Freien übernachten wollten – etwa am Raschplatz. Sie würden auf die geschützte Zuflucht am Kröpcke hingewiesen und bei Bedarf dorthin geführt.
Unterdessen bieten auch die städtischen Anlaufstellen für wohnungslose Menschen noch Schlafgelegenheiten an. Von rund 300 Schlafplätzen in den drei Wohnheimen seien zurzeit rund 200 belegt, sagt Stadtsprecher Dennis Dix. Zudem biete auch die sogenannte Notschlafstelle am Welfenplatz noch Platz – jene umstrittene Schlafgelegenheit, die im Volksmund als Bunker bekannt ist. 40 Schlafplätze stehen dort zur Verfügung, zuletzt hätten zehn Menschen hier genächtigt, sagt Dix.
Auch landesweit sei das Angebot aktuell noch ausreichend, heißt es im Sozialministerium. Gemeinsam mit den Kommunen fördere das Land 32 Tagesaufenthalte für Obdachlose, Beratungsstellen, teilstationäre und stationäre Einrichtungen.
Meldungen über Kältetote gibt es in Niedersachsen bisher nicht. 2008 waren im Land neun Menschen erfroren.