2013
HAZ vom 28.12.2013, S. 16:
Leserbriefe zu dem Artikel der HAZ vom 12.12.2013 "CDU: Armutszuwanderer nicht erwünscht"
Ralph Criee, Hannover: Es ist nicht so einfach wie in einer Diskothek, wenn der Türsteher sagt: Du kommst hier nicht rein. Es spricht sich aber schnell herum, in welchen Gemeinden man mit dem einfachsten Aufwand schnelles Geld, Unterbringung und ärztliche Versorgung bekommen kann. Deshalb muss die Verwaltung vorab reagieren und Rückgrat zeigen. Die Frage der Unterbringung ist ganz einfach zu lösen. Ich erwarte von jedem grünen Ratsmitglied eine eindeutige Aussage: Ja, ich nehme sofort mindestens 100 Flüchtlinge auf und werde sie menschenwürdig in meinem persönlichen Wahlkreis unterbringen. Auch die Betreuung übernehme ich und werde mich mit diesen armen Flüchtlingen einmal in der Woche zusammensetzen.
Brigitte Philippi, Sehnde: In dem Artikel findet sich die Äußerung, dass es nicht sein könne, "dass ein Südosteuropäer hierher reist, um sich lediglich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen". Wie viele deutsche Unternehmen sind in den vergangenen Jahren nach Südosteuropa abgewandert, um dort billiger produzieren zu können, unter gleichzeitiger Ausbeutung der dortigen Arbeitskräfte bei gleichzeitig schlechten Arbeitsbedingungen? Es kommen auch viele junge Spanier nach Deutschland, um sich "wirtschaftliche Vorteile" zu verschaffen, sie wollen hier nämlich arbeiten. Und sind nicht in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten auch viel Deutsche ins Ausland emigriert, weil sie hier für sich keine Perspektive mehr sahen? Waren das nicht gerade die Armen? Und wer legt denn fest, dass Roma und Sinti per se nicht integrierbar sind? Ausgrenzung und Pauschalierungen helfen nicht weiter, aber Integrationsmaßnahmen.
HAZ vom 24.12.2013, S. 16:
Lebensmittel für hungernde Sinti und Roma
Zu viele Bettler im Portal der Marktkirche: Pastorin bittet Verein um Hilfe - und spendet Geld als Erste Hilfe
Von Veronika Thomas
Die Zahl der Bettler auf Hannovers Weihnachtsmarkt war in diesem Jahr besonders hoch. So hoch, dass sich sogar die Marktkirchengemeinde nicht mehr zu helfen wusste und Channy Rosenbach rief, den Vorsitzenden des Vereins für Sinti und Roma Niedersachsen.
In seinem Transporter stapeln sich die Lebensmitteltüten. Mithilfe von Spenden hat er Brot, Wurst, Käse, Milch, Margarine und etwas Schokolade gekauft, um sie an die vielen bettelnden Sinti und Roma in der Stadt zu verteilen. „Sie sind hungrig, da muss man doch helfen“, sagt der 60-Jährige. Weil die Armutszuwanderer aus Bulgarien, Rumänien und Ungarn ihre attraktiven Bettelplätze in Hannovers City am Tag vor Heiligabend nicht verlassen wollen, bringt Rosenbach die Spenden zu ihnen. Er versorgt aber nicht nur Bedürftige in der City, sondern auch am Rande der Stadt oder in Celle. „Es werden immer mehr“, stöhnt Rosenbach.
Gut 700 Euro Spenden hat gerade die Marktkirchengemeinde aus zwei Kollekten beigesteuert - Geld für Lebensmittel und Hygieneartikel. „Ich weiß, dass diese Menschen in Not sind“, sagt Marktkirchenpastorin Hanna Kreisel-Liebermann. Sie hatte sich vor drei Wochen hilfesuchend an den Verein für Sinti und Roma gewandt, weil sich zeitweise bis zu sechs Bettler gleichzeitig im Portal der Kirche postiert hatten. „Das war nicht mehr tragbar. Einige Besucher haben sich beschwert, weil sie kaum noch in die Kirche kamen“, sagt Kreisel-Liebermann. Die Polizei rufen wollte sie aber nicht. Die 700-Euro-Spende bezeichnet sie als Erste Hilfe: „Da muss es eine politische Lösung geben.“
Mithilfe eines Dolmetschers konnte Rosenbach die Betroffenen davon überzeugen, dass es nicht in Ordnung ist, im Pulk auf Spendenwillige zu warten und diese noch durch das Zupfen am Arm zur Spende zu drängen. „Das hat einigermaßen gut funktioniert“, sagt der Vereinsvorsitzende. Vonseiten der Stadt heißt es, dass die Zahl bettelnder Personen in der Vorweihnachtszeit erfahrungsgemäß steigt. Die Menschen, die zurzeit mit Pappbechern vor den Geschäften säßen, seien nicht ausschließlich dem Personenkreis der Sinti, Roma oder Südosteuropäer zuzuordnen. „Betteln ist nicht verboten“, sagt Stadtsprecher Udo Möller. Erst wenn eine konkrete Behinderung oder Belästigung vorliege, könne ein Platzverweis ausgesprochen werden. Das komme aber selten vor.
Durchschnittlich zweimal wöchentlich ist Rosenbach in Hannover mit seinen Lebensmittelspenden unterwegs, jetzt, vor Weihnachten, sogar täglich. Nicht nur Osteuropäer werden von ihnen bedacht, sondern auch deutsche Bettler. Gestern waren es 80 Tüten mit Lebensmitteln, die er verteilte, an anderen Tagen erhalten Bedürftige auch Windeln, Shampoo oder Toilettenpapier. „Alkohol oder Geld gibt es nicht.“
Rosenbach kümmert sich auch um Bustickets, wenn jemand in seine Heimat zurückkehren möchte. Das Sozialamt bezahlt für Rückkehrwillige Busfahrkarten, Abwicklung und Organisation übernimmt letztlich die Bahnhofsmission. Dass sich die Lage demnächst zum Besseren wendet, glaubt er nicht. „Ich befürchte, dass mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit spätestens ab Mitte Januar noch viel mehr arme Menschen aus Rumänien und Bulgarien zu uns kommen werden.“
HAZ (Stadt-Anzeiger Süd) vom 24.12.2013, S. 1:
Widerstand gegen Flüchtlingswohnheime
Bezirksrat lehnt Standort Am Sandberge ab / Anwohner wollen kein Wohnheim an der Oheriedentrift
Von Marcel Schwarzenberger
BEMERODE. Die Pläne der Stadt für den Neubau von zwei Flüchtlingsheimen im Stadtteil stoßen auf erbitterten Widerstand: Ein rasches Planverfahren für den Standort Am Sandberge bremste der Bezirksrat Kirchrode-Bemerode-Wülferode in seiner jüngsten Sitzung aus. Die Kommunalpolitiker forderten die Stadt auf, stattdessen eine Alternative an der Wülferoder Straße zu suchen. Der zweite Bauplatz, der sich an der Oheriedentrift befindet, passierte zwar den Bezirksrat. Dagegen aber laufen jetzt Anwohner Sturm.
Mit knapper Mehrheit setzte Rot-Grün im Bezirksrat einen Änderungsantrag der SPD durch. Demnach soll die Stadt sich von ihrem Vorhaben verabschieden, auf dem Bemeroder Festplatz Am Sandberge ein Flüchtlingsheim zu errichten. Keine Fraktion wollte auf den für öffentliche Veranstaltungen wie dem Schützenfest genutzten Stadtteilplatz verzichten.
Dass eine solche Entscheidung fallen würde, war schon vor Wochen klar, als die Stadtverwaltung dem Gremium ihre Pläne vorstellte. Obwohl Stadtplanungsleiter Michael Heesch damals zur Eile mahnte, zog die CDU die Verwaltungsvorlage zur weiteren Beratung in ihre Fraktion. Nun schwenkte auch die SPD-Ratsfraktion auf die kritische Linie der Christdemokraten ein. Als Alternative soll die Stadt eine brach liegende Fläche an der Wülferoder Straße untersuchen, die zwischen dem Hotel Ramada und den Stadtbahngleisen an der Kattenbrockstrift liegt.
Auch auf dem Kronsberg plant die Stadt ein Flüchtlingsheim für bis zu 50 Menschen. Vorgesehen ist eine Baufläche an der Oheriedentrift in Kronsberg-Nord, gleich neben der Grundschule An der Feldbuschwende. Das Haus soll wenigstens zehn Jahre als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden. Während Rot-Grün mit diesem Ort kein Problem hat, meldete die CDU Kritik an. „Die Stelle ist unglücklich gewählt“, sagte Fraktionsvorsitzende Petra Stittgen. Bei den Bewohnern handele es sich häufig um alleinstehende Männer. Die Lage in direkter Nachbarschaft sei deshalb nicht gut. Die CDU lehnte die Verwaltungsvorlage ab.
Eine Gruppe von Kronsberg-Anwohnern unterstützte die Haltung der CDU. Sie sorge sich um die Schüler, die oft allein zur Schule unterwegs seien, sagte eine Besucherin. „Viele werden ihre Kinder nur noch im Auto bringen und abholen.“ Wie sie sind viele Anwohner verärgert über die Aussicht, dass die Grundschule ein Flüchtlingsheim als direkten Nachbarn bekommt. Sollten vorwiegend junge, alleinstehende Männer dort untergebracht werden, könne das zu Kriminalität führen, befürchtet etwa Michael Nusser: Eine Frau bat die Stadt unter Tränen darum, einen anderen Standort zu suchen. Andere befürchten einen Werteverlust ihrer Wohnhäuser oder sorgen sich darum, dass das Baugebiet im Norden des Kronsbergs keine neuen Bewohner mehr anlockt - und sich damit sowohl Schule als auch Wohnheim dauerhaft in einer isolierten Lage befänden. „Ein anderer Standort inmitten eines Wohngebiets wäre besser“, sagt ein Mann. Er sei nicht gegen ein solches Heim im Stadtbezirk. „Aber nicht neben einer Schule.“
Anwohner Nusser, der an der Hochschule Hannover Volkswirtschaftslehre unterrichtet, kritisierte die Standortwahl auch aus Kostengründen. Das Neubaugebiet auf dem Kronsberg sei als Passivhaussiedlung geplant. Solche Gebäude bedeuteten wegen der Bauauflagen hohe Mehrkosten von mehreren zehntausend Euro. „Wir prüfen eine Sammelklage gegen die Stadt“, sagte Nusser. Für den Fall, dass das Heim auf dem Kronsberg aus Kostengründen am Ende gar nicht dem Passivhausstandard entspräche, der gleich nebenan privaten Investoren auferlegt würde.
HAZ vom 23.12.2013, S. 11:
Eine Tafel für alle
Für Menschen mit wenig Geld ist sie eine feste Anlaufstelle: Die Hannöversche Tafel verteilt gespendete Lebensmittel - auch in der Weihnachtszeit
Von Juliane Kaune
Mit einer Lungenentzündung fing alles an. Die Krankheit entwickelte sich dramatisch, schließlich mussten die Ärzte Ulrich Potempka in ein künstliches Koma legen. Danach war nichts mehr wie zuvor. Potempka, der 18 Jahre als Möbelträger gearbeitet hatte, konnte seinen Beruf nach den monatelangen Klinikaufenthalten nicht mehr ausüben. Seine Knochen machten einfach nicht mehr mit.
Nun lebt der 43-Jährige von Hartz IV. „Das Geld“, sagt er, „reicht hinten und vorne nicht.“ Weil das so ist, ist er mit seiner Frau Stephanie in die Räume der Titus-Gemeinde in Vahrenheide gekommen. Dort hat die Hannöversche Tafel eine ihrer sechs Ausgabestellen eingerichtet. Verteilt werden alle zwei Wochen kostenfreie, gespendete Lebensmittel. Für bedürftige Menschen wie die Potempkas.
Es herrscht eine Atmosphäre wie auf einem Marktplatz. Kisten voller Obst und Gemüse stehen auf den Tischen, daneben Körbe, bis an den Rand gefüllt mit Brot, Brötchen und anderen Backwaren. Auch Milchprodukte und Fertiggerichte gehören zum Angebot, in einer Plastikbox stapeln sich Drogerieartikel. Und weil Weihnachten naht, sind dieses Mal Nikolausstiefel, Engel und Tannenzapfen aus Schokolade dabei.
All diese Dinge wären sonst entsorgt worden. Supermarktfilialen, Bäckereien, Lebensmittelhändler und andere Läden haben der Tafel überschüssige Produkte oder solche mit Verpackungsfehlern zur Verfügung gestellt. Ehrenamtliche Helfer haben sie am Morgen mit Lieferwagen abgeholt und sortiert. Nun sind sie mit den letzten Vorbereitungen beschäftigt, bevor die Ausgabe um 11.30 Uhr öffnet. Die ersten Männer, Frauen und Kinder, für die die Waren gedacht sind, haben sich schon eine Stunde zuvor eingefunden.
„Unsere Gäste“, sagt Lisa Kubsch. Den Begriff „Bedürftige“ vermeidet sie möglichst. Die 76-Jährige engagiert sich seit zwölf Jahren für die Hannöversche Tafel. Sie koordiniert die Lebensmittelausgabe in den Vahrenheider Gemeinderäumen. Für die ehemalige Buchhalterin ist es selbstverständlich, zu helfen. „Ich musste früher selbst mit wenig Geld auskommen. Da weiß ich, was das bedeutet.“ Lisa Kubsch kennt die Gesichter vieler Gäste, denn viele kommen immer wieder. Mehr müsse sie gar nicht wissen, sagt sie.
Wer etwas über sich erzählen möchte, darf das gerne tun. „Aber wir fragen die Leute hier nicht aus.“ Gleichwohl werden die Namen registriert, weil die Nutzer ihre Bedürftigkeit nachweisen müssen.
Zwischen 120 und 150 Personen stellen sich an, wenn die Tafel zur Titus-Gemeinde kommt. „Viele haben Familie – unterm Strich geben wir so jedes Mal Lebensmittel für etwa 500 Menschen aus“, erklärt Lisa Kubsch. Ein großer Teil stammt aus Osteuropa, der Türkei und Afrika, immer mehr syrische Flüchtlinge sind in den vergangenen Monaten dazugekommen. Doch es sich nicht nur Menschen aus anderen Nationen, die die Hilfe der Tafel brauchen. Die Bedürftigen sind auch Deutsche, die über das Sozialsystem versorgt werden, aber trotzdem an allen Ecken und Enden sparen müssen. Wie der arbeitslose, alleinerziehende Vater mit sechs Kindern. Alleinstehende, die wegen ihrer Krankheiten arbeitsunfähig geworden sind. Oder Senioren, deren Rente nicht zum Leben reicht.
Lore Ochsenfarth fällt auf. Sie ist geschmackvoll und hochwertig gekleidet, aufwendig geschminkt und frisiert. „Ich wäre nicht hier, wenn ich anders zurechtkäme“, sagt die 67-Jährige, die aus der List nach Vahrenheide geradelt ist. Sekretärin war sie. „Im Bankbereich.“ Viel gearbeitet habe sie. Eigentlich ein Leben lang, bis auf die Zeit, in der sie ihre Tochter großgezogen hat. „Aber jetzt komme ich nicht mehr über die Runden.“ Die Rente von 535 Euro und die Grundsicherung, die ihr zudem gewährt wird, reichten nicht aus, um all das zu bezahlen, was bezahlt werden muss. Miete, Schuster, Telefon, Waschmaschinenreparatur. „Ich achte darauf, ob ich den Strom anschalte oder lieber auslasse.“ Sie zögert, schaut an sich herunter und sagt dann: „Meine Kleidung trage ich auf.“ Die stamme noch aus ihrem Berufsleben, jetzt könne sie sich vergleichbare Anschaffungen nicht mehr leisten. Es klingt nicht verbittert oder anklagend. Für sie ist es die Realität.
Zur Tafel zu gehen hat Lore Ochsenfarth Überwindung gekostet. Anfangs habe sie schon schlucken müssen, als sie sich in die Schlange der Ausgabestelle einreihte. Im April dieses Jahres war. „Inzwischen geht es, ich bin selbstbewusst genug.“ In ihren Korb hat sie Apfelsinen und Weintrauben gelegt, frische Möhren und Champignons. Zuckerschrift gab es auch. Damit will sie selbst gebackene Kekse dekorieren, für die beiden Enkel. „Natürlich feiern wir zusammen Weihnachten“, erklärt sie mit Nachdruck. „Aber es gibt für jeden eben nur ein Geschenk.“
Mykola Synycia achtet darauf, dass beim Verteilen der Lebensmittel alles gerecht zugeht. Der Speditionskaufmann im Ruhestand gehört zum Helferteam. Er hat ein komplexes Nummern- und Anmeldesystem ausgetüftelt, mit dem die Wartezeiten deutlich reduziert werden konnten. „Länger als eine halbe Stunde muss keiner mehr anstehen“, versichert der 64-Jährige, der zudem als Lieferant für mehrere Standorte der Tafel hinterm Steuer sitzt. Er ist zupackend, pragmatisch und sympathisch. „Man muss den Leuten immer vermitteln: Sie sind keine Bettler“, sagt er. Seine Botschaften scheinen anzukommen, ab und zu stecken ihm die Nutzer der Tafel zum Dank sogar kleine Geschenke zu. Mal einen Kalender, auch mal einen Flachmann. Synycia ist Deutscher, seine Familie stammt aus der Ukraine. Er spricht die Sprache dieses Landes – wie viele, die seine Hilfe in Anspruch nehmen und ihn „Myco“ nennen.
Eine von ihnen ist Iryna Leiferova. 1996 kam sie aus der Ukraine nach Hannover, wo ein Verwandter wohnte. Sonst kante sie niemanden, sprach kein Wort Deutsch. Aus der Gegend um Tschernobyl komme sie, berichtet die 77-Jährige. Aus Angst vor den Folgen der Reaktorkatastrophe habe sie ihre Heimat verlassen – weil dort immer mehr Menschen Krebs bekamen. Wie lange sie schon zur Vahrenheider Ausgabestelle geht, weiß sie nicht mehr. Drei, vier, vielleicht auch fünf Jahre. Früher, sagt Iryna Leiferova, hätte sie nie gedacht, dass sie einmal auf gespendete Lebensmittel angewiesen sein würde. „Aber ich bin sehr dankbar, dass es die Tafel gibt. Ich habe nicht so ein großes Geld“, erklärt sie in der Sprache, die sie im Alter von 60 Jahren erst erlernen musste.
Ulrich Potempka und seiner Frau bleiben nach Abzug aller Kosten wie Miete, Strom und Versicherungen 200 Euro, wenn es gut läuft, knapp 300 Euro im Monat zum Leben. Alle 14 Tage kommt der Sohn von Stephanie Potempka zu Besuch. „Dem würden wir gern auch mal ein bisschen was bieten“, sagt der 43-Jährige. „Aber das ist nicht drin.“ Es ist eine Feststellung, keine Klage. Nicht nur die Tafel, auch die Kleiderkammer der Diakonie nutzt das Paar inzwischen regelmäßig. „Zuerst haben wir uns geschämt, jetzt ist das in Ordnung“, sagt Potempka. Er muss in diesen Tagen oft zum Arzt, weil er einen Schwerbehindertenausweis beantragt hat. Dennoch will er unbedingt wieder Arbeit finden. Seine Frau musste wegen eines chronischen Rückenleidens ihre Stelle als Reinigungskraft vor Kurzem aufgeben.
Aber erst mal ist Weihnachten. Einen kleinen Baum wird es bei den Potempkas geben. Und einen Gänsebraten. Den gab es im Sonderangebot. „Wir haben ihn rechtzeitig gekauft und eingefroren.“
NP vom 21.12.2013, S. 19:
Deftiges Weihnachtsmenü für Obdachlose
Hotel Crowne Plaza Hannover spendet Geschirr und eine warme Mahlzeit an die Ökumenische Essensausgabe
Von Andrea Scharpen
HANNOVER. In den Räumen der Ökumenischen Essensausgabe am Leibnizufer riecht es nach Wildgulasch und Rotkohl. Das Küchenteam des Hotels Crowne Plaza Hannover Schweizerhof hat gestern für 136 Bedürftige und Obdachlose ein vorzeitiges Weihnachtsessen gekocht.
"Es schmeckt wie in einem Restaurant", sagt Christian begeistert. Der Schrottsammler kommt fast jeden Tag zur Essensausgabe. "Heute habe ich zwei große Portionen gegessen", sagt der 46-Jährige, der seit kruzem wieder in einer eigenen Wohnung lebt.
Jeder soll richtig satt werden", sagt Küchenchef Thomas Stolle, der sich gerade auf den Weg macht, um "Kloß-Nachschub" zu holen, "die sind besonders gefragt."
Serviert werden die Mahlzeiten seit gestern auf dem alten Geschirr des Hotels. Das Crowne Plaza hat das 1500-Teile-Service an die Essensausgabe gespendet. "Wir wollten die Teller aber nicht leer verschenken, sondern lieber mit leckerem Essen darauf", sagt die Assistentin des Hoteldirektors, Dorothea Rosilius.
Sozialarbeiter Gottfried Schöne freut sich über das neue, schlicht weiße Geschirr in der Essensausgabe. Vorher gab es hier nur zusammengesammeltes Geschirr: "Kein Teller passte zum anderen", sagt Schöne. Das einheitliche Service trage auch etwas zur Atmosphäre bei, glaubt der Sozialarbeiter.
Die durch Spenden finanzierte Essensausgabe öffnet von Dezember bis März ihre Türen und sollte ursprünglich Menschen, die auf der Straße leben, eine warme Mahlzeit am Tag ermöglichen. "Heute kommen aber auch Menschen mit Wohnung zur Essensausgabe - vor allem am Monatsende, wenn das Geld knapper wird", sagt Schöne.
Rolf Viebrans ist in einem Männerwohnheim untergekommen. Der 57-Jährige geht häufig zur Essensausgabe und sitzt dann mit Bekannten an einem Tisch. "Es schmeckt eigentlich immer, aber heute ist es beonders gut", sagt der gelernte Dachdecker. Das neue Geschirr allerdings ist ihm egal: "Es kommt darauf an, was drauf ist."
HAZ vom 20.12.2013, S. 8:
Dreijährige verblutet nach Leberriss
Der Tod Yagmurs schockiert Hamburg - zuständig war wie im Fall Chantal das Bezirksamt Mitte
Von Stephanie Lettgen
Hamburg. „Du wirst nicht vergessen“ steht zum Gedenken an die kleine Yagmur auf einem Schild vor der Haustür der Familie in Hamburg-Billstedt. Anwohner haben Kerzen, Kuscheltiere und Blumen niedergelegt. Das dreijährige Mädchen war am Mittwoch in der Wohnung seiner Eltern an einem Leberriss innerlich verblutet. Die 26-jährige Mutter und der 25 Jahre alte Vater stehen unter Verdacht, das Kind misshandelt zu haben. Gegen beide wurde gestern Abend Haftbefehl erlassen.
Yagmur wurde seit ihrer Geburt von mehreren Jugendämtern betreut. Zuletzt lag das Wohl des Kindes in der Zuständigkeit des Bezirksamtes Mitte. Dieselbe Behörde war bereits im Januar 2012 in die Schlagzeilen geraten, als die damals elfjährige Chantal in Obhut ihrer drogenabhängigen Pflegeltern an einer Überdosis des Heroinersatzstoffes Methadon starb. Erst im Oktober hatte ein Sonderausschuss die Untersuchung abgeschlossen, die Pflegeeltern sollen sich demnächst vor Gericht verantworten. Nun gilt jedoch als fraglich, ob die Konsequenzen, die aus dem Fall gezogen wurden, ausreichend waren.
Yagmurs Mutter, die am frühen Mittwochmorgen den Rettungsdienst alarmiert hatte, während der Vater bereits bei der Arbeit in einem Getränkehandel gewesen sein soll, spricht von einem Unfall. Angeblich soll das Kind in der Wohnung gestürzt sein. Die zahlreichen Blutergüsse am Körper des Kindes waren dem Vernehmen nach auch schon den Rettungskräften aufgefallen, die das Kind versuchten, wiederzubeleben. Die Rechtsmedizin hält es für möglich, dass das Kind bereits Stunden vor dem Notruf verprügelt wurde und schreckliche Qualen erlitt, bis die Helfer eintrafen.
Nach Aussage der Mutter soll ihr Lebensgefährte bei dem angeblichen Unfall nicht anwesend gewesen sein. Der wegen Körperverletzung, Diebstahl und Drogendelikten polizeibekannte Vater schweigt nach Angaben der Polizei bislang.
Die traurige Geschichte der erst dreijährigen Yagmur füllte bereits vor ihrem Tod mehrere Akten: Seit der Geburt wurde das Mädchen von unterschiedlichen Jugendämtern betreut. Erst seit August dieses Jahres lebte das Kleinkind bei ihren leiblichen Eltern. Zuvor war sie in einer Pflegefamilie - offenbar auf Wunsch der jungen Eltern, die sich mit der Betreuung überfordert fühlten. Schon Anfang 2013 gab es den Verdacht, das Kind sei misshandelt worden. Wegen einer schweren Schädelverletzung wurde das Mädchen damals in einem Krankenhaus behandelt. Damals lebte Yagmur bei einer Pflegefamilie, hatte aber auch noch Kontakt zu ihren leiblichen Eltern. „Das Verfahren wurde damals gegen alle Personen geführt, die mit dem Kind zu tun hatten“, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Das Verfahren wurde erst im November eingestellt, weil sich die Ursache der Verletzung nicht aufklären ließ.
Im August durfte das Mädchen trotz laufender Ermittlungen zu ihren leiblichen Eltern zurück. Das Bezirksamt Mitte hatte diesen Schritt damit begründet, dass sich diese stets liebevoll um ihre Tochter gekümmert hatten. Das zwischenzeitlich getrennt lebende Paar wohnte zu diesem Zeitpunkt wieder zusammen. Das Bezirksamt wollte sich am Donnerstag zu diesem Punkt nicht äußern. Derzeit würden Akten geprüft und Fachpersonal befragt, erklärte ein Sprecher. Der Fall sei komplex, weil mehrere Jugendämter beteiligt gewesen seien. Bezirksamtsleiter Andy Grote betonte, das Jugendamt habe die Familie eng begleitet. Mitarbeiter hätten keine Kindeswohlgefährdung gesehen und den Umgang der Eltern mit dem Mädchen als liebevoll beschrieben.
NP vom 16.12.2013, S. 12:
Bedürftige essen sich satt
Kostenloses Drei-Gänge-Weihnachtsessen im HCC
Von Tobias Welz
HANNOVER. Wenigstens einmal im Jahr sollen sich fast 600 bedürftige Erwachsene und 270 Kinder aus sozial schwachem Umfeld einfach mal sorglos den Bauch vollschlagen können. Dafür sorgten gestern über 80 ehrenamtliche Helfer im Hannover Congress Centrum (HCC). Unterstützt werden sie dabei auch von Ex-Fury-Gitarrist Christof Stein-Schneider, der „zum ersten Mal im Leben als Tellertaxi“ fungiert.
Für die Erwachsenen gibt es Putenbrustrouladen mit Apfel-Backpflaumenfüllung, dazu Rotkohl sowie knusprig-gebratene Kartoffelkuchen und zum Dessert Bratäpfel mit Vanillesauce. Die Kinder freuten sich über Putenschnitzel, Erbsen, Möhren und Kartoffelpüree. Lecker!
Bereits im vergangenen Jahr hatten die Veranstalter eine ähnliche Weihnachtsfeier organisiert, diesmal aber liegt die Teilnehmerzahl mehr als zweimal höher. „Wir können uns darüber nicht so richtig freuen“, sagt Joachim König, Geschäftsleiter vom HCC, „weil das eben auch ein Zeichen dafür ist, wie viel Armut es in Hannover gibt“.
Gespendete Stofftiere liegen für die Kinder zum Spielen und Mitnehmen bereit, außerdem gibt es viele Adventsteller mit reichlich Schokolade. „Das sind Kinder, die sonst so gut wie nichts haben. Für manche gab es heute um 16 Uhr dank den Veranstaltern die erste Mahlzeit des Tages“, sagt eine Betreuerin. Kinder und Erwachsene können sich außerdem in der Kleiderstube kostenlos etwas aussuchen.
Und die Erwachsenen freuen sich auch über das gute Essen: „Meine Rente reicht einfach nicht zum Leben“, sagt Heike Litke (53) aus Limmer. „Drei Gänge hatte ich seit über 20 Jahren nicht mehr auf dem Tisch“, erinnert sich Dirk Precht (44) aus Ricklingen. Auch Michael Pichler (66) aus Langenhagen lässt sichs schmecken: „Ich freue mich total, das war eine Wahnsinnsüberraschung“. Hans Joachim Grothe (52) kam mit Sohn Jonathan, er sagt: „Ich bin den Leuten hier überaus dankbar, das Essen war fantastisch.“
Sänger Kuersche (46) liefert zusammen mit Rainer Schumann (49), Christian Decker (41) und Gero Drnek (53) von Fury in the Slaughterhouse die musikalische Begleitung zur Weihnachtsfeier. Auch Gunter Gabriel spielt einige seiner Schlagerhits. Damit die Gäste problemlos an- und abreisen konnten, hatten Unterstützer Busse bereitgestellt und Tickets für die Stadtbahn gespendet. Schöner geht es kaum!
HAZ vom 05.12.2013, S. 22:
„Einfach mal auf den Putz hauen“
Am dritten Advent feiern Obdachlose und Bedürftige im HCC ihr Weihnachtsfest
Von Stefanie Nickel
Das Menü von HCC-Küchenchef Lars Heins klingt vielversprechend: Putenbrustroulade mit Apfel-Backpflaumenfüllung auf Cranberrysauce. Dazu gibt es Rotkohl und Macairkartoffeln. Als Dessert werden Bratäpfel mit Vanillesoße gereicht. „Alles vom Feinsten“, sagt Andrea Schwarz. So wollte sie und ihre Kollegin Kristin Heike es haben. Die Frauen vom Nordstädter Verein Krass Unartig organisieren eine Weihnachtsfeier der besonderen Art. An einer mit weißen Decken, Porzellan und Kristallgläsern gedeckten Tafel werden am dritten Adventssonntag Menschen Platz nehmen, die sonst selten im Zooviertel anzutreffen sind: Das Fest ist für Obdachlose und Bedürftige.
Die Servicekräfte, die in der Glashalle des Hannover Congress Centrums (HCC) auftischen, werden alle Hände voll zu tun haben. Über 570 Erwachsene und 270 Kinder haben sich für die Veranstaltung angemeldet, deren Schirmherr Ex-Fury Christof Stein-Schneider ist. Sie alle wollen gemeinsam feiern, Geschenke auspacken und sich von Musikern und Comedians wie Gunther Gabriel, ehemaligen Mitgliedern von Fury in The Slaughterhouse und Moderator Ecki Stieg unterhalten lassen. In diesem Jahr müssen sich die Gäste auch keine Sorgen um ihre vierbeinigen Begleiter machen: Zwei Tierärzte kümmern sich um die Hunde der Gäste, die etwa aus dem Männerwohnheim in der Büttnerstraße, dem Kontaktladen Mecki und dem Tagestreffpunkt DüK kommen.
Bereits im vergangenen Jahr hatten Schwarz und Heike die Weihnachtsfeier organisiert. „Am Anfang hatten wir alle Respekt voreinander“, sagt Andrea Schwarz. Aber das habe sich gelegt. „Wir haben uns kennengelernt. Zum Schluss haben wir gemeinsam vor der Bühne getanzt.“
Die Idee für die Weihnachtsfeier für Obdachlose und Bedürftige hatte Comic-Verleger Manfred Ilsemann. Sein Vorbild: Der Berliner Frank Zander. Seit 19 Jahren lädt der Sänger zum Weihnachtsfest in das Berliner Hotel Estrel - mehr als 3.000 Bedürftige kommen jährlich.
Den Organisatoren wird in Hannover allerdings nicht nur mit Wohlwollen begegnet. Bei der ersten Ausgabe der Weihnachtsfeier hatten soziale Einrichtungen bemängelt, dass Wohnungslose keine Almosen bräuchten und mit den finanziellen Mitteln lieber soziale Institutionen gestärkt werden sollten. Heike kann darüber nur den Kopf schütteln: „Überall wird in der Adventszeit zu Weihnachtsfeiern geladen“, sagt sie. „Warum sollen Obdachlose nicht auch einmal auf den Putz hauen dürfen?“
Es werden noch Geschenke gesucht: Am Freitag, 13. Dezember, werden auf der Lister Meile, Ecke Gretchenstraße, sowie um 18 Uhr auf dem Lindener Marktplatz Geschenke wie Handschuhe, Kleidung oder Schlafsäcke sowie Duschgel, Zahnbürsten, Dosenwurst oder Kaffee eingesammelt. Auch Fahrkarten für den Nahverkehr werden noch benötigt.
HAZ vom 05.12.2013, S. 18:
Immer mehr Bedürftige bei Essensausgabe
Durchschnittlich 143 Menschen kommen täglich in die Suppenküche / Neuer Verein kocht für Obdachlose
Von Veronika Thomas
Die Zahl der Bedürftigen, die die kostenlose ökumenische Essenausgabe während der Wintermonate nutzen, steigt seit Jahren kontinuierlich an. In der vergangenen Saison 2012/2013 besuchten durchschnittlich 143 Besucher pro Tag die sogenannte Suppenküche, im Jahr davor waren es 140 Menschen, 2010/2011 machten noch täglich 117 von dem Angebot eines warmen Mittagsessens Gebrauch. Seit zwei Jahren steigt die Zahl der Hilfesuchenden zum Monatsende sogar auf bis zu 200 täglich an.
Seit dem 2. Dezember hat die Essensausgabe wieder montags bis sonnabends von 11 bis 13 Uhr in den Räumen der Caritas am Leibnizufer geöffnet - zum 25. Mal. Auch in dieser Saison bis zum 15. März rechnen die Veranstalter - Diakonisches Werk, Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde, Neustädter Hof- und Stadtkirche und St.-Clemens-Pfarrgemeinde - mit der Ausgabe von rund 12.500 Mahlzeiten, mehr als 2.000 Litern Kaffee und Tee sowie einer nicht zählbaren Menge an Obst, Brot, Kuchen und Keksen. Ehrenamtliche Teams verteilen die warmen Mahlzeiten an die Besucher, der Großteil wird in der Zentralküche des Friederikenstifts gekocht.
Die ursprünglich als Nothilfe für Obdachlose eingerichtete Suppenküche hat sich mehr und mehr zu einer Institution auch für Ältere, psychisch Kranke und Migranten aus Ost- und Südosteuropa entwickelt. „Was mir Sorge bereitet, ist der wachsende Verdrängungswettbewerb zwischen Flüchtlingen und Obdachlosen in der Stadt. Flüchtlinge sollen feste Unterkünfte erhalten, Obdachlose aber in Containern untergebracht werden“, kritisierte Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes zur Eröffnung der Suppenküchensaison. Nach Angaben des Diakonischen Werks gelten 2.500 bis 3.000 Menschen in Hannover als Wohnungsnotfälle, die in Obdachlosenunterkünften, Gartenlauben, vorübergehend bei Freunden oder im Freien unter Brücken oder in der Eilenriede lebten.
Zusätzlich zu den vier Kirchengemeinden als Trägern der Essensausgabe hat sich ein neuer Partner gefunden: Im September hat Cord Kelle, Inhaber des Hotels und Restaurants Jägerhof in Langenhagen, mit Gleichgesinnten den Verein „KfO - Kochen für Obdachlose Hannover“ gegründet. Schon im vergangenen Jahr hat Kelle allein 4.000 Mahlzeiten für die Suppenküche gekocht, was der Versorgung eines ganzen Monats entspricht. „Mir fehlen noch Kollegen, die bereit sind, auch für Obdachlose zu kochen“, sagte er gestern.
Bei den Besuchern haben sich Kelles Kochkünste schon herumgesprochen: Wenn er mittwochs und donnerstags sein frisch gekochtes Essen bringt, ist es in der Suppenküche besonders voll. Seit einigen Jahren bereitet außerdem die Neustädter Hof- und Stadtkirche den Besuchern am 6. Dezember einen Nikolauskaffee - und beschenkt sie mit selbst gestrickten Socken, Schals und Handschuhen.
Die ökumenische Suppenküche wird ausschließlich durch Spenden finanziert. Spendenkonto: Ev. Kreditgenossenschaft, Kontonummer 200601233, BLZ 52060410
HAZ vom 29.11.2013, S. 19:
Pakete für Menschen hinter Gittern
(vt). Die christliche Straffälligenhilfe Schwarzes Kreuz, die in diesem Jahr 60 Jahre besteht, sucht Menschen, die bereit sind, einem bedürftigen Gefangenen ein Weihnachtspaket zu schicken. "Inhaftierte ohne Kontakt zu Familie oder Freuden spüren ihre Einsamkeit zu Weihnachten besonders stark", sagt Werner Bergmann von der Straffälligenhilfe Resohelp, die das Schwarze Kreuz unterstützt. Die Päckchen sollten einen Höchstwert von 30 Euro haben. Als Geschenke beliebt seinen Kaffee, Tee, Tabak und Süßigkeiten. Gefangene, die sich ein Weihnachtspaket wünschen, müssten dies beantragen. Die Gefängnisleitung prüft dann, ob derjenige tatsächlich keine Kontakte nach draußen habe. Die Pakete können bei Werner Bergmann von Resohelp, Hagenstraße 36, abgeben werden.
Weihnachtsmarkt hilft "Asphalt"
(vt). Bereits zum achten Mal lädt das ehrenamtliche Basarteam der Kreuzkirche in der Altstadt zu einem Weihnachtsmarkt zugunsten des Straßenmagazins "Asphalt" ein. Die Kirche öffnet heute von 13 bis 18 Uhr ihre Türen, wo mehr als 20 Stände Kreatives und Köstliches zum Verkauf anbieten. Schöne Dinge aus Holz, Glas, Textilien oder Papier lassen sich dort ebenso finden wie Adventsgestecke. Feinschmecker kommen bei selbst gebackenen Weihnachtskeksen, Konfitüren, Likören, Chutneys und Pralinen auf ihre Kosten. Außerdem gibt es ein großes Kuchenbüfett. Im vorigen Jahr brachte der Basar einen Erlös von 7.600 Euro ein.
HAZ (Stadt-Anzeiger Süd) vom 28.11.2013, S. 2:
Obdachlose ausgeschlossen
Die Mehrheit des Bezirksrats Südstadt-Bult stimmt dem Bau eines Flüchtlingswohnheims mit Einschränkungen zu
Von Margaret Jans-Lottmann
SÜDLICHE STADTTEILE. Noch sind die Bauarbeiter auf den Grundstücken 30 und 32 in der Jordanstraße damit beschäftigt, die letzten Reste der Gebäude zu beseitigen, in denen die BP Europa SE früher einmal Büros hatte. Voraussichtlich bis Ende des Jahres will das Energieunternehmen die rund 5.600 Quadratmeter große Fläche, die sie von der Stadt gepachtet hatte, saniert an diese zurückgeben. Die Stadt hat bereits neue Pläne für das Grundstück: Sie will dort eins von insgesamt acht neuen und stadtweit geplanten Flüchtlingswohnheimen mit Platz für jeweils bis zu 50 Bewohner errichten. Der Bezirksrat Südstadt-Bult stimmte dem Vorhaben bei drei Enthaltungen der CDU zu - allerdings mit der von SPD und Grünen beantragten Änderung, dort keine Obdachlosen einzuquartieren. Dabei soll es sich um Zuwanderer aus Osteuropa handeln, vorwiegend Sinti und Roma aus den EU-Ländern Rumänien und Bulgarien.
Die Stadt erwartet ab 2014 einen stärkeren Zustrom von Osteuropäern, die hier Arbeit suchen, auf dem freien Wohnungsmarkt aber voraussichtlich keine Wohnung finden werden. Da auch etliche andere Bezirksräte eine Unterbringung dieser Obdachlosengruppe abgelehnt hatten, sucht die Verwaltung für sie nun andere Unterkünfte.
SPD und Grüne befürworteten in der jüngsten Sitzung des Bezirksrates Südstadt-Bult ausdrücklich die Pläne für den Bau eines Flüchtlingswohnheims in der Jordanstraße. Oliver Kluck, Vorsitzender der Grünen-Fraktion, kritisierte allerdings, dass in der Planung ständig von „Heimen für Flüchtlinge und Obdachlose“ die Rede sei. Dabei handele es sich jedoch um völlig unterschiedliche Personengruppen. „Die Menschen aus Krisengebieten bedürfen einer anderen Betreuung als die Zuwanderer aus den europäischen Staaten, die aus freien Stücken in unser Land kommen, um hier zu leben und zu arbeiten“, betonte er.
Ähnlich äußerten sich die Ratsherren und beratenden Mitglieder im Bezirksrat Südstadt-Bult, Michael Dette (Grüne) und Thomas Hermann (SPD). Der Ausschluss von Obdachlosen in den Flüchtlingswohnheimen sei auch im Sinne der rot-grünen Ratsmehrheit, sagte Dette. Nicht alle Standorte eigneten sich für Flüchtlinge und Obdachlose gleichermaßen. Zugleich kritisierte der Grünen-Ratsherr das Vorgehen der Stadtverwaltung in dieser Angelegenheit. Diese habe anfangs zwar sehr gut mit den Bezirksräten zusammengearbeitet, sodass diese bereit gewesen seien, für die Flüchtlingswohnheime zu werben. Dass in der Drucksache der Verwaltung dann aber plötzlich auch Obdachlose aufgetaucht seien, sei ungeschickt, bemängelte Dette.
Thomas Hermann verwies zudem darauf, dass die Unterbringung von Flüchtlingen in Gebäuden in der Zweibrückener Straße in Kirchrode sowie an der Neurag-Nerag-Straße in Misburg-Nord nur vorübergehend sei. Beide Einrichtungen müssen nach Auskunft der Verwaltung bereits 2014 wieder aufgegeben werden. Auch vor diesem Hintergrund sollten die geplanten Wohnheime nur für Flüchtlinge ausgewiesen werden, sagte Hermann.
Für nicht geeignet in der Jordanstraße hält die Mehrheit des Bezirksrats auch das für alle Wohnheime geplante Standardmodell in zweigeschossiger, u-förmiger Bauweise, das sich am Flüchtlingswohnheim der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde in der Hildesheimer Straße orientiert. Wie von SPD und Grünen beantragt, soll die Stadtverwaltung nun prüfen, ob in der Jordanstraße ein mindestens dreigeschossiges Gebäude mit Klinkerfassade als Blockrandbebauung errichtet werden kann. Das Gebäude solle sich in die Umgebung einpassen, erläuterte SPD-Fraktionschefin Melanie Reimers. Diese sei durch eine Blockrandbebauung mit vier Geschossen und der für die Südstadt typischen Klinkerfassade geprägt.
Einen genauen Zeitplan für den Bau des Flüchtlingswohnheims gibt es allerdings noch nicht. Zunächst müsse für die Fläche in der Jordanstraße der Bebauungsplan geändert werden, der das Grundstück zurzeit noch als Gewerbefläche ausweise, sagte Stadtsprecher Alexis Demos auf Nachfrage des Stadt-Anzeigers. Wann mit dem Bau begonnen werde, hänge auch davon ab, wie lange das Verfahren in den politischen Gremien dauere.
HAZ vom 27.11.2013, S. 1:
Mehr Armut trotz Beschäftigungsboom
Berlin (nl). Trotz kontinuierlich steigender Beschäftigungszahlen wächst in Deutschland die Armut. Zu diesem Fazit kommt der gestern in Berlin vorgestellte Sozialbericht für Deutschland, der zum mittlerweile 14. Mal vom Statistischen Bundesamt und Sozialforschern herausgegeben wurde. Auch wenn 2012 in Deutschland mit 41,5 Millionen so viele Menschen wie noch nie zuvor in Lohn und Brot standen, stieg die Zahl derjenigen, die von Armut bedroht waren von 15,2 Prozent im Jahr 2007 auf 16,1 Prozent im Jahr 2011. Als arm gilt, wer über weniger als 980 Euro im Monat verfügt.
NP vom 23.11.2013, S. 6:
Toter liegt zwei Jahre unentdeckt in Obdachlosenwohnung
NORDENHAM. In einer Obdachlosenwohnung in Nordenham (Kreis Wesermarsch) ist eine skelettierte Leiche gefunden worden. Der Mann habe mindestens zwei Jahre tot in der Wohnung gelegen, teilte die Polizei mit. Der Tote war bei einer Wohnungsräumung entdeckt worden. Bei dem Mann handelt es sich nach Angaben der Polizei wahrscheinlich um einen 62-Jährigen ohne soziale Kontakte. Mitarbeiter der Stadt glaubten offenbar, dass der Mann die Wohnung im Sommer verlassen habe. Da die Wohnung nicht benötigt worden sei, habe neimand nachgesehen.
HAZ vom 22.11.2013, S. 12:
Neue Räume für Osteuropäer
Die Stadt hat mit ihrem Ausbauprogramm begonnen - und rechnet mit verstärktem Zuzug
Von Conrad von Meding und Andreas Schinkel
Die Stadt muss mehr Platz schaffen für immer mehr arme Zuwanderer aus Osteuropa. Wie das geht, ist am Herrenhäuser Burgweg schon zu beobachten. Dort stand bisher eine Handvoll Container, provisorische Unterkunft für obdachlose Zuwanderer. Jetzt wird die Anzahl verdoppelt. Handwerker montieren die Elektrik, auch viele Einrichtungsgegenstände sind schon angekommen. Es sind keine Luxusunterkünfte: in einem Zimmer zwei zweigeschossige Stahlrohrbetten, die Matratzen schon bezogen, Tisch, Stühle. Eine schlichte Miniküche auf dem Flur, ein Sanitärraum. Doch für die Menschen, die hier einziehen, wird es mehr sein, als sie aus ihrer Heimat gewohnt sind.
Dort leben sie oft in slumartigen Vorstädten in Wellblechhütten und Häusern ohne Fenster und Heizung. Die Zahl von 1.500 erwarteten Zuwanderern aus den EU-Staaten Rumänien und Bulgarien, die seit zwei Tagen im Rathaus kursiert, wurde gestern offiziell weder dementiert noch bestätigt. Dass Hannover sich aber vorbereitet auf den stärker werdenden Zustrom, ist überall sichtbar.
13 Standorte für derartige Containerunterkünfte hat die Stadt nach HAZ-Informationen ausgewählt, unter anderem in der Beneckeallee (Vinnhorst), neben dem Alten Forsthof (Marienwerder) oder in der Alten Peiner Heerstraße (Lahe), wo die Flüchtlingsunterkunft jetzt wieder geöffnet wurde. Auch die aufgegebene Paul-Dohrmann-Sonderschule soll zur Unterkunft für die sogenannten Armutsflüchtlinge umgebaut werden. Weil die Familienverbände, die es nach Deutschland zieht, so groß sind, seien Klassenräume für die Unterbringung besser geeignet als herkömmliche Wohnungen, heißt es im Rathaus.
Zu der Standortliste gab es gestern keinen Kommentar. „Wir sind dezernatsübergreifend dabei, ein Arbeitspapier zusammenzustellen“, sagt Stadtsprecherin Konstanze Kalmus. Wenn das fertig sei, werde informiert. Vorher: kein Wort zu aktuellen Vorhaben, kein Wort zu den Kosten. Auch die Genehmigung für aktuelle Fotos aus den Räumen einer Containerunterkunft wird verweigert.
Einzig Oberbürgermeister Stefan Schostock fand gestern in seiner Haushaltsrede einige Worte zur Zuwanderung aus Südosteuropa. Er bestätigte: „Wir suchen derzeit nach Standorten für Obdachlosenheime.“ Noch könne niemand prognostizieren, wie viele Armutsflüchtlinge nach Hannover kommen werden. „Ich gehe aber von einem verstärkten Zuzug ab 2014 aus, wenn die volle Freizügigkeit erreicht ist“, sagte er. Der Oberbürgermeister sprach sich im Grundsatz für Modulbauten für obdachlose Zuwanderer aus. Denn sollte die Zahl der Armutszuwanderer wieder zurückgehen, könne man die Bauten für „soziale Zwecke“ verwenden. „Wir werden unsere Pläne frühzeitig kommunizieren. Der Unterstützung aus der Stadtgesellschaft bin ich mir sicher“, sagte der OB.
Grünen-Ratsfrau Freya Markowis wies gestern darauf hin, dass „wir es zu einem Großteil mit Familien zu tun haben, die Unterstützung brauchen, damit ihre Kinder zur Schule und in den Kindergarten gehen können“. Alle Hannoveraner müssten einen Beitrag leisten, damit die Kinder „trotz des Obdachs ein kindgerechtes Leben führen und eine Zukunftsperspektive entwickeln können“, sagt ihre Fraktionskollegin Katrin Langensiepen.
Die Zugereisten gehören der Volksgruppe der Roma und Sinti an. In Bulgarien und Rumänien führen viele von ihnen ein komplett anderes Leben als der durchschnittliche Westeuropäer. Viele von ihnen können weder lesen noch schreiben, die hier etablierten Grundregeln des Zusammenlebens hat ihnen niemand beigebracht, und wegen der Sprachbarrieren gibt es auch kaum Chancen, diese zu erlernen.
Für Fachleute gelten die erwachsenen Zuwanderer dieser Gruppe vielfach als „Lost Generation“, an deren Einstellung wenig zu ändern sei. Umso wichtiger sei es, den Kindern den Weg zu ebnen und Schulbildung zu ermöglichen.
Dortmund ächzt unter der Last
(med) In Dortmund hat die erste Welle der Armutsflüchtlinge aus Osteuropa bereits zu spürbaren Problemen geführt. Weil meist einzelne Familienmitglieder kommen, sich niederlassen und dann große Familienverbünde nachholen, kam es in einigen Stadtteilen zu heftigen Konflikten. Ähnlich wie in Hannover in der Goethestraße und der Calenberger Neustadt wurden Mehrfamilienhäuser wegen Vermüllung quasi unbewohnbar. Es gab Nachbarschaftskonflikte, die prekäre Situation der Kinder zwang das Jugendamt zum Eingreifen, eine hohe Zahl Kinder mussten in Obhut genommen werden. Mit den Problemen steigen die Kosten für die Kommunen. Zwar dürfen die EU-Bürger zunächst keine Sozialleistungen in Anspruch nehmen – einziges legales Einkommen der Familien sind oft Kindergeld und Einnahmen aus Gelegenheitsjobs und Prostitution. Doch summieren sich die Kosten für Unterbringung, Gesundheitsvorsorge, Kinderbetreuung und Familienfürsorge schnell auf hohe Millionenbeträge, wie Dortmunds Sozialdezernentin Birgit Zoerner vorrechnet. Sie ist inzwischen die Fachfrau für Armutszuwanderung im Städtetag und verweist aber darauf, dass die Probleme in allen Großstädten wachsen.
HAZ vom 22.11.2013, S. 13:
Gottesdienst für verstorbene Obdachlose
Bei einem Gottesdienst am Sonntag in der Marktkirche möchten die Mitarbeiter der Wohnungslosenhilfe insbesondere der in diesem Jahr verstorbenen Obdachlosen in Hannover gedenken. Die Namen der 29 Männer und fünf Frauen werden während der Messe verlesen. Für jeden Toten soll eine Kerze angezündet werden. Der Gottesdienst beginnt um 10 Uhr und wird von Patorin Hanna Kreisel-Liebermann und Stadtsuperintendent Hans-Martin Heinemann geleitet.
In der Landeshauptstadt leben derzeit rund 250 Menschen auf der Straße. Weitere 2.500 leben nach Angaben des Stadtkirchenverbandes ohne gesicherte Mietverhältnisse. Das bedeutet, sie sind bei Freunden oder Bekannten untergekommen. Täglich sind sie der Gefahr ausgesetzt wieder auf der Straße zu landen. "Viele der wohnungslosen Frauen und Männer erreichen das sechzigste Lebensjahr nicht, da ihre Gesundheit durch das jahrelange ungesicherte Leben und durch die eingschränkte Grundversorgung sehr gelitten hat", sagt Insa Becker-Wook vom Stadtkirchenverband.
HAZ vom 21.11.2013, S. 13:
Stadt erwartet 1.500 Osteuropäer
13 Containerstandorte werden aufgebaut
Von Conrad von Meding
Die Stadt bereitet sich auf einen starken Zuzug weiterer Übersiedler aus Osteuropa vor. Nach HAZ-Informationen gibt es konkrete Pläne, an 13 Standorten im Stadtgebiet Containerunterkünfte für rund 1.500 Menschen zu errichten, die auf dem Wohnungsmarkt keine Chance haben. Es handelt sich nicht um Flüchtlinge, sondern um Zuwanderer aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Sie kommen überwiegend aus Rumänien und Bulgarien und werden den Volksgruppen der Sinti und Roma zugeordnet. Sie haben freies Aufenthaltsrecht innerhalb der EU. Weil sie aber keine Wohnungen finden, gelten sie als obdachlos - und die Stadt muss Unterkünfte besorgen.
Die Stadtverwaltung hat vor wenigen Tagen die eigentlich geschlossene Containerunterkunft in der Alten Peiner Heerstraße in Lahe direkt an der Autobahn wieder in Betrieb genommen. Nun sind dort aber nicht etwa die Osteuropäer untergebracht, die zuletzt mangels anderer Wohnräume in einer Turnhalle unterkommen mussten. "Es sind schon wieder neue Ankömmlinge da", hieß es gestern aus dem Rathaus. Weil immer neue Großfamilien nachziehen und unter teilweise unzumutbaren räumlichen und hygienischen Bedingungen leben, will die Stadt jetzt schnell Unterkünfte anbieten. "Der Winter steht vor der Tür, und wir wollen nicht wie in Hamburg Menschen in Zeltstädten unterbringen müssen", sagte gestern ein Mitarbeiter. Eine offizielle Stellungnahme der Stadt zu dem Thema liegt nicht vor. Dem Vernehmen nach will sie zunächst die politischen Gremien in Stadtbezirken und den Rat informieren, bevor sie an die Öffentlichkeit geht.
Fest steht, dass an jedem Containerstandort durchschnittlich mehr als 100 Menschen untergebracht werden. Die Verwaltung will mit einer Aufteilung aufs Stadtgebiet Ballungen vermeiden. Außer an der Peiner Heerstraße sollen Containerstädte nach unbestätigten Informationen etwa am Alten Forsthaus, im Vinnhorster Industriegebiet an der Beneckeallee oder am Rand von Marienwerder entstehen. Eine einzige Unterkunft ist in einem festen Gebäude geplant, dabei soll es sich um die ehemalige Schule im Burgweg in Herrenhausen handeln.
Wie berichtet, hatte die Stadt eigentlich versucht, die geplanten acht neuen Flüchtlingswohnheime auch für Obdachlose nutzen zu dürfen, war damit aber an der Kommunalpolitik gescheitert. Die erfreulich hohe Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden, indem plötzlich Roma und Sinti in die Unterkünfte eingewiesen würden, hieß es gestern aus Politikerkreisen. Das Konzept für die 13 neuen Obdachunterkünfte ist jetzt die Reaktion der Stadtverwaltung darauf.
Unabhängig von der Obdachlosenproblematik hat die Kommunalpolitik gestern in vertraulicher Sitzung entschieden, dass die Firma European Homecare Betreiber für drei weitere Flüchtlingsheime werden soll: Lammstraße, Deisterstraße und Anderter Straße. Mit der Firma seien gute Erfahrungen gesammelt worden. Zusätzlich wollen alle Ratsfraktionen prüfen, ob der Betreuungsschlüssel in den Unterkünften nicht verbessert werden kann.
HAZ vom 15.11.2013, S. 12:
Ärger um Flüchtlingsheime
Die Stadt stößt mit ihrer neuesten Idee überall auf Widerstand, geplante Standorte für als Asylbewerber auch als Unterkünfte für Obdachlose auszuweisen
Von Bärbel Hilbig/Rüdiger Meise
Die Stadt bereitet mit Hochdruck den Bau weiterer acht Wohnheime für Flüchtlinge vor – und will bei Bedarf dort statt Asylbewerbern Obdachlose unterbringen. In den betroffenen Stadtteilen reagieren die Bezirksräte auf diese erweiterte Nutzungsplanung abwehrend. Als die Vorhaben jetzt in den ersten Bezirksräten in Ahlem-Badenstedt und Vahrenwald-List vorgestellt wurden, gab es keine größeren Vorbehalte gegen Flüchtlingsheime. Die Belegung mit Obdachlosen lehnten die Politiker vor Ort jedoch jeweils auf Antrag der SPD-Fraktion ab. „Die Bedürfnisse von beiden Gruppen sind unterschiedlich. Die Stadt soll für Obdachlose gesondert Vorschläge machen“, sagt Bruno Gill, SPD-Fraktionschef in Vahrenwald-List. Auch in Ricklingen wurde ein entsprechender Antrag gestern Abend einstimmig angenommen.
„Wir suchen im Moment vorrangig Platz für Flüchtlinge. Es gibt jedoch eine neue Bedrängnis von Menschen, die keine Chance auf dem Wohnungsmarkt bekommen“, sagt Michael Heesch, städtischer Fachbereichsleiter Planen und Stadtentwicklung. Die Stadt ist verpflichtet, Menschen unterzubringen, die ihre Wohnung verlieren, und deren Zahl steigt stetig. Aktuell leben rund 700 Menschen in städtischen Obdachlosenunterkünften, Anfang 2012 waren es noch gut 170 Personen weniger. Unter diesen Obdachlosen gibt es Familien, die nach einer Zwangsräumung wegen Zahlungsunfähigkeit keinen neuen Mietvertrag bekommen, und Menschen, die auf dem angespannten Wohnungsmarkt keine für sie erschwingliche Bleibe finden.
Zur Gruppe der Obdachlosen gehören neuerdings auch Zuzügler aus Osteuropa, wenn sie aus eigener Kraft keine Wohnung finden. Die Stadt hat dieses Jahr 62 Kinder und Erwachsene aus dieser Weltregion untergebracht, zum Teil provisorisch in einer Turnhalle. „Die Zuwanderung von Bulgaren und Rumänen erfüllt uns mit Sorge. Wenn sie sich obdachlos melden, müssen wir sie unterbringen“, sagt Heesch.
Die Stadt will die acht neuen Heime auf eigenem Grund von der Gesellschaft für Bauen und Wohnen oder einem anderen Investor bauen lassen und anmieten. Die Gebäude für jeweils rund 50 Bewohner sollen in Massivbauweise für dauerhaftes Wohnen ausgelegt sein, sodass eine Nachnutzung möglich wäre.
Vorrangig sollten bisher vier Standorte vorbereitet werden: Bemerode (Oheriedetrift), Döhren (Thurnithistraße), Wettbergen (Tresckowstraße) und Nordstadt (Kopernikusstraße). Zweite Priorität hatten der jetzt abgelehnte Standort Bemerode (Am Sandberge) und Ahlem (Am Bahndamm). Außerdem stehen List (Hebbelstraße) und Südstadt (neben der Feuerwache Jordanstraße) auf der Liste. Wenn die politischen Beschlüsse im Rat gefasst sind, könnten die ersten Bauarbeiten im Frühjahr beginnen und im Herbst abgeschlossen sein.
Die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese Vorhaben sich oft hinziehen. Von vier bereits vorab beschlossenen Flüchtlingsheim-Neubauten am Kinderkrankenhaus auf der Bult, in Bothfeld und in Badenstedt wird bisher nur am Annateich in Kleefeld gebaut.
HAZ vom 12.11.2013, S. 11:
Polizei klärt Angriff auf Obdachlosen
Zwei Männer gefasst – sie sollen 45-Jährigen mit einem Baseballschläger verprügelt haben
Von Jörn Kießler
Knapp vier Monate nach einem brutalen Übergriff auf einen Obdachlosen haben Beamte zwei der fünf mutmaßlichen Täter festgenommen. Das Opfer selbst hatte seine Peiniger kurz zuvor in einer Wohnungsloseneinrichtung wiedererkannt und die Polizei alarmiert.
Die Attacke im Sommer hatte die Öffentlichkeit aufgeschreckt: Der 45-jährige Wohnungslose war mit einem Baseballschläger angegriffen worden und hatte im Krankenhaus behandelt werden müssen. Die Täter stahlen ihm auch seine Brieftasche und seine Gitarre.
Ein Richter erließ gestern Haftbefehl gegen die beiden Männer, sie sitzen jetzt in Untersuchungshaft. Beide leugnen, an der Attacke beteiligt gewesen zu sein.
Das Opfer war am 16. Juni angegriffen worden, als es sein Nachtlager in einer Straßenunterführung an der Waterloostraße (Calenberger Neustadt) aufgeschlagen hatte. Der Verletzte konnte nach dem Angriff nur Angaben zu drei der fünf Schläger machen. Die Polizei fahndete daraufhin seit Mitte Oktober mit Phantombildern nach zwei Männern und einer Frau.
Am Freitag erkannte der 45-Jährige zwei seiner mutmaßlichen Peiniger im Tagestreffpunkt „Dach überm Kopf“ (DüK) an der Lavesstraße wieder, wie die Polizei erst am Montag mitteilte. Offenbar gehören auch sie dem Wohnungslosenmilieu an. Die Polizei griff um 13.40 Uhr zu und nahm die 25 und 47 Jahre alten Männer fest.
Polizeisprecherin Anja Gläser bestätigte, dass die beiden mutmaßlichen Schläger an keinem festen Wohnsitz gemeldet sind. Offenbar waren sie in den Tagestreff gekommen, um dort etwas zu essen oder eine Beratungsmöglichkeit wahrzunehmen.
Gottfried Schöne, Leiter der zentralen Beratungsstelle des Diakonischen Werks und verantwortlich für die Obdachloseneinrichtungen, betont, dass es unter Obdachlosen nicht mehr Gewalt gebe als unter anderen Menschen. „Ein Polizeieinsatz wie am Freitag kommt bei uns eigentlich nicht vor“, sagte er. Zu Anfeindungen oder gar körperlichen Auseinandersetzungen zwischen den Besuchern komme es eigentlich nie. „Das ganze Konzept zielt darauf ab, dass jegliche Differenzen zwischen den Wohnungslosen friedlich gelöst werden können“, sagt Schöne. Natürlich gebe es auch einmal Meinungsverschiedenheiten – diese unterscheiden sich jedoch auch nicht von jenen Menschen, die einen festen Wohnsitz haben.
Die Polizei fahndet nun weiter nach den weiterhin flüchtigen drei Tätern, insbesondere auch nach einer Frau. Sie soll etwa 30 Jahre alt sein und 1,60 Meter groß. Sie hat schulterlanges, leicht gewelltes, dunkles Haar und eine auffallend breite Nase sowie volle Lippen. Die Polizei bittet Zeugen, die Hinweise zu der Gesuchten geben können, sich unter der Nummer (0511) 1093920 zu melden.
HAZ (Stadt-Anzeiger Süd) vom 31.10.2013, S. 2:
Benefizkonzert in der Kirche: Die 13 bringt Kindern Glück
DÖHREN. (hs) Die Zahl 13 bringt zumindest einigen Kindern Glück: 13 Mitglieder des Blechbläserensembles „Hannover Brass“ haben ihr 13-jähriges Bestehen mit einem Benefizkonzert für die Aktion Kindertraum gefeiert. Unter der Leitung von Thomas Eickhoff spielten die Musiker 13 Stücke unter anderem von Jean-Baptiste Lully, Johann Sebastian Bach, Franz von Suppè bis hin zum legendären Take Five von Dave Brubeck.
Die Gemeinde in Döhren stellte die Kirche, die fast bis auf den letzten Platz gefüllt war, kostenlos zur Verfügung und die Musiker verzichteten auf eine Gage. Statt eines Eintrittsgeldes baten sie um Spenden für die Aktion Kindertraum. Und sie hatten nicht nur Glück, sondern auch Erfolg mit ihrer Aktion: Es kamen 1.190 Euro an Spenden zusammen.
Diese Summe konnte nun Ute Friese von der Aktion Kindertraum in Empfang nehmen. „Mit dem Geld ist die Finanzierung des Projektes „Kinder machen Kunst“ in Hannover gesichert“, freute sie sich. Bei diesem Projekt bekommen Kinder aus einem sozialen Brennpunkt in Mittelfeld die Möglichkeit, zusammen mit Künstlern aus wenigen Materialien eigene Instrumente zu bauen, damit zu musizieren, Kunstobjekte zu gestalten, zu tanzen, zu tischlern und vieles mehr. Das Fortbestehen ist für ein weiteres Jahr gesichert.
HAZ vom 18.10.2013, S. 13:
Unbekannte verprügeln Obdachlosen
Mit einem Baseballschläger griffen ihn die Täter an
Von Jörn Kiessler
Calenberger Neustadt. Mit einem Baseballschläger haben fünf Unbekannte in der Nacht zu Donnerstag einen Obdachlosen in der Calenberger Neustadt zusammengeschlagen. Danach flohen die vier Männer und eine Frau mit der Brieftasche und der Gitarre des Mannes.
Gegen 5 Uhr hatten sich die Täter dem 45-Jährigen genähert, der in der Straßenunterführung von der Waterloostraße zur Archivstraße sein Nachtlager aufgeschlagen hatte. Als die fünf Schläger an ihn herantraten, schlief der Mann schon. Der Obdachlose wurde danach verletzt in ein Krankenhaus gebracht und behandelt, wollte aber nicht stationär aufgenommen werden.
Der Mann, der mit dem Baseballschläger auf ihn einschlug, ist etwa 35 bis 40 Jahre alt, 1,70 Meter groß und kräftig gebaut. Er hat ein rundliches Gesicht, braune Augen und sehr kurze Haare in der gleichen Farbe. Wahrscheinlich fehlt ihm der rechte Ringfinger. Zum Tatzeitpunkt war er mit einem blau-weiß karierten Hemd und einer olivfarbenen Hose bekleidet.
Ein andereren Mann beschrieb das Opfer als 30 bis 35 Jahre alt, etwa 1,80 Meter groß und schlank. Der Mann hat rotblondes, stoppeliges Haar, braune Augen und eine auffällig nach rechts schiefstehende Nase. Er trug ein rot-weiß kariertes Hemd und schwarze Jeans. Die an der tat beteiligte Frau soll etwa 30 Jahre alt sein, etwa 1,60 Meter groß. Sie hat volles schwarzes gewelltes Haar, das ihr bis zur Schulter ging, und war komplett schwarz bekleidet. Sie hatte eine auffallend breite Nase und volle Lippen.
Die Polizei bittet Zeugen, die Hinweise zu dem Verbrechen geben können, sich unter der Nummer (0511) 1093920 zu melden.
HAZ vom 17.10.2013, S. 5:
Zahl der Obdachlosen steigt weiter
Braunschweig (lni). Immer mehr Menschen in Niedersachsen suchen Hilfe, weil sie obdachlos sind oder ihnen die Obdachlosigkeit droht. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht, den die Zentrale Beratungsstelle Niedersachsen (ZBS) gestern in Braunschweig vorgestellt hat. 2011 verzeichneten die Helfer in den Beratungsstellen demnach 7.754 Menschen, die bei ihnen Hilfe suchten. Die Nachfrage steige seit 2005 kontinuierlich an, sagte Uwe Söhl von der ZBS.
Sorge bereitet den Helfern, dass immer mehr junge Menschen Beratung benötigen. Der Anteil Hilfesuchender unter 25 Jahren sei von 13 Prozent im Jahr 2004 auf fast 19 Prozent 2011 gestiegen. Dies sei auch eine Folge der Hartz-IV-Gesetzgebung, nach der Empfänger unter 25 Jahren keinen Anspruch auf eine eigene Wohnung haben und manchmal wegen familiärer Konflikte auf der Straße landen.
Grund für die steigende Hilfsbedürftigkeit seien die Armut in der Bevölkerung und der schwierige Wohnungsmarkt. "Besonders in größeren Städten wie Wolfsburg, Braunschweig oder Göttingen geht fast nichts mehr", sagte Söhl.
HAZ vom 16.10.2013, S. 2:
Spendenrekord nach Flut
Berlin (epd). Die Flutkatastrophen in Süd- und Ostdeutschland haben die Spendenbereitschaft der Deutschen erhöht. Von Januar bis August flossen bundesweit rund 2,56 Milliarden Euro aus privaten Taschen für gemeinnützige Zwecke. Das seien 19,1 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum, teilte der Deutschen Spendenrat am Dienstag in Berlin mit. Auch die Zahl der Spender habe zugenommen. Erfasst wurden Gaben von Bürgern ab zehn Jahren. Nicht eingerechnet sind Firmenspenden, Erbüberlassungen oder Spenden von Ausländern. Speziell für die Flutopfer wurden 265 Millionen Euro gespendet - allein im Juni 208 Millionen Euro.
HAZ vom 14.10.2013, S. 9:
Kein Konzept für Armutsflüchtlinge
Bei der Stadt wird die Zuständigkeit zwischen Bau- und Sozialdezernat hin- und hergeschoben
Von Andreas Schinkel
Noch immer fehlt der Stadt Hannover ein Konzept, wie sie mit Armutsflüchtlingen aus Südosteuropa umgehen will. Dabei sind die Probleme drängend: 27 Mitglieder von Roma-Familien sind notdürftig in einer Turnhalle untergebracht, und mehr als 1.000 Armutsflüchtlingen aus Südosteuropa droht nach Schätzung von Experten im Rathaus die Wohnungslosigkeit. Große Familien leben in winzigen Wohnungen, immer von der fristlosen Kündigung bedroht. Eigentlich hatte die Verwaltung angekündigt, nach den Sommerferien die Ratspolitik über das weitere Vorgehen zu informieren. "Darauf warten wir immer noch", sagt Freya Markovis, migrationspolitische Sprecherin der Grünen. Dabei habe Rot-Grün bereits Anfang des Jahres ein Konzept gefordert.
Auch die Caritas, die sich um wohnungslose Roma-Familien kümmert, sieht raschen Handlungsbedarf. "Bei diesem Thema darf sich die Stadt nicht viel Zeit lassen", sagt die Sprecherin der Caritas, Christiane Kemper. Bisweilen gewinne man den Eindruck, sagt sie, dass sich keiner in der Stadtverwaltung wirklich zuständig fühle. In Rathauskreisen wird diese Einschätzung bestätigt. Tatsächlich werde die Zuständigkeit für Armutsflüchtlinge aus Südosteuropa zwischen Sozial- und Baudezernat hin- und hergeschoben. "Die ordnende Hand des neuen Oberbürgermeisters Stefan Schostok ist hier dringend erforderlich", heißt es.
Die schwierige Rechtslage trägt vermutlich ihren Teil zum Zuständigkeitswirrwarr bei. Denn die Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien sind keine Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl beantragen können, sondern EU-Bürger. Die Stadt ist nicht verpflichtet, Unterkünfte für sie bereitzustellen. Werden die Zugewanderten aber obdachlos, müssen ihnen Notunterkünfte zugewiesen werden. Für solche Unterkünfte ist das Baudezernat zuständig, für sozialarbeiterische Betreuung das Sozialdezernat. "Auf der Dezernatsebene ist die Abstimmung schwierig, auf den unteren Ebenen gibt es aber viel Engagement", sagt Grünen-Ratsfrau Markovis.
So hat Stadtbezirksmanagerin Claudia Göttler dafür gesorgt, dass die Roma-Familien, die in der Turnhalle untergebracht sind, einen Container mit Duschen und Toiletten bekommen haben. Zuvor mussten Männer und Frauen gemeinsame WCs aufsuchen. "Die Lage in der Turnhalle in Vahrenwald hat sich stabilisiert", bestätigt Caritas-Sprecherin Kemper. Ärzte der von der Caritas getragenen Straßenambulanz kümmern sich um die Roma-Familien. "Die neuen Duschen und Toiletten haben die hygienische Situation verbessert, und auch die Müllentsorgung hat sich geklärt", sagt Kemper.
Zuvor hatten Ärzte der Straßenambulanz vor unhaltbaren hygienischen Verhältnissen gewarnt, wie sie bereits im vergangenen Jahr auftraten. Schon einmal hatte die Stadt obdachlose Roma in der Halle einquartiert. Die Toiletten waren nach kurzer Zeit verdreckt, Müll sammelte sich auf dem Hof vor de Turnhalle. Das Gesundheitsamt zwang die Stadt schließlich, die Halle zu schließen, weil unter den Bewohnern Hepatitis ausbrach.
HAZ (Stadt-Anzeiger West) vom 10.10.2013, S. 2:
Weil eine Parkbank kein Zuhause ist
Seit 25 Jahren gibt es die Tageswohnung „Treffpunkt“. Sie ist im Westen der Stadt die erste Anlaufstelle für Menschen, die in eine soziale Notlage geraten sind.
Von Mario Moers
LINDEN-NORD. Schulden, soziale Isolation, Drogenmissbrauch, drohende Wohnungslosigkeit – ein sozialer Absturz kann schneller gehen als man denkt. „Der Weg in die Notlage ist häufig eine Spirale, die mit einem kleinen Problem beginnt“, sagt Harald Bremer, Geschäftsführer des Karl-Lemmermann-Hauses. Der Verein für sozialpädagogisch betreutes Wohnen betreibt die Tageswohnung „Treffpunkt“ in Linden-Nord. Seit 25 Jahren finden Menschen, die ihren Lebenskompass verloren haben, hier ein Zuhause – wenigstens für eine Weile.
Die beiden Sozialarbeiterinnen im Treffpunkt haben viel zu tun. Ihre Terminkalender sind voll, die 1,25 Planstellen, die sie sich teilen, reichen kaum aus, um der Nachfrage gerecht zu werden. 291 Menschen, vorwiegend aus dem Stadtteil, nutzten in diesem Jahr bereits die Angebote der Tageswohnung. Manche kommen täglich, zum Duschen, Waschen oder Kochen, andere benötigen nur eine Auskunft.
Heike F. schätzt die angenehme Atmosphäre im Treffpunkt, der für viele auch ein Ort zum Klönen ist. Als das Jobcenter ihr die Unterstützung streichen wollte, kam sie zum ersten Mal her. „Der Zusammenhalt hier ist super“, sagt sie. Eine Sozialarbeiterin begleitete sie bei den Amtsgängen und konnte die Kürzungen verhindern. Auch die ehrenamtlichen Helfer hinter dem Tresen loben die Effektivität der Hilfe: „Die Sozialarbeiter hier setzen sich wirklich durch. Wer Hilfe sucht, der bekommt sie auch“, so einer der Helfer.
Die Tageswohnung ist ein besonders niedrigschwelliges Hilfsangebot. Hierher kommen Menschen, die von den Maschen des sozialen Netzes nicht gehalten werden. Viele Besucher der Nothilfe-Einrichtungen, wie es die Tageswohnungen, Tafeln oder Kleiderkammern darstellen, nutzen aus unterschiedlichen Gründen nicht die staatlichen Hilfsangebote, Einige schämen sich, Hilfe zu beantragen, andere haben nach schlechten Erfahrungen den Kontakt zu den Ämtern abgebrochen. Wieder andere, wie zum Beispiel Asylbewerber, suchen hier Hilfe, um überhaupt in das soziale Netz zu gelangen.
Die Klientel habe sich in den letzten 25 Jahren stark verändert, so Bremer. Heute kämen mehr Besucher direkt aus dem Stadtteil. Durch Mietpreiserhöhungen verlören gerade Empfänger von Hartz-IV-Leistungen immer häufiger die Wohnung. Hier zeigen sich die Schattenseiten der zunehmenden Beliebtheit Lindens. Dazu kämen Gruppen, die es früher so nicht gab. Drogensüchtige im Rentenalter zum Beispiel. „Die nimmt kein Altersheim auf“, so Bremer. Außerdem könne man einen Anstieg bei den Besuchern feststellen, die auffällig starke psychische Probleme haben.
Nach 24 Jahren an der Ecke Dalemstrasse ist der Treffpunkt in diesem Jahr in das Nachbarhaus umgezogen. In den Räumlichkeiten eines ehemaligen Restaurants hat man nun deutlich mehr Platz zur Verfügung. Duschen und Waschmöglichkeiten sind dort genauso vorhanden wie ein Ruheraum, eine Waschmaschine oder ein Computer. In einer vollständig eingerichteten Küche können die Besucher Mitgebrachtes kochen.
Mittwochs ist es immer besonders soll. An dem Tag werden von der Tafel Lebensmittel verteilt und die Straßenambulanz ist vor Ort. Stadtweit gibt es vier Tagesaufenthalte wie den Treffpunkt. Aktuell gibt es in Hannover rund 1.500 Menschen ohne eigene Wohnung. 300 davon leben auf der Straße. Die erste Anlaufstelle für Obdachlose in Hannover ist der Kontaktladen Mecki am Raschplatz. Aktuell entwickelt die Region Hannover ein neues Gesamtkonzept für die Wohnungslosenhilfe. Im Treffpunkt hofft man, dass man dann wenigstens eine Viertelstelle mehr bekommt. Die kalten Monate stehen bevor. „Und im Winter sieht die Welt hier ganz anders aus“, so eine der Helferinnen.
HAZ vom 28.09.2013, S. 19:
Fairkauf eröffnet Filiale in Laatzen
(vt). Hannovers soziales Kaufhaus Fairkauf expandiert. Das Sozialunternehmen, das in Hannover seit 2008 mit einem vierstöckigen Kaufhaus in der City und einem Lager in Hainholz präsent ist, eröffnet am Freitag, 4. Oktober, eine neue Filiale im Turm-Center in Laatzen. Die neue Niederlassung wird von einer jungen Frau geleitet, die ihre Ausbildung bei Fairkauf mit Prädikat abgeschlossen hat. Die Läden und das Lager von Fairkauf dienen nicht dem Wettbewerb, sondern der Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen, um sie durch praktische Arbeit wieder fit für den ersten Arbeitsmartk im Einzelhandel zu machen. Das Geld zur Qualifizierung stammt aus dem Verkaufserlös gebrauchter Möbel, Bücher, Kleidung und Elektroartikel - gut erhaltene Waren, die Bürger gespendet haben und die zu fairen Preisen weiterverkauft werden.
Fairkauf im Laatzener Turm-Center, Hildesheimer Straße 47, ist Montag bis Freitag von 9.30 bis 19 Uhr, sonnabends von 9.30 bis 18 Uhr geöffnet.
HAZ vom 27.09.2013, S. 8:
„Waldjunge“ muss kein Geld zurückzahlen
Betrugsverfahren gegen Niederländer eingestellt
Berlin (afp). Das Berliner Amtsgericht Tiergarten hat am Donnerstag ein Betrugsverfahren gegen den als „Waldjunge Ray“ bekannt gewordenen Niederländer Robin v.H. eingestellt – der 21-Jährige muss aber 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Robin v.H. hatte vor zwei Jahren die Behörden mit einer Lügengeschichte zum Narren gehalten, derzufolge er im Wald gelebt haben soll. Die Staatsanwaltschaft warf ihm daher vor, rund 30.000 Euro Sozialleistungen erschlichen zu haben. Das Gericht ging davon aus, dass dem Steuerzahler „nur geringer Schaden“ entstanden sei, weil v.H. ähnliche Leistungen erhalten hätte, wenn er sich mit seiner korrekten Identität bei den Behörden gemeldet hätte. Robin v.H. hatte im September 2011 am Sitz des Regierenden Bürgermeisters von Berlin um Hilfe gebeten und behautet, er heiße „Ray“, sei minderjährig und erinnere sich nicht an mehr. Er wurde als „Waldjunge“ bekannt, weil er angeblich fünf Jahre lang mit seinem Vater in Wäldern gelebt hatte. Erst nach neun Monaten hatte sich herausgestellt, dass der Mann bereits vollljährig war und aus den Niederlanden stammte.
HAZ vom 27.09.2013, S. 13:
26000 Menschen arm trotz Arbeit
Sie alle beziehen staatliche Hilfe über die Region
Von Gunnar Menkens
In der Region Hannover bekommen knapp 26.000 Menschen regelmäßig staatliche Zuschüsse, weil sie vom Lohn ihrer Arbeit allein nicht leben können. Damit ist jeder dritte Hartz-IV-Empfänger, der in der Lage ist zu arbeiten, in schlecht bezahlten Jobs tätig. 2.700 dieser sogenannten Aufstocker sind mittlerweile Selbstständige. Sozialdezernent Erwin Jordan (Grüne) sprach von einem „konstant hohen Niveau“ von Aufstockern. Der Anteil der als selbstständig gemeldeten Hartz-IV-Empfänger hat sich dagegen in den vergangenen Jahren verdreifacht.
Diese Zahlen wurden am Mittwoch am Rande einer Fachtagung der Region Hannover zum Thema „Arm trotz Arbeit“ bekannt. Rund 100 Fachleute suchten bei dem Treffen nach Lösungen, wie Menschen von ihrem Verdienst leben können, ohne öffentliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dabei ist die Gruppe der betroffenen Aufstocker sehr unterschiedlich. Alleinerziehende sind darunter, Männer und Frauen mit geringer oder keiner Qualifikation. Der Großteil bewegt sich im Niedriglohnbereich, unter anderem in Einzelhandel, Pflege, Landwirtschaft und besonders der Gastronomie. Alleinstehende kommen im Schnitt insgesamt auf ein gefördertes Einkommen von 941 Euro, Paare, in der Behördensprache Bedarfsgemeinschaften genannt, auf 2.114 Euro.
Wer auf staatliche Hilfen zum Lebensunterhalt nicht verzichten kann, belastet die öffentlichen Kassen. Die Region Hannover ist deshalb daran interessiert, dass möglichst viele Hartz-IV-Empfänger in ausreichend bezahlte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze gelangen. Dass die Qualifizierung ein Weg ist, darauf haben sich laut Erwin Jordan Fachleute aller Coleur verständigen können. Viele Menschen haben dennoch wenig Chancen, etwa Frauen, die ihre Kinder betreuen müssen, oder Menschen, deren Kenntnisse auf dem Arbeitsmarkt kaum gefragt sind. 1,7 Prozent der Aufstocker arbeiten im öffentlichen Dienst.
Ob ein Mindestlohn die Situation von Aufstockern verbessern könnte, war auf der Tagung umstritten. Lars Niggemeyer vom niedersächsischen DGB forderte eine verbindliche Lohnuntergrenze für alle Branchen von 8,50 Euro pro Stunde. Derzeit erhalte ein Aufstocker im Durchschnitt nur 6,80 Euro, und seit 15 Jahren nehme die Zahl der Menschen zu, die von ihrer Arbeit nicht leben könnten: „Der Steuerzahler subventioniert damit Niedriglöhne der Arbeitgeber“, Bei den Arbeitgebern hält man einen Mindestlohn für keine geeignete Lösung, die Zahl dieser Lohnergänzer zu verringern. Birgit Stehl von den Unternehmerverbänden Niedersachsen sagte, dass drei Viertel aller Aufstocker in Teilzeit arbeiteten. „Da hilft dann ach ein Mindestlohn nicht weiter.“
In der Region ist die Entwicklung durchaus unterschiedlich. In Gehrden gibt es im Vergleich zum Vorjahr 30 Prozent weniger Aufstocker, in Hemmingen dagegen zehn Prozent mehr. In Hannover verzeichnen die Arbeitsbehörden einen Rückgang von etwa einem Prozent. Michael Stier, Geschäftsführer des Job Center in der Region Hannover, bekräftigte gestern die Bedeutung qualifizierter Ausbildung. Um Hilfeempfängern Chancen auf dauerhafte Beschäftigung zu geben, dürfe man auch auf „seriöse Zeitarbeitsfirmen“ nicht verzichten.
HAZ vom 27.09.2013, S. 15:
Immer mehr junge Wohnungslose
(vt). In Hannover steigt die Zahl junger Wohnungsloser bis 25 Jahre an: Von 2011 bis 2012 registrierte die Zentrale Beratungsstelle für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten (ZBS) des Diakonischen Werks einen Anstieg um 200 auf nunmehr rund 1.000 Wohnungslose. „Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen dem Mangel an preiswertem Wohnraum und Wohnungslosigkeit“, sagte ZBS-Leiter Gottfried Schöne gestern bei der Feier zum 30-jährigen Bestehen der ZBS. Aber auch im Werkheim Büttnerstraße sind nach Angaben von Vorstand Andreas Sonnenberg die 164 Plätze seit etwa zwei Jahren ganzjährig zu 90 Prozent belegt. „Sonst hatten wir im Sommer immer etwas Leerlauf, das ist vorbei“, sagte Sonnenberg. Die ZBS war am 1. September 1993 zentral in der Hagenstraße als Anlaufstelle für Wohnungslose und Haftentlassene gegründet worden. Seitdem wurden dort rund 30.000 Hilfesuchende betreut. Inzwischen wurde das Hilfsangebot erweitert, unter anderem um die Krankenwohnung für Wohnungslose, das Zahnmobil, den Kontaktladen „Mecki“ sowie Tagestreffpunkte in Hannover, Hameln, Hildesheim, Nienburg, Holzminden, Stadthagen und Celle.
HAZ (Stadt-Anzeiger Süd) vom 26.09.2013, S. 2:
Geld für Fahrradprojekt
SÜDSTADT. (mas) Der Integrationsbeirat Südstadt-Bult fördert mit dem Jugendumweltnetzwerk Janun und dem Flüchtlingswohnheim der Gemeinde am Döhrener Turm zwei Südstädter Einrichtungen, die gemeinsam an einem Fahrradprojekt arbeiten. Die Mittelfreigabe muss durch den Bezirksrat Südstadt-Bult abgesegnet werden – und das Gremium stimmte den Förderungen in seiner jüngsten Sitzung einmütig zu. Janun will zusammen mit Jugendlichen und Bewohnern des Flüchtlingsheims eine Fahrradwerkstatt auf die Beine stellen. Dafür gibt es 1.500 Euro. Gebrauchte, aber frisch reparierte Fahrräder sollen an die Heimbewohner übergeben werden. Das Flüchtlingsheim selbst bekommt vom Beirat 600 Euro für die Anschaffung von Fahrradhelmen.
Hallo Sonntag vom 22.09.2013, S. 5:
Linden ist bereit, zu helfen
Unterstützerkreis fürs Flüchtlingsheim Deisterstraße gebildet
Linden/Limmer. Ab jetzt gibt es einen Unterstützerkreis für das Flüchtlingswohnheim in der Deisterstraße, der sich in der Sitzung des Integrationsbeirats am 9. September gebildet hat und sich aus 35 Einzelpersonen, Vereinen sowie 3 Kirchengemeinden zusammensetzt.
„Ich bin hocherfreut, dass weitere Vorbehalte gegen das neue Heim ausgeräumt werden konnten und sich so Viele für den Unterstützerkreis gefunden haben“, gibt Rainer-Jörg Grube, Bezirksbürgermeister von Linden-Limmer zu verstehen.
Als Ansprechpartner und zuständig für die Organisation des Unterstützerkreises ist das Stadtteilforum Linden-Süd, in Person von Uwe Horstmann.
„Sobald das Haus belegt ist werden wir mit unserer Arbeit beginnen. Wer noch mitmachen möchte kann über das Stadtteilforum Kontakt aufnehmen“, so Horstmann.
Vorausgegangen war die erneute Möglichkeit sich über das neue Heim zu informieren. Dieses Angebot wurde von Anwohnern intensiv genutzt und weitere Fragen und Unklarheiten konnten einvernehmlich gelöst werden.
Der Integrationsbeirat hat zudem die Summe von knapp 1.500 Euro zur Verfügung gestellt, um erste Aufgaben zu finanzieren, wie beispielsweise ein Willkommensfest.
Derzeit ist davon auszugehen, dass der Bezug des Heims im Oktober abgeschlossen ist.
HAZ vom 21.09.2013, S. 15:
HAZ und VWN verlosen Bulli
(jan). Das Unternehmen Volkswagen Nutzfahrzeuge feiert die Herstellung des neunmillionsten Autos in Stöcken - und Hannover feiert mit. Denn gemeinsam mit der HAZ wird der besondere T5 Multivan Startline nun für einen guten Zweck verlost.
Der moderne VW-Bus wird einem sozialen Verein gespendet, um schon jetzt auf die HAZ-Weihnachtshilfe aufmerksam zu machen und Verein symbolisch zu unterstützen, die sich das gesamte Jahr hindurch engagieren. So wird das Fahrzeug unter allen gemeinnützigen Vereinen aus der Region Hannover verlost, die sich noch bis zum Mittwoch, 25. September, an die HAZ-Redaktion wenden. Für die Teilnahme an der Verlosung reicht eine Postkarte mit dem Stichwort "VWN-Verlosung" an: Hannoversche Allgemeine Zeitung, Lokalredaktion, August-Madsack-Straße 1, 30559 Hannover. Am Freitag, 27. September, werden die Gewinner ausgelost.
Im Anschluss wird es eine feierliche Übergabe geben, bei der die Volkswagen-Mitarbeiter selbst im Mittelpunkt stehen. Mehr soll noch nicht verraten werden. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Glück - und gegebenenfalls: herzlichen Glückwunsch!
HAZ vom 21.09.2013, S. 20:
Kindertisch mit Raumnöten
Vinnhorster Einrichtung braucht mehr Platz
Von Tobias Morchner
Der Vinnhorster Kindertisch ist an die Grenzen seiner Kapazitäten gestoßen. Die soziale Einrichtung, in der ehrenamtliche Helfer Schülerinnen und Schüler aus sozial schwachen oder bildungsfernen Familien mit Mittagessen versorgen und Hausaufgabenbetreuung anbieten, benötigt dringend zusätzliche Räume. "Wir platzen aus allen Nähten", sagt die Vorsitzende Angelika Jagemann. 28 Kinder betreut der ausschließlich aus Spenden finanzierte Verein. Aus Platzmangel kann die Hausaufgabenbetreuung, die von vier Studierenden organisiert wird, derzeit nur zwischen 16 und 18 Uhr stattfinden. Teilweise muss sie sogar auf den Sonnabend verschoben werden. "Unsere Einrichtung ist für die Kinder ein zweites Zuhause geworden, deshalb bleiben viele auch nach dem Mittagessen hier zum Spielen, denn in ihren Familien kümmert sich meist niemand um sie", sagt Jagemann.
Das Gebäude an der Schulenburger Landstraße, in dem der Kindertisch derzeit untergebracht ist, hat die Einrichtung von der Stadt gemietet. "Wir haben angefragt, ob wir in Eigenregie den Dachboden ausbauen können, doch das wurde aus Gründen des Denkmalschutzes abgelehnt", berichtet die Vorsitzende. Zudem habe die Verwaltung die Anmietung eines leer stehenden Gebäudes in unmittelbarer Nachbarschaft der Einrichtung, das sich ebenfalls im Besitz der Stadt befindet, abgelehnt. "Wir wollen unbedingt hier im Viertel bleiben, der Kindertisch ist inzwischen ein fester Anlaufpunkt auch für größere Kinder und Jugendliche geworden", sagte Angelika Jagemann.
HAZ vom 20.09.2013, S. 13:
Grünes Licht für Obdachlosenheim
(asl). Die Stadt kann jetzt mit der Erweiterung des Obdachlosenheims im Burgweg beginnen. Der Rat der Stadt hat gestern mit großer Mehrheit dafür gestimmt, neue Wohncontainer zu kaufen und dadurch weitere 36 Plätze zu schaffen.
Mehr als eine halbe Million Euro kosten die Container. Lediglich die "Hannoveraner" und die Piraten stimmten dagegen. Piraten-Ratsherr Dirk Hillbrecht argumentierte, dass Wohncontainer "inakzeptabel" seien. Er wünschte sich eine massive Bauweise. SPD-Fraktionschefin Christine Kastning entgegnete, dass man Unterbringungsmöglichkeiten für Familien bereithalten müsse. "Denn ab 2014 gilt volle Freizügigkeit auch für südosteuropäische Staaten in der EU", sagte sie. Die Grünen meinten, dass die Stadt Vorsorge treffen müsse, damit Obdachlose nicht in Turnhallen übernachten. "Auch ein Wohncontainer ist eine vorübergehende Lösung", sagte Grünen-Ratherr Michael Dette.
HAZ (Stadt-Anzeiger Süd) vom 19.09.2013, S. 1:
Konzert für Kinderträume
Döhren. Zugunsten der „Aktion Kindertraum“ gibt das Blechbläserensemble „Hannover Brass“ am Sonntag, 22. September, um 17 Uhr in der Döhrener St.-Petri-Kirche, Am Lindenhofe 19, ein Konzert. Anlass ist das 13-jährige Bestehen des Ensembles, das sich im Expo-Jahr gründete und sich der Blechbläsermusik aus vier Jahrhunderten widmet. Im Moment besteht „Hannover Brass“ aus 13 Mitgliedern, wovon elf Blechbläser sind und es außerdem einen Schlagzeuger und den Dirigenten Thomas Eickhoff gibt. Zu hören sein wird neben der Musik des Hofkompositeurs Ludwig XIV., Jean-Baptiste Lully, Werke von Johann Sebastian Bach und vom österreichischen Operettenkomponisten Franz von Suppé. Statt des Eintrittsgeldes wird um eine Spende gebeten.
HAZ (Stadt-Anzeiger Süd) vom 19.09.2013, S. 3:
Kontakte zu Bewohnern erwünscht
Hilfe bei Behördengängen ist gefragt
Von Veronika Thomas
Misburg-Anderten. Viele Flüchtlinge in Wohnheimen und Gemeinschaftsunterkünften wünschen sich Kontakte zu Einheimischen. Das berichtete Christian Mercker, Sozialarbeiter im Flüchtlingswohnheim in der Deurag-Nerag-Straße in Misburg, während einer Anhörung zur Flüchtlingsunterbringung in der jüngsten Sitzung des Bezirksrates Misburg-Anderten. „Wir haben gute Kontakte zur St.-Johannis-Kirchengemeinde, aber wir würden uns weitere Hilfen von Ehrenamtlichen oder Paten zur Unterstützung etwa von Behördengängen wünschen.“ Als sehr hilfreich bezeichnete Mercker eine größere Spende von Babymilch durch die Firma Rossmann und eine Lebensmittelspende zu Weihnachten vom örtlichen Edeka-Markt. „Das zeigt uns, dass wir willkommen sind.“ Zurzeit lebten in der Flüchtlingsunterkunft 107 Menschen aus 28 Nationen, viele kämen aus Somalia, Sudan und Afghanistan, darunter etliche Frauen mit kleinen Kindern.
Bisher gibt es im Stadtbezirk drei Flüchtlingsunterkünfte: das Haus Am Seelberg mit 40 Plätzen, ein Wohnprojekt für Frauen und Kinder in der Gollstraße in Anderten mit 25 Plätzen und die Deurag-Nerag-Straße. Angemietet werden soll ab November noch ein Sleep-In in der Anderter Straße mit weiteren 50 Plätzen. Das Gebäude gehört, wie die Einrichtungen Am Seelberg und das Sleep-In in der Deurag-Nerag-Straße, zur Sleep-In GmbH von Jürgen Brumm, der sie zum Teil auch betreibt. Betreiber der Häuser in der Gollstraße und Am Seelberg ist die European Homecare GmbH mit Hauptsitz in Essen. „Die Stadt Hannover ist vorbildlich im Umgang mit Flüchtlingen“, sagte Renate Walkenhorst von European Homecare in Essen. Das beträfe nicht nur die Stadtverwaltung, sondern auch die Bevölkerung.
Zuvor hatte Marc Schadow vom städtischen Fachbereich Gebäudemanagement über die Maßnahmen von Bau und Anmietung zur Unterbringung von Flüchtlingen berichtet. Von den 650 vom Land Niedersachsen zugewiesenen Personen für 2013 seien 372 bereits da, 278 Menschen würden noch erwartet, allerdings könnten davon aktuell nur 120 untergebracht werden.
Die Bauten für die restlichen Plätze seien erst Anfang 2014 bezugsfertig. Zurzeit verfüge die Stadt über 1.300 Plätze für Flüchtlinge – in Wohnungen oder Heimen. Ob ein Unternehmen den Zuschlag für das Betreiben einer Unterkunft erhalte, darüber entscheide zu 50 Prozent der Preis und zu 50 Prozent das Konzept, das jeder Betreiber vorlegen müsse, sagte Schadow.
„Wir wollen die Politik dazu bewegen, dass die Kommunen finanziell in die Lage versetzt werden, Flüchtlinge möglichst dezentral in Wohnungen unterzubringen“, sagte Sigrid Ebritsch vom Flüchtlingsrat Niedersachsen. „Wir halten eine Unterbringung in Wohnheimen für höchstens ein Jahr für vertretbar, und zwar zur Erstversorgung“, sagte Ebritsch. Sonst würden die Bewohner unselbstständig und hätten anschließend Schwierigkeiten, sich zu integrieren. Als gut bezeichnete sie das Wohnprojekt in der Gollsraße, wo nur Frauen mit Kindern lebten, von denen bereits viele in eigene Wohnungen vermittelt wurden. Es habe sich gezeigt, dass Frauen mit Kindern eine andere Art der Betreuung benötigten als etwa alleinreisende Männer. Diese Frauen hätten viele Termine bei Behörden, weil sie sich unter anderem um Schul- und Kitaplätze kümmern müssten.
HAZ vom 17.09.2013, S. 11:
Kita erhält anonyme Spende über 3000 Euro
Leiterin findet Umschlag mit sechs 500-Euro-Scheinen im Briefkasten / "Es gibt auch schöne Montage"
Von Andreas Schinkel
Große Freude herrschte am Montagmorgen im Bothfelder Waldorfkindergarten. Im Briefkasten der Einrichtung fand Kita-Geschäftsführerin Iris Probst eine anonyme Spende über 3.000 Euro. Sechs 500-Euro-Scheine steckten in einem Umschlag. "Spende für den Neubau" war darauf handschriftlich vermerkt, ein Absender fehlte. "Ich war völlig überwältigt. Alle Kollegen wollten den Brief anfassen", erzählt Probst.
Das Geld kommt zur rechten Zeit. Die private Einrichtung hat gerade einen Anbau gestemmt, der 600.000 Euro verschlang. Eine Krippe für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren konnte dadurch eröffnet werden, und eine weitere Kindergartengruppe ist in die neuen Räume am Wiesenkampe eingezogen. Insgesamt 110 Kinder werden jetzt in der Waldorf-Kita betreut.
Die Spende soll nicht als Einzelposten in der Baufinanzierung verschwinden. "Wir wollen damit etwas Besonderes schaffen", sagt Christine Koch vom Vorstand der Waldorf-Kita. Vielleicht eine Rundbank um einen Baum auf dem Außengelände oder ein Spielgerät für die Kleinen. "Es soll sichtbar werden, wofür das Geld ausgegeben wurde", sagt Koch.
Wer hinter der anonymen Spende steckt, ist bisher unklar. Vorstandsmitglied Koch vermutet, dass das Geschenk aus der Elternschaft kommt. Geschäftsführerin Probst zweifelt daran. Sie glaubt, dass der Wohltäter im ferneren Umkreis der Einrichtung zu finden ist. "Darauf könnte die handschriftliche Widmung hindeuten, die auf einen älteren Menschen schließen lässt", sagt Probst. Eltern wüssten auch, dass sie Spendenbescheinigungen bekämen, die sie beim Finanzamt einreichen können.
Anonyme Geldgeschenke in einer solchen Höhe sind nicht so selten, wie man glauben mag. Erst im Mai wurde dem katholischen Hilfswerk Diakonia St. Clemens ein Umschlag mit 6.000 Euro ins Postfach gelegt. Auch in diesem Falle war auf einem Zettel der Zweck der Spende vermerkt: "Zu gleichen Teilen für die ökumenische Essensausgabe und die Straßenambulanz". Im März konnte sich die Lister Apostelkirchengemeinde über eine anonyme Spende in Höhe von 700 Euro freuen, in der Südstädter Pauluskirche gingen im Mai vergangenen Jahres 1.000 Euro ein.
Froh ist die Chefin der Waldorf-Kita, dass die Spende nicht in fremde Hände geriet. "Unser Postkasten ist wegen der Bauarbeiten im Eingangsbereich nur ein Notbehelf", sagt sie. Jeder hätte die Möglichkeit gehabt, in den ungesicherten Kasten zu greifen und den Inhalt an sich zu nehmen. Dass der Betrag den gewünschten Adressaten erreichte, war also nicht selbstverständlich. "Es gibt eben auch schöne Montage", stellt Probst fest.
HAZ vom 14.09.2013, S. 18:
"Asphalt" wieder unter einem Dach vereint
Niedersachsens Straßenmagazin feiert den Einzug in neue Räume mit viel Prominenz
Von Veronika Thomas
Nach zweimonatigem Umbau arbeiten Redaktion, Vertrieb und Geschäftsführung von Hannovers Straßenmagazin "Asphalt" wieder gemeinsame unter einem Dach. Gestern feierten Mitarbeiter, Verkäufer, Ehrenamtliche und viel Prominenz die Fertigstellung der neuen Räume in der Hallertstraße 3. Gekommen waren unter anderem die Oberbürgermeisterkandidaten Stefan Schostok und Lothar Schliekau, Ratsmitglieder, Bundestagsabgeordnete und Stadtsuperintendent Hans-Martin Heinemann.
"Ich komme nicht nur aus alter Verbundenheit, sondern auch, weil Sie halb Niedersachsen "asphaltiert" haben", sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in Anspielung auf das Verbreitungsgebiet der Zeitung, das mit einer monatlichen Auflage von 25.000 Exemplaren von Aurich über Celle bis Hameln und Stadthagen reicht. "Asphalt" bleibt der mahnende Finger in der Wunde dessen, was wir als soziale Not in der Stadt haben", erklärte Bürgermeister Strauch und schob hinterher, "Asphalt" sei auch guter Journalismus. Gründungsherausgeber Pastor Walter Lampe, der dieses Amt aus gesundheitlichen Gründen 2012 abgegeben hatte, bezeichnete "Asphalt" als echtes Kommunikationsprojekt, das Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft zusammenbringe. "Macht weiter so, ihr seid super, tschüss", sagte er unter Applaus.
Nach 16 Jahren in der Knochenhauierstraße hatte "Asphalt" im Januar eine Eigenbedarfskündigung von der Evangelisch-Reformierten Kirche erhalten. Die Immobilienbesitzerin benötigt die Räume für den Reformierten Weltbund, der seinen Hauptsitz Anfang 2014 von Genf nach Hannover verlegt. 2011 musste aus Platzgründen schon der Vertrieb ausziehen. In der Hallerstraße stehen dem Magazin mit zehn Festangestellten, davon acht in Teilzeit, 240 Quadratmeter zur Verfügung. Die Umbaukosten bezifferte Geschäftsführerin Almut Maldfeld auf 40.000 Euro, finanziert unter anderem durch die Klosterkammer Hannover, das Diakonische Werk und viele private Spender.
HAZ vom 11.09.2013, S. 11:
1000 Zugewanderten droht Wohnungsnot
Südosteuropäer leben in prekären Verhältnissen/ Obdachlose in Turnhalle "Spitze des Eisbergs"
Von Andreas Schinkel
Das Problem der Stadt Hannover, Wohnungslose aus Südosteuropa unterzubringen, dürfte künftig noch viel größer werden. Die Roma-Familien, die die Stadt unlängst in einer Turnhalle einquartiert hat, seien "nur die Spitze des Eisbergs", sagt die Migrationsexpertin der Rats-Grünen, Freya Markowis. Sie schätzt, dass mehr als 1.000 Zugewanderte aus Rumänien und Bulgarien in unzumutbaren Wohnverhältnissen leben. "Ihnen droht jederzeit die fristlose Kündigung durch die Vermieter", sagt Markowis. Nach Informationen der HAZ ist die Zahl richtig.
Auch im Rathaus schätzt man, dass in etlichen Wohnhäusern Hannovers zugewanderte Familien auf engstem Raum zusammenleben und stets mit einer Kündigung rechnen müssen. Von 40 solcher prekären Wohnobjekte im Stadtgebiet ist die Rede. Meist sind es Freunde oder Verwandte, bei denen die Zugewanderten unterkommen. Berichtet wird von Einzimmerappartements, in denen zehn Menschen wohnen sollen. "Menschen aus Rumänien und Bulgarien haben aufgrund der Freizügigkeit das Recht, hier zu leben. Der Fehler liegt bei der Bundesregierung, die es versäumt hat, die Rahmenbedingungen zu schaffen", sagt Markowis.
Auch die 27 Mitglieder der Roma-Familien, die jetzt in der Turnhalle an der Wörthstraße leben, sind nicht aus dem Ausland direkt in die Notunterkunft gekommen. Zuvor hatten sie in einem Haus in der Goethestraße gewohnt, doch ihr Mietvertrag wurde fristlos gekündigt. Dem Vernehmen nach hatte der Vermieter Eigenbedarf geltend gemacht. Gewissermaßen über Nacht verloren sie ihr Obdach, sodass die Stadt gezwungen war, sofort zu handeln.
"Tatsächlich sagen die Familien, dass es ihnen jetzt besser gehe als zuvor", berichtet Christiane Kemper, Sprecherin der Caritas. Die Familien hätten jetzt mehr Raum zur Verfügung als noch in den Mietwohnungen der Goethestraße. Dabei ist der Platz in der Turnhalle begrenzt. Für jeden gibt es ein Bett, und mit Vorhängen versuchen die Bewohner, den Raum zu unterteilen. Derzeit packt die Caritas Spielzeugkisten für die Kinder und organisiert ausreichend Windeln. Von den 27 Turnhallen-Bewohnern sind nur acht im Erwachsenenalter.
Angesichts der drohenden Wohnungslosigkeit weiterer Südosteuropäer fordern die Grünen jetzt ein rasches Handeln. "Wir erwarten, dass die Stadt künftig mit der voraussichtlich steigenden Zahl von Wohnungslosen umgeht. Die Migrationspolitikerin schlägt vor, dass die Stadt Gebäude anmietet und vorhält, etwa ehemalige Wohnheime. "Das mag zwar viel Geld kosten, ist aber angesichts der Lage nötig", sagt sie.
HAZ vom 09.09.2013, S. 9:
Stadt bringt Roma in Turnhalle unter
Caritas-Ärzte schlagen Alarm/ Halle diente schon 2012 als Unterkunft - und musste wegen Hepatitis geschlossen werden
Von Andreas Schinkel
Die Zahl der Wohnungslosen steigt, und die Stadt hat zunehmend Schwierigkeiten, Unterkünfte für diese Menschen anzubieten. 27 Mitglieder von Roma-Familien wurden jetzt in einer ehemaligen Turnhalle in der Wörthstraße in Vahrenwald neben einem Wohnheim für obdachlose Männer einquartiert. Die Caritas warnt vor unhaltbaren Zuständen.
Stadtsprecher Alexis Demos verweist auf Nachfrage der HAZ darauf, dass "die vorhandenen Unterkünfte nahezu vollständig belegt sind". Man habe sich daher mit einer Notlösung behelfen müssen und die Roma-Familien in der Turnhalle untergebracht.
Ursula Lange, Ärztin bei der Caritas-Straßenambulanz, sieht diese Entwicklung mit großer Sorge. "Dass es dort knallt, ist nur eine Frage der Zeit", sagt sie. Die Turnhalle sei nicht mehr als ein Matratzenlager, die Sanitäranlagen seien unzureichend, im Winter könne die Halle kaum beheizt werden. Konflikte zwischen den Roma-Familien, unter ihnen Kinder und Säuglinge, und den Bewohnern der Männerunterkunft seien kaum zu vermeiden.
Zusammen mit ihrer Kollegin Stefanie Ganser, ebenfalls Ärztin bei der Straßenambulanz, hatte sie in einem Brandbrief an die Stadtverwaltung vor einer Belegung der Halle gewarnt - vergebens. Man habe die Familien "kurzfristig" unterbringen müssen, sagt Stadtsprecher Demos, aber die Halle sei nur eine "Übergangslösung", bis "anderweitige Kapazitäten" verfügbar seien. Die Caritas-Ärztinnen wissen, wovon sie reden. Denn bereits im vergangenen Jahr hatte die Stadt 26 Wohnungslose, vor allem Zugewanderte aus Südosteuropa, in der Turnhalle einquartiert.
"Die sozialen und vor allem hygienischen Verhältnisse waren unzumutbar", erinnert sich Lange, die die Bewohner damals medizinisch betreute. Es mangelte an Sozialarbeitern, und niemand beherrschte die Sprache der Rumänen und Bulgaren. "Auch kam es zu handfesten Konflikten", sagt Lange. Kinder hänselten die Bewohner der Männerunterkunft, und einer der Obdachlosen vergriff sich an einem Kind. Müll und Essensreste auf dem Hof lockten Ratten an. Im September erkrankte ein Kind an Hepatitis A. Das Gesundheitsamt der Region schritt ein und ordnete an, dass die Turnhalle sofort zu räumen sei und die Familien in separaten Unterkünften einquartiert würden.
Gegen eine erneute Belegung der Halle hat das Gesundheitsamt jedoch keine Einwände. "Die Toiletten waren damals so verdreckt, weil sie von den Familien unsachgemäß benutzt wurden", sagt Regionssprecher Nils Meyer. Der Ausbruch der Hepatitis sei der mangelnden Hygiene geschuldet.
Die Stadt gibt an, man habe aus den Fehlern im vergangenen Jahr gelernt. "Gegenwärtig wird geprüft, inwieweit ein Sanitärcontainer auf dem Hof aufgestellt werden kann, um mithilfe zusätzlicher Duschgelegenheiten und Toiletten die Gesamtsituation zu entspannen und zu verbessern", sagt Stadtsprecher Demos. Auch organisiert Stadtbezirksmanagerin Claudia Göttler "niederschwellige Integrationsgespräche" mit Sozialarbeitern. Inzwischen beherrschen zwei städtische Sozialarbeiterinnen Rumänisch und Bulgarisch. "Auch hat die Stadtbezirksmanagerin ein Konzept für bessere Müllentsorgung und Hygiene erarbeitet", sagt Caritas-Ärztin Stefanie Ganser. Das lasse zumindest hoffen.
Ihre Kollegin Lange ist dennoch überzeugt, dass ein "Matratzenlager" nicht der richtige Ort für die Unterbringung von Familien ist, insbesondere nicht neben einem Wohnheim für obdachlose Männer.
Seit Anfang 2012 ist die Zahl der in städtischen Unterkünften untergebrachten Wohnungslosen von 520 auf 670 Menschen gestiegen. Ingesamt gibt es nach Einschätzung der Stadtverwaltung 1.500 Wohnungslose in Hannover. Schon länger ist absehbar, dass die vorhandenen Unterbringungsmöglichkeiten in privater und öffentlicher Hand nicht mehr ausreichen, was auch damit zu tun hat, dass preiswerter Wohnraum immer knapper wird.
HAZ vom 03.09.2013, S. 11:
Armutsrisiko bleibt auf hohem Niveau
Mehr als jeder fünfte Hannoveraner ist von Bedürftigkeit bedroht
Von Bernd Haase
In Hannover ist das Armutsrisiko nach wie vor höher als in den meisten anderen westdeutschen Großstädten. Nach der jüngsten Erhebung des Statistischen Bundesamtes liegt die Quote bei 22,4 Prozent; damit ist mehr als jeder fünfte Einwohner der Landeshauptstadt von Bedürftigkeit bedroht. Höher ist das Risiko nach Berechnungen der Statistiker nur in Dortmund, Leipzig und Duisburg; die geringsten Quoten weisen München, Stuttgart und Hamburg auf. „Wir wissen um das Problem und nehmen die Zahlen nicht nur zur Kenntnis, sondern tun auch etwas dagegen“, sagt Stadtsprecher Andreas Möser.
Grundlage für die Tabelle ist eine Definition der Europäischen Union, wonach Menschen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens der Bevölkerung zur Verfügung haben, Gefahr laufen, in die Armut abzurutschen. In Deutschland liegt die Grenze bei 869 Euro für Singles und bei 1.826 Euro für eine Familie mit zwei Kindern unter 15 Jahren. „Die Statistik ist eindimensional, weil sie unterschiedliche Lebenshaltungskosten nicht berücksichtigt“, sagt ein Sprecher des Statistischen Bundesamtes.
Trotz dieses Mankos gelten die Zahlen als wichtiger Gradmesser. Hannover befindet sich seit 2007 immer im vorderen Feld, vor zwei Jahren wurde für die Niedersachsen-Metropole sogar die höchste Quote aller 15 Großstädte ermittelt. „Immerhin steigt sie im Gegensatz zu der in anderen Städten nicht weiter an“, betont Möser. Handlungsbedarf ergebe sich aber nicht nur aufgrund der Statistik: „Wir hören ja auch, was uns beispielsweise Bezirksräte und die Diakonie über die Situation vor Ort sagen.“
Als Gründe für das schlechte Abschneiden Hannovers werden im allgemeinen der relativ hohe Anteil von Langzeitarbeitslosen und Unqualifizierten an der arbeitsfähigen Bevölkerung genannt. Auch der Zustrom von Ausländern etwa aus Südeuropa könnte eine Rolle spielen. Kerstin Kuechler-Kakoschke, Mitglied der Geschäftsführung der Jobcenter der Region, warnt aber vor Verallgemeinerungen. „Armutsgefährdung lässt sich nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen. Es ist immer die individuelle Lebenssituation der Betroffenen zu betrachten.“
Die Diakonie in Niedersachsen nennt es auffällig, dass das Armutsrisiko bei älteren Menschen zuletzt noch einmal zugenommen hat. „Die Armut wird älter. Die Politik ist aufgefordert, schnell und nachhaltig umzusteuern“, mahnt Vorstandssprecher Christoph Künkel.
Die Stadt selbst verweist auf den sogenannten Hannoverschen Weg – ein Programm, das seit einiger Zeit läuft. „Wir können als Kommune gegen die Armut als solche nicht viel unternehmen, wohl aber gegen die Folgen“, sagt Möser. Zum Hannoverschen Weg gehörten die Frühförderung von Kindern ebenso wie der sogenannte Hannover-Aktiv-Pass, der Bedürftigen Vergünstigungen bei Sport-, Kultur- und Freizeitangeboten gewährt.
HAZ vom 02.09.2013, S. 11:
Große Bühne für die Freiwilligen
HAZ-Leser wählten Helfer des Jahres, die am Wochenende im Rahmen einer Gala mit dem „Leinestern“ geehrt wurden. Laudatoren fordern mehr Engagement für Hilfsbedürftige
Von Jan Sedelies
Weiße Tischdecken, weiche Servietten, Kerzenlicht. Der Festsaal des Maritim Airport Hotels erstrahlt. Auf der Bühne funkelt ein schwerer Vorhang, und über den 350 Gästen leuchten Tausende LED-Lampen an der Decke, die wie ein geschwundener Bilderahmen angeordnet zu sein scheinen. Der Rahmen passt, denn vorn am Rednerpult steht eine Dame im Scheinwerferlicht – die Hebamme Heidi Blohmann, die gerade mit dem „Leinestern“ als „Freiwillige des Jahres“ geehrt wurde.
Eigentlich sollte sie längst für ein Gruppenfoto posieren. Aber wenn sie schon einmal auf einer solchen Bühne steht, möchte sie ihren Preis ganz besonderen Kindern widmen. Jenen nämlich, die viel zu schnell gestorben oder gar nicht erst lebend auf die Welt gekommen sind. Blohmann kümmert sich seit neun Jahren ehrenamtlich um die Eltern solcher Kinder. Eltern, die zu Waisen wurden, weil ihre Kinder starben. „Ich freue mich, dass diese Kinder heute Abend gesehen werden“, sagt Blohmann. Großer Applaus.
Heidi Blohman und der von ihr gegründete Verein „Leere Wiege“ wurden am Sonnabend mit dem „Leinestern“ geehrt, dem Preis für besonders engagierte Freiwilligenarbeit. Kulturdezernentin Marlis Drevermann sprach in ihrer Laudation davon, dass Blohmann und ihr Mann Ralf bei der Trauerarbeit auf einem bisher wenig beachteten Gebiet Beziehungen stabilisierten, Mitgefühl weitergäben und neue Lebensfreude vermittelten. Für dieses leidenschaftliche Engagement wurde Heidi Blohmann von den HAZ-Lesern bei einer Telefonabstimmung mit dem ersten Platz belohnt. Sie jubelte vor Freude.
Der „Leinestern“ ist eine Initiative des Freiwilligenzentrums, die gemeinsam mit der Hannover-Stiftung der Sparda-Bank vor sechs Jahren ins Leben gerufen wurde. Mit dem alle zwei Jahre vergebenen Preis soll nicht nur das Ehrenamt in Hannover gefördert werden, sondern sollen auch die Menschen öffentlich geehrt werden, die still und unentgeltlich für die Gemeinschaft tätig sind.
„Wir brauchen eine neue Anerkennungskultur“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Freiwilligenzentrums, Johannes Janke. Schließlich gäben die Ehrenamtlichen das wertvollste, was sie haben: ihre Lebenszeit. Etwa 41 Prozent aller Niedersachsen ab 14 Jahren leisteten Freiwilligenarbeit – mit steigender Tendenz. In Hannover engagierten sich derzeit 8.000 Menschen im Freiwilligenzentrum- „Trotzdem darf das Ehrenamt nicht zum Lückenbüßer des Staates werden“, betonte Janke. „Wir wollen mit unserem Preis Glanzlichter auszeichnen, Menschen in ihrem Tun bestätigen und weitere Menschen für die Freiwilligenarbeit motivieren“, sagte er.
Andreas Dill, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Stiftung der Sparda-Bank, ergänzte: „Diese Menschen gehören auf eine große Bühne, damit sich noch mehr Menschen finden, die das Ehrenamt unterstützen.“ Dill versprach, den „Leinestern“ auch 2015 finanziell zu unterstützen.
Wie vielfältig das Ehrenamt in Hannover ist, zeigten die weiteren Preisträger. Auf den zweiten Platz wählten die HAZ-Leser die Zahnärztin Ingeburg Mannherz und ihren Mann Werner. Gemeinsam haben sie die Idee des „Zahnmobils“ entwickelt und umgesetzt und behandeln nun mit weiteren ehrenamtlichen Zahnärzten vor allem wohnungslose Menschen. Mehr als 500 Patienten wurde in den vergangenen eineinhalb Jahren geholfen. „Wenn diese Gesellschaft für Menschen, die unverschuldet in Not gerate sind, keine Empathie mehr aufbringt, dann ist unsere Gemeinschaft am Ende“, sagte Werner Mannherz bei der Preisübergabe.
Dritte Preisträgerin ist die 14-jährige Jasmin Ehrich. Die Schülerin leidet an einem hypoplastischen Linksherzsyndrom und wartet seit einem Jahr auf ein Spenderherz. Trotz der gesundheitlichen Einschränkung sammelt sie Geld für die Ausstattung der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule Hannover. Neben den „Freiwilligen des Jahres“ wurden auch Hilfsprojekte ausgezeichnet. Die Jury, in der unter anderem Kulturexpertin Barbara Krüger und Janke selbst saßen, ehrten das Projekt „Bildungspatenschaften“ und das Langzeitprojekt „Asphalt“. In dem Bereich Unternehmensengagement gewannen die Hannoverschen Werkstätten.
Zu den Gratulanten gehörte auch Hannovers Bürgermeister Bernd Strauch, Schirmherr des „Leinesterns“. „Man muss als Teil der Stadtgesellschaft auch etwas an die Menschen zurückgeben, denen es nicht so gut geht. Anders kann unsere Gesellschaft gar nicht funktionieren“, sagte Strauch. Und Regionspräsident Hauke Jagau wusste von Hirnforschungen zu berichten, die belegten, dass das Engagement für andere mehr Endorphine freisetzt als der eigene Erfolg. „Der Umgang mit den Schwachen zeigt das Gesicht einer Gesellschaft“, betonte Jagau. Am Ende der Gala, durch die Moderator Andreas Kuhnt angenehm unaufgeregt führte, präsentierte Jagau die Ergebnisse einer US-Studie, zum Ehrenamt. „Menschen, die sich freiwillig engagieren, leben im Durchschnitt sieben Jahre länger.“
„Asphalt“ und Bildungspaten gewinnen
Auch bei der dritten „Leinestern“-Gala sollte ein Projekt ausgezeichnet werden, das gesellschaftliche Probleme in der Region Hannover besonders konkret angeht. Die Wahl zwischen dem „Notruf Mirjam“, „Lehrer im Wohnzimmer“, dem „Kältebus“ der Johanniter-Unfallhilfe oder dem ambitionierten Projekt „Politik zum Anfassen“ fiel der Jury nicht leicht. Schließlich entschied sie sich für zwei Projekt gleichzeitig. Den ersten „Leinestern“ erhielt das Projekt „Bildungspatenschaften“ der Arbeitsgemeinschaft für Wohngruppen und sozialpädagogische Hilfen (AfW). Dort kümmern sich Freiwillige um Fortbildung und praktische Hilfen für Kinder und Jugendliche. Ehrenamtliche Helfer unterstützen seit 2009 Jugendliche bei den Hausaufgaben, besuchen mit ihnen Museen oder gehen wandern. Projektleiterin Dorothee Widel nahm den Preis entgegen. „Wir freuen uns sehr über diese Auszeichnung“, sagte sie. Der zweite „Leinestern“ ging an das Langzeitprojekt „Asphalt“. Das Straßenmagazin unterstützt seit 19 Jahren Obdachlose nicht nur psychisch und sozial, der Verkauf der Zeitungen hilft den Verkäufern auch materiell. 160 Bedürftige verkaufen „Asphalt“ zurzeit an 15 Standorten. Rund 2.000 Menschen konnte „Asphalt“ bereits helfen. „Und es gibt keine Müdigkeitserscheinung“, lobte Laudator Prof. Burkhard Huch, langjähriger Vorstandsvorsitzender der Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung.
Den Preis nahm „Asphalt“-Geschäftsführerin Almut Maldfeld entgegen. „Der Preis zeigt, dass wir mit unserer Idee noch immer richtig liegen. Das ist eine große Anerkennung“, sagte Maldfeld.
HAZ vom 25.08.2013, S. 14:
Benefizkonzert für Obdachlose
(vt). Das Polizeiorchester Niedersachsen unter der Leitung seines Chefdirigenten Thomas Boger lädt Musikinteressierte am Donnerstag, 29. August, zu einer Reise durch 500 Jahre Musikgeschichte in die Pfarrkirche St. Heinrich, Sallstraße 72, ein. Das Profiorchester spannt dabei einen Bogen von der Reniassance bis in die Moderne. Begleitet wird der musikalische Abend von dem Cellisten Oliver Mascarenhas, Mitglied der NDR-Radiophilharmonie. Konzertbeginn ist um 19 Uhr.
Der Eintritt beträgt 18 Euro, ermäßigt 9 Euro. Mit dem Erlös soll die Arbeit der Caritas-Straßenambulanz und des Zahnmobils der Diakonie unterstützt werden.
Karten sind in der Buchhandlung Decius, Marktstraße 22, in Cruses Buchhandlung, Hildesheimer Straße 75 und im Pfarrbüro St. Heinrich, Sallstraße 74, erhältlich.
HAZ vom 23.08.2013, S. 7:
Flüchtlinge in Laden nicht willkommen?
Bramsche (lni). Ein Sonderpostenmarkt in Bramsche bei Osnabrück hat ein Begrüßungsschild für EU-Bürger aufgestellt und steht deshalb wegen Diskriminierung von Flüchtlingen in der Kritik. Das Geschäft liegt in der Nähe einer Asylbewerberunterkunft. Nach öffentlicher Kritik war das Schild am Donnerstagmittag bereits abgenommen worden. Der Betreiber des Sonderpostenmarktes wollte zu dem Vorgang keine Stellungnahme abgeben. Ob in dem Geschäft tatsächlich Asylbewerber abgewiesen worden seien, ist unbekannt.
Auf dem Schild stand unter anderem auf Albanisch: „EU-Bürger sind willkommen.“ Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius bezeichnete das Schild als „beschämend“. „Das ist eine pauschale Diskriminierung und Kriminalisierung von Flüchtlingen, die nicht hinnehmbar ist“, sagte er dem Sender NDR Info. Der Leiter des nahe gelegenen Asylbewerberheims, Conrad Bramm, sagte: „Ich habe versucht, den Marktbetreiber davon abzuhalten.“
Vor dem Eingang des Marktes stehen nach seinen Angaben auch Wachleute. Der Vorsitzende des Caritasrates im Bistum Osnabrück, Gerrit Schulte, bezeichnete die Unterscheidung in EU-Bürger und in „Menschen, die man nicht sehen will“, als unerträglich.
HAZ vom 23.08.2013, S. 18:
Platz für fast 1000 neue Flüchtlinge
Stadtbaurat begrüßt „Paradigmenwechsel von der Skepsis zur Aufgeschlossenheit“
Von Conrad von Meding
Wenn die geplanten vier neuen Flüchtlingsheime im nächsten Frühsommer gebaut sind, wird Hannover innerhalb von knapp drei Jahren fast 1.000 neue Plätze zur Unterbringung von Hilfesuchenden geschaffen haben. Von 320 Plätzen (2011) wird die Zahl dann auf 1.287 (2014) gestiegen sein. Dass dies ohne Zwischenfälle wie aktuell in Berlin geschehen sei, wo Ressentiments auf offener Straße ausgetragen werden, sei auch einem „Paradigmenwechsel in Hannover“ geschuldet, sagt Stadtbaurat Uwe Bodemann. Die anfängliche Skepsis in Teilen der Bevölkerung habe sich gewandelt hin zur Aufgeschlossenheit, auch dank stadtweit vernetzter Hilfsgruppierungen.
In Berlin sind 150 Bürgerkriegsflüchtlinge in einer ehemaligen Schule im Problembezirk Hellersdorf untergebracht worden; dort nutzen jetzt Rechtspopulisten die angespannte Situation für Stimmungsmache. Aber auch andere Großstädte sind vom Anstieg der Flüchtlingszahlen überrascht worden: Bremen baut Containerdörfer für mehr als 150 Menschen, Hamburg errichtet Zeltstädte.
Hannover hingegen setzt seit Monaten auf dezentrale Unterbringungen: Statt einzelner Großunterkünfte gibt es derzeit 16 Wohnheime, die auf etliche Standorte in allen Bezirken verteilt sind. Noch in diesem Jahr kommen drei Standorte hinzu: Im September ein Gebäude in der Deisterstraße (Linden-Süd), im Oktober in der Anderter Straße (Misburg), im Dezember in der Lammstraße (Mitte).
„Es ist uns gelungen, auf Notunterkünfte zu verzichten“, sagt Marc Schalow, Bereichsleiter für Stadterneuerung und Wohnen: „Wir brauchen keine Zelte und keine Containerdörfer.“ Einfach sei das nicht gewesen, sagt Baurat Bodemann: „Wir operieren in einem angespannten Markt.“ Mehrfamilienhäuser sind derzeit gefragt, zudem hat die Stadt für ihre Wohnheime und Wohnprojekte auch Ansprüche. So sollen möglichst Gemeinschaftsräume vorhanden sein, die Lage sollte in der Regel nicht zu abseitig sein, und auch bei der Belegung gibt es Obergrenzen. Ein Gebäude am Deurag-Nerag-Gelände in Misburg ist derzeit mit 116 Flüchtlingen belegt – diese Ballung wolle die Stadt nur vorübergehend dulden, sagt Bodemann.
Derzeit sind 909 Flüchtlinge in der Stadt untergebracht. Laut Quote kommen kurzfristig noch einige Hundert auf die Stadt zu – die Zuweisung liegt in der Verantwortung des Landes. Bodemann verweist aber auch auf die weltpolitische Lage: „Insbesondere in Syrien existieren riesige Flüchtlingslager, und die UN fordert vor allem Deutschland auf, mehr für die Menschen zu tun.“ Bekannt ist, dass der Bund Ende des Monats mit der Aufnahme von 5.000 Flüchtlingen aus Syrien beginnt. Diese kommen zunächst in die Auffanglager und werden dann über die Länder auf die Kommunen verteilt. Wer sich an Unterstützungs- und Hilfsaktionen beteiligen will, kann mit der „Save me“ – Kampagne Kontakt aufnehmen, die auf dem Faust-Gelände ihren Sitz hat.
HAZ vom 22.08.2013, S. 18:
Region will Obdachlosen helfen
(mak). "Stadt ohne Obdach", heißt ein Projekt, dass der Sozialdezernent der Region, Erwin Jordan, gestern in Seelze gestartet hat. In Seelze und Ronnenberg soll damit verhindert werden, dass Menschen ihre Wohnung verlieren oder in der Obdachlosigkeit stecken bleiben. Seit dem 1. August steht direkt neben der Seelzer Notunterkunft ein Beratungscontainer, dort sollen sowohl Obdachlose als aiuch von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen beraten werden. Der Verein Werkheim wurde mit dem Projekt von der Region und vom Land beauftragt, die beiden teilen sich auch die Kosten in Höhe von 300.000 Euro. Das Projekt ist zunächst auf zwei Jahre angelegt. In dieser Zeit soll auch überprüft werden, ob die Arbeit der Sozialarbeiter erfolgreich ist.
HAZ vom 19.08.2013, S. 11:
Am 10. des Monats pleite
Altersarmut ist ein wachsendes Problem: Zwei hannoversche Seniorinnen erzählen, was es heißt, mit wenig Geld zu leben. Die Grundsicherung kann in schwierigen finanziellen Lagen helfen.
Von Veronika Thomas
Marianne Kröger versucht, die Fassade aufrechtzuerhalten. Die 72-Jährige schminkt sich dezent wie immer, sie ist gut frisiert und unauffällig, aber geschmackvoll gekleidet. Dass sie Grundsicherung bezieht, wissen nur engste Familienmitglieder und eine Freundin, die in einer ähnlich schwierigen finanziellen Lage steckt wie sie selbst. Aber langjährige Bekannte? "Bloß nicht, das geht niemanden etwas an", sagt sie bestimmt.
Marianne Kröger gehört zu einer schnell wachsenden Bevölkerungsgruppe: Laut aktuellem Sozialbericht der Landeshauptstadt bezog Ende 2011 jeder zwölfte Hannoveraner der Altersgruppe 60 plus Transferleistungen, überwiegend Grundsicherung im Alter (Regelsatz: 382 Euro plus Übernahme der Warmmiete). Das waren 10.300 Menschen, 2.332 mehr als noch 2006, was einem Zuwachs von 29,1 Prozent entspricht. Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände warnen seit Jahren vor wachsender Altersarmut. Sie haben vor allem die heutigen prekär Beschäftigten im Blick, die ihre miserablen Löhne durch staatliche Leistungen aufstocken müssen, weil der Lohn nicht zum Leben reicht. "Die armen Erwerbstätigen von heute sind die armen Rentner von morgen", sagt Hannovers Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes. Gleichzeitig beobachtet die Diakonie in Niedersachsen, dass neben Alleinerziehenden, Arbeitslosen und Migranten immer mehr Ältere in die kirchlichen Beratungsstellen kommen: Ihre Rente reicht oft nicht mehr, um über die Runden zu kommen. Vor allem dann nicht, wenn eine neue Brille oder Zahnersatz fällig werden oder die Waschmaschine ihren Geist aufgibt.
Für Kröger kam der große Schock mit dem ersten Rentenbescheid. Jahrelang hatten sie und ihr Mann, ein selbstständiger Kaufmann, freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Doch erst liefen die Geschäfte nicht mehr, dann wurde ihr Mann krank, und als er vor fünf Jahren starb, blieb Kröger inklusive Witwenrente ein Altersruhegeld von 840 Euro. Das Konto mit dem Ersparten war da längst aufgebraucht. Damals lebte sie noch in einer schönen Fünf-Zimmer-Wohnung. "Ich habe mir sofort eine kleine Wohnung gesucht und alles verkauft, was ich zu Geld machen konnte, um überhaupt den Umzug bezahlen zu können", erzählt die 72-Jährige. Seitdem rechnet sie mit jedem Cent.
Heute bleiben ihr, wenn alles gut läuft, abzüglich aller Kosten monatlich 200 Euro zum Leben. Für Lebensmittel, Kleidung, Medikamente, Fahrkarten, überhaupt alles. "Ich hatte das Glück, dass mir eine Sachbearbeiterin der Stadt gut zugeredet hat, Grundsicherung im Alter in Anspruch zu nehmen", sagt die Seniorin. Dadurch sei sie wenigstens von der GEZ-Gebühr befreit und könne den Hannover-Aktiv-Pass in Anspruch nehmen. "Das ist das einzig Gute an meiner Situation. Ich kann in der Stadtbibliothek kostenlos Bücher ausleihen. Ich lese leidenschaftlich gern."
Ihrer Freundin, Karin Ulmen, geht es finanziell kaum anders. Sie lehnt Grundsicherung für sich aber ab. "Ich hätte Anspruch darauf, aber als ich sie beantragen wollte, habe ich mich gefühlt wie eine Bittstellerin", erzählt die 64-Jährige, die inkusive Wohngeld knapp 850 Euro monatlich zur Verfügung hat. Die Warmmiete beträgt allein 442 Euro. "Für die Grundsicherung hätte ich mich nackig machen müssen, außerdem liegt meine Wohnung ein paar Euro über dem Regelsatz. " Und als Wohngeldempfängerin komme sie ab Herbst ebenfalls in den Genuss des Hannover-Aktiv-Passes. Nur dass sie nicht von der monatlichen GEZ-Gebühr (17,98 Euro) befreit werde, das ärgert sie.
Aufgrund einer chronischen Erkrankung lebt sie schon seit mehr als zehn Jahren von Erwerbsunfähigkeitsrente, von der sie findet, dass man davon immer weniger existieren könne, schon gar nicht als alleinstehender Mensch. "Die Preise steigen ständig, und die Rente verliert an Wert."
Sobald das monatliche Geld auf ihrem Konto eingegangen ist, kauft sie ein, vor allem Lebensmittel. "Am 10. jedes Monats bin ich pleite", erzählt Ulmen. Und dann? "Dann muss ich sehr diszipliniert sein", lautet ihr knapper Kommentar. "Dann habe ich noch 37 Cent auf dem Konto und darf mich nicht mehr dem hinteren Teil der Passerelle nähern, weil es dort überall nach Essen riecht."
Zu dem wenigen Luxus, den sich die Mutter einer erwachsenen Tochter leistet, gehört eine wöchentliche Turnstunde zu jeweils 5 Euro. Oder mal eine Rinderroulade. Außerdem versucht sie, monatlich 10 Euro beseitezulegen, um sich wenigstens einmal im Jahr ein paar Schuhe für 50 Euro kaufen zu können. "Die für 29,95 Euro halten höchstens eine Saison." Aber meistens müsse sie schon nach zwei, drei Monaten wieder an das mühsam Ersparte, weil es vorn und hinten nicht reicht.
An der Poltik lässt sie kaum ein gutes Haar. "Die von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen vorgeschlagene Lebensleistungsrente von 850 Euro ist doch ein Witz", schimpft Karin Ulmen. Mit 1.100 Euro, da käme sie gut über die Runden. Alles andere sei indiskutabel. Dennoch bezeichnet sie sich und ihre Freundin Marianne Kröger als Lebenskünstlerinnen. "Wir halten die Fassade aufrecht", sagt sie wacker und meint, niemand solle ihnen ansehen, dass sie arm seien. Gemeinsam besuchen sie kostenlose Musik- und Kinoveranstaltungen des kommunalen Seniorenservice, sie arbeiten ehrenamtlich beim Partnerbesuchsdienst der Diakonie, und dringend notwendige Garderobe wird im Versandhandel gekauft. "Da kann man wenigstens kleinste Raten vereinbaren", sagt Kröger. Dass sie sich manche Monate noch nicht einmal ihre Medikamente aus der Apotheke holen kann, weil das Geld nicht für die Rezeptgebühr reicht, steht auf einem anderen Blatt.
Wenn sie sich mit ihren Nachbarn und Freunden von früher tifft, mit denen sie damals viel unternommen hatte, als es ihr und ihrem Mann noch gut ging und die Geschäfte gut liefen, lässt sie sich nichts anmerken und verliert erst recht kein Wort über ihren sozialen Abstieg. "Zum Glück werde ich immer eingeladen." Die Hannöversche Tafel aber, wo sie wenigstens zweimal monatlich kostenlos Lebensmittel beziehen könnte, meidet sie aus Angst, dort jemanden zu treffen, der sie kennt. "Das Schlimme an meiner Situation ist, dass sich in meinem Alter nichts mher zum Positiven ändern wird", meint die 72-Jährige. Noch bis vor ein paar Jahren hätte sie sich nicht vorstellen können, finanziell einmal so abzustürzen. "So ein Abstieg geht ganz schnell, allein durch Krankheit."
Die vielen Facetten der Armut: Laut aktuellem Sozialbericht der Landeshauptstadt steigt die Zahl der Bewohner in der Altersgruppe 60 plus, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, weil ihre Rente nicht zum Leben reicht, seit Jahren an. Auf der anderen Seite wendet die Region Hannover als Trägerin der Sozialhilfe immer mehr Geld für pflegebedürftige Leistungsempfänger auf, weil deren Rente zu gering ist, um einen Heimplatz oder ambulante Pflege zahlen zu können. 57 Millionen Euro waren es 2011, davon entfielen 40,4 Millionen Euro auf stationäre Hilfe zur Pflege - für rund 4.000 Bedürftige über 60 Jahre, darunter 2.175 Hannoveraner. Die Hilfe für ambulante Pflege schlug mit 16,5 Millionen zu Buche.
Weil aufgrund des demografischen Wandels die Zahl der alten und pflegebedürftigen Menschen steigen wird, während familiäre Pflege abnimmt, rechnet die Region hier in den nächsten Jahren mit weiter steigenden Kosten.
Unterdessen schlägt die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Region Hannover Alarm, weil bezahlbare Wohnungen für Ältere knapp werden. "In unsere Beratungsstelle kommen zunehmend Senioren, die Probleme haben, ihre Kosten für die Wohnung mit der Grundsicherung zu finanzieren", sagt AWO-Sozialberaterin Fatma Taspunar. Empfänger von Grundsicherung im Alter müssten umziehen, weil ihre Mieten nicht innerhalb der Mietobergrnezen lägen. Infolge energetischer Sanierungen komme es wiederum zu Mieterhöhungen, die durch die Einsparung von Energiekosten nicht ausgeglichen werden könnten. Betroffene berichteten, im Winter mit Decken und Wämflaschen da zu sitzen, um Heizkosten zu sparen.
Und dann ist da noch eine unbekannte Zahl von Menschen, die aus Scham und Angst vor dem bürokratischen Aufwand überhaupt keine staatlichen Leistungen wie Grundsicherung im Alter oder Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat erst kürzlich veröffentlicht, dass etwa jeder Dritte, der eigentlich Anspruch auf Sozialleistungen hätte, darauf verzichtet
HAZ vom 13.08.2013, S. 12:
Wenn Obdachlose krank werden …
Krankenwohnung "Die KuRVE" ist umgezogen / Patienten bleiben im Durchschnitt vier Monate, um zu genesen
Von Veronika Thomas
Menschen, die auf der Straße leben, legen sich wegen einer Grippe nicht ins Bett. "Die Bewohner, die zu uns kommen, sind zumeist schwer krank", sagt Corinna Genz, Leiterin der Krankenwohnung "Die KuRVe", die in der Helmstedter Straße in Döhren einen neuen Standort gefunden hat. Eigentümer der 150 Quadratmeter großen Wohnung, in der Obdachlose nach Krankenhausaufenthalten wieder gesundgepflegt und betreut werden, ist die Marktkirchen-Gemeinde.
Der Umzug war notwendig geworden, weil die Henriettenstiftung in Kirchrode, in der "Die KuRVe" zuvor untergebracht war, Eigenbedarf angemeldet hatte. Es sind zumeist ältere Obdachlose, die in der "KuRVe" mit insgesamt sechs Betten medizinisch und sozial betreut werden. Die 56-jährige Heidemarie K. lebt aufgrund einer langwierigen Krebstherapie seit einem Jahr hier. Jetzt sucht die ehemalige Verwaltungsangestellte, die 20 Jahre auf der Straße gelebt hat, eine eigene Wohnung. Durchschnittlich vier Monate bleiben die obdachlosen Männer und Frauen in der Einrichtung des Diakonischen Werks. Die meisten von ihnen wollen danach nicht wieder auf die Straße zurück.
Nach Angaben von Gottfried Schöne vom Diakonischen Werk leben in Hannover rund 3.000 Wohnungslose, 300 bis 500 von ihnen dauerhaft auf der Straße. Die Zahlen liegen deutlich über der Schätzung der Stadt, die von rund 1.000 Wohnungslosen weniger ausgeht. Ein Zuwachs ist aber unstrittig, weil es immer schwieriger werde, sagt Schöne, eine billige Wohnung zu finden.
Scharfe Kritik äußerte Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes an den Krankenkassen, die sich weigerten, die medizinische Versorgung nicht Krankenversicherter zu übernehmen. "Das ist skandalös und bei den hohen Überschüssen der Kassen nicht hinnehmbar, dass diese Menschen durch Spenden finanziert werden müssen", sagte der Leiter des Diakonischen Werks Hannover.
Eine von ihnen ist die 21-jährige Mirela P, die seit Dezember 2012 als Patientin in der Krankenwohnung lebt. Aufgrund einer erblich bedingten Durchblutungsstörung musste ihr der linke Unterschenkel amputiert werden, mithilfe von Spenden wurde eine Prothese angefertigt. "Wir wollen sie so lange pflegen, bis sie gelernt hat, damit zu laufen", sagt Genz.
Mehrfamilienhaus in Wülfel brennt: In der Nacht zu Montag hat es in einem Mehrfamilienhaus an der Dorfstraße in Wülfel gebrannt. Um 3.24 Uhr alarmierten Nachbarn die Feuerwehr. Sie berichteten, dass noch Personen in dem Haus seien. Als die Einsatzkräfte das als Obdachlosenheim genutzte Gebäude durchsuchten, trafen sie jedoch niemanden an. Der Brand konnte nach 20 Minuten gelöscht werden. Eine Wohnung ist jedoch nicht mehr bewohnbar. Nach Untersuchungen der Polizei brach das Feuer im Erdgeschoss aufgund eines Kurzschlusses aus. Es entstand ein Schaden von rund 20.000 Euro.
HAZ vom 12.08.2013, S. 7:
Immer mehr Wohnungslose in der Stadt
Hauptproblem sind hohe Mietkosten / Zahl der Sozialwohnungen im Stadtgebiet sinkt beständig
Von Christian Link
Die Zahl der Wohnungslosen in Hannover hat deutlich zugenommen. Darauf lässt die Auslastung der städtischen Unterkünfte schließen. Die Zahl der dort untergebrachten Wohnungslosen ist seit Anfang 2012 von 520 auf 670 gestiegen. Und die Stadt kommt allmählich in Bedrängnis. Es ist absehbar, dass die vorhandenen Unterbringungsmöglichkeiten - es sind in Hannover gut 1.000 in privater und öffentlicher Hand - schon bald nicht mehr ausreichen werden. Zuletzt hat die Stadt zehn neue Wohnungen für wohnungslose Familien geschaffen. Es gibt davon jetzt 156 im Stadtgebiet. Die Verwaltung schätzt, dass rund 1.500 wohnungslose Menschen in Hannover leben.
Als wohnungslos gilt, wer über keinen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügt, aber nicht obdachlos ist. Viele Menschen werden nicht offiziell als wohnungslos erfasst, weil sie bei Freunden, Bekannten oder Verwandten unterkommen. Die Gründe für ein Abrutschen in die Wohnungslosigkeit sind vielfältig. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, der Dachverband zahlreicher Wohnungslosenhilfeeinrichtungen, hat fünf Faktoren ausgemacht: extremes Anziehen der Mietpreise, unzureichende Angebote an preiswertem Wohnraum, verstärkte Verarmung der unteren Einkommensgruppen, Berechnungsfehler bei Hartz IV und fehlende Beratungsangebote.
500 Obdachlose in Hannover: Je nach Witterung gibt es neben den 1.500 Wohnungslosen laut einer Schätzung der Verwaltung auch noch 300 bis 500 Obdachlose. Dazu zählen Menschen, die keinen festen Wohnsitz haben und im Freien oder in Unterkünften übernachten.
HAZ vom 29.07.2013, S. 7:
Hotel wird nun doch Flüchtlingsheim
Stadt kauft Immobilie am Rande der Innenstadt selbst
Von Conrad von Meding und Christian Link
Die Stadt wandelt ein Hotel hinterm Raschplatz nun doch zum Flüchtlingswohnheim um. Ein erster Anlauf vor knapp einem Jahr war am Widerstand der Anwohner, vor allem aber am hohen Preis gescheitert. Damals hatte ein Investor die Immoblie kaufen und der Stadt zur Miete anbieten wollen. Die Kommunalpolitiker stoppten den Vorgang. Jetzt wagt die Stadt einen neuen Anlauf - und kauft das Gebäude schlicht selbst.
Angesichts steigender Flüchtlingszahlen fehlen Hannover weiterhin Unterkünfte. Da kam es der Verwaltung offenbar gelegen, dass der Investor sein Vorkaufsrecht für das Hotel Flamme in der Lammstraße (Oststadt) auslaufen ließ. Man hat dann offenbar hart verhandelt. "Die Stadt hat uns im Preis noch einmal gedrückt", deutet Mitinhaber Manfred Erdmann nur an. Zur Höhe wollte er sich nicht äußern, Details des Vertrags nicht bestätigen. "Wir sind froh, wenn die Geschichte ein Ende hat", sagt er nur.
Gemeinsam mit seinem Kompagnon Günter Flohr hatte er vor 15 Jahren das Gebäude gekauft und zum Hotel der Drei-Sterne-Klasse umgebaut. Seit der Expo bewirten die beiden ehemaligen Berufsfeuerwehrleute dort mit einem kleinen Team Gäste. Inzwischen können sie das aus Alters- und Gesundheitsgründen nicht mehr leisten. Nach Informationen der HAZ beträgt der Kaufpreis diesmal 1,3 Millionen Euro. Stadtsprecher Alexis Demos bestätigt nur, dass Verhandlungen laufen. Er weist aber darauf hin, dass der Bezirksrat Mitte gefordert habe, dass eine Unterkunft für Flüchtlinge aus Krisengebieten auch im Stadtbezirk Mitte zu suchen sei. Wann das Hotel als Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung steht, ist offen. "Wir bleiben noch zu den Messen Emo und Agritechnica geöffnet und schließen frühestens zum 1. Dezember, damit wir unserem Personal ordentlich kündigen und eine Abfindung zahlen können", sagt Erdmann. Das hätten die langjährigen Mitarbeiter verdient.
2012 hatte sich die Stadt zunächst mit dem Investor auf eine Mietpreis von 2,8 Millionen Euro für zehn Jahre geeinigt, hatte dann den Preis aber noch einmal gedrückt, bevor der Deal platzte. In der Nachbarschaft hatte sich eine Initiative formiert, die den weiteren Niedergang des Viertels befürchtete. Inzwischen ist die Stimmung in weiten Teilen der Stadt umgeschlagen: An mehreren Standorten neuer Flüchtlingsheime haben sich Nachbarschaftsinitiativen gegründet, die die Neuankömmlinge unterstützen wollen.
Andere Unterkünfte: Für die geplanten Flüchtlingsheime Bothfeld (Eichenweg) und Badenstedt (Stadtgrenze) rechnet die Stadt in Kürze mit dem Baubeginn. Für die Unterkunft in Kleefeld (Annateich) wurde die Baugenehmigung bereits erteilt. Dort soll im August die Baustelle eingerichtet werden, sagt GBH-Sprecher Frank Ermlich. Das Gebäude soll frühestens im Januar fertiggestellt werden. Die vierte Unterkunft soll am Kinderkrankenhaus Auf der Bult entstehen, dort gibt es noch Probleme mit der Einflugschneise des Hubschraubers.
HAZ vom 26.07.2013, S. 11:
Dieb sticht Kaufland-Chef nieder
53-Jähriger kommt mit Oberkörperverletzung in Krankenhaus
Von Tobias Morchner
Der 53-jährige Leiter der Kaufland-Filiale in der Rundestraße ist am Mittwochabend durch einen Messerstich in den Oberkörper schwer verletzt worden. Er wollte einer Ladendetektivin im Supermarkt bei der Ergreifung eines Diebes zu Hilfe kommen. Der Täter zog allerdings unvermittelt ein Messer und stach damit auf den 53-Jährigen ein.
Die Ladendetektivin hatte gegen 19.30 Uhr einen 59-jährigen Obdachlosen dabei beobachtet, wie dieser in der Elektroabteilung einen kleinen Flachbildfernseher in seiner Jacke verschwinden ließ. Anschließend wollte er mit seiner Beute aus dem Kaufland flüchten. Die Detektivin machte den Filialleiter, der gerade in der Nähe stand, auf den Ladendieb aufmerksam.
Der 53-Jährige sprach daraufhin den Obdachlosen an und bekam die schwere Verletzung zugefügt. Trotz der blutenden Wunde rannte der 53-Jährige dem flüchtenden Dieb hinterher und konnte ihn schließlich am Eingang des Gebäudes einholen. Der Marktleiter hielt den Obdachlosen fest, bis die Polizei eintraf. Erst dann ließ er sich von einem Notarzt behandeln und von einem Rettungswagen zur weiteren Versorgung seiner Verletzung in eine Klinik bringen. Inzwischen befindet er sich wieder auf dem Weg der Besserung. Polizisten stellten vor Ort die Tatwaffe sicher.
Der 59-jährige Messerstecher sitzt seit Donnerstagnachmittag in Untersuchungshaft. Die Behörden leiteten Ermittlungen gegen den Obdachlosen wegen versuchten Totschlags ein.
In der Firmenzentrale von Kaufland in Neckarsulm bedauert man den Vorfall. "Wir sind sehr froh darüber, dass dabei nicht noch Schlimmeres passiert ist", sagt Unternehmenssprecherin Christine Axtmann der HAZ. Kaufland werde den Messerangriff auf den Marktleiter zum Anlass nehmen, das bestehende Sicherheitskonzept zu überprüfen. "Derzeit tragen wir die Ergebnisse der Tat zusammen, um alles auswerten zu können", erklärt Axtmann. Konkrete Änderungen könnten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt gegeben werden.
Das Gebäude in der Rundestraße, in dem sich die Kaufland-Filiale befindet, wird von Mitarbeitern einer Security-Firma bewacht. Nach Angaben der Supermarkt-Kette gibt es ein zusätzliches Sicherheitskonzept für alle Angestellten der Filiale. "Dieses sieht unter anderem regelmäßige Schulungen unserer Mitarbeiter vor", sagt Kaufland-Sprecherin Axtmann.
HAZ vom 25.07.2013, S. 5:
Nach der Räumung bleibt nur der Wald
Im Landkreis Vechta leben Rumänen und Bulgaren illegal in selbst gebauten Lagern
Von Anne Grüneberg
Hannover. Sie leben im Wald, in Lagern und Hütten, die sie sich selbst aus Ästen, Planen und Decken zusammenzimmern - Tagelöhner aus Rumänien und Bulgarien, die in ihrer Heimat noch weniger Perspektiven haben als in Deutschland. Die Kommune Steinfeld im Landkreis Vechta fühlt sich von dem Problem überfordert - das hat Bürgermeisterin Manuela Honkomp (parteilos) jüngst öffentlich bekannt. Nun droht den Wanderarbeitern die Abschiebung.
Viele der ausländischen Arbeiter hatten früher einmal Werkverträge, die mittlerweile ausgelaufen sind. In ihre Heimat sind sie aber nicht zurückgekehrt und leben seitdem illegal in Deutschland. Werkverträge dieser Art waren zuletzt in die Kritik geraten, als zwei rumänische Arbeiter der Meyer Werft in Papemburg bei einem Brand in einem völlig überfüllten Wohnheim starben. Auch in Steinfeld lebten Arbeiter mit Werkverträgen bis vor Kurzem in einem Wohnhaus, "unter menschenunwürdigen Bedingungen", sagt Heinrich Luhr, Fraktionsvorsitzender der Unabhängigen Wählergemeinschaft Steinfeld. Deshalb sei die überlastete Unterkunft geräumt worden - und viele der Männer lebten seitdem in notdürftigen Unterkünften im Wald.
In Steinfeld seien die Menschen deshalb nun beunruhigt. "Sie haben ein beklemmendes Gefühl, wenn sie abends unterwegs sind", berichtet Luhr. Ein Lager wurde neulich von der Polizei geräumt. Fünf Wanderarbeiter hätten dort gelebt, in der Gemeinde gebe es aber noch viele weitere - sie hausen in einer alten Ruine oder schlafen unter freiem Himmel auf der Wiese vor dem Bahnhof.
Der Landkreis Vechta fühlte sich lange nicht zuständig, die Betreuung der Obdachlosen sei Aufgabe der Gemeinde, hieß es damals. Nun aber will mn doch etwas tun, nämlich die Ausweisung einleiten und die Arbeiter zur freiwilligen Ausreise aus Deutschland auffordern.
So steht es in einer schriftlichen Stellungnahme. Wenn keine freiwillige Ausreise erfolge, drohe Abschiebung. Alle Maßnahmen wurden in enger Abstimmung mit den betroffenen Städten und Gemeinden durchgeführt.
Auch im Landkreis Cloppenburg erinnert man sich an einen Fall aus dem vergangenen Jahr. Damals lebten zwei rumänische Familien in einer Hütte im Wald, die einem Bauern gehörte. Als dieser die Bewohnung bemerkte, verwies er die Familien des Grundstücks und riss anschließend die Hütte ab, berichtet ein Mitarbeiter des Ordnungsamts Cloppenburg. Seitdem habe man aber keine weiteren Auffälligkeiten registriert.
Ab 2014 gilt für Rumänien und Bulgarien die volle Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union - und in Steinfeld hat man die Befürchtung, dass die Zahl der Armutsflüchtlinge dann noch steigen könnte. Der für die Landkreise Vechta und Cloppenburg zuständige Europaabgeordnete Hans-Peter Mayer (CDU) bestätigt: "Anfangs gibt es sicherlich eine Aufbruchstimmung in den Ländern, das kennen wir schon aus der Geschichte von Beitritt Spaniens und Portugals." Allerdings vermutet er, dass sich der Ansturm schnell wieder legen werde. Wenn nicht, müssten die Europaparlamentarier das Problem erneut diskutieren - und Lösungen finden.
HAZ vom 17.07.2013, S. 13:
Herr Brox und sein „Hoteltest für Arme“
Der bekannteste Obdachlose Deutschlands ist in Hannover. Er probiert Unterkünfte aus. Denen in der Stadt gibt er Bestnoten.
Von Sonja Fröhlich
Richard Brox sagt, seine erste Nacht in einer Notunterkunft sei eine Zäsur gewesen. Damals, 1986 in Mannheim, war er kokainabhängig und hoch verschuldet, als er seine Wohnung räumen musste. Er nahm nur das Nötigste mit, mit zwei Plastiktüten betrat er das Wohnheim. 15 Männer waren sie auf dem Zimmer, Gestank und Aggressionen lagen in der Luft.
Am nächsten Tag waren beide Plastiktüten weg, Brox besaß nichts mehr. „So fing mein Leben auf der Straße an“, erzählt er im Billigcafé Back Factory im Hauptbahnhof, das er sich als Treffpunkt ausgesucht hat.
Heute gilt Richard Brox als bekanntester Obdachloser Deutschlands. Er betreibt mehrere Internetseiten, auf denen er bundesweit Unterkünfte für Wohnungslose bewertet, und hat einen Verein gegründet. Sein ehrenamtliches Engagement brachte ihm die Aufmerksamkeit der Medien ein: Überregionale Zeitungen haben über ihn geschrieben, auf RTL und bei Anne Will im Ersten war er schon zu sehen. In diesem Jahr ist er ein zweites Mal für den Deutschen Engagementpreis nominiert worden. 2008 führte Brox den Enthüllungsjournalisten Günter Wallraff in die Szene der Wohnungslosen ein. Dieser testete inkognito die Hilfsangebote von Städten. In Hannover verbrachte Wallraff im sogenannten Bunker am Welfenplatz eine seiner schlimmsten Nächte. Er beschrieb seine Todesangst, als ihn ein Mitbewohner bedrohte und der Notausgang versperrt war. Zwei Jahre später wurde der „Wallaff“-Bunker geschlossen.
Auch Brox hatte dort schlechte Erfahrungen gemacht: „Ich bin froh, dass es den Bunker nicht mehr gibt. Die Zustände waren menschenunwürdig.“ Der 48-Jährige, der gerade durch Niedersachsen „tourt“, stellt der Landeshauptstadt nun Bestnoten aus. „Hier gibt es viele gute Einrichtungen. Hannover ist diesbezüglich eine Vorzeigestadt, da könnten sich Bremen und Braunschweig eine Scheibe von abschneiden“, sagt Brox, ein bärtiger Mann mit transparenter Hornbrille und labbriger Jeansweste über dem Kapuzenpullover. Sein ausdrückliches Lob gilt dem Werkheim in der Büttnerstraße und dem Karl-Lemmermann-Haus in Oberricklingen. Hannover sei wichtig für die Szene, die Stadt sei durch ihre verkehrsgünstige Lage „Dreh- und Angelpunkt.“
Brox` Bewertungen fußen auf mehreren Fragen: Ist man sicher aufgehoben? Wie sauber ist es? Sind die Mitarbeiter hilfsbereit? Gibt es weitere Angebote? 900 Adressen führt Brox auf seiner Internetsete www.ohnewohnung-wasnun.de auf, auch das Portal www.suchthilfe-deutschland.de bestückt er mit den Adressen und den wichtigsten Informationen über die Unterkünfte. Er sagt, er habe schon mehr als doppelt so viele Einrichtungen aufgesucht wie dort zu sehen sind. „Ich stelle aber nur die ins Netz, die ich auch empfehlen kann.“ Ja, er sei wohl so etwas wie ein Hoteltester für Arme, sagt er. Er will auch mal gehört haben, was man in einer Unterkunft gesagt hat, als er sich angemeldet hatte: „Der Brox kommt – macht mal die Hütte sauber.“
Schnell wird der Mann mit dem breiten Mannheimer Dialekt wieder ernst. Er will etwas verändern. Er sagt, die Anzahl der Menschen ohne Dach über dem Kopf sei „heftig gestiegen“. Neben den 300.000 Menschen in den Unterkünften gebe es rund 30.000 Wohnungslose, die auf der Straße leben, sowie eine noch höhere Dunkelziffer. Darunter seine viele nicht registrierte Menschen aus Osteuropa. Das größte Problem sieht er in der Gewalt innerhalb der Szene, bedingt durch unterschiedliche Suchtprobleme: „Da sind dann fünf Männer auf einem Zimmer: der eine ist drogensüchtig, zwei sind Alkoholiker, der nächste ist spielsüchtig und ein weiterer ist psychisch auffällig – da kann es ja nur Mord und Totschlag geben“, sagt Brox, der nach einem Entzug ein neues Leben begonnen hat. Deshalb fordert er Einzelunterkünfte, gesonderte Einrichtungen für Frauen und behinderte Menschen, eine bessere Versorgung, Arbeitsprojekte, Möglichkeiten der Resozialisierung.
Brox, der Mann ohne Schulabschluss, klingt nun wie ein sozialpolitischer Sprecher. „Ich hatte viel Zeit, da habe ich viel gelesen“, erklärt er und nippt an seinem Kaffeebecher, den er sich randvoll gefüllt hat („Das machen wir Berber so – es könnte unser letzter Kaffee sein“). Er weiß das. Im Sommer 2009 wurde er im Elsass selbst Opfer von Gewalt. Er lag in seinem Schlafsack, als fünf Jugendliche ihn angriffen. Sie boxten ihm in den Bauch und traten ihm gegen die Wirbelsäule. Brox trug einen Knochenmarksschaden davon, ist seither gehbehindert. „Seitdem fühle ich mich draußen nicht mehr sicher.“ Umso wichtiger erscheint ihm seine Arbeit.
Die fand ihren Anfang in Berlin. An dem Tag, als das alles beginnt, regnet es draußen, Brox wärmt sich in einem Internetcafé auf, Ahnung vom Internet hat er nicht. Einige junge Männer bringen ihm bei, wie man mit einer Computermaus umgeht. Drei Stunden später hat er eine eigene Mail-Adresse und eine Website. Die nennt er zunächst kurpfaelzer-wandersmann.de und beginnt, ein Tagebuch zu veröffentlichen. Erstaunt registriert er, dass immer mehr Menschen seine Seite besuchen und ihm schreiben.
Vor acht Jahren, als er in Thüringen keine Bleibe findet, lässt ihn sein Zorn darüber mit der Liste im Internet beginnen. Obdachlose seien mittlerweile gut vernetzt, sagt er. Unterkünfte oder Stadtteilbibliotheken böten kostenlosen Internetzugang, Smartphones seien ohne vertragliche Bindung für wenig Geld zu haben.
Eine hochschwangere Frau kommt an den Tisch und bittet ausgerechnet Brox um Geld für etwas zu essen. Er rät ihr wortreich, eine Frauenunterkunft aufzusuchen und nennt ihr eine Adresse. Die Frau guckt irritiert und geht weiter.
Es gibt noch viel Arbeit für Brox.
HAZ vom 16.07.2013, S. 14:
Diakonie sucht Silber für den guten Zweck
(vt mit: epd). Das Diakonische Werk Hannover bittet um Gegenstände aus Silber, um sie zugunsten bedürftiger Kinder in bare Münze umzuwandeln. Gesucht werden etwa schwarz angelaufene Löffel oder Serviettenringe, defekte Einzelteile wie Ketten oder Münzen mit Silberanteil. "Wir wollen den Bürgern nicht ans Tafelsilber", versichert Susanne Kujawa-Ahrensmeier. Vielmehr suche die Diakonie nach Silberstücken, die nicht gebraucht würden und für die sich auch niemand die Mühe macht, damit zum Händler zu gehen. Mithilfe eines Juweliers soll das Silber an eine "Scheideanstalt" verkauft werden, die den Silberanteil aus dem Metall herauslöst und weiterverkauft. Der Erlös ist für die Schularbeitenhilfe, für Schüler-Mittagstische oder Erstausstattungen für bedürftige Kinder zum Schulanfang bestimmt. Spender können ihre Silberstücke am 9. August um 14 Uhr im Café des Landesmuseums oder bis zum 13. September im Büro des Diakonischen Werks, Burgstraße 8-10, abgeben.
HAZ vom 13.07.2013, S. 15:
Obdachlose lernen Erste Hilfe
(vt). Die Caritas hat jetzt zum ersten Mal einen Erste-Hilfe-Kursus für Obdachlose veranstaltet. Die Idee dafür kam von Obdachlosen, die regelmäßig den Tagestreff der Caritas am Leibnizufer besuchen. "Unsere Besucher achten sehr aufeinander, und es tauchte die Frage auf, was man in einem Notfall tun kann, wenn jemand zusammenbricht", sagt Ramona Pold, Koordinatorin des Sozialdienstes für Wohnungslose.
Anstoß für den Kursus gab auch ein noch nicht lange zurückliegendes trauriges Ereignis. Im vergangenen Jahr hatten mehrere Tagestreffbesucher erlebt, wie ein Bekannter auf offener Straße zusammenbrach. "Er hatte einen Kreislaufstillstand und keiner wusste, was zu tun war", berichtet die ehrenamtliche Mitarbeiterin Birgit Jathe. Der Mann überlebte, ist aber stark eingeschränkt und pflegebedürftig.
Rettungssanitäterin Vanessa Rust vom Malteser-Hilfsdienst hat nun einige Mitarbeiter und Obdachlose in Erster Hilfe geschult. "Ich finde es gut, dass die Mitarbeiter das mit uns gemeinsam machen", sagt Marco L. "Gerade die Besucher unseres Tagestreffs für Wohnungslose erleben oft hautnah Situationen, in denen Hilfe erforderlich ist", sagt Andreas Schubert, Vorstand des Caritasverbandes Hannover. Der Kursus gebe ihnen mehr Sicherheit in Notsituationen.
HAZ vom 11.07.2013, S. 1:
Stadt und Polizei rücken vom Alkoholverbot ab
Hannover (asl). Ein Alkoholverbot auf dem Raschplatz wird es vorerst nicht geben. Darauf haben sich Stadtverwaltung und Polizei jetzt geeinigt. "Anzahl und Ausmaß der Delikte bieten keinen Anlass für ein Verbot", sagt Hannovers Ordnungsdezernent Marc Hansmann. Die Lage auf dem Platz hinter dem Bahnhof habe sich entspannt. Das sieht auch die Polizei so, weist aber darauf hin, dass der Raschplatz noch immer kein "ruhiger Ort" sei. Im Herbst müsse man sich noch einmal zusammensetzen und erneut über den Raschplatz beraten, heißt es vonseiten der Polizei. Ein Grund für die Entspannung liegt darin, das die Trinkerszene den Platz verlassen hat. Auch fpr die Limmerstraße in Linden, ebenfals in Veruf geraten wegen exzessiver Gelage, geben Stadt und Polizei Entwarnung.
HAZ vom 09.07.2013, S. 13:
Vom Bankmanager zum Fairkaufhauschef
Reinhold Fahlbusch ist umtriebig, anpackend, sozial engagiert, politisch interessiert und mit dem notwendigen Sendungsbewusstsein ausgestattet, um in einer Stadtgesellschaft Aufmerksamkeit zu erregen. Außerdem fühlt er sich nach eigenen Angaben nicht an der Spitze am wohlsten - „sondern als erster Mann in der zweiten Reihe“.
Von Bernd Haase
Das Kaufhaus
Wenn auf den Wirtschaftsseiten der Zeitungen über Kaufhäuser berichtet wird, dann sind die Nachrichten selten gut. Ein Segment aber floriert, auch wenn entsprechende Nachrichten zumeist nicht im Wirtschafts-, sondern im Lokalteil stehen. Es sind die Sozialkaufhäuser.
Nach Schätzungen der Diakonie, die wie auch andere Wohlfahrtsverbände oft Träger der Kaufhäuser sind, gibt es in Deutschland mittlerweile mehr als 350 von ihnen – fast jede mittelgroße Stadt hat eines, Großstädte sowieso. Ihren Boom verdanken sie dem Inkrafttreten der Harzt-IV-Gesetze Anfang Januar 2005. Damit entfielen Zuschüsse, mit denen Bedürftige vorher größere Anschaffungen finanzieren konnten. Und es mussten Einrichtungen her, die Betroffenen die Möglichkeit bieten, gut erhaltene Gegenstände des täglichen Bedarfs zu erschwinglichen Preisen zu erwerben. Die Sortimente ähneln sich: Möbel, Hausrat, Kleidung, Spielwaren, Bücher und CDs. Sozialkaufhäuser erhalten die Waren durch Spenden oder durch Haushaltsauflösungen. Anliefern kann man direkt im Kaufhaus an der Limburgstraße oder, bei größeren Sachen, im Lager in Hainholz. Wer glaubt, dass die Leute ans Sozialkaufhaus denken, wenn sie eine Entrümpelung planen oder irgendwelchen Schrott loswerden wollen, der irrt: „Wir können beispielsweise 90 Prozent der Möbel, die wir erhalten, problemlos in unser Angebot nehmen“, berichtet Fahlbusch, Vorsitzender der Trägergenossenschaft von Fairkauf in Hannover.
Viele der Kaufhäuser fungieren als Sozialprojekt. In anderen – zu ihnen zählt Fairkauf – hat man den wirtschaftlichen Ansatz gewählt: „Wir wollen mit wirtschaftlichem Handeln soziale Ziele erreichen“, sagt Fahlbusch. Fairkauf verfolgt die Unternehmensziele, Leute mit Waren zu versorgen und so zur Nachhaltigkeit beizutragen – schließlich würde vieles, was andere händeringend benötigen, ohne derartige Einrichtungen im Müll landen. Außerdem will Fairkauf Menschen in Arbeit bringen, das Haus ist anerkannter Ausbildungsbetrieb für Verkäufer, Einzelhandelskaufleute sowie Beschäftigte in der Lagerlogistik und in der Bürokommunikation.
Zählte Fairkauf bei Gründung vor sechs Jahren durchschnittlich 400 Kunden am Tag, hat sich diese Zahl verdoppelt. Der Umsatz lag laut Geschäftsbericht im vergangenen Jahr bei knapp 2,9 Millionen Euro. De Genossenschaft erzielte in den vergangenen drei Jahren stets Überschüsse und steckt sie in die Rücklage, um im Bedarfsfall Risiken abzufedern.
Bleibt noch die Sache mit dem Sozialkaufhaus. So gern hören die hannoverschen Genossen diesen Begriff gar nicht, weil er impliziert, dass nur eine bestimmte Klientel sich dort umsieht. „Wir wollen Menschen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten zusammenbringen. Alles andere wäre diskriminierend“, betont Fahlbusch. Längst kommen, berichtet er, nicht mehr nur Hilfsempfänger in die Limburgstraße, sondern auch solche, die sich durchaus auch einen Einkauf in anderen Häusern leisten könnten.
Die Mitarbeiter
Seref Bakhteyar hat schon so einiges gemacht in seinem Berufsleben. Der 48-Jährige war Reiseverkehrskaufmann, arbeitete später bei der Deutschen Post in der innerbetrieblichen Prüfung und fing zwischendurch eine Lehre als pharmazeutisch-technischer Assistent an, die er aber abbrach – „war nichts für mich“, sagt er. Dann wurde er das, was man langzeitarbeitslos nennt. Seit dem 26. Februar arbeitet er auf Basis eines Ein-Euro-Jobs in der Medienabteilung bei Fairkauf, nimmt Bücherspenden an, sortiert sie ein oder erneuert Regale. Er fühlt sich wohl mit dem, was er tut. „Ich war schon als Kind ein Bücherwurm“, erzählt er.
Insgesamt arbeiten rund 190 Menschen für die Trägergenossenschaft. Jeweils 28 gehören zur Stammbelegschaft oder sind sogenannte Bürgerarbeiter, weitere 16 lernen oder befinden sich in Teilzeit. Allesamt sind sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Dazu kommen noch mehr als 50 beschäftigte in Qualifizierungsmaßnahmen, zehn Praktikanten sowie 50 Ehrenamtliche, die sich um Fairkauf verdient machen. „Wir ermöglichen es Menschen, unter realen Bedingungen ihre Chancen am Arbeitsmarkt zu verbessern. Übungsumfeld ist ein Kaufhaus“, heißt es im Leitbild des Unternehmens.
Bedenken gegen soziale Firmen häufen sich, wenn diese in vermeintlichen Wettbewerb mit freien Unternehmen treten. „Dabei wird vergessen: Hier folgen Zuwendungen aus öffentlichen Kassen, zum Beispiel für die Reintegration Arbeitssuchender dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Das ist keine Subvention“, sagt Hannovers Sozialdezernent Thomas Walter. Umgekehrt profitiere auch freies Unternehmertum von Subventionen seitens der öffentlichen Hand.
Seref Bakhteyar darf vorerst bis Ende August bleiben, dann läuft sein Ein-Euro-Job aus. Er hofft, dass er danach eine reguläre Anschlussbeschäftigung findet – „am liebsten im Buchhandel“.
HAZ vom 03.07.2013, S. 3:
Die Scham der Armen
Millionen Deutsche verzichten auf Hartz IV, obwohl sie Anspruch darauf hätten: Warum lehnt fast jeder Dritte eine Hilfe ab, die ihm zustünde?
Von Thorsten Fuchs
Hannover. Erst mal verkaufte sie ihre Eheringe. Sie hing an den Ringen, natürlich, sie und ihr Mann hatten diese ja ihr Leben lang getragen. „Aber was“, fragt Johanna I., „sollte ich denn machen?“
Als Nächstes löste sie die Konten für die Enkel auf. Sie sind ja noch klein, sagte sie sich, sie könne ja später wieder etwas sparen. Sie aß tagelang mittags nur Kartoffeln mit Soße, trug weiter die längst fadenscheinigen Pullover und schlief in ihrem durchgelegenen Bett. Die 71-jährige Johanna I. sparte selbst da, wo es eigentlich schon längst nichts mehr zu sparen gab. Zum Amt zu gehen, erzählt die frühere Verkäuferin aus Hannover, das sei ihr gar nicht in den Sinn gekommen.
„Mir liegt das halt nicht so“, sagt sie mit leiser Stimme. Was ihr nicht so liegt, spricht sie gar nicht erst aus, so unangenehm ist es ihr. „Das“, das heißt: um Geld zu bitten. Sich in die Schlange der Bedürftigen einzureihen. Seine Not einzugestehen.
Johanna I. lebt im sechsten Stock eines Wohnblocks am Rand der niedersächsischen Landeshauptstadt. Dass sie arm ist, hat sie jahrelang nach Kräften verborgen. Ihre Rente reichte gerade, um die Raten für die Bestattung ihres Mannes abzustottern. Sozialleistungen hat sie dennoch nie beantragt. Warum nicht? Vielleicht, sagt Johanna I., weil sie sich an das alte Leben noch erinnere. An jenes Leben, in dem ihr Mann sein kleines Unternehmen hatte, Gebäudereinigung. Manchmal machten sie Urlaub in Florida. „Das kann man doch nicht einfach abstreifen“, sagt sie über das alte Leben.
Das Wort „Scham“ spricht sie nicht aus. Aber es schwebt über allem, was sie erzählt. Und diese Scham ist wohl auch eine wichtige Erklärung für jene Zahl, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung jetzt veröffentlicht hat: Demnach verzichtet mehr als jeder Dritte, der eigentlich einen Anspruch auf Hartz IV der generell Sozialleistungen hätte, darauf, diesen Anspruch auch anzumelden. Zwischen 3,1 und 4,9 Millionen Menschen, so besagt es eine neue Studie des Instituts, leben in Deutschland in sogenannter verdeckter Armut. Es ist fast wie Sozialmissbrauch, nur anders herum: Den Menschen steht Geld zu – sie holen es nur nicht ab.
Marlis Winkler gehört zu jenen, denen dieses Phänomen wohlbekannt ist – und doch steht sie ihm hilflos gegenüber. Gerade am Morgen hatte die Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Syke-Hoya/Grafschaft Diepholz Besuch von einer jungen Mutter, die dabei ist, sich vom Vater ihres Kindes zu trennen. Auf den Vorschlag, demnächst beim Jobcenter Arbeitslosengeld II zu beantragen, reagierte sie, vorsichtig gesagt, eher ablehnend. „Ist das da, wo immer die langen Schlangen stehen?“, frage sie entsetzt. Es ist unklar, ob und wann sie diesen Antrag stellen wird.
„Mit wenig Geld zu Aldi oder kik zu gehen, das ist für die meisten noch in Ordnung“, sagt Winkler. „Aber wer zum ersten Mal zum Sozialamt oder zur Tafel geht, der fühlt sich oft, als gehöre er jetzt zur anderen Seite.“ Zur Seite der Armen.
Winkler hat sich mit der verdeckten Armut in Niedersachsen intensiv beschäftigt. Am Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD in Hannover hat sie in einer Studie die Armut auf dem Land untersucht. Die Ergebnisse bergen für das Flächenland Niedersachsen nichts Beruhigendes: „Die Dunkelziffer der Armut ist im ländlichen Raum noch größer als in der Stadt.“
Die Erklärung wirkt nur auf den ersten Blick paradox: Es ist gerade die Nähe der Menschen zueinander, ihre Bekanntheit untereinander, die sie davon abhält, sich als arm zu offenbaren. In den Interviews, die sie unter anderem in Ostfriesland, im Kreis Cuxhaven und im Wendland führte, hörte Winkler jedenfalls immer wieder Sätze wie diesen: „Ich kann nicht zum Amt gehen! Da sitzt schließlich der Schwager von unserem Nachbarn, und der kennt mich doch.“ Was sonst ein Vorteil des Lebens auf dem Dorf ist, erschwert hier die Hilfe.
Daneben kennt Winkler aber auch noch einen weiteren Grund für den Verzicht auf Hartz IV: die sprachlichen und bürokratischen Hürden. Rund 700 Änderungen hat das Sozialgesetzbuch II seit seiner Einführung 2005 erfahren. Für den Laien bliebt vieles rätselhaft: „Da ist vieles unverständlich und abschreckend.“
Die Informationen über Hartz IV müssten verständlicher werden, fordert sie. Aus Sicht von Sebastian Böstel, Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Niedersachsen, reicht dies jedoch längst nicht. Für ihn folgt aus den Zahlen zur verdeckten Armut vor allem eines: eine Erhöhung des Hartz IV-Satzes.
Tatsächlich birgt die Studie des IAB auch politische Brisanz. Der Grund ist die Art, wie der Hartz IV-Satz berechnet wird. Als Maßstab gelten im Moment die Ausgaben der untersten 20 Prozent der Bevölkerung. Die Hartz IV-Bezieher werden dabei nicht berücksichtigt – diejenigen, die Hartz IV beantragen könnten, es aber nicht tun, werden jedoch mit hineingerechnet. Ihr niedriges Einkommen drückt so den Hartz IV-Satz nach unten.
Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Praxis bereits kritisiert und eine „Verfälschung der Datenbasis“ bemängelt – und so tut es nun auch der Vertreter des Paritätischen Verbandes. Für ihn ist deshalb folgerichtig: „Die Sätze müssten eindeutig steigen.“ Die Bundesregierung lehnt eine Änderung der Berechnungsart jedoch ab – und damit auch die Erhöhung.
Johanna I., die frühere Verkäuferin aus Hannover, hat sich inzwischen überwunden. Als sie längst schon Schulden drückten und sie auch die Raten an den Bestatter nicht mehr bezahlen konnte, wandte sie sich schließlich doch an das Sozialamt.
Die 71-Jährige hat Hilfe erhalten. Sie hat ein anderes Bett – und nun immerhin wieder das Geld, um mit der Stadtbahn die Enkel zu besuchen. Ganz geheuer ist ihr das alles aber nicht. „Es ging halt nicht mehr anders“, sagt sie. Noch immer klingt sie dabei, als würde sie sich für den Gang zum Amt am liebsten entschuldigen.
Zu diesem Artikel ist ein Leserbrief erschienen von Wolfgang Zerulla, HAZ vom 11.07.2013, S. 16:
Dass Anspruchsberechtigte aus Scham die ihnen zustehenden Hilfen nicht in Anspruch nehmen, dürfte ein seltener Fall sein. Auf dem Dorfe, wo jeder jeden kennt und es sich herumspricht, dass der Nachbar zur ARGE geht, mag das noch zutreffen. Die Aussagen von Hern Walwei treffen das Problem schon eher: Viele, vor allem ältere oder weniger gebildete Bürger scheuen vor dem Papierkram zurück oder wissen nicht, dass ihnen Leistungen zustehen. Tatsächlich gibt es in unserem Sozialsystem so viele unterschiedliche Töpfe, nach Aussage von Familienminsterin Schröder allein 136 für Kinder, dass selbst Experten kaum durchblicken.
Ein von den Betroffenen häufig genannter Grund wird im Artikel jedoch nicht erwähnt: die Furcht vor Repressionen und herablassende, menschenunwürdige Behandlung durch die Behörden beziehungsweise deren Mitarbeiter. Diese Repressionen haben leider System: Empfängern von Transferleistungen werden die berechtigten Ansprüche unter fadenscheinigen Begründungen gekürzt - auf Anweisung von ganz oben. Den Mitarbeitern der ARGE werden Vorgaben gemacht, wie viel Geld sie einzusparen haben, egal wie. Hunderttausende Verfahren vor den Sozialgerichten, die seit der Einführung der Hartz-Gesetze von den Betroffenen gewonnen wurden, sprechen eine klare Sprache.
Unser Sozialsystem ist nicht nur teuer und kompliziert. Es ist auch repressiv und menschenverachtend.
HAZ vom 03.07.2013, S. 5:
Wieder anonyme Spende in Braunschweig
Braunschweig (lni). Einen Umschlag mit 1.000 Euro hat ein anonymer Spender dem Naturhistorischen Museum in Braunschweig in den Briefkasten geworfen. Die 50-Euro-Scheine waren in einen Artikel der "Braunschweiger Zeitung" eingeschlagen. "Das Geld wird vermutlich in eine Sonderausstellung zum Jura-Meer fließen", sagte Museumsidrektor Ulrich Joger am Dienstag.
Im November 2011 war das Museum von einem anonamyen Spender bereits mit 10.000 Euro bedacht worden. Joger vermutet, dass es diesmal ein anderer Spender war. "Es scheint sich in Braunschweig eine besondere Art der Spendenkultur entwickelt zu haben." Mit Summen von bis zu 10.000 Euro sind in den vergangenen zwei Jahren mehr als 200.000 Euro für soziale und museale Einrichtungen, für den Denkmalschutz oder an Einzelpersonen anonym gespendet worden. Stets lag ein Zeitungsartikel bei, der auf den gewünschten Zweck hinwies.
HAZ vom 26.06.2013, S. 8:
Gefundenes Fressen
Wer Lebensmittel aus einem Müllcontainer nimmt, ist nicht unbedingt ein Dieb
Von Janou Müller-Beuermann
Aachen. Zwei junge Leute, die sich Lebensmittel aus dem Müllcontainer eines Supermarkts geholt haben sollen, werden dafür nicht bestraft. Das Landgericht Aachen stellte den Prozess am Dienstag überraschend ein. Der Leiter des Supermarktes hatte gegen die beiden 21 und 28 Jahre alten mutmaßlichen Täter Strafantrag gestellt. Ein Gericht hatte sie in erster Instanz wegen Diebstahls und Hausfriedensbruchs zu Geldstrafen verurteilt. Die Supermarktkette ließ den Vorwurf des Hausfriedensbruchs im laufenden Berufungsverfahren aber fallen. Der Diebstahl allein sei zu geringfügig, um das Verfahren fortzuetzen, stellte der Vorsitzende Richter daraufhin am Dienstag fest. Dem stimmten alle Beteiligten zu.
Die Angeklagten sollen die entsorgten Lebensmittel vom umzäunten Gelände des Supermarktes mitgenommen haben. In erster Instanz hatte das Amtsgericht Düren die jungen Leute zu 70 beziehungsweise 20 Tagessätze à zehn Euro verurteilt. Die Staatsanwaltschaft und auch die beiden Angeklagten legten Berufung ein. Die Verfahrenseinstellung in zweiter Instanz quittierten die jungen Leute mit lautem Jubel. Voraussetzung für eine Einstellung während des Verfahrens sei eine geringe Schuld, fehlendes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung und die Zustimmung aller Prozessbeteiligten, erläuterte Grichtssprecherin Daniela Krey. Die Einstellung sei nicht richtungweisend für andere Fälle des sogenannten Containerns. "Es kommt immer auf den Einzelfall an, auf Person und Tat."
Beim sogenannten Containern holen Menschen entsorgte Lebensmittel aus Abfallbehältern von Supermärkten oder Fabriken, um sie selbst zu nutzen. Die Lebenmsittel werden weggeworfen, weil sie nicht ganz makellos sind oder ihr Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Leuten, die "containern", geht es weniger darum, kostenlos an Lebensmittel zu kommen. Viel stärker kommt auf ihren Internetseiten als Begründung der Protest gegen Wegwerfmentalität und Überflussgesellschaft zum Tragen. Ein Großteil der Szene setze sich aus Studentenkreisen verschiedener Großstädte zusammen, stellt die Internetseite www.dumpstern.de fest. Es sei eine Subkultur entstanden mit Kochbüchern, Szenebegriffen oder gemeinsamen Essensaktionen. Containern könne rechtlich als Diebstahl gewertet werden. In den seltensten Fällen finde sich aber ein Polizeibeamter, der eine Anzeige zu Protokoll bringe. Trotzdem kommt es vereinzelt zu Gerichtsverfahren wegen Diebstahls und Hausfriedensbruchs.
HAZ vom 05.06.2013, S. 15:
Die Großzügigen
Einmal im Jahr verschenken Marion und Karl-Heinz Paschen Fahrräder an bedürftige Kinder. Wer ist das Ehepaar, das sich so spendabel zeigt?
Von Julia Pennigsdorf
An ihr erstes Fahrrad erinnert sich Marion Paschen noch genau. "Wunderschön war es", sagt sie, "mit einem auberginefarbenen Rahmen. Es war gebraucht und hatte weder Licht noch Gangschaltung, aber das spielte für mich keine Rolle." Ist es vielleicht diese nostalgische Kindheitserinnerung, die, als es um die Frage ging, womit man bedürftigen Kindern eine Freude machen könnte, dazu führte, dass die Wahl auf Fahrräder fiel? Marion Paschen zieht die Schultern hoch und lacht. "Gute Frage", sagt sie, "das weiß ich gar nicht mehr genau."
Auch Karl-Heinz Paschen grübelt. Er sitzt mit seiner Frau auf dem modernen Sofa in seinem Wohnzimmer im Einfamilienhaus im Laatzener Ortsteil Rethen, blickt über die Terrasse mit den dunklen Granitsteinen in den gepflegten Garten und sagt schließlich: "Wir wollen Kindern, die es nicht so gut haben, eine Freude machen. Und so ein eigenes Rad ist doch eine tolle Sache in dem Alter - damals wie heute. Außerdem fahren wir selber leidenschaftlich gern Rad."
Bereits seit neun Jahren kaufen die Paschens Kinderräder in den verschiedensten Größen und verschenken sie an bedürftige Familien. Angefangen haben sie mit zehn, in diesem Jahr waren es 25. Kostenpunkt insgesamt: 6.000 Euro. Die Räder werden über das Diakonische Werk Hannover verteilt. 58 Anträge auf eine Fahrradspende verzeichneten die Sozialarbeiter dieses Mal. Das Los musste entscheiden, welche Familie eines der nagelneuen Räder mit nach Hause nehmen durfte.
Woher kommt diese Großzügigkeit? Karl-Heinz Paschen lächelt und schweigt. Wieder so eine schwierige Frage. "Sollte das nicht selbstverständlich sein, wenn es einem gut geht?", scheint sein Blick zu sagen. Er schaut seine Frau an. "Wir waren immer sozial eingestellt", sagt diese zögernd. "Ja", ergänzt ihr Mann. "Das Leben hat es gut mit uns gemeint. Da ist man dankbar, und man hat eben auch das Gefühl, ein Stück zurückgeben zu wollen."
Schon oft haben Paschens gespendet, meist an das Diakonische Werk, dem sie sich sehr verbunden fühlen - auch größere Sumen. Vor allem für Projekte, die älteren Menschen und Kindern helfen und die in ihrer Nähe sind, engagieren sich die beiden 63-Jährigen seit Langem. Suppenküchen, pädagogische Mittagstische für Schüler, Weihnachtswunschbäume für bedürftige Kinder - die Liste der von ihnen unterstützten Projekte ist lang. Auch die HAZ-Weihnachtshilfe ist dabei.
Die Idee mit den Fahrrädern reifte in der Zeit vor ihrem Ruhestand. 42 Jahre lang betrieben Paschens erfolgreich eine Zeitarbeitsfirma. Ihr Ziel war es, mit 58 Jahren in Rente zu gehen, und das haben sie auch getan. "Wir wollten einfach noch ausreichend Zeit haben, unser Leben zu genießen", sagt Marion Paschen. Das Personaldienstleistungsunternehmen verkauften sie, wie ihr Mann es vorsichtig formuliert, zu einem guten Preis.
Es gab also wieder eine glückliche Fügung im Leben des Elektrotechnikers und der Bürokauffrau. Eine Fügung, die es dem sportlichen Paar ermöglicht, sich auch als Rentner Wünsche zu erfüllen. Aber eben auch eine Fügung, die die Eltern einer erwachsenen Tochter und Großeltern zweier Enkel dazu animierte, sich noch stärker als bisher sozial zu engagieren. "Das sind sehr emotionale Momente, wenn die Kinder ihre Fahrräder in Empfang nehmen", sagt Marion Paschen. "Es ist aufregend und schön, nicht nur für die Kinder, auch für uns."
Erst neulich erhielten sie Post von einem Mädchen, dem sie ein Fahrrad geschenkt hatten. Auch ein Foto war beigefügt, das die Schülerin bei einem Ausflug zeigte. Dazu ein paar Dankeszeilen. "Da freut man sich natürlich sehr", sagt das Ehepaar wie aus einem Mund.
Marion und Karl-Heinz Paschen verstehen, ihr Leben zu genießen. Sie fahren häufig auf ihre Lieblingsinsel Juist, im Garten weht sogar eine Flagge der Nordseeinsel. Immer freitags gehen sie auf den Markt am Fiedelerplatz zum Bumeln, Einkaufen und Cappuccino trinken. Sie schnallen sich ihre Räder auf den Dachgepäckträger und fahren ans holländische Ijsselmeer oder spontan zur Apfelblüte ins Alte Land. Zweimal in der Woche geht es in ein Fitnessstudio, Gemüse und Obst stammen aus dem eigenen, kleinen Bauerngarten am Haus.
"Wir wollen gesund bleiben", sagt die Frau mit dem hellen Kaschmirpullover und der Perlenkette und betont: "Wenn Sie über uns in der Zeitung schreiben, dann geht es dabei nicht um uns. Wir hoffen nur immer auf Nachahmer. Es gibt doch sicher noch viel mehr Menschen, die spenden und sich sozial engagieren könnten."
HAZ vom 16.05.2013, S. 17:
Obdachlosenheim wird ausgebaut
(asl). Die Stadt erweitert die Containerunterkunft für Obdachlose am Burgweg. Weitere Module sollen angebaut werden, sodass sich die Zahl der Wohnplätze fast verdoppelt. Mehr als 60 Wohnungslose sollen künftig in den Containern untergebracht werden. Damit reagiert die Stadt auch auf die gestiegene Zahl von Zuwanderern aus Osteuropa, die sich zum Teil als Wohnungslose melden. Zwar stimmten gestern mehrere Ratsgremien für die Erweiterung, die CDU kritisierte aber, dass auf eine Massivbauweise verzichtet werde. "Die Anlage ist angemessen", meinte Baurat Uwe Bodemann.
HAZ vom 14.05.2013, S. 12:
Neue Chefin für den Kirchenladen
Von Simon Benne
Pfarrer Hoffmann verlässt ka:punkt nach zwölf Jahren
Seine ganz persönliche Abschiedsbilanz fiel gut aus - und ein wenig wehmütig: "Ich habe hier jeden Tag genossen", sagt Thomas Hoffmann. Im November 2000 hatte der Pfarrer den katholischen Kirchenladen ka:punkt in der Grupenstraße mitbegründet. Dieser vereint unter einem Dach Beratungsangebote für Menschen mit Sucht- oder Eheproblemen, ein Café mit moderaten Preisen und ein Veranstaltungszentrum für Kabarett, Konzerte und Ausstellungen. Das damals neuartige Konzept ging auf, die Besucherzahlen sind über fast 13 Jahre kontinuierlich gestiegen: "Ich habe hier eine Kirche auf Expansionskurs erlebt", sagt Hoffmann.
Jetzt verlässt der ka:punkt-Leiter Hannover: Im "überpfarrlichen Personaleinsatz" wird der Priester künftig in vier Gemeinden in Wolfsburg und Gifhorn tätig sein. Seine Nachfolgerin wird die Pastoralreferentin Jutta Johannwerner, die selbst schon seit vier Jahren im ka:punkt-Team mitarbeitet: "Wir wollen hier Menschen ein Angebot machen, die keine klassischen Kirchgänger sind", sagt die 55-jährige Hildesheimerin, die lange als Gefängnisseelsorgerin gearbeitet hat.
In einer Feierstunde zur Stabübergabe bekam der bekennende Hannover-96-Fan Hoffmann manche Witzelei über seine künftige Wirkungsstätte Wolfsburg zu hören. "Ich bin gespannt, wie du diese Spannung aushalten willst", sagte Propst Martin Tenge. Hoffman antwortete diplomatisch: "Ich wünsche den Wolfsburgern, dass sie Vizemeister werden - was übrig bleibt, ist für uns."
HAZ vom 14.05.2013, S. 11:
Clemenskirche erhält anonyme Spende über 6000 Euro
Von Felix Harbart
Den ersten hannoverschen Fall gab es in der Lister Apostelkirche, dann folgte die Südstädter Pauluskirche. Jetzt ist auch die Clemenskirche mit einer anonymen Spende bedacht worden. Ein Umschlag mit 6000 Euro lag dort in der Post.
Hannover-Mitte. So wird aus anonymen Spenden mehr und mehr eine schöne Mode. In Braunschweig haben Unbekannte inzwischen weit mehr als 120.000 Euro in verschiedenen Briefkästen deponiert, in der Lister Apostelkirche fanden sich im März 700 Euro und in der Südstädter Pauluskirche im Mai 2012 gleich 1000. Warum jemand unerkannt Gutes tut? „Ich weiß das nicht zu deuten“, sagt Beckmann.
Die hannoversche Diakonia St. Clemens besteht seit 1974. „Mitglieder haben wir nur rund 30, aber wir bekommen immer wieder Spenden von außen“, sagt Beckmann. Von dem Geld profitieren soziale Projekte vor der Haustür, manchmal gehen auch Beträge an die Erdbebenopfer von Haiti oder die Flutopfer von Pakistan. „Aber mit Summen wie dieser arbeiten wir hier sonst gar nicht“, sagt Beckmann.
Unnötig zu sagen, dass er rechtschaffen baff war, als er das Geldbündel in dem schmucklosen Umschlag fand. „Ich habe als erstes den Propst informiert, der sich sehr gefreut hat.“ Dann ist Christfred Beckmann zur Bank gegangen, hat den Betrag eingezahlt und die Gelder überwiesen: 3000 Euro für die Essensausgabe von katholischer und evangelischer Kirche, 3000 Euro für die Straßenambulanz der Caritas.
Und wo er schon mal dabei ist, erinnert Beckmann gleich noch an das Kinder- und Jugendzentrum in Südafrika, das sie jetzt unterstützen wollen. Spender dürfen auch ruhig ihre Namen nennen.
HAZ vom 26.04.2013, S. 6:
Gemeinde will keine Spenden für arme Kita-Kinder
Harburg (epd). In der Samtgemeinde Hollenstedt bei Harburg tobt derzeit ein bizarrer Streit. Der Verein "Kaufhäuser mit Herz" will in der Samtgemeinde das Mittagessen für bedürftige Kinder zahlen, deren Eltern dafür nicht das nötige Geld aufbringen können oder wollen. Allerdings will der parteilose Samtgemeindebürgermeister Uwe Rennwald diese Spende nicht - aus prinzipiellen Erwägungen. Denn er hatte die Eltern aufgefordert, die säumingen Beträge zu zahlen: "Kein Kind muss hungernd den anderen Kindern beim Essen zusehen. Aber im Extremfall müssen Kinder säumiger Eltern die Einrichtung dann vor dem Essen verlassen", sagte er am Donnerstag dem epd. Der Vereinsvorsitzende Volker Schulz reagierte empört: "Politik darf nie auf dem Rücken von Kindern ausgetragen werden."
Die kommunale Kita nimmt 2,80 Euro für ein Mittagesen. Sozialschwache Familien zahlen einen Euro und können dieses Geld als Zuschuss beim Landkreis beantragen. Bürgermeister Rennwald sagte, es gehe darum, den Druck auf Eltern zu erhöhen, die trotz Mahnungen und Anrufen die Beiträge nicht zahlen. "Wir sprechen über wenige Einzelfälle." Im vergangenen Jahr seien 1.700 Euro nicht gezahlt worden. Nach weiteren Mahnungen hätten die meisten Eltern das Geld überwiesen. "Nun fehlen nur noch ein paar Hundert Euro. "
HAZ vom 24.04.2013, S. 18:
Kostenlose Behandlung im Zahnmobil
"Hilfe mit Biss" zieht nach einem Jahr positive Bilanz
Von Veronika Thomas
Das vor einem Jahr gestartete "Zahnmobil - Hilfe mit Biss", das Wohnungslose und Menschen ohne Krankenversicherung kostenlos behandelt, zieht eine durchweg positive Bilanz. 460 Patienten ließen sich innerhalb des ersten Jahres von den ehrenamtlichen Zahnärzten behandeln, dabei wurden unter anderem 216 Zähne gezogen, 466 Zähne neu verfüllt, Zahnersatz repariert und neue Prothesen angefertigt. "Die Zähne unserer Patienten sind in einem katastrophalen Zustand", berichtete die Zahnärztin Ingeburg Mannherz, die die rollende Zahnarztambulanz gemeinsam mit ihrem Mann Werner Mannherz initiiert hat; Träger ist das Diakonische Werk. 40 Prozent aller Patienten sind nicht krankenversichert, die Mehrheit von ihnen kommt aus Osteuropa, in Einzelfällen auch aus Griechenland und Spanien.
25 ehrenamtliche Zahnärztinnen und Zahnärzte und 26 Fahrer und Fahrerinnen sind an drei Wochentagen für die Bedürftigen im Einsatz; sechs Wohnungsloseneinrichtungen wie der Kontaktladen "Mecki" werden wöchentlich angefahren. Die jährlichen Ausgaben von rund 58.000 Euro für Personal (Zahnarzthelferinnen, Buchhaltung) und Sachkosten übernehmen zu einem Teil die Krankenkasse AOK, die Region Hannover und die Sparkasse, der große Rest wird durch Spenden und Stiftungen finanziert. "Das Projekt ist gut gestartet", bilanzierte Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes. De schlechte Nachricht sei, dass das Zahnmobil weiterhin notwendg sein werde
NP vom 20.04.2013, S. 19:
Obdachloser darf schon bald in Therapie
Richter und Gutachter sehen nach Schocktat im Männerwohnheim positive Entwicklung beim Verurteilten
Von Annette Rose
HANNOVER. Ein Obdachloser (32), der im September 2011 im Männerwohnheim an der Schulenburger Landstraße einen Mitbewohner (45) grausam tötete, musste jetzt erneut vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft sah den alkoholabhängigen Mann, der sein Opfer bei lebendigem Leib aufgeschlitzt und ihm den Darm aus dem Körper gezogen hatte, nach dieser Schocktat als nicht therapiefähig an - und hatte Revision gegen das Urteil eingelegt, das auf zehn Jahre Haft und Einweisung in eine Entziehungsanstalt lautete. Der Bundesgerichtshof (BGH), der die Haft bestätigte, ordnete die Überprüfung der Einweisung an. Die Bundesrichter hatten Bedenken, der Ansicht der Ankläger ohne neue Überprüfung zu folgen. Denn wenn es nach deren Wilen gegangen wäre, wäre Jörk. A. nach Verbüßung seiner Strafe unbehandelt wieder auf die Menschheit losgelassen worden. Im neuen Urteil hat jetzt das Landgericht die Therapiefähigkeit "ohne Bedenken" bestätigt, so Richter Wolfgang Rosenow. Jörk A. überraschte ein Jahr nach seiner Verurteilung in diesem neuen Prozess nicht nur seinen Gutachter, sondern auch den Anwalt der Opfer-Familie. Er arbeitet seit der Inhaftierung in der JVA Sehnde, treibt fast täglich Sport und hat sich aus eigener Initiative einer Gruppe anonymer Alkoholiker angeschlossen. Er sei ruhiger geworden. "Es geht mir besser", erklärte er den Richtern.
2012 hatte ihn der psychiatrische Gutachter als gestörte Persönlichkeit beschrieben. Hauptursache sei der extreme Alkoholkonsum. Zur Tat hatte der Obdachlose ähnlich wie sein Zechkumpan, der ihn sexuell belästigt haben soll, mindestens 3,5 Promille.
Er habe heute keine Zweifel daran, dass A. therapiefähig und therapiewillig sei, so Gutachter Andreas Tänzer im neuen Prozess. Der Verurteilte werde mit den vom Bundesgerichtshof für eine Therapie vorgegebenen zwei Jahren auskommen. Das Limit von zwei Jahren gilt als Indiz für Erfolgsaussicht.
Vor der Behandlung muss der Täter drei Jahre Haft verbüßen, so die Richter. Danach kommt vermutlich betreutes Wohnen. Sein Mandant sei dazu bereit, sagte Verteidiger Holger Nitz, "selbst dann, wenn man ihm sein ganzes Geld wegnimmt und zuteilt".
HAZ vom 02.04.2013, S. 11:
"Oskar des Ehrenamts" zu vergeben
Von Jan Sedelies
Das Freiwilligenzentrum Hannover ehrt gemeinsam mit der HAZ-Redaktion und der Hannover-Stiftung der Sparda-Bank besonders engagierte Freiwillige, ehrenvolle Initiativen und Unternehmen mit Vorbildfunktion. Noch bis Ende des Monats können Vorschläge für mögliche Preisträger eingereicht werden. Verliehen wird der "Leinestern", eine Bronzeskulptur der Künstlerin Ulrike Enders. "Der "Leinestern" ist der Oskar des Ehrenamts", sagt Johannes Janke, Vorstandsvorsitzender des Freiwilligenzentrums. Die Gewinner werden im Rahmen einer feierlichen Gala geehrt.
Den Preis gibt es seit 2009, er wird jetzt zum dritten Mal ausgeschrieben. "Wir wollen Glanzlichter auszeichnen, Menschen in ihrem Tun bestätigen und weitere Menschen für die Freiwilligenarbeit motivieren", sagt Janke. Ohne das Ehrenamt würde das Gemeinwesen gar nicht mehr funktionieren. "Das kann aber auch nicht heißen, dass das Ehrenamt die Aufgabe des Staates übernimmt und zum Lückenbüßer wird", merkt Janke kritisch an. Susanne Kubina von der Sparda-Bank ergänzt: "Wir wollen Menschen unterstützen, die mithelfen und mitgestalten."
Der "Leinestern" wird in insgesamt drei Kategorien vergeben:
- "Freiwillige/r des Jahres": Gesucht werden Einzelpersonen, die sich besonders engagieren
- "Projekt des Jahres": Hier geht es um Initiativen, die sich wichtiger gesellschaftlicher Probleme annehmen
- "Unternehmensengagement": Gesucht werden Firmen, die sich vorbildlich für die Belange der Bürger einsetzen.
Vorschläge für den Preis kann jeder einreichen, ehrenamtlich Engagierte dürfen sich auch selbst vorschlagen. Die Sieger kürt eine Expertenjury, in der unter anderem Janke sitzt, aber auch der ehemalige Herausgeber des "Asphalt"- Magazins, Walter Lampe, Museumsdirektor und Galerist Robert Simon, Kulturexpertin Barbara Krüger und Volker Goebel, Leiter der HAZ-Lokalredaktion. Wer Freiwilliger des Jahres wird, dürfen dann die Leser der HAZ per Abstimmung entscheiden. Zunächst einmal aber werden Vorschläge gesucht, die noch bis Ende des Monats angenommen werden. Die Bewerbungsunterlagen sind auf der Internetseite www.fwzh.de zu finden, speziell für die Kategorie "Freiwilliger des Jahres" auch auf www.haz.de.
Im Jahr 2011 wurde der Geophysiker Karlheinz Rauch, ein fleißiger Hausaufgabenhelfer, gekürt. Insgesamt gab es 90 Bewerber. Janke hofft auf noch mehr Resonanz in diesem Jahr - für den Preis und die Freiwilligenarbeit. "Mit einem Ehrenamt gibt man das Wertvollste, was man geben kann: Lebenszeit. Das wollen wir honorieren."
HAZ vom 28.03.2013, S. 2:
Jeder Sechste von Armut bedroht
Im EU-Vergleich belegt Deutschland einen Mittelplatz - hinter fast allen Nachbarstaaten
Von Gabi Stief
Berlin. Kaum hat die Bundesregierung ihren Streit um den Reichtums- und Armutsbericht beigelegt, da sorgen die Brüsseler Statistiker nachträglich für ein wenig Nüchternheit in der Debatte. Bei der Frage, wie groß die Armutsrisiken eines Landes sind, belegt Deutschland im europaweiten Vergleich einen Mittelplatz, 1,1 Prozentpunkte besser als der Durchschnitt. Allerdings stehen Deutschlands Nachbarstaaten in der am Freitag vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden veröffentlichten Auswertung weitaus passabler da. Die Tschechische Republik weist die niedrigste Quote auf - 9,8 Prozent der dortigen Bevölkerung waren 2010 armutsgefährdet, in Deutschland waren es dagegen 15,8 Prozent, also etwa jeder sechste Einwohner.
Als armutsgefährdet gilt in der Definition des europäischen Statistikamtes Eurostat eine Person, deren Einkommen nach Einbeziehung staatlicher Unterstützungsleistungen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens des jeweiligen Landes beträgt. In Deutschland lag die Armutsschwelle für einen Single 2010 bei einem Jahreseinkommen von 11.426 Euro, beziehungsweise 952 Euro im Monat.
Das Einkommensniveau in den südosteuropäischen Ländern ist erwartungsgemäß deutlich niedriger; was wiederum auch die Armutsschwelle senkt. In Rumänien liegt sie bei 105 Euro im Monat für einen Alleinlebenden und ist damit die niedrigste in der EU, gefolgt von Bulgarien mit 145 Euro. In beiden Ländern war 2010 laut EU-Statistik mehr als jeder Fünfte von Armut bedroht - in Bulgarien 22,3 Prozent und in Rumänien 22,2 Prozent, gefolgt von Spanien (21,8 Prozent), Griechenland (21,4 Prozent) und Litauen (20 Prozent). In Kroatien, das in wenigen Monaten der EU beitritt, lag die Quote bei 21,1 Prozent. Im Krisenland Zypern bei nur 14,5 Prozent.
Die geringsten Probleme mit Armut haben neben Tschechien die Niederlande (11 Prozent), Österreich (12,6 Prozent) und Dänemark (13 Prozent). In Luxemburg galten 13,6 Prozent als arm, in Frankreich 14 Prozent und in Belgien 15,3 Prozent. Nur ein Nachbar Deutschlands schnitt schlechter als die Bundesrepublik ab: In Polen waren 17,7 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht.
Die EU-Statistiker ermittelten zudem das Ausmaß der Einkommensungleichheit eines Landes im Jahr 2010. In Deutschland hatte das obere Fünftel der Bevölkerung 4,5-mal so viel Einkommen (aus Erwerbsarbeit, Vermögen oder Alterseinkünften) wie das untere Fünftel zur Verfügung. Damit ging die Einkommensschere nicht so weit auseinander wie im EU-Schnitt, der bei einem Wert von 5,1 lag. Die größten Unterschiede wurden erneut in Spanien (6,8), Lettland (6,6), Bulgarien (6,5) registriert. Die geringsten in Slowenien (3,5), Schweden (3,6), Slowakei (3,8), Niederlande (3,8) und Österreich (3,8).
Die Sozialverbände bewerteten Deutschlands Abschneiden in der Brüsseler Statistik als schlecht. Angesichts der guten Konjunktur und mit Blick auf die direkten Nachbarn sei ein Mittelplatz nicht gut genug, kritisierten Vertreter von Paritätischen Wohlfahrtsverband, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt und Sozialverband VdK. "Wir haben eine Rekordarmutsgefährdung bei sinkenden Arbeitslosenzahlen. Das ist schon bedenklich", hieß es beim Paritätischen Verband.
HAZ vom 28.03.2013, S. 14:
Diakonie verlängert Winternothilfe
Obdachlose leiden unter extremer Kälte
Von Anne Grüneberg
Die Straßensozialarbeiter der Diakonie Hannover werden sich auch über den März hinaus um Obdachlose kümmern. Grund ist der ungewöhnlich strenge und lange Winter, unter dem besonders Wohnungslose leiden. In der Stadt seien sechs bis acht Personen bekannt, die trotz Aufforderung nicht in den Notunterkünften schlafen, sagt der Leiter der Wohnungslosenhilfe, Gottfried Schöne. Sie würden mit dem Nötigsten versorgt und erhielten medizinische Hilfe.
Deutschlandweit sind in diesem Winter bereits mindestens fünf Obdachlose erfroren. Am Dienstag fand ein Spaziergänger in Alfeld bei Hildesheim einen 66-jährigen Obdachlosen tot in einer Waldhütte. Am Kölner Hauptbahnhof erfor bereits in der Nacht zu Sonntag ein 56-jähriger wohnungsloser Mann, seine Begleiterin wurde stark unterkühlt ins Krankenhaus eingeliefert.
In Hannover hat die Wohnungslosenhilfe deshalb weiterhin unter der Nummer (0511) 9904015 ein Notfalltelefon geschaltet. Dort können Menschen anrufen, wenn sie einen Obdachlosen sehen, der Hilfe benötigt. Außerdem hält die Üstra am Kröpcke weiterhin die zentrale U-Bahn-Station geöffnet. Laut Sprecher Udo Iwannek übernachtet ein knappes Dutzend wohnungsloser Menschen dort. Die ökumenische Essensausgabe von Diakonie und Caritas kann derweil aus organisatorischen Gründen nur noch bis Ostern weitergeführt werden.
HAZ vom 28.03.2013, S. 5:
Obdachloser tot in Holzhütte gefunden
Ist 66-Jähriger erfroren? Obduktion angeordnet
Von Thomas Jahns und Christian Wolters
Alfeld. Ein Spaziergänger hat am Dienstagnachmittag einen 66-jährigen Obdachlosen tot in einer abbruchreifen Hütte unterhalb des Warbergs bei Alfeld (Kreis Hildesheim) gefunden. Wie der Mann ums Leben gekommen ist, steht nach Angaben der Polizei derzeit noch nicht fest. Möglicherweise ist er erforen. Sein Leichnam soll heute Mittag im rechtsmedizinischen Institut der Medizinischen Hochschule Hannover obduziert werden. Hinweise auf ein Gewaltverbrechen liegen nicht vor. Das Leben des Obdachlosen endete inmitten alter Decken, leerer Lebensmitteldosen, alter Bücher, Schuhe und Plastiktüten.
Nach Angaben der Polizei in Hildesheim hat ein Spaziergänger, der den Mann kannte, am Dienstagnachmittag nach ihm sehen wollen. Da sich der Obdachlose auf Rufe hin nicht meldete, schaute der 48-jährige Mann aus Alfeld im Innern der baufälligen Hütte nach. Dort entdecte er den leblosen Körper des Obdachlosen in einem Verschlag. Er war dick eingepackt in Decken und einen Schlafsack.
Der 48-Jährige informierte daraufhin Polizei und Rettungskräfte. Ein Notarzt konnte nur noch den Tod des 66-Jährigen feststellen.
Der Landstreicher stammt ursprünglich aus dem Bereich Freden und lebt schon seit Langem bei Alfeld. In der Hütte am Warberg hauste er ohne Strom und Wasser. Er versuchte offenbar, sich mit Decken gegen die Kälte zu schützen. Für die Menschen in seiner Umgebung soll er kein Unbekannter gewesen sein. Für das Alfelder Rechts- und Ordnungsamt, das Obdachlosen bei Bedarf eine Unterkunft zuweisen muss, stelle sich das aber anders dar, sagte gestern auf Anfrage Alfelds Bürgermeister Bernd Beushausen. Der Fall sei den Mitarbeitern der Stadt nicht bekannt gewesen. Der Mann habe sich nicht bei den Behörden gemeldet und um Hife gebeten, auch habe es keine Hinweise auf die Lage des 66-Jährigen gegeben, "Was da passiert ist, ist sehr bedauerlich", sagte der Bürgermeister.
HAZ vom 26.03.2013, S. 15:
Obdachlose sterben an Kohlenmonoxid
In einer Obdachlosenunterkunft in Uelzen sind ein Mann und eine Frau an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben. Ein Kohleofen im Zimmer der 41-Jährigen und seiner 54 Jahre alten Bekannten sei zu stark befeuert und nicht ausreichend gereinigt gewesen, teilt ein Polizeisprecher am Montag in Lüneburg mit. Deswegen hätten die giftigen Gase in das Zimmer strömen können. Der Hausmeister der Unterkunft hatte die beiden leblosen Bewohner am Sonntagmittag in ihrer Wohneinheit gefunden. Auch der alarmierte Notarzt konnte nur noch den Tod der beiden Uelzener feststellen. Die Polizei sprach von einem "tragischen fahrlässigen Selbstverschulden"..
HAZ vom 22.03.2013, S. 15:
Erste Hilfe
Von Veronika Thomas
Zwischen 5.000 und 7.000 Zuwanderer aus den neuen EU-Ländern Bulgarien und Rumänien, zumeist Roma, leben nach Angaben von Fachleuten in Stadt und Umland von Hannover. Sichtbar werden sie nur als Bettler in der City, die meisten von ihnen schlagen sich als Schwarzarbeiter durch.
Maria sitzt am Steintor und friert. Mit flehenden Blicken bettelt die 32-jährige Roma-Frau Passanten um Spenden an. Die meisten hasten nur vorüber. Nach etwa einer Stunde wird Maria völlig durchgefroren von einem Mitglied ihrer Familie an ihrem "Arbeitsplatz" abgelöst. Eigentlich sollte die Mutter von fünf Kindern, das erzählt sie zumindest, gar nicht auf dem kalten Boden sitzen, sondern gehörte ins Bett. Sie hat eine Bronchitis und zeigt die Medikamente, die sie von den Ärzten der Malteser Migranten Medizin erhalten hat. Es ist schlicht die Not, die Maria und eine Reihe weiterer Armutsflüchtlinge aus Bulgarien und Rumänien, zumeist Roma, dazu zwingt, in Hannovers Innenstadt zu betteln.
Das Gros der mittellosen Zuwanderer aus den neuen EU-Staaten Rumänien und Bulgarien hält sich mit Schwarzarbeit über Wasser. Einige von ihnen haben nach Beobachtungen von Fachleuten schon eine jahrelange Wanderung durch Europa hinter sich. Aufgrund der Wirtschaftskrise versuchen sie nun in Deutschland ihr Glück - häufig für Hungerlöhne von zwei, drei Euro etwa in Restaurants oder auf dem Bau. Andere musizieren auf der Straße oder gehen auf den Strich. "Manche haben auch sozialversicherungspflichtige Jobs", sagt Rose. Doch das seien wenige. Die weit verbreitete Meinung, Armutseinwanderer kämen nur, um mithilfe einer Gewerbeanmeldung Kindergeld zu kassieren, wird vom Jobcenternicht bestätigt. Es gebe zwar Gewerbeanmeldungen, aber das Jobcenter prüfe genau, ob tatsächlich eine selbstständige Arbeit ausgeübt werde oder diese tragfähig sei oder ob eine Scheinselbstständigkeit vorliege, sagt eine Sprecherin.
Sehr viele können es jedenfalls nicht sein. Bei der Agentur für Arbeit Hannover sind 185 bulgarische und 98 rumänische Familien registriert, die Kindergeld für insgesamt 451 Kinder beziehen. Für die ersten zwei Kinder gibt es jeweils 184 Euro, für das dritte 190 Euro und ab dem vierten Kind 215 Euro. Bei den Hartz-IV-Leistungen sind die Zahlen ähnlich niedrig. Im November 2011 bezogen 125 Bulgaren und 154 Rumänen Geld vom Jobcenter, im November 2012 waren es 423 Bulgaren und 225 Rumänen. Die Zahlen sagen allerdings nichts darüber aus, ob die Bezieher aufstockende Leistungen, Kosten für die Unterkunft oder den Regelsatz erhalten. Als Hartz-IV-Leistungsbezieher sind sie automatisch auch krankenversichert.
Die Stadt Hannover schätzt, dass zwischen 2.000 bis 3.000 so genannte Armutseinwanderer an der Leine leben, das "Forum für Sinti und Roma" spricht sogar von 5.000 bis 7.000 Menschen in Stadt und Umland von Hannover. Es ist offenbar nicht nur die Aussicht auf ein besseres Leben, dass sie ihre Heimat verlassen, sondern auch Repressalien, denen sie dort ausgesetzt sind. Samantha Rose berichtet, dass Roma in ihren Heimatländern Rumänien und Bulgarien, aber auch in Serbien, Albanien und dem Kosovo schon mal "totgeschlagen" würden. "Die Mehrheitsbevölkerung legt fest, wann die Roma ihre Slums verlassen dürfen." Hielten sie sich nicht an die festgesetzten Zeiten, gebe es Prügel. "In der Beratungsstelle hatten wir kürzlich einen Roma, der so misshandelt worden war, dass ihm ein Arm amputiert werden musste", erzählt Rose. Seine andere Hand sei völlig verkrüppelt gewesen.
Die Stadt versucht, auf den Zustrom der neuen EU-Bürger zu reagieren. "Diese Menschen halten sich hier legal auf, haben aber keinerlei Kenntnisse über unser Bildungs- oder Rechtssystem", stellt Sozialdezernent Thomas Walter fest. Der Haushalt 2013 sei gerade um zwei Stellen aufgestockt worden, um zwei City-Sozialarbeiter einzustellen. Sie sollen sich um die Zuwanderer bemühen. Außerdem will Walter die Malteser Migranten Medizin finanziell unterstützen, die pro Jahr durchschnittlich 1.000 Migranten und Menschen ohne Papiere behandelt, die Hälfte davon EU-Bürger aus Osteuropa. Die meisten seien nicht krankenversichert, die wenigsten geimpft, sagt Walter. "Wir erstellen gerade eine Drucksache, um die Malteser mit 60.000 Euro im Jahr zu fördern. Ich hoffe, dass sich die Region an den Kosten beteiligt." Im Gespräch ist die Stadt auch mit dem "Forum für Sinti und Roma", das Hilfskonzepte entwickeln soll.
Das ist das Minimalprogramm, das die Stadt zurzeit leisten kann. Hinzu kommen Wohnheimplätze, die jenen Zuwanderern zur Verfügung gestellt werden, die sich die Wuchermieten vieler Vermieter nicht leisten könnten und deshalb schon mal unter Brücken schliefen, wie Walter erzählt. Die Bundesregierung hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet, die darüber berät, wie den Städten geholfen werden kann. Geplant ist eine Änderung des EU-Strukturfonds, um die Lebensbedingungen der Menschen in ihren Heimatländern zu verbessern. "Wenn sie aber hier bleiben, dann brauchen die Städte EU-Mittel", fordert der Sozialdezernent.
Mehr Unterstützung wünscht sich auch Ulrike Strauch. Die Lehrerin an der Astrid-Lindgren-Schule in Badenstedt unterrichtet regelmäßig Kinder aus Rumänien und Bulgarien. "Unsere Schule war bereit, extra eine Förderklasse für diese Kinder einzurichten, aber sie kommen nur sehr unregelmäßig", bedauert Strauch. Deren Eltern hätten kein Bewusstsein dafür, wie wichtig Bildung für ihre Kinder sei. "Wir bräuchten eine zentrale Anlaufstelle für diese Kinder, weil die Sprachlernklassen immer überfüllt sind." Ulrike Strauch berichtet von einer 13-jährigen Schülerin, die wochenlang nicht zum Unterricht erschien. "Ich habe sie dann gesehen, bettelnd am Steintor, mit Tüchern zurechtgemacht wie eine alte Frau."
Um den EU-Zuwanderern zu helfen, plädiert das "Forum für Sinti und Roma", ihnen Sozialleistungen zu gewähren - verbunden mit klaren Auflagen: "Schulpflicht für die Kinder, Sprach- und Alphabetisierungskurse für die Eltern, Bewerbungstraining", zählt Samantha Rose auf. Bewerbungstraining? "Egal, was jemand gelernt hat, jeder sollte zumindest versuchen, einen Job zu finden, und wenn es nur ein kleiner Hilfsjob ist."
HAZ vom 21.03.2013, S. 13:
Koch aus dem Knast macht Kinder glücklich
Kostenloses Mittagessen für eine soziale Einrichtung
Von Tobias Morchner
Für den achtjährigen Leon und seine 15 Freunde vom Vinnhorster Kindertisch hat sich die Ernst-August-Galerie am Mittwoch in eine Art Schlaraffenland verwandelt. Im Restaurant "Play Off" durften sie sich ihr Lieblingsessen bestellen und verspeisen, bekamen Säfte, Kakao oder Wasser dazu und mussten für diese Mahlzeit nicht einen Euro ausgeben.
Der Vinnhorster Kindertisch, der sich seit zwei Jahren um bedürftige Schülerinnen und Schüler aus dem Stadtteil kümmert, war von einem der Köche der Sportsbar zu diesem Mittagessen eingeladen worden. Seit November 2012 grillt Fritz Schwede im "Play Off" Rippchen und Hamburger, schnippelt Salat und frittiert Pommes. Seit dieser Zeit ist der 49-jährige im offenen Vollzug der JVA Hannover untergebracht. Das heißt, er darf morgens seine Zelle verlassen, um arbeiten zu gehen, muss nach dem Ende seiner Schicht aber wieder in die Haftanstalt zurückkehren. Es ist die Vorbereitung auf die endgültige Entlassung in die Freiheit.
Schwede hat in seiner Vergangenheit "viel Blödsinn" gemacht, wie er es nennt. Er war Mitglied des berüchtigten Rockerklubs Gremium MC, wurde wegen Drogenhandels verurteilt. Jetzt will er sein Leben wieder in den Griff bekommen. Der Job in der Küche ist für den gelernten Koch der erste Schritt in diese Richtung. "Er hat beim Vorstellungsgespräch mit offenen Karten gespielt", sagt Sven Kaffke, der Geschäftsführer des Restaurants. Nach zwei Tagen Probearbeiten gab er Schwede den Job. "Jeder hat eine zweite Chance verdient, er hat sie genutzt, denn heute ist er mein Joker in der Küche", berichtet Kaffke.
Vom Vinnhorster Kindertisch hat Fritz Schwede noch vor seiner Verlegung in den offenen Vollzug erfahren. Denn die Küche der JVA HAnover liefert an vier Tagen in der Woche das Mittagessen für die soziale Einrichtung in der Nachbarschaft. "Wenn ich in die strahlenden Kinderaugen blicke, ist das für mich Ansporn weiterzumachen", sagt er. Den Kindern hat das spendierte Mittagessen sehr gut geschmeckt. Für einige von ihnen war es das erste Mal, dass sie ein Restaurant besucht haben. Zum Abschied gab es für die kleinen Gäste sogar noch eine Osterüberraschung. Fritz Schwede und sein Chef Sven Kaffke wollen den Kindertisch auch in Zukunft unterstützen. Für einen der nächsten Ausflüge werden die beiden Lunchpakete für die Kinder packen.
ANZEIGER-SPEZIAL Südstadt vom 21.03.2013, S. 6
Alnatura kommt in die Südstadt
Benefizaktion für Stadtprojekte und viele Überraschungen für Groß und Klein
In der List ist der vor eineinhalb Jahren eröffnete Alnatura Super Natur Markt eine beliebte Einkaufsadresse für Menschen in Hannover, denen leckere Bio-Produkte, gesunde Ernährung und Genuss wichtig sind. Seit heute kann sich die Landeshauptstadt über eine zweite Alnatura Filiale freuen: In der Südstadt finden die Kunden "An der Weide 27-31" auf rund 800 Quadratmetern ein umfang- und abwechslungsreiches Bio-Sortiment. In ganz Deutschland gibt es mittlerweile 76 Alnatura Super Natur Märkte von Hamburg bis Konstanz. 20 Arbeitsplätze entstehen in dem neuen Biosupermarkt, der montags bis sonnabends von 8 Uhr bis 21 Uhr geöffnet hat.
Anlässlich der Filialeröffnung veranstaltet Alnatura unter dem Namen "Alnatura Stadtprojekte" eine Benefizaktion zu Gunsten von drei gemeinnützigen Vereinen aus Hannover. An den ersten drei Eröffnungstagen können die Kunden durch Einwurf eines "Alnatura Spendentalers" in eine Spendenbox entscheiden, welche von diesen Orgsanisationen unterstützt werden soll. Alnatura will anschließend die Summe der Spendentaler in Euro umwandeln und den Initiativen die jeweilige Geldsumme überreichen. Mit dabei sind der NABU Hannover, das Kindertraumschiff, das sozial benachteiligten Kindern einen Zufluchtsort bietet, und das Kindertheaterhaus Hannover.
Zahlreiche weitere Aktionen begleiten die Eröffnungstage: An verschiedenen "Sinnesstationen" können die Besucher Bio-Lebensmittel erraten, schmecken und fühlen. Zu gewinnen gibt es ein exklusives Gazelle-Fahrrad, einen fertig gepackten Shopper mit Alnatura Produkten, Einkaufsgutscheine und Kochbücher. Auf die kleinen Besucher warten Luftballons und auf alle leckere Snacks zum Probieren.
Einladend und großzügig ist die Ladeneinrichtung bei Alnatura: Naturmaterialien, warme Farben und breite Gänge verstärken die angenehme Atmosphäre. Über 6.000 Bio-Produkte und Naturwaren sorgen für eine reichhaltige Auswahl, die einem "normalen" Supermarkt in nichts nachsteht.
Das breite Sortiment umfasst tagesfrisches Obst und Gemüse, vieles davon aus heimischem Demeter-, Bioland- oder Naturland-Anbau. Außerdem gibt es Brot und Backwaren vom Biobäckern und eine große Palette an Molkerei- und Trockenprodukten, zirka 120 Käsesorten und die dazu passenden Weine, exotische Spezialitäten, hochwertige Feinkost und viele Lebensmittel für die schnelle Küche. Und überall gibt es etwas zu probieren, denn so kann man sich am besten davon überzeugen, wie lecker Bio-Lebensmittel schmecken.
Abgerundet wird das Angebot durch eine große Abteilung mit Naturkosmetik und ein Sortiment speziell für Babys und Kinder, darunter auch Kleidung aus ökologisch angebauter, fair gehandelter Baumwolle.
Bio-Bauern wirtschaften im Einklang mit der Natur und leisten deshalb einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Der Öko-Landbau kommt ohne chemisch-synthetische Düngemittel und Pesitizide aus. Das spart Energie und verursacht damit weniger klimaschädliche Emissioen. Bio-Produkte stehen für einen nachhaltig sorgsamen Umgang mit der Natur. Sie sind "sinnvoll für Menschen und Erde" - der Leitgedanke von Alnatura seit über 28 Jahren.
In diesem Sinne engagiert sich Alnatura auch nachhaltig für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen: So besteht die Ladeneinrichtung in den Alnatura Filialen vorwiegend aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz, aus Natursteinfliesen und recycelten Materialien. Die Wände sind mit Naturfarben gestrichen, Glastüren vor den Kühlregalen sparen Energie.
Rezepte, Ernährungstipps und Informationen zum ökologischen Landbau gibt es auf der Website www.alnatura.de, im monatlich erscheinenden Kundenmagazin und in vielen Informationsbroschüren, die im Laden kostenlos erhältlich sind.
In allen Alnatura Super Natur Märkten gibt es wöchentlich wechselnde Angebote: Fast 30 Produkte -Bio-Lebensittel oder Naturkosmetik- sind regelmäßig eine Woche lang zu einem besonders günstigen Preis erhältlich. Neue Artikel werden oft zum Probenpreis angeboten. Und rund 300 Produkte, erkennbar an der blauen "Sparpreis"-Kennzeichnung sind sogar dauerhaft preisgünstig. Zusätzlich gibt es auf jeden Einkauf auch Payback-Punkte - pro Euro ein Punkt. Die gesammelten Punkte können in Wertschecks eingelöst und gleich für den Bio-Einkauf verwendet werden.
HAZ vom 15.03.2013, S. 8
Immer mehr Deutsche spenden
Bundesbürger gaben 2012 im Schnitt 29 Euro pro Jahr für wohltätige Zwecke
Von Nora Lysk
Berlin. Es sind die großen Katastrophen, die jedes Jahr die Spenden in die Höhe treiben. So halfen die Deutschen viel und gern, nachdem im März 2011 in Japan Hunderttausende Menschen nach dem verheerenden Erdbeben obdachlos wurden. Sie taten es auch, als nur wenige Monate später in Somalia eine Hungersnot ausbrach. 2012 aber haben sich die Deutschen mit finanziellen Hilfen zurückgehalten. Das Spendenaufkommen sank im Vergleich zum Vorjahr um zwei Prozent. 4,2 Milliarden Euro kamen dennoch zusammen.
Die Höhe der einzelnen Spende unterscheidet sich seit Jahren kaum: 29 Euro gibt jeder Spender im Schnitt. "2012 fehlten die großen Katastrophhen", sagte gestern Daniela Felser, Geschäftsführerin des Deutschen Spendenrates bei der Vorstellung der Bilanz des Jahres 2012 in Berlin. Jedes Jahr lässt der Deutsche Spendenrat die Bilanz des Vorjahres vom Marktforschungsinstitut GfK untersuchen. Am Ende sagen die Zahlenkolonen vor allem eines aus: Die Deutschen helfen gern. Am meisten geben sie Organisationen, die sich der humanitären Hilfe verschrieben haben. Auf sie entfielen im vergangenen Jahr 74,1 Prozent der Spenden. Auf den Kultur- und Denkmalschutz entfielen 7,8 Prozent. Dem Umweltschutz kamen 3,8 Prozent zugute, 5,8 Prozent wurden dem Tierschutz gewidmet.
Auch wenn die Gesamtsumme etwas geringer ausgefallen ist, die Zahl der Neuspender hat 2012 um 1,4 Millionen zugenommen. Vor allem jüngere Mnschen geben vermehrt Geld für gute Zwecke. "Das bedeutet in diesem Fall allerdings jünger als 60 Jahre", sagte Gertrud Bohrer von der GfK. Sie lassen sich von Tierschützern auf der Straße ansprechen, werfen nach dem Gottesdienst ein paar Münzen in die Kollekte oder antworten per Überweisung auf den Spenderbrief. Das Internet spielt noch keine große Rolle. Nur 3,2 Prozent gaben im vergangenen Jahr Geld, nachdem sie im Netz angesprochen worden waren.
Für Michael Hoppe gibt es noch einen weiteren Grund, warum die Spendenbereitschaft abnimmt. Der Gründer der Hamburger Stiftung Steps for Children berichtete von einem Grundmisstrauen, das er in vielen Gesprächen spüre. Grund dafür seien Vorwürfe, wie sie zuletzt gegen die Organisation Menschen für Menschen laut wurden. Ein ehemaliger Großspender übte öffentlich Kritik an der Stiftung von Karlheinz Böhm. Die Organisation gäbe Geld für teure Büroneubauten statt für die Menschen in Äthiopien. "Die Transparenz ist die Achillesferse gemeinnütziger Organisationen. An dem Kriterium entscheidet sich, ob ein Hilfswerk in der Öffentlichkeit als seriös wahrgenommen wird", sagt Hoppe. Egal, ob die Vorwürfe nun stimmen oder nicht.
Das Problem kennt auch der Spendenrat. Als vor zwei Jahren bekannt wurde, dass beim Kinderhilfswerk Unicef Misswirtschaft mit Geldern betrieben wurde, litten auch andere Organisationen unter dem Skandal. Eine ganze Branche geriet in Verruf.
Möglich, dass auch deshalb immer mehr kleine Organsationen von Spenden profitieren. Im vergangenen Jahr gewannen die örtlichen Tierschutzvereine, die Kultur- und Denkmalpflege an Bedeutung.
Das sollten Spender wissen:
Spenden lassen sich absetzen: Spenden an gemeinnützige oder kirchliche Organisationen lassen sich von der Steuer absetzen. Dazu zählt nicht nur die Spende an das Kinderhilfswerk, das in Afrka aktiv ist, sondern auch an die Freiwillige Feuerwehr oder den Sportverein. Bis zu einer Summe von 200 Euro genügt dem Finanzamt ein "einfacher Spendennachweis". Es reicht ein Einzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung der Bank. In der Regel stellt der Empfänger aber auch eine Spendenbescheinigung aus.
HAZ (Stadt-Anzeiger West) vom 07.03.2013, S. 1
Uniformierte gegen das Limmern
Ab April sollen Sozialarbeiter und private Ordnungskräfte auf der LIMMERSTRASSE Präsenz zeigen - und Gastwirte "nette Toiletten" anbieten
Von Rüdiger Meise
Ein uniformierter Sicherheitsdienst soll ab April in der Limmerstrasse patrouillieren. So will die Stadt Lärmbelästigungen und Müll vorbeugen, die im vergangenen Jahr zu einer erheblichen Belastung der Anwohner geführt hatten. In der vergangenen Woche hatten der amtierende Rathauschef Hans Mönninghoff und der für Sicherheit und Ordnung zuständige Dezernent Marc Hansmann Pläne gegen das "Limmern" vorgestellt. In der Sitzung des Bezirksrats Linden-Limer präsentierte Stadtbezirksmanager Wolfgang Wescher das Konzept der Verwaltung.
Wenn die Tage wieder wärmer werden und die Limmerstrasse belebter wird, sollen tagsüber Sozialarbeiter aus dem Karl-Lemmermann-Haus nach dem Rechten sehen. Mit dieser Vorgehensweise habe man schon am Schünemannplatz in Ricklingen Erfolge erzielt, lautete die Begründung. Die Stadt hat mit dem Lemmermann-Haus einen Werkvertrag geschlossen. "Dem Vernehmen nach schafft das Haus dafür eine zusätzliche Stelle", sagt Wescher.
An den Abenden am Wochenende soll der private Sicherheitsdienst eingesetzt werden. Mit Uniformierten soll er auf der Straße präsent sein und "als Ansprechpartner für Personen dienen, die durch Lärmbelastung auffallen." Hoheitliche Befugnisse erhält der Dienst jedoch nicht - er darf also keine Platzverweise erteilen. Bei ernsthaften Konflikten soll der Dienst die Polizei rufen. "Wir erhoffen uns aber, dass entsprechende Situationen und auch Lärmen bereits im Vorfeld vermieden werden können", sagte Wescher. Dafür denke die Verwaltung auch darüber nach, die Ordnungskräfte durch Mediatoren des Karl-Lemmermann-Hauses zu unterstützen. Die Stadt vergebe den Auftrag "in begrenzter Ausschreibung" - drei Sicherheitsdienste würden angesprochen, sagte Wescher.
Um das Problem des Urinierens in der Öffentlichkeit in den Griff zu bekomen, will man Gastronomiebetriebe dafür gewinnen, ihre Toiletten kostenlos zur öffentlichen Benutzung anzubieten - das Projekt läuft anderswo unter dem Nmen "Nette Toilette". Für den Fall, dass an Wochenenden erneut viel Müll anfällt, plant aha eine zusätzliche Abfuhr am Sonntagmorgen.
Alle Fraktionen im Bezirksrat zeigten sich zufrieden mit dem Konzept der Verwaltung. Man war sich einig darüber, dass ein Alkoholverbot, wie es im Vorfeld diskutiert worden war, der falsche Weg für Linden sei. Nach den Worten von Ordnungsdezernent Marc Hansmann werde es wohl selbst dann kein Alkoholverbot auf der Limmerstrasse geben, wenn sich die Maßnahmen bis zum Sommer nicht bewährten.
Der Bezirksrat verabschiedete mit großer Mehrheit einen Antrag der Grünen, der die Arbeit der "Streetworker" und Ordnungskräfte präsentierte. Zwar geht der Antrag davon aus, dass die Sicherheitsleute nicht uniformiert sind, doch gab es für den Plan der Verwaltung keinen Widerspruch. "Wir freuen uns, dass nicht mit Gewalt Ordnungsmaßnahmen durchgesetzt werden sollen", sagte Eike Geffers von der SPD. Das Konzept sei "für Linden angemessen".
HAZ vom 05.03.2013, S. 15:
Die armen Kranken
Ehrenamtliche Helfer der Malteser Migranten Medizin behandeln jährlich rund 1.000 Patienten - illegale und Menschen ohne Papiere, aber auch deutsche Rentner
Von Veronika Thomas
Die kleine Praxis ist rappelvoll - wie jeden Dienstagmorgen zur Sprechstunde der Malteser Migranten Medizin (MMM) im Haus der Caritas. Etwa 30 Patienten, Illegale oder ohne Papiere, behandeln die vier ehrenamtlichen Ärzte und eine Hebamme mit Unterstützung einer Sozialarbeiterin jede Woche für zwei Stunden in den Kellerräumen am Leibnizufer. "Manchmal schaffen wir auch 35, je nachdem, wie es mit dem Dolmetschen klappt", sagt Gerd Rauchfuß, MMM-Projektleiter. Denn viele Patienten, die hier medizinische Hilfe suchen, sprechen nur schlecht oder kaum Deutsch, und deshalb haben sie häufig noch mindestens eine Begleitperson dabei, die etwas besser Deutsch oder Englisch spricht. Dann wird es in den Räumen noch unübersichtlicher als es ohnehin schon ist.
Wie in vielen anderen Arztpraxen an diesem Morgen sind etliche Patienten stark erkältet, sie husten, haben Fieber, vor allem Kinder. Andere leiden unter Rückenschmerzen, Diabetes, Magen- und Herzproblemen. Alltag. Es kommt aber vor, dass Patienten schwer krank sind, wenn sie die Praxis aufsuchen. Rauchfuß berichtet von einer Frau, bei der zunächst akutes Nierenversagen diagnostiziert wurde, die aber auch unter offener Tuberkulose litt. Ein 27-jähriger Inder, der kurz vor der Abschiebung stand und mit starken Herzschmerzen in die MMM-Praxis kam, hatte einen Herzklappenfehler, der dringend operiert werden musste. Hätte er die lebensrettende Operation nicht bekommen, er wäre gestorben. Heute arbeitet der Mann als IT-Fachmann in Deutschland.
Rebecca ist an diesem Morgen ohne Begleitung gekommen. Die 35-jährige hochschwangere Frau aus Ghana ist zum ersten Mal bei den Ärzten der Malteser Migranten Medizin. Sie hat einen Tipp bekommen, dass ihr hier geholfen wird, kostenlos. In wenigen Tagen soll das KInd zur Welt kommen, es ist ihr drittes, ein Mädchen wird es, sagt sie. Ihre beiden anderen, 15 und 2 Jahre alt, seien Jungen, die mit ihr in einem Flüchtlingsheim in Hannover lebten. Die Frau mit der Mütze wirkt angespannt und gleichzeitig erschöpft, als stünde sie unter starkem Druck. Gesprächig ist sie nicht, im Grunde möchte sie überhaupt nichts über sich erzählen, schon gar nicht über den Vater ihres Kindes. Im Januar sei sie nach Deutschland gekommen, per Lastwagen. Vorher habe sie vier Jahre in Italien gelebt.
Rebecca ist nicht die einzige schwangere Schwarzafrikanerin, die an diesem Morgen Hilfe in der MMM-Praxis sucht. "Viele von ihnen sind in der Zwangsprostitution und arbeiten auch während der Schwangerschaft", erzählt die Hebamme Stefanie Eilers. Zurzeit betreuen die Malteser 40 Schwangere, nicht nur Afrikanerinnen, auch Fauen aus Rumänien, Bulgarien oder Vietnam. Seit 2007, als die Malteser Migranten Medizin ihre Arbeit in Hanover aufnahm, wurden rund 100 werdende Mütter betreut. "Das ist für uns der größte Kostenblock", sagt Rauchfuß, denn die Malteser leisten nicht nur ehrenamtlich ärztliche Hilfe, sie finanzieren auch die Geburten der Frauen. Zwischen 1.800 und 4.500 Euro zahlt die katholische Hilfsorganisation pro Entbindung an das Friederikenstift, wo die Frauen ihre Kinder zur Welt bringen.
Als die Malteser ihre medizinische Ambulanz in Hannover eröffneten, nach Berlin und Köln die dritte von jetzt elf im Bundesgebiet, war es für Ärzte noch strafbar, illegale und Menschen ohne Papiere zu behandeln. "Weil wir eine Notfallversorgung für die Ärmsten der Armen brauchten, schlossen wir uns damals zusammen", erzählt der ärztliche Leiter der MMM, der Kardiologe Walter Jarosch von Schweder. Ein Jahr später kam von der Staatsanwaltschaft Hannover per Verwaltungsanweisung die Zusage, die Betroffenen behandeln zu dürfen - ohne sie an die Behörnden melden zu müssen. Seitdem wurden mehr als 4.500 Menschen behandelt, inzwischen kommen jährlich rund 1.000. "Wenn wir längere Öffnungszeiten hätten, kämen noch mehr", sagt Projektleiter Rauchfuß. Wodurch sich die finanzielle Lage der ehrenamtlichen Helfer noch weiter verschärfen würde. Rund 70.000 Euro nimmt die MMM jährlich an Spenden ein, 100.000 Euro schießen die Malteser selbst dazu. "Wir haben seit Jahren eine Finanzierungslüce von 100.000 Euro pro Jahr", erläutert Raphael Ebenhoch, Landesgeschäftsführer des Malteser Hilfsdienstes.
Rund die Hälfte aller Hilfesuchenden sind keine Illegalen, sondern EU-Bürger aus Rumänien, Bulgarien, Lettland oder Polen. Wobei Rumänen und Bulgaren die Mehrheit bildeten, weil beide Länder das sogenannte Fürsorgeabkommen mit der EU nicht unterzeichnet haben. Das heißt, deren Bürger sind nach sechs Monaten außerhalb ihres Landes nicht mehr krankenversichert. Zahlreiche Bulgaren und Rumänen, die in jüngster Zeit nach Hannover gelangt sind, haben offenbar eine jahrelange Wanderung durch Europa hinter sich. "Ich sehe das an den Geburtsurkunden der Kinder", sagt die Ärztin Frauke Remmers-Schneider. "Sie waren schon in Spanien, Italien, Frankreich und England."
Remmers-Schneider vermutet, dass sich insbesondere Rumänen und Bulgaren dort als Schwarzarbeiter durchgeschlagen haben und aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrise jetzt in Deutschand ihr Glück versuchten. Als Selbstständige bezögen viele von ihnen - völlig lgal - Kinder- und Elterngeld, den Test bettelten sie sich zusammen, oder sie arbeiten schwarz für zwei, drei Euro die STunden in der Gastronomie oder auf dem Bau, sagt die Sozialarbeiterin Sigrid Boutebiba-Ludwig. "Für Roma hat das Betteln nichts Ehrenrühriges." Und die allermeisten Familien seien sehr fürsorglich, und kümmerten sich um ihre Kinder. "Bis Anfang 2010 konnten wir Roma-Familien noch in Hartz-IV-Leistungen vermitteln." Sie seien inzwischen gut integriert, und die Kindern gingen zur Schule. Aber jetzt? "Da muss eine Lösung auf EU-Ebene her", meint Boutebiba-Ludwig.
Es sind aber nicht nur Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten, die die Hilfe der Malteser Migranten Medizin in Anspruch nehmen. "Es kommen auch Deutsche, darunter solche, die jahrelang als Rentner in Spanien gelebt haben und deren Krankenkasse sie nach langer Abwesenheit nicht wieder aufnehmen will", erzählt Rauchfuß. Aber immer wieder haben es die MMM-Helfer mit krassen Fällen hilfloser Flüchtlinge zu tun, die von Schleppern ausgenommen werden. Wie kürzlich ein querschnittgelähmter Mann aus Syrien, den Schlepper nachts mit seinem Rollstuhl am Steintor ausgesetzt hatten. Die Polizei brachte den Mann in ein Krankenhaus, Boutebiba-Ludwig kümmerte sich beim Ausländeramt der Stadt um Aufenthaltspapiere. "Er lebt heute in einem Pflegeheim", sagt die Sozialarbeiterin.
HAZ (Stadt-Anzeiger West) vom 28.02.2013, S. 1:
Armutsflüchtlinge überlasten soziale Einrichtungen. EU-Einwanderer aus Bulgarien machen soziale Einrichtungen in LINDEN-SÜD zunehmend Probleme
Von Rüdiger Meise
Soziale Einrichtungen in Linden-Süd schlagen Alarm: Ihre Mitarbeiter würden von Armutsflüchtlingen aus EU-Staaten derartig in Anspruch genommen, dass ihre eigentlichen Aufgaben kaum noch zu erledigen seien. Sowohl im Jugendtreffs als auch in Kindergärten haben die Belastungen der Mitarbeiter vor allem durch bulgarische Migranten stark zugenommen, sagt Carsten Tech vom Quartiersmanagement Linden-Süd.
Hannoversche Beratungsstellen schätzen, dass mittlerweise 2.000 bis 3.000 sogenannte Armutseinwanderer in der Landeshauptstadt leben. Sozialdezernent Thomas Walter (CDU) sagt dazu: "Das ist eine neue Qualität, die es noch nicht gegeben hat." In etlichen Fällen hat die Stadt bereits Hilfe geleistet. Linden-Süd ist laut Carsten Tech Ziel besonders vieler Einwanderer aus Rumänien und Bulgarien, da im Stadtteil bereits viele Landesleute leben. Nach dem Beitritt der beiden osteuropäischen Staaten in die Europäische Union ist die Einwanderung ihrer Bürger nach Deutschland legal. Sozialleistungen müssten die Neubürger nach EU-Recht allerdings in ihren Heimatländern beantragen. Da diese Regelung in der Praxis aber selten funktionieren, seien die Menschen oft nahezu mittellos, erklärt Tech.
Ein Problem bei der Betreuung der Armutsflüchtlinge in den Institutionen vor Ort sind mangelnde Sprachkenntnisse. Oftmals benutzten Eltern ihre Kinder als Mittler und Dolmetscher, um Hilfe bei amtlichen Angelegenheiten zu bekommen, sagt ein Mitarbeiter des Kinderhorts "Plinke" aus Linden-Süd. Weil Hilfeorganisationen an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen sind, suchten sich die Familien Unterstützung in ihrem direkten Wohnumfeld. "Wir sitzen dann mit den Familien zusammen und füllen Anträge für das Sozialamt aus", sagt der Mitarbeiter der "Plinke", der namentlich nicht genannt werden möchte. Einerseits möchte der Hort die Familien nicht sich selber überlassen, andererseits drohe, dass das Personal durch diese Belastung weniger Kinder betreuen können. "Wir haben das bereits bei Fachbereich Ausländerangelegenheiten der Stadt angesprochen", sagt der Mitarbeiter.
Prekär sei oft die Wohnsituation der Familien. Teilweise lebten "Dutzende gemeinsam in einer Wohnung", sagt Carsten Tech. Dafür sei jedoch die Infrastruktur nicht ausgelegt - beispielsweise die Größe der Abfalltonnen. So komme es zu massiven Müllproblemen wie beispielsweise im Haus der Wunstorfer Straße 47 in Limmer. Das laut Amtsgericht im Jahr 2012 "verslumte" Haus war in die Schlagzeilen geraten, weil vor dem Gebäude Müllhaufen lagen, die Bewohner auf der Straße lärmten und die Nachbarn auch bedroht haben sollen. Vor wenigen Wochen drängte die Polizei alle Menschen, die das Haus unrechtmäßg bewohnten, das Gebäude zu verlassen. Der Eigentümer ließ die betroffenen Wohnungen räumen und versiegeln. "Seitdem hat sich die Situation deutlich verbessert", sagt ein Anwohner.
HAZ vom 28.02.2013, S. 7:
Obdachlose-Satire sorgt für Unmut
Eine Hamburger Onlinespielefirma hat mit einer PR-Aktion zum Thema Obdachlosigkeit für Unmut gesorgt. Die Firma hatte auf der Facebook-Seite "Initiative saubere Hamburg (ISHH)" Hetzparolen gegen Obdachlose veröffentlicht, was vielerseits zur Kritik führte. Am Mittoch teilte die Spielefirma per Pressemitteilung mit, das Ganze sei nur eine "Satireaktion" gewesen. Man habe auf die prekäre Lage der Obdachlosen in der Hansestadt aufmerksam machen wollen, die etwa an Bahnhöfen vom Sicherheitspersonal vetrieben werden würden. "Diese Satire war und ist geschmacklos", sagt ein Sozialarbeiter bei der Obdachlosenzeitung "Hinz&Kunzt" am Mittwoch. Er unterstellt den Machern Profitgier auf Kosten der Ärmsten: Das Unternehmen habe Spiele für seine Browsergames namens "Pennergame! gewinnen wollen.
HAZ vom 27.02.2013, S. 16:
Mehr Platz für Flüchtlinge. GBH baut vier Flüchtlingswohnheime und eine Obdachlosenunterkunft / Suche nach Standorten
Von Andreas Schinkel
Hannover muss wesentlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als noch im vergangenen Jahr. Mindestens 400 zusätzliche Unterkunftsplätze müssen nach Angaben der Stadt kruzfristig geschaffen werden. Daher hat sich die städtische Immobiliengesellschaft GBH jetzt entschlossen, vier Flüchtlingswohnheime zu bauen. Das geht aus einer sogenannten Absichtserklärung hervor, die kürzlich dem Bauausschuss vorgestellt wurde.
Dabei wird auch eine "Systembauweise" für die Wohnheime nicht ausgeschlossen. "Damit sind aber keine Container gemeint, wie sie in den neunziger Jahren verwendet wurden", betont SPD-Baupolitiker und GBH-Aufsichtsratschef Thomas Hermann. Vielmehr könnten "Module", also Fertigwohnräume, als provisorische Unterkünfte verwendet werden. Die restlichen 200 Plätze will die Stadt in angemieteten Wohnungen sowie in einem Hotel in der Büttnerstrasse einrichten. Ob der Kraftakt ausreicht, ist keinesfalls sicher. "Sollte die Zahl der Flüchtlinge weiter steigen, sind weitere Plätze nötig", sagt Hermann.
Das Land Niedersachsen teilt den Kommunen eine bestimmte Zahl von Flüchtlingen zu. Bis Ende September muss Hannover 650 Asylsuchende aufnehmen, das sind in neun Monaten schon rund 200 Menschen mehr als im gesamten vergangenen Jahr. Die Stadtverwaltung hat die Quote auf das gesamte Jahr hochgerechnet und kommt auf einen Wert von 860 Asylsuchenden, die es unterzubringen gilt. Derzeit werden die Flüchtlinge in sieben Wohnheimen und etlichen Wohnungen versorgt. Zwar gibt es in den vorhandenen Unterkünften immer wieder freie Plätze, aber das reicht bei Weitem nicht aus, um alle Neuankömmlinge unterzubringen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Stadt auf dem freien Wohnungsmarkt kaum noch Räume findet, die sie für die Unterbringung von Asylsuchenden anmieten kann. So bleibt nur die Flucht nach vorn und damit der Bau neuer Wohnheime. Wo die Unterkünfte entstehen sollen, ist weitgehend unklar. Einzig die Alte Bult in der Südstadt steht als neue Heimat für rund 50 Asylsuchende fest. Am Bischofsholer Damm nahe der Kinderklinik soll das neue Wohnheim errichtet werden. Auch in Kleefeld kommt dem Vernehmen nach ein städtisches Grundstück infrage. "Die Verteilung der Wohnheime über die Stadt muss sozial ausgewogen sein", sagt SPD-Ratsherr Hermann. Auch dürfe eine Unterkunft nicht allzu weit entfernt von Supermärkten und Bahnanschlüssen gebaut werden. Vorbild in Sachen Integrtion in den Stadtteil sei das von der Freikirchlichen Gemeinde betreute Wohnheim in Döhren.
Auch bei der Unterbringung von Obdachlosen stößt die Stadt mittlerweile an ihre Grenzen. Gut 600 Menschen ohne Wohnung versorgt sie derzeit in öffentlichen Unterkünften. Dazu zählen vier Gemeinschaftunterkünfte mit insgesamt 270 Plätzen sowie zahlreiche angemietete Wohnungen. Im vergangenen Jahr habe man bereits 100 Obdachlose zusätzlich unterbringen müsen, heisst es vonseiten der Stadt. Da auch hier die Anmietung von Wohnungen immer schwieriger wird, hat sich die GBH entschlossen, ein neues Obdachlosenwohnheim zu bauen.
Die Stadt rechnet damit, dass die Zahl der Wohnungslosen ab 2014 ansteigt, wenn immer mehr sogenannte Armutsflüchtlinge aus südosteuropäischen Staaten nach Hannover reisen. Für EU-Bürger aus Bulgarien und Rumänien gilt dann die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sie haben Anspruch auf Hartz IV, müssen aber zuvor drei Monate lang einer Vollzeitbeschäftigung nachgegangen sein.
Zudem erhöht sich der Druck auf öffentliche Unterkunftskapazitäten durch Bauarbeiterkolonnen, die für mehrere Wochen in Hannover arbeiten. "Mangels Alternativen schlafen die Arbeiter oft werktags in Obdachlosenunterkünften", berichtet SPD-Baupolitiker Hermann. Hier müsse den Bauunternehmern genauer auf die Finger gesehen werden.
HAZ vom 25.02.2013, S. 8:
Obdachloser gibt Diamantring zurück
Washington (dpa). Undank ist nicht immer der Welten Lohn - das jedenfalls hat der Obdachlose Billy Ray Harris aus Kansas City im US-Staat Missouri erfahren. Wie der Sender CNN berichtet, gab er einen Diamantring zurück, den eine Frau versehentlich zusammen mit Münzen in seinen Sammelbecher gesteckt hatte. Jetzt wird Harris als Dankeschön mit Geldgaben aus aller Welt überhäuft. 88.000 Dollar (etwa 67.000 Euro) kamen bei einer Spendenaktion via Internet allein binnen einer Woche zusammen. CNN zufolge bleibt der Mann, der unter einer Brücke lebt, dennoch bescheiden. "Ich mag es, aber ich glaube nicht, dass ich es verdiene", kommentierte er demnach den Geldsegen.
hallo SONNTAG vom 24.02.2013, S. 5:
Mit Lebensmitteln helfen. Spendenaufruf von Wucherpfennig und Lions Club
OBERRICKLINGEN. Am Sonnabend, 2. März, starten der Lions Club Hannover-Maschsee und EDEKA Wucherpfennig im Wucherpfennig Ecenter am Ricklinger Kreisel, Göttinger Chaussee 83, eine gemeinsame Lebensmittel-Spenden-Aktion. In der Zeit zwischen 10 und 18 Uhr werden die Mitglieder des Lions Clubs im Eingangsbereich des Marktes Lebensmittel-Spenden in Höhe von fünf Euro entgegennehmen. Diese werden im Anschluss an die Aktion an die Lebensmittelausgabestelle im ökumenischen Kirchencentrum Mühlenberg weitergeleitet.
Unter dem Motto "Lebensmittel spenden - Anderen helfen" unterstützt der Club die Tafel schon seit mehreren Jahren. In diesem Jahr stehen Nudeln, Cornflakes, Marmelade, Würstchen und Kartoffelpüree auf dem Spendentisch. Lebensmittel, die den Grundbedarf decken und lange haltbar sind. Der Wert von 5 Euro ist der Einkaufspreis, zu dem EDEKA Wucherpfennig die zusammengestellten Lebensmittel erworben hat. Mit dem Weiterverkauf zum Einkaufspreis verzichtet der Markt auf seinen Gewinnanteil. "Wir erhoffen uns, dass viele Kunden durch die Auslage der Lebensmittel sehen, wie viel sie für einen verhältnismäßig geringen Betrag durch ihre Spende an die Tafel weitergeben", sagt Marktleiter Kai Peter Kruse vom Ecenter Ricklingen.
Trotz des Erfolges der bisherigen Spendenaktionen sieht Pressesprecher Heinz-Jürgen Eichenberg vom Lions Club die Aktion auch kritisch: "Mittlerweile verlässt sich der Staat schon auf die Tafeln. Eigentlich sollten solche Einrichtungen nur die absolute Ausnahme sein, sie werden aber leider schon zur Regel", sagt er. "Viele Alleinstehende, Alleinerziehende und Menschen mit geringem Einkommen sind auf die Tafeln angewiesen. So lange das der Fall ist, wollen wir diese Einrichtungen nach Kräften unterstützen."
HAZ vom 23.02.2013, S. 15:
Stadt besorgt über Armutsflüchtlinge. Immer mehr mittellose Menschen aus Bulgarien und Rumänien kommen nach Hannover
von Gunnar Menkens
Von der zunehmenden Einwanderung mittelloser Rumänen und Bulgaren in deutsche Großstädte ist auch Hannover immer stärker betroffen. Offizielle Zahlen liegen nicht vor, Beratungsstellen schätzen jedoch, dass mittlerweile 2.000 bis 3.000 sogenannte Armutseinwanderer in der Landeshauptstadt leben. Sozialdezernent Thomas Walter (CDU) sagt dazu: "Das ist eine neue Qualität, die es so noch nicht gegeben hat." In etlichen Fällen hat die Stadt bereits Hilfe geleistet.
Nach dem Beitritt der beiden osteuropäischen Staaten in die Europäische Union genießen rumänische und bulgarische Staatsbürger Freizügigkeit. Sie können deshalb nicht gegen ihren Willen in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden. Es sind besonders Roma, die dort in großer Armut leben und zum Teil erheblicher Diskriminierung ausgesetzt sind. Die wirtschaftliche Not ist für sie in Deutschland kaum geringer, wenngleich das Leben am Existenzminimum Einwanderern hier immer noch besser scheint als in der Heimat. Die Integration ist jedoch schwierig. Oft fehlt es an Ausbildung und Sprachkenntnissen, Armutseinwanderer sind oft Analphabeten. Hannover ist für etliche Flüchtlinge eine Adresse, weil hier bereits zahlreiche Landsleute leben. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre hat sich die Zahl der hier offiziell registrierten Rumänen und Bulgaren nach Angaben der Stadt Hannover um 250 Prozent gesteigert: Inzwischen leben rund 1.800 Bulgaren und 1.100 Rumänen in der Landeshauptstadt.
Da Armutseinwanderer aus EU-Staaten nach Angaben der Stadt keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben und oft nicht versichert sind, hilft die Stadt in Notfällen. So beglich sie bislang 30 Krankenhausrechnungen. Sie unterstützt Hilfsmaßnahmen der Malteser Migranten Medizin und hat, für kurze Zeit, zwei Kinder in Obhut genommen. Sinti- und Roma-Verbände bekommen Geld für Beratungshilfen. Zudem finanziert die Stadt Rückfahrkarten. Nach Aussage von Sozialdezernent Walter sind die Hilfsorganisationen an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen.
Vor wenigen Tagen hatte bereits der Deutsche Städttag auf "gravierende Fehlentwicklungen" hingewiesen. Dabei ist die Lage in anderen Kommunen dramatischer als in Hannover. In Duisburg etwa leben rund 6.000 Armutsflüchtlinge in extremer Not. In Mannheim kaufte die Stadt ein Haus, dessen Eigentümer Zimmer und Matratzen zu Wucherpreisen an Füchtlinge vermietet hatten. Schlepperbanden sollen Menschen nach Deutschland holen, wo sie in Fußgängerzonen betteln oder sich prostituieren. Manche melden ein Gewerbe an, um später Kindergeld beziehen zu können. In einem Haus in Linden-Limmer war es im vergangenen Jahr zu massiven Konflikten zwischen Nachbarn sowie Sinti und Roma gekommen.
Kommunale Hilfen können nach Ansicht von Dezernent Walter nicht allzu viel bewirken. "Entscheidend ist, dass der Bund hilft, die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern." Zudem müssten Bund, Länder und Kommunen daran arbeiten, menschliches Elend zu verhindern. Es geht nach Meinung Walters aber auch darum, der Roma-Hatz von Rechtsextremisten zu begegnen. Die Lage könnte sich von 2014 an verschärfen. Dann gilt auch für Rumänen und Bulgaren die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sie haben dann, wie andere EU-Bürger auch, Anspruch auf Hartz IV - müssen jedoch zuvor mindestens drei Monate lang einen Vollzeitjob gehabt haben.
HAZ vom 22.02.2013, S. 14:
Studenten sammeln für die Bahnhofsmission
jk. Mitten in der vorlesungsfreien Zeit waren Studenten der privaten Fachhochschule für die Wirtschaft (FHDW) äußerst aktiv: Acht der angehenden Akademiker des Studiengangs Marketing und Vertrieb sammelten Spenden für die Bahnhofsmission - unterstützt von ihrem Dozenten Prof. Torsten Spandl und FHDW-Präsident Prof. Karl Müller-Siebers. Rund 1.300 Euro kamen bei der Aktion zusammen.
Ausgestattet mit dicken Jacken und Sammelbüchsen der Bahnhofsmission waren die Studenten den ganzen Tag über im Hauptbahnhof unterwegs, um die Passanten um eine Spende zu bitten. Und sie stießen auf sehr positive Resonanz. "Wir hatten eigentlich mit viel Ablehnung gerechnet", berichtet eine Studentin. Doch es kam anders: "Nahezu jeder zweite angesprochene Passant und Bahnreisende hat bereitwillig etwas gegeben. Das war ein tolles Gefühl und hat uns alle motiviert."
Die Idee zu der Aktion hatte Dozent Spandl, der selbst einmal im Rahmen eines Projekts für eine Woche in die Rolle eines Mitarbeiters der Bahnhofsmission geschlüpft war. Seine dortigen Erfahrungen und das soziale Engagement wollte er nun seinen Studenten nahebringen. Mit Erfolg: Die FHDW will ihren Studenten künftig regelmäßig Aktionen dieser Art anbieten.
HAZ vom 26.01.2013, S. 19:
Eiskalte Tage. Viele Obdachlose übernachten ungern in Notschlafstellen - jetzt aber zwingt die Kälte sie dazu
Von Anne Grüneberg
Normalerweise verbringt Jan Montag die Winternächte im Treppenflur eines Krankenhauses. Bei den anhaltend eisigen Temperaturen dieser Tage sucht aber auch er ein Bett in einer Notunterkunft. "Da bleibt mir nichts anderes übrig", sagt der Obdachlose. Es wird seine erste Nacht in der Notschlafstelle in der Oststädter Wörthstraße, und vermutlich werden weitere folgen. Denn am Wochenende soll es zunächst empfindlich kalt bleiben.
Von den rund 300 Obdachlosen in Hannover, die auf der Straße leben, schlafen in diesen Tagen nur noch 20 draußen, schätzt der Leiter des Diakonischen Werks Hannover, Rainer Müller-Brandes. "Das ist wenig, das freut uns. Es zeigt, dass unser Netzwerk gut funktioniert", sagt der Pastor. Die wenigen Obdachlosen, die auch bei diesen Temperaturen noch draußen übernachten, hätten Probleme mit geschlossenen Räumen. "Deren psychische Situation ist so, dass sie in Gemeinschaftsunterkünften nicht klarkommen."
Auch Jan Montag hält sich ungern in Tagestreffs oder bei Essensausgaben auf. "Ich habe Angst, dass mit einer was wegnimmt", sagt der 52-jährige. Er trägt einen schwarzen Parka, darunter einen dicken Wollpullover, dazu Jeans, alles ein bisschen in die Jahre gekommen. Aber so leidlich warm, immerhin.
Montags braune Locken reichen ihm bis zu den Schultern, um seine Augen ziehen sich Falten, die noch nicht so tief sein müssten mit 52. Mit klarem, durchdringendem Blick erzählt Montag seine Geschichte: Eigentlich sollte er Maurer werden. Er begann eine Lehre in Osnabrück, doch dann wurde er straffällig und musste in eine Psychiatrie. Seit 20 Jahren lebt er nun auf der Straße. So geht die Kurzform.
Einen Schlafsack hat Montag nicht, sein ganzes Hab und Gut passt in die gelbe Plastiktüte, die er bei sich trägt. "Da sind leere Pfandflaschen drin und Handtücher aus dem Krankenhaus", sagt er. Er weiß nicht, dass sich Bedürftige in der Kleiderkammer in der Hagenstraße kostenlos warme Sachen besorgen können. "Wo soll das sein?", fragt er und schaut ungläubig. Laut Diakoniepastor Müller-Brandes wird die Kleiderkammer von vielen anderen gut angenommen. "Die Kleiderkammer ist im Moment gut gefüllt, da möchte ich einen großen Dank an die Bevölkerung aussprechen, die haben kräftig gespendet - auch viele Schlafsäcke waren dabei", sagt Müller-Brandes.
Jan Montag will nur die besonders kalten Nächte in den Containern der städtischen Notunterkunft in der Wörthstraße verbringen. 36 Schlafplätze für Männer gibt es hier, Frauen können im Vinnhorster Weg unterkommen. Anfang 2011 wurden die Container einschließlich der Sanitäranlagen renoviert, in jedem Raum stehen zwei Betten, zwei Stühle und ein Tisch. Durch die Fenster dringt morgens Sonnenlicht. Die Notschlafstelle ist maximal für drei Nächte gedacht, wer eine Unterkunft für längere Zeit benötigt, wird vom Sicherheitspersonal an das Wohnungsamt der Stadt verwiesen. "In den Wohnheimen gibt es Beratungsgespräche, die Notunterkunft ist für Menschen gedacht, die kein Hilfsprogramm wollen", sagt Pastor Müller-Brandes. Jeden Abend um 18 Uhr öffnet ein kräftiger Aufseher die Türen der Container in der Wörthstraße. "Dann stehen schon alle Schlange", sagt der Sicherheitsmann. "Bei den Temperaturen sind fast alle Plätze belegt."
Jan Montag ist schon am Nachmittag da, er wusste nicht genau, wann die Schlafstelle öffnet. Die nöchsten zwei Stunden wird er vor dem Eingang der Notunterkunft warten. "Ich freue mich schon, wenn es wieder wärmer wird", sagt Montag und lächelt leicht.
So kann man helfen:
Wer gerade bei diesen Temperaturen Obdachlose entdeckt, denen es nicht gut geht, sollte die Polizei oder den Rettungsdienst verständigen. Vor allem in Verbindung mit Alkohol kann die eisige Kälte lebensbedrohlich sein. Die Straßensozialarbeiter sind unter der Winternotfallnummer (0511) 9904015 zu erreichen.
Kleiderspenden werden montags, donnerstags und freitags von 8 bis 12 Uhr im Haus der Diakonie, Burgstraße 8-10, angenommen. Gebraucht werden insbesondere warme Sachen für Männer, von Schuhen bis zur Mütze. Aber auch Kinderkleidung gibt es momentan zu wenig. Es werden alle Größen benötigt, von Babykleidung bis hin zu warmen Sachen für Jugendliche.
NP vom 16.01.2013, S. 17:
Eine Wahlstimme im "Mecki" für eine bessere Welt
Am Raschplatz können Hannovers obdachlose Mitbürger schon jetzt ihr Kreuzchen zur Landtagswahl machen
Von Karl Würger
HANNOVER. Am Sonntag wird gewählt - die obdachlosen Mitbürger in dieser Stadt haben schon jetzt Gelegenheit dazu. Hannover ist mit diesem Projekt bundesweit Vorreiter.
Raschplatz 8c. Der "Mecki"-Laden. Eine bewährte Anlaufstelle für arme, bedrängte und wohnungslose Menschen. Wer hierherkommt, hat nicht die Wahl: Die Not treibt die täglich rund 250 Männer und Frauen. Das Diakonische Werk und seine Mitarbeiter leisten im Mecki beispielgebende Basisarbeit. Das "Mecki" ist ein Modell, das funktioniert.
In diesen Tagen steht hier eine Wahlurne. Sie ist aus Pappe; eine, wie jeder Bürger sie kennt, der seine Stimme bei einer Wahl abgibt. Der städtische Mitarbeiter, der sie hier aufgestellt hat, will auch nach Rücksprache mit seiner Vorgesetzten seinen Namen nicht nennen, aber er erklärt bereitwillig, was er hier macht: "Ich nehme den Namen, das Geburtsdatum und den Geburtsort all jener auf, die hier wählen wollen. Wir füllen bei Bedarf die Wahlanträge aus und lassen sie unterschreiben." Der Mann aus dem Wahlamt kommt zweimal: Beim erneuten Besuch des "Mecki bringt er Stimmzettel mit. Und die gehen dann ab in die Urne - geheim und geschützt wie bei jeder Wahl.
Reinhold Preusse (58) hat diesen Weg gewählt, seine Stimme abzugeben. "Zu wählen ist Bürgerpflicht", sagt er und hofft: "Vielleicht verändert sich was durch meine Stimme und die Welt wird dadurch besser." Zu wünschen wäre das Preusse: Er schläft in diesen kalten Tagen draußen, weil er keine Wohnung hat. Er kann sein Leben nicht organisieren, weil er kein Geld hat - nicht einmal die paar Euro für einen Fahrschein.
Abraham Samuel Markuszower (45) nutzt die Urne, die die Stadt aufgestellt hat, nicht: "Meine Stimme hat sowieso keinen Einfluss - die Welt wird nicht besser, nur weil ich wähle."
Das sieht Heinz Günter Baer (65) ganz anders. "Wer wählt, nutzt seine Chance, die Lage zu verändern. "Wahlen", sagt er "können ein Protest gegen Lieblosigkeit sein."
Achim Teuber ist Sozialarbeiter im Mecki. Für ihn ist selbstverständlich, dass die Menschen im Mecki wählen gehen: "Die haben Bürgerrechte wie wir alle."