2017
HAZ vom 27.12.2017, S. 19:
Endlich zu Hause
Konni und Viktor haben jahrelang auf der Straße gelebt – jetzt haben sie eine Wohnung
Von Bert Strebe
Als der Besuch kommt, verkriecht sich Resje in einer blauen Ikea-Tasche unter dem Tisch. Der rotbraune Kater ist vorsichtig. Man kann nie wissen. Er hat es schon erlebt, dass, als Herrchen und Frauchen gerade nicht da waren, fremde Leute kamen, das ganze Zuhause abgeräumt und ihn ins Tierheim gebracht haben. Herrchen und Frauchen, das sind Viktor und Konni. Sie ist 52 Jahre alt und kommt aus Vorarlberg in Österreich, er ist 49 und stammt aus Dünaburg in Lettland. Sie haben beide lange auf der Straße gelebt. Aber jetzt haben sie eine Wohnung gefunden, im Anwesen der Johann Jobst Wagenerschen Stiftung an der Glocksee.
Viktor erzählt: Er hat Dreher gelernt, ist Soldat gewesen. Irgendwann fand er keine Arbeit mehr und machte sich auf nach Deutschland – 1200 Kilometer, zu Fuß, 24 Tage war er unterwegs. Geschlafen hat er unter freiem Himmel, gewaschen hat er sich in Kanälen. Erst war er in Berlin, wollte dort bei Verwandten unterschlüpfen, aber das war nichts auf Dauer. Schließlich kam er 2013 nach Hannover.
Quelle: Schaarschmidt
„Ich liebe Hannover“
Warum Hannover? „Ich liebe Hannover“, sagt er. Und wieso das? Weil er als Kind in einem russischen Magazin Bilder der Stadt gesehen habe, erzählt er. Und alles so schön fand. Deswegen.
Mit der Arbeit hat es hier aber auch nicht so gut geklappt. Viktor hat beim Waterloo-Biergarten Gitarre gespielt für die Passanten, hat leere Flaschen gesammelt und in der U-Bahn-Unterführung am Waterlooplatz geschlafen. Schließlich fand er doch einen Job, im DüK, dem Dach-überm-Kopf-Tagestreff für Wohnungslose der Diakonie. Hinterm Tresen. Kaffee ausschenken et cetera. Und dort lernte er Konni kennen.
Konni erzählt: Sie hat, bevor sie nach Deutschland kam, anderthalb Jahrzehnte auf Fuerteventura zugebracht, an der Seite eines Mannes, der dort ein Haus besaß und sich um sie gekümmert hat. Dann erlitt der Mann einen Schlaganfall und starb, das Haus ging an den Bruder, Konni bekam nichts außer 200 Euro. Das Geld reichte für ein Flugticket bis Hannover. Nach ein paar Umwegen tauchte auch sie im DüK auf.
Und dann haben die beiden – das DüK hat nur tagsüber geöffnet – im Zelt gewohnt. Jahrelang. Erst am Waterlooplatz, dann im Gebüsch in der Nähe des Wilhelm-Busch-Museums, schließlich am Nordhafen. War das nicht sehr kalt im Winter? „Oh ja“, sagt Konni, „ein Spaß war das nicht.“ Es sei aber gegangen, wirft Viktor ein, mit zwei dicken Decken und aneinandergekuschelt. Und wenn dann noch Resje zwischen die beiden gekrabbelt sei, sei es okay gewesen. Obwohl sie manchmal morgens das Gefühl hatten, ihnen seien die Füße eingefroren.
Im Gebüsch beim Museum
Was sie nicht okay fanden: Einmal wurden sie vertrieben, das war beim Busch-Museum. Man hat ihnen einfach das Zelt abgebaut und alles weggeworfen und Resje ins Tierheim gebracht. Es habe viel Mühe gemacht, wenigstens ein paar persönliche Dinge zu retten und den Kater wieder auszulösen. Und am Nordhafen kam zuletzt ein Mann, der dort anscheinend was zu sagen hatte, mit der Polizei an und erklärte ihnen, sie dürften da nicht zelten. Aber wenn sie ihm jeden Monat 20 Euro geben würden, dürften sie das doch.
So weit kam es nicht. Im Gebäude der Johann Jobst Wagenerschen Stiftung war endlich eine kleine Wohnung für die beiden frei, vor ein paar Wochen war das. Sie sind eingezogen, mit fast nichts. Rudolf Stenner, ein pensionierter Schulrektor, der immer Obst ins DüK bringt und mit Obdachlosen ins Museum geht, kümmert sich ein bisschen um die beiden, hat eine Spüle und anderes besorgt.
Konni und Viktor gehörten nicht zu den Obdachlosen, die auf der Straße leben wollen. Sie haben immer wieder versucht, an eine feste Bleibe und an Hartz IV zu kommen. „Ich hätte früher auch nie gedacht, dass ich mal auf der Straße leben werde“, sagt Konni. Beide sind dankbar, dass das jetzt überwunden ist.
Sie wirken zuversichtlich
Man sieht ihnen die Jahre auf der Straße durchaus an, und der Alkohol, der nötig war, um Kälte und Armut auszuhalten und wenigstens zeitweise zu vergessen, hat auch Spuren hinterlassen. Aber sie wirken aufgeräumt und zuversichtlich. Ihre Augen blitzen. Konni nennt Viktor „Schatz“, er nennt sie „Prinzesska“. Konni stellt den Zucker für den Kaffee in einer eigens befüllten kleinen blauen Plastikschale auf den Tisch. Sie hat keine Zuckerdose, aber einfach nur die Packung auf den Tisch zu stellen, das geht doch nicht. Die Wohnung ist penibel sauber. Konni tritt gerade einen Minijob an, er arbeitet weiter im DüK und bekommt etwas Sozialhilfe und will sich auch eine richtige Arbeit suchen.
Viktor holt die Gitarre von nebenan und spielt eine paar Läufe. „Ich liebe klassische Musik“, sagt er. Konni erzählt, er könne auch Klavier spielen. „Und Geige und Saxofon“, schiebt Viktor nach, halb nebenher – als sei das gar nichts, als könne das jeder – und halb stolz.
Sie haben wieder Vertrauen in das Leben. Und irgendwann kommt sogar Resje wieder aus der blauen Ikea-Tasche hervor. Und lässt sich streicheln.
Quelle: Schaarschmidt
Bis zu 4000 ohne feste Wohnung in Hannover
(asl). In Hannover leben immer mehr Menschen, die keine feste Unterkunft haben. Das Diakonische Werk geht von 3000 bis 4000 Wohnungslosen aus, die bei Freunden unterkommen oder in städtischen Einrichtungen leben – Tendenz steigend. Davon sind etwa 400 Obdachlose zu unterscheiden, die auf der Straße nächtigen. Hannovers Stadtverwaltung schätzt, dass sich die Zahl der Wohnungslosen jedes Jahr um 10 Prozent erhöht.
HAZ vom 27.12.2017, S. 20:
Eine warme Stube an Heiligabend
Diakonie lädt Obdachlose ein
(se). Schon bevor die Türen öffnen, bildet sich vor dem Eingang eine Menschentraube. Die Weihnachtsstuben des Diakonischen Werks sind an Heiligabend ein Ort zum Feiern für obdachlose oder einsame Menschen – und für jeden, der mitfeiern möchte.
Auf den Tischen stehen Teller mit Mandarinen, Plätzchen und Schokoladenstückchen. Dazwischen aufgefaltete Servietten mit weihnachtlichen Motiven, nicht zu viele Tannenzweige. Und genau in dieser Schlichtheit liegt das Heimelige. „Wir sind nah dran am Original der Weihnachtsgeschichte. Wir geben den Menschen für ein paar Stunden eine Herberge“, sagt Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes.
Die Weihnachtsstube an der Burgstraße hat Platz für etwas mehr als 100 Gäste, damit ist sie die größte der Stuben in Hannover. Christiane ist zum ersten Mal hier. „Mein Mann ist letztes Jahr gestorben, meine Kinder haben heute keine Zeit. Gesellschaft tut mir gut“, sagt sie.
Der Ablauf ist nun wieder ganz weihnachtlich vertraut. Es gibt Kaffee und Stollen, später Würstchen und Kartoffelsalat. Es werden Lieder gesungen und die Weihnachtsgeschichte erzählt. Und zum Abschied gibt es ein kleines Präsent. „Das zählt für Menschen, die jeden Cent brauchen“, sagt einer der Gäste.
Quelle: Körner
HAZ vom 23.12.2017, S. 16:
Es braucht mehr als Obdach und Essen
Die Zahl der Obdachlosen steigt seit Jahren deutlich an.
Das dürfen wir nicht weiter hinnehmen – sondern müssen gegensteuern, meint Heiko Randermann.
Rund 4000 Menschen leben in Hannover auf der Straße. 4000 persönliche Schicksale, die zeigen, wie vieles im reichen Deutschland nicht perfekt ist.
Und wir anderen, denen es gut geht, reagieren meist nicht zupackend, sondern verunsichert. Wir überlegen, ob wir die Menschen in den Schlafsäcken und den dicken, zerrissenen Jacken ansprechen sollten, sie ignorieren oder ihnen Geld spenden. Obdachlosigkeit passt in vielerlei Hinsicht nicht in unser Bild: Wir vertrauen darauf, in einem Land zu leben, in dem es für jedes Problem einen Ansprechpartner, einen Antrag und eine zuständige Behördenstelle gibt. Offen zu sehende Armut erschüttert dieses Vertrauen, denn wir sehen Menschen, bei denen dieses System offenkundig nicht greift.
Vielleicht ist das ein Grund, warum wir Obdachlosigkeit meist versuchen zu ignorieren. Wir gehen an den Schlafsäcken und Plastiksack-Bergen in Unterführungen und an Häusereingängen vorbei. Doch es fällt immer schwerer, diesen Zustand zu übersehen, denn die Zahl der Obdachlosen in Hannover steigt seit Jahren an. Wir können das nicht mehr ignorieren – es ist Zeit, uns als Gesellschaft mit diesem Problem zu befassen.
Das betrifft zunächst die Verwaltung. Die Stadt ist verpflichtet, jedem Bedürftigen ein Obdach zu bieten – allein das ist angesichts von 4000 Wohnungslosen in Hannover eine Herausforderung. Hannover hat begonnen, ehemalige Flüchtlingsheime für Obdachlose zu öffnen. Eine gute Lösung – für den Anfang.
Doch sich zu kümmern heißt mehr, als für Obdach und Essen zu sorgen. Das allein vertraut zu sehr darauf, dass die Dinge von allein wieder besser werden, dass die Menschen wieder Fuß fassen oder die Zahl der Betroffenen irgendwie wieder zurückgeht. Das aber wird nicht passieren. Wir müssen daher tiefer in die Materie einsteigen. Was sind das für Menschen, die obdachlos geworden sind? Und warum sind sie auf der Straße gelandet? Und vor allem: Hätte man diese Entwicklung irgendwie aufhalten können?
Eine banale Erkenntnis ist, dass man mehr Wohnungen in Hannover braucht, um Wohnungslosigkeit der Ärmsten zu verhindern. Ganz konkret muss sich Hannover mehr um Menschen aus Südosteuropa kümmern, die hier obdachlos werden. Es braucht mehr Sozialarbeiter, die ihre Sprachen sprechen. Auch Treffpunkte können einen Halt bieten – dass es an ihnen fehlt zeigt schon die große Nachfrage nach dem neuen „Trinkraum“ am Raschplatz. Es braucht eine Sozialpolitik, die Ressourcen bekommt, um Obdachlosigkeit zu verhindern, und nicht nur, um sie zu lindern. Und es braucht eine Gesellschaft, die lernt, sich an Obdachlosigkeit nicht zu gewöhnen.
HAZ vom 15.12.2017, S. 17:
„... und der Winter kommt erst noch“
Der Trinkraum Kompass am Raschplatz ist oft überfüllt, immer mehr Obdachlose aus Osteuropa halten sich dort auf – Politiker dringen jetzt auf eine Erweiterung des Angebots.
Von Simon Benne
Draußen: ungemütlich. Es regnet an diesem Tag. Drinnen ist es auch ungemütlich, aber wenigstens ohne Regen. Also ist es voll im Rückzugsraum Kompass. Wie so oft.
Laut schallen bulgarische Wortfetzen durch den Raum. Die Besucher sitzen dicht an dicht, einigen ist der Kopf auf den Tisch gesunken, sie schlafen zwischen Bierdosen und Plastiktüten. Hans pustet in seinen Tee. Fragt man ihn, wie es ihm im Kompass gefällt, strafft er seine Haltung und schaut über den Brillenrand. „Ich begrüße es, dass es diese Einrichtung jetzt gibt“, sagt er dann so formvollendet wie ein Politiker in der „Tagesschau“.
Hans schläft meist in einer städtischen Unterkunft. Im Kompass ist er regelmäßig. „Hier ist es warm, die meisten von uns müssten den Tag sonst draußen verbringen“, sagt der Mann mit der Mütze.
Quelle: Franson
Hochprozentiges ist tabu hier
Vor gut zwei Monaten wurde der Rückzugsraum für Wohnungslose im Spielbankgebäude eröffnet, auch um die Trinkerszene am Raschplatz zu befrieden. Besucher dürfen Bier und Wein mitbringen, Tee und Kaffee gibt es hier umsonst, Hochprozentiges ist tabu. Etwas trostlos steht eine Schneekugel auf einem Kassettenrekorder, ansonsten ist der Raum vor allem schmucklos. Betonfußboden, Neonlicht, robustes Mobiliar. Das ist kein anheimelndes Teestübchen hier, sondern eher eine funktionale Wärmehalle – die sich gleichwohl großen Zuspruchs erfreut.
„Der Kompass ist gut, hier wird uns geholfen“, sagt der aus Bulgarien stammende Svetoslav mit rauer Stimme, während nebenan ein paar Besucher Weißwein aus dem Tetrapak trinken. „Man ist nicht alleine hier“, sagt der 35-jährige Jörg, „und etwas Warmes gibt es auch.“ Ein paar Frauen spielen an einem Tisch Mensch ärgere dich nicht, zwei Männer lesen Zeitung. „Die Sozialarbeiter hier sind sehr nett“, sagt auch Miroslav, ein Kroate, der vor einem Jahr nach Deutschland gekommen ist. Ganz zaghaft nur, er will ja nicht undankbar sein, hat Miroslav da aber auch etwas zu monieren. „Der Raum ist aber einfach zu klein für so viele Leute“, sagt er.
Das sehen die Sozialarbeiter hier ähnlich. „Es gibt Tage, da müssen wir wegen Überfüllung schließen“, sagt Silvia Flessner, die hier fast täglich Dienst tut. Bis zu 40 Stühle lassen sich im Kompass aufstellen. „Ab etwa 50 Besuchern machen wir die Türen zu“, sagt sie. Zwar halten sich an diesem Tag auch am Raschplatz noch viele Trinker auf, doch es ist offenkundig, dass sich auch der Kompass als feste Anlaufstelle in der Szene etabliert hat.
Stress für die Sozialarbeiter
Immer mehr Wohnungslose aus Osteuropa kommen nach Hannover. Die Sozialarbeiterin versucht hier, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, gibt Hilfestellung bei Behördenangelegenheiten, sucht nach Lösungen in schwierigen Situationen. „Die Stimmung ist meist gut“, sagt Flessner.
Nachbarn hatten über häufige Polizei- und Rettungswageneinsätze geklagt. „Schlägereien sind bei uns keineswegs an der Tagesordnung“, versichert hingegen die Sozialarbeiterin. Nur vereinzelt habe es vor der Tür Auseinandersetzungen gegeben, mit jenen wenigen Besuchern, die Hausverbot im Kompass haben. „Was draußen geschieht, können wir kaum beeinflussen.“
Aufreibend ist die Arbeit hier dennoch. „Der Stress ist groß, weil es so voll ist“, sagt die Sozialarbeiterin. Zudem ist die Akustik schlecht, der Lautstärkepegel ist permanent hoch. Bald soll ein Schallschutz eingebaut werden, doch dieser wird das Grundproblem nicht beheben. „Wir müssen hier in der Enge oft Konflikte regeln, man muss permanent wachsam sein“, sagt sie. Während sie noch spricht, stößt jemand an einem Tisch einen Kaffeebecher um, die Bulgaren lachen laut, einige springen auf. Die Situation wird kurz hektisch, bleibt aber friedlich.
„Wir stoßen hier an unsere Kapazitätsgrenzen“, sagt Norbert Herschel vom Diakonischen Werk. „Wir wünschen uns größere Räume – oder einen zweiten Stützpunkt.“
Ratspolitiker, die sich den Betrieb im Trinkraum angesehen haben, kommen inzwischen zu demselben Schluss. Längst wird innerhalb der SPD diskutiert, ob nicht größere Räumlichkeiten gefunden werden müssen. „Möglicherweise müssen wir nachsteuern“, meint ein Genosse. Im Gespräch ist die ehemalige Polizeiwache am Raschplatz. Die Räume stehen noch immer leer. Die CDU will hingegen abwarten, erkennt aber auch die Probleme. „Möglicherweise brauchen wir Einlasskontrollen für den Trinkraum“, sagt CDU-Fraktionschef Jens Seidel. Letztlich komme es darauf an, dass der Betrieb im Kompass überschaubar bleibe. „Schließlich geht es darum, ein Beratungsangebot aufrechtzuerhalten“, sagt Seidel.
Dass irgendwann wieder weniger Besucher in den Kompass kommen könnten, glaubt dort niemand. „Der Ort wird angenommen, die Menschen bekommen hier Hilfe“, sagt Norbert Herschel am Tresen des Kompass. Zwei Afrikaner kommen herein, jetzt sind auch die letzten Sitzplätze belegt. Herschel nickt. „Und der Winter kommt erst noch.“
Quelle: Franson
INFO: Fünf Sozialarbeiter sind im Kompass
Der auch als Trinkraum bezeichnete Kompass wurde Anfang Oktober eröffnet. Neben ehrenamtlichen Helfern, die Obdachlose dort mit Getränken und Brühe versorgen, sind dort fünf Sozialarbeiter tätig. Diese sprechen teils Russisch und Polnisch, um mit Obdachlosen aus Osteuropa ins Gespräch zu kommen. Ursprünglich sollten die Mitarbeiter auch aufsuchende Sozialarbeit am Raschplatz betreiben, doch dazu lasse der starke Andrang im Kompass meist keine Zeit, sagt Norbert Herschel vom Diakonischen Werk. Das Projekt ist zunächst auf ein Jahr angelegt, dann wollen Stadt und Diakonie es bewerten.
HAZ vom 13.12.2017, S. 17:
Stadt quartiert Obdachlose in Flüchtlingsunterkünften ein
Zahl der Wohnungslosen steigt/ Winterwetter setzt Verwaltung unter Druck/ Asylsuchende sollen Waterloo-Containerdorf verlassen
Von Andreas Schinkel
In Hannover leben immer mehr Menschen, die keine feste Wohnung haben. Um die Engpässe zu beheben, geht die Stadt neue Wege: „Wir gehen dazu über, Unterkünfte, die für Flüchtlinge vorgesehen waren oder noch sind, zu räumen und Obdachlosen zur Verfügung zu stellen“, sagt Marc Schalow, Bereichsleiter im Bauamt. So quartiert die Stadt jetzt obdachlose Familien in das Flüchtlings-Containerdorf auf dem Waterlooplatz ein.Zudem sollen in naher Zukunft zwei weitere Flüchtlingsunterkünfte in Vahrenwald und in der Oststadt für Wohnungslose geöffnet werden.
Wir sehen immer mehr Menschen, die in Hauseingängen schlafen. Das ist eine neue Entwicklung.
„Wir brauchen jetzt schnelle Maßnahmen, um durch den Winter zu kommen“, sagt Schalow am Montagabend im Bezirksrat Mitte. Die Diakonie unterstützt die Pläne der Stadt: Alles sei besser, als unter der Brücke zu schlafen, sagt Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes.
Das Diakonische Werk geht von 3000 bis 4000 Wohnungslosen aus, die bei Freunden unterkommen oder in städtischen Einrichtungen leben – Tendenz steigend. Davon sind nach Angaben der Diakonie etwa 400 Obdachlose zu unterscheiden, die auf der Straße nächtigen. Hannovers Stadtverwaltung schätzt, dass sich die Zahl der Wohnungslosen jedes Jahr um zehn Prozent erhöht. „Der Druck ist groß“, sagt Schalow.
Die Stadtverwaltung ist gesetzlich verpflichtet, Obdachlosen ein Dach über dem Kopf zu geben. Derzeit wohnen 1152 Obdachlose in städtischen Einrichtungen, dazu zählen Wohnungen und Gemeinschaftsunterkünfte. Die Stadt bietet Wohnheime für Männer, Frauen und Familien an.
Der Bedarf an Übernachtungsmöglichkeiten liegt jedoch höher. Deshalb fiel der Blick der Verwaltung auf das Containerdorf auf dem Waterlooplatz. 70 Plätze seien in der Anlage für Obdachlose reserviert, 36 Flüchtlinge wohnten dort noch. Mittelfristig sollen die Asylsuchenden ausziehen und auf andere Heime verteilt werden. „Vier obdachlose Familien haben wir bereits untergebracht“, sagt Schalow. Mit dem Betreiber der Unterkunft, dem Deutschen Roten Kreuz, sei die Unterbringung abgesprochen.
Zudem öffnet die Stadt einen ehemaligen Möbelmarkt in Vahrenwald, der zuvor als Flüchtlingswohnheim diente, für Obdachlose. „Der Möbel-Boss-Markt soll ein Sleep-In werden“, sagt Schalow. Das bedeutet, dass Menschen ohne Bleibe dort nächtigen können, die Einrichtung morgens aber wieder verlassen müssen. Auch das ehemalige Hotel Flamme hinter dem Raschplatz, zuvor ein Wohnheim für Asylsuchende, steht in einigen Wochen Wohnungslosen zur Verfügung.
„Wir sehen immer mehr Menschen, die in Hauseingängen schlafen. Das ist eine neue Entwicklung“, sagt Diakoniepastor Müller-Brandes. Den Grund für die steigende Zahl von Menschen ohne Bleibe liege in einer verstärkten Zuwanderung, insbesondere aus Südosteuropa. Das bestätigt die Stadt Hannover. „Seit 2014 registrieren wir Zuwanderer aus Südosteuropa“, sagt Schalow. Seitdem gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren.
Quelle: Schaarschmidt
HAZ vom 11.12.2017, S. 11:90 Päckchen für Obdachlose
Sammelaktion bereitet Weihnachtsfeier im HCC vor
(miz). Die Musik spielte am Sonnabendnachmittag auf der Ladefläche des Piaggio-Ape-Dreirads der hannoverschen Sofa-Rocker Wohnraumhelden – doch das Konzert auf dem Lindener Marktplatz bot nur den Rahmen für das Sammeln von Spenden und Geschenken. Adressaten sind Obdachlose und Bedürftige, für die sieben Ehrenamtliche am kommenden Sonntag im Hannoverschen Congress Centrum (HCC) „DIE!!! Weihnachtsfeier“ ausrichten wollen. Erwartet werden rund 700 Erwachsene und bis zu 400 Kinder. Die größte Menge von Geschenken brachten Schüler der IGS Langenhagen. Sie hatten 90 Kartons gepackt. „Unser Motto lautet: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, sagte Mitorganisatorin Susi Duhme.
HAZ vom 06.12.2017, S. 21:
Essenausgabe geht in die 30. Saison
Bedarf steigt auf Rekordstand
(be). Anfang Dezember ist die Essenausgabe in ihre 30. Saison gestartet – und sie wird stärker denn je in Anspruch genommen. Immer mehr Obdachlose nutzen das Angebot einer kostenlosen warmen Mahlzeit in den Wintermonaten. In der vergangenen Saison haben die meist ehrenamtlichen Helfer rund 16 000 Mahlzeiten an Bedürftige ausgegeben, rund 2000 mehr als im Vorjahr – und doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren.
„Immer mehr mittellose Menschen aus Osteuropa suchen in Hannover ihr Heil – und ihre Zahl wird weiter steigen“, prophezeit Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes. „Auch der Anteil der Frauen, die zu uns kommen, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – und immer mehr Menschen sind von Altersarmut betroffen“, sagt Isabelle Rank, die als Sozialarbeiterin in der Essenausgabe für die Besucher ansprechbar ist.
Quelle: Dröse
Mehrere Kirchengemeinden unterstützen das spendenfinanzierte Projekt. Gesponsert wird dieses auch von der Kantine der Nord/LB und dem Friederikenstift. „Ohne den Einsatz vieler Partner wäre die Arbeit nicht zu bewältigen“, sagt der katholische Pfarrer Johannes Lim.
Die ökumenische Essenausgabe ist bei der Heilsarmee, Am Marstall 25, bis zum 10. März montags bis sonnabends von 11 bis 13 Uhr geöffnet. Mehr Informationen unter Telefon (05 11) 99 04 00.
HAZ vom 04.12.2017, S. 9:
Raschplatz: Trinkraum ist oft überfüllt
Seit zwei Monaten gibt es den Kompass: Der Raum soll die Trinkerszene beruhigen.
Das ist bisher noch nicht gelungen – obwohl das Angebot gut angenommen wird.
Von Simon Benne
Es gibt 25 Plätze. Doch oft halten sich dort 40 Menschen auf.
Quelle: Benne
Zwei Monate nach Eröffnung des Rückzugsraums Kompass haben die Träger eine positive Bilanz gezogen – und zugleich auf Schwierigkeiten hingewiesen. Die schlicht eingerichteten Räume im Spielbankgebäude sollen eine Anlaufstelle für Wohnungslose sein und zugleich helfen, die Situation um die Trinkerszene am Raschplatz zu entspannen. „Nach den ersten Wochen können wir sagen, dass der Trinkraum angenommen wird“, sagt Stadtsprecher Andreas Möser. Bei zunehmend kalter Witterung sei mit einem noch größeren Zustrom zu rechnen.
Rainer Müller-Brandes, Diakoniepastor: „Es ist ganz offenkundig, dass dies das richtige Angebot zur richtigen Zeit ist“, sagt auch Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes. Allerdings gehe es in den zwei kleinen Räumen meist sehr laut zu. Der Kompass ist oft überfüllt: „Es gibt 25 Plätze, doch häufig halten sich rund 40 Menschen dort auf“, sagt Müller-Brandes. „Für unsere Sozialarbeiter ist das eine ausgesprochene Herausforderung. Wir stoßen bereits jetzt an unsere Kapazitätsgrenze.“ Das Projekt ist zunächst auf ein Jahr befristet, danach wollen Stadt und Diakonie das Konzept überprüfen.
Bereits jetzt ist der Kompass für viele Menschen zu einer wichtigen Anlaufstelle geworden. „Dieser Raum ist ein Segen für uns“, sagt der 42-jährige Igor. Der gebürtige Lette lebt auf der Straße, er ist dort häufig zu Gast. „Man kann sich hier aufwärmen, es gibt Kaffee, und die Sozialarbeiter sind nett“, sagt er. Allerdings sei es in den Räumen oft zu eng, bemängelt die 53-jährige Kathi, die in einer städtischen Unterkunft lebt. „Man kann sich dort schlecht aus dem Weg gehen“, sagt sie.
Im Kompass dürfen Besucher Bier und Wein mitbringen. Kaffee und Tee gibt es umsonst, Hochprozentiges ist verboten. Insgesamt fünf Sozialarbeiter arbeiten dort. Sie sprechen teils mehrere Sprachen; viele Besucher stammen aus Osteuropa. Die Räume sind mit kühlen Neonleuchten, schmucklosen Wänden sowie einfachen Tischen und Stühlen betont schlicht eingerichtet. Auf engem Raum sind hier oft viele frustrierte Menschen versammelt, deren Lebensentwürfe gescheitert sind – das birgt Konfliktstoff.
Auch deshalb sieht Dieter Kiedrowski, Inhaber der benachbarten Videothek Videoland, das Projekt kritisch. Seiner Beobachtung nach gibt es im Umfeld des Kompass oft Prügeleien. „Polizei- und Rettungswageneinsätze sind fast an der Tagesordnung“, sagt er. Grundsätzlich hält er es für inkonsequent, einen Rückzugsraum für die Szene vom Raschplatz zu schaffen. „Ich denke, der Laden fördert das Trinken nur.“
Die Polizei betont indes, dass sie einen „guten Austausch“ mit den Sozialarbeitern pflege. Hinsichtlich der Lage am Raschplatz könne man aus polizeilicher Sicht bislang seit Eröffnung des Kompass jedoch noch keine Veränderungen feststellen, sagt Polizeisprecher Sören Zimbal. Die Zahl der Einsätze dort sei etwa gleich geblieben.
HAZ vom 02.12.2017, S. 18:
96 feiert mit 1100 Bedürftigen
Weihnachtsparty in der Arena
(be). Es gab Gegrilltes, Zuckerwatte und ein Kinderkarussell: Rund 1100 Bedürftige feierten auf dem festlich dekorierten Südvorplatz der Arena am Maschsee eine fröhliche Weihnachtsparty – als Gäste von Hannover 96. Die hilfsbedürftigen Menschen waren zuvor über die Hannoversche Tafel, die Caritas und Einrichtungen für Wohnungslose gezielt zu dem Weihnachtsfest eingeladen worden. Stimmungsvoll wurde es am Freitagnachmittag, als der Posaunenchor der Stadtmission Weihnachtslieder intonierte. Dazu flackerte auf einer LED-Wand ein Kaminfeuer. Im vergangenen Jahr hatte Hannover 96 erstmals eine vorweihnachtliche Feier für Hilfsbedürftige ausgerichtet.
Quelle: Farys
HAZ vom 23.11.2017, S. 18:
Caritas-Straßenambulanz stellt Arzt ein
Immer mehr Wohnungslose brauchen professionelle medizinische Hilfe
Von Jutta Rinas
Die Caritas-Straßenambulanz stellt erstmals seit ihrer Gründung 1999 einen eigenen Arzt für die medizinische Versorgung der Wohnungslosen in Hannover ein. Der Grund: Die Zahl der Wohnungslosen steigt. Gleichzeitig sinkt bei der Straßenambulanz die Zahl der Ärzte und Helfer, die diese Aufgabe ehrenamtlich übernehmen. Die Region fördert das Projekt deshalb 2017 auch erstmals institutionell: mit 21.000 Euro.
Quelle: Dillenberg
„Wir brauchen dringend eine möglichst flächendeckende, medizinische Grundversorgung“, sagte Erwin Jordan, Dezernent für Soziale Infrastruktur der Region Hannover, gestern. Dazu kommen Stiftungsgelder für die Straßenambulanz in Höhe von insgesamt 19 000 Euro von der Ricarda und Udo Niedergerke Stiftung und der Bürgerstiftung. 95.000 Euro benötige man jährlich, um das Projekt aufrechtzuerhalten, hieß es gestern. Die Gesamtsumme setze sich aus weiteren Spenden, Geldern der Caritas-Stiftung „Von Mensch zu Mensch“ und mit den Krankenkassen abrechenbaren Leistungen zusammen.
Etwa 420 000 Wohnungslose gab es nach Angaben der BAG Wohnungshilfe 2016 bundesweit, anerkannte Flüchtlinge, die auf den Wohnungsmarkt drängen, nicht eingerechnet. Das entspricht dem Verband zufolge einem Anstieg seit 2014 um 150 Prozent. Auch in Hannover ist ihre Zahl gestiegen. Hier gibt es nach Schätzungen von Experten mittlerweile 4000 Wohnungslose, zwischen 400 und 600 von ihnen sind obdachlos.
Kälte, Schmutz, fehlende Körperhygiene, dazu Alkohol, Sucht und die Angst, eine normale Arztpraxis zu besuchen, mache den Menschen auf der Straße zu schaffen, sagte Caritas-Projektkoordinatorin Ramona Pold gestern. Die Folge seien nicht nur hoher Blutdruck und schwere Infektionen, sondern multiple, vielfach sogar chronische Erkrankungen.
Hier setzt die Arbeit der kostenlosen Hilfe der Straßenambulanz an. Fünf Ärzte und zehn Helfer und Fahrer sind an sieben Standorten in Hannover neunmal in der Woche für ihre Patienten da. Jährlich rund 2500 Behandlungen führen sie nach Angaben der Caritas Hannover jährlich durch. Von 2011 bis 2016 wurden sie insgesamt 15959-mal tätig.
Immer größere Probleme bereitete den Ehrenamtlichen dabei nicht nur die steigende Zahl der Wohnungslosen. Auch die Patientenstruktur veränderte sich – so Pold – im Laufe der Jahre erheblich. Heute haben mehr als 30 Prozent der Hilfesuchenden einen Migrationshintergrund, mehr als 20 Prozent sind nicht krankenversichert. Dazu kommt: Etwa 2,5 Prozent der Behandlungsfälle sind unter 18.
HAZ vom 07.11.2017, S. 7:
Frau zu Tode misshandelt
Leiche einer Obdachlosen auf altem Rangierbahnhof entdeckt
Von Irena Güttel
Delmenhorst. In Delmenhorst ist eine 51 Jahre alte obdachlose Frau unter offenbar grausamen Umständen ums Leben gekommen. „Sie weist schwere Misshandlungen auf, und daran ist sie auch verstorben“, sagte eine Polizeisprecherin am Montag.
Die Leiche war am Sonnabend auf dem Gelände eines ehemaligen Rangierbahnhofs entdeckt worden. Ob es schon Hinweise auf einen Täter gibt, wollten die Ermittler nicht sagen.
Immer wieder werden Obdachlose Opfer von Gewaltverbrechen. Im Frühjahr soll ein 24-Jähriger einen wohnungslosen Mann in Hannover mit einem Pflasterstein auf den Kopf geschlagen und lebensgefährlich verletzt haben. Das Landgericht Braunschweig verurteilte zwei Männer im vergangenen Dezember zu mehrjährigen Haftstrafen, weil sie einen 58-Jährigen in einer Unterkunft für Wohnungslose mit einer Machete getötet hatten, um an sein Geld zu kommen.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe beobachtet seit den Neunzigerjahren die Zahl der Gewalttaten. Diese seien über die Jahre konstant geblieben, sagte die stellvertretende Geschäftsführerin, Werena Rosenke. „Es gibt aber ein großes Dunkelfeld.“ Nach der Statistik des Vereins wurden im vergangenen Jahr 18 Obdachlose in Deutschland umgebracht, in elf Fällen kamen die Täter aus demselben Milieu. In diesem Jahr wurden bisher 14 Opfer gezählt.
Generell müsse unterschieden werden zwischen der Gewalt Obdachloser untereinander und Überfällen auf Menschen, die auf der Straße liegen, so Rosenke. Die Überfälle würden oft von kleinen Gruppen jüngerer Männer begangen, die sich schwächere, wehrlose Opfer suchten. Den Gewalttaten unter Obdachlosen gehe in der Regel ein Streit um Schlafplätze oder Habseligkeiten voraus, der eskaliert, weil die Beteiligten betrunken sind.
HAZ vom 06.11.2017, S. 10:
Jeden Montag öffnet die „Anlaufstelle mit Herz“
Die Initiative „Obdachlosen helfen – Wir tun was“ kümmert sich seit einem Jahr um Bedürftige auf dem Andreas-Hermes-Platz / Helfer und Spenden gesucht
Von Carina Bahl
Es regnet und stürmt, als Björn Lohmann 50 Liter dampfende Linsensuppe aus dem Kofferraum seines Autos hievt. Brötchen, große Kannen mit Kaffee und tellerweise Kuchen haben ihren Weg schon auf die Klapptische am Andreas-Hermes-Platz gefunden. „Wir sind seit knapp einem Jahr jeden Montag hier“, sagt der Initiator der Gruppe „Obdachlosen helfen – Wir tun was“. Freiwillige verteilen von 16.30 bis 18 Uhr Spenden an Bedürftige. „Es sind viele Obdachlose hier“, erzählt Lohmann – „und Rentner, denen das Geld fehlt.“
Einer von ihnen ist Artur. Der 48-Jährige klopft Lohmann zur Begrüßung auf die Schulter. Man kennt sich. „Ich habe eine Wohnung“, sagt Artur. Aber der einstige Boxer mit russischen Wurzeln ist krank. „Die 400 Euro Rente reichen nicht. Das hier sind Freunde, die mir helfen.“ So sieht das auch die obdachlose Evelyn, die mit Hab und Gut auf dem Rücken in der Essensschlange steht: „Hier passen wir aufeinander auf.“
Der Stand vor dem Pavillon ist schon weit vor 16.30 Uhr umringt. „Aber wir fangen nie früher an“, betont Lohmann. Man wolle keinen Neid bei den meist rund 80 Wartenden schüren. „Dann gibt es hier auch keinen Stress.“
Quelle: Kutter
Als die Idee für die Initiative vor einem Jahr entstand, war es eine lockere Geschichte. Über Facebook habe man sich verabredet und sei mit ein paar Einkaufswagen zum Raschplatz gezogen, um dort Toastbrote zu schmieren, erinnert sich Lohmann. „Mit der Zeit ist es gewachsen, wir haben uns vernetzt und breiter aufgestellt.“ So kann Mitstreiter Mario Cordes, der auch im Tagestreff der Caritas engagiert ist, dort die Küche nutzen, um für die Obdachlosen montags zu kochen – gerade in der kalten Jahreszeit ein wohltuendes und gefragtes Angebot. „Zu Hause wäre mir langweilig“, sagt Cordes mit einem Augenzwinkern, während er Kelle um Kelle heiße Suppe in Plastikteller füllt. Seine Vorstellung von Obdachlosen habe sich seit Beginn seiner Mitarbeit verändert: „90 Prozent sind ganz normal. Sie freuen sich über ein offenes Ohr.“
Tatsächlich kommen die wenigsten, um sich nur Suppe abzuholen. Die meisten bleiben bis zum Ende. „Das ist hier eine Anlaufstelle mit Herz“, sagt die 61-jährige Erika. Die Obdachlosen fühlten sich oft als Penner oder Drogensüchtige abgestempelt. „Hier werden wir wertgeschätzt. Das tut gut.“
Als Sozialarbeit versteht die Gruppe ihr Engagement denn auch nicht. „Wir wollen einfach etwas tun und helfen, weil es uns gut geht“, sagt Lohmann, der beruflich bei MTU im Schichtdienst eingespannt ist. Seine Freizeit opfert er gern, um die Spenden von Bäckereien und Menschen, die sich bei Facebook gemeldet haben, abzuholen. „Wir könnten aber noch mehr Helfer und Spenden brauchen“, sagt seine Freundin Nicole Teschner. Rund zehn Aktive zählt die Gruppe – viel eigenes Geld sei schon investiert worden.
Einmal im Quartal organisiert die Gruppe eine größere Aktion: einen Spendenstand mit Kleidung und Schlafsäcken, ein Sommergrillen oder eine Weihnachtsfeier. Lebensmittel-, Kleider- und Geldspenden, tatkräftige Hilfe oder Autofahrer, die beim Transportieren helfen, seien gefragt.
Interessierte können eine E-Mail an wirtunwas@gmx.de schicken, auf der Facebook-Seite der Initiative vorbeischauen – oder an einem Montag wie heute zum Andreas-Hermes-Platz kommen. „Wir sind da“, verspricht Lohmann. „Die Leute verlassen sich schließlich auf uns.“
Stadt hält 64 Notschlafplätze in Hannover vor
(car). 1152 Obdachlose zählt die Stadt aktuell: 646 von ihnen sind in sogenannten Schlichtwohnungen untergebracht, 210 in Gemeinschaftsunterkünften für Männer, 65 in Einrichtungen für Frauen und 231 in Unterkünften für Familien. Die Dunkelziffer liegt vermutlich sehr viel höher. Für Männer, die einen Notschlafplatz suchen, hält die Stadt rund 50 Plätze an der Wörthstraße und vier an der Schulenburger Landstraße vor. Für Frauen gibt es am Vinnhorster Weg bis zu zehn Übernachtungsmöglichkeiten. In der kalten Jahreszeit gilt die Winterregelung. Dann können Obdachlose auch mehrere Nächte in den „Sleep-ins“ bleiben. Um die Obdachlosen über Beratungsstellen, Tagestreffs und Wohnungshilfen zu informieren, gibt es auch eine aufsuchende Sozialarbeit. Die Stadt fördert zudem das „Notprogramm Obdachlosigkeit“ mit 45 000 Euro, zu dem im Winter beispielsweise der Kältebus der Johanniter gehört. Rein ehrenamtliche Projekte werden laut Stadt derzeit nicht gefördert.
HAZ vom 27.10.2017, S. 20:
Lärm von Trinkergruppen zermürbt Anwohner
Stadt startet Bürgerbeteiligung für Umgestaltung von Weißekreuzplatz und Andreas-Hermes-Platz
Von Bärbel Hilbig
Bei manchen Anliegern am Weißekreuzplatz liegen inzwischen die Nerven blank. Obwohl die Stadt seit einiger Zeit einen Sicherheitsdienst beauftragt hat, haben sich die Konflikte mit Alkoholikern auf dem Gelände nicht abgeschwächt. Die Verwaltung hat jetzt zum Auftakt einer Bürgerbeteiligung in den Pavillon eingeladen, sie will den Weißekreuzplatz ebenso wie den unwirtlichen Andreas-Hermes-Platz in den nächsten Jahren neu gestalten.
Die meisten der rund 150 Teilnehmer leben tatsächlich in unmittelbarer Nähe. An Ideen mangelt es nicht. Die Nachbarn schlagen bessere Beleuchtung und Sportfelder für Skateboards, Parkour und Beachvolleyball am Andreas-Hermes-Platz vor, Spiele für Kinder, ein Café und eine Sperrung des Straßenstücks der Lister Meile direkt am Weißekreuzplatz.
Prügeleien und laute Musik
Groß ist jedoch die Sorge, dass alle Veränderungen am Kernproblem der Nachbarn vorbeigehen. Die Trinkergruppe, die den Weißekreuzplatz zu ihrem Areal erkoren hat, zermürbe mit ihrem raumgreifenden und lautstarken Verhalten die Anwohner, berichteten Besucher. Sie erzählen von unflätigen Beschimpfungen, von Trinkern, die bewusstlos umkippen oder sich gegenseitig angreifen. „Das kommt mehrmals in der Woche vor. Ich finde auch immer wieder hilflose Personen“, sagt ein Familienvater. Besonders nachts litten selbst entfernter wohnende Anlieger unter der Musik, die einige aus der Trinkergruppe voll aufdrehten.
Sebastian Hensler argwöhnt, dass eine Verschönerung des Platzes ins Leere läuft und die Bürgerbeteiligung dadurch in Beliebigkeit endet. „Ich will, dass das Gegröle, Geschreie und Geprügel aufhören.“ Mit seiner Familie lebt der 47-Jährige in einer Wohnung, deren Zimmer sämtlich zum Platz hinausgehen. Ein Ausweichen vor der Aggressivität sei unmöglich: „Das zerstört unsere Intimsphäre.“
Viele Nachbarn erleben die Situation ähnlich. „Meine Tochter hat jetzt Angst vor jedem Obdachlosen. Das zerreißt mir die Seele, weil Obdachlose nicht unser Problem sind“, sagt Holger Jongen. Ihre Probleme hätten die Anwohner seit drei Jahren im Bezirksrat Mitte vorgetragen. Geändert hat sich aus ihrer Sicht nichts.
Bürger sammeln Ideen
Eine Frau fragt sich, was aus dem Vorschlag der Stadt für Verhaltensregeln am Platz wie dem Einhalten der Nachtruhe geworden ist. Jongen sieht das Problem eher darin, dass niemand bestehende Gesetze durchsetze. „Der Sicherheitsdienst macht um 20 Uhr Feierabend“, sagt ein Familienvater. Er selbst rufe deshalb mehrmals am Abend die Polizei.
Dennoch sieht selbst Jongen Möglichkeiten, wie sich die verfahrene Situation noch verändern lässt. „Wenn sich Familien oder Boulespieler auf dem Platz aufhalten, ziehen sich die Trinker zurück.“ Deshalb sammelten die Anwohner an dem Abend weiter Ideen. 44 Bürger wollen die Vorschläge für die beiden Plätze nun weiter in Arbeitsgruppen vertiefen. Das Stadtplanungsbüro Plan zwei moderiert die Bürgerbeteiligung. Die Planer wollen die Ergebnisse im Mai 2018 vorstellen. Bürger können sich unter www.hannover.de (Stichwort Weißekreuzplatz) über den Diskussionsstand informieren und Kontakt aufnehmen.
HAZ vom 07.10.2017, S. 18:
„Kompass“ eröffnet: So sieht der Rückzugsraum am Raschplatz aus
Im Spielbankgebäude gibt es jetzt Räume für Wohnungslose und die Trinkerszene. Stadt und Diakonie hoffen, dass sich die Lage an dem Platz nun beruhigt.
Von Gunnar Menkens
Weiße, hohe Wände, unverputzt, beleuchtet von kühlem Neonlicht, pragmatische Tische und Stühle ohne Schnörkel. Diese zwei Räume am Raschplatz, untergebracht gegenüber der Spielbank Hannover, versprühen keinen besonderen Charme. Aber darum geht es Diakonie und Stadt nicht. Gestern eröffnete „Kompass“, ein Ort, an dem sich wohnungslose Menschen tagsüber aufhalten können. Männer und Frauen, die seit Langem auf der Straße leben, und zahlreiche Gestrandete aus Osteuropa ohne Anspruch auf staatliche Unterstützung. „Menschen in dauernder Existenznot“, nennt sie die Diakonie. Viele seien betroffen von Langzeitarbeitslosigkeit, ohne Einkommen, psychisch auffällig, isoliert und abhängig von Alkohol.
Es sind Menschen, die sich oft am Raschplatz aufhalten und bei vielen Bürgern für Unmut gesorgt haben. Die Trinkerszene dort wurde immer größer, der Ärger über Lärm und Dreck wurde lauter, viele Bürger fühlten sich unsicher. Pastor Rainer Müller-Brandes sagte am Freitag bei der Eröffnung der Räume: „Viele schaffen es nicht, ihre Träume sind gescheitert. Weil die Menschen kein eigenes Wohnzimmer haben, suchen sie sich ein anderes – und das ist manchmal die Mitte der Stadt.“
Quelle: Wilde
Alltagshilfe für Obdachlose
Der „Kompass“ im Stadtzentrum ist der Versuch, Betroffenen wieder eine Richtung im Leben zu geben. Bislang trug das Projekt den wenig schmeichelhaften Namen „Trinkraum“, denn wer kommt, der kann sich Bier und Wein mitbringen. Nur hochprozentige Getränke sind nicht erlaubt. Kaffee, Tee, Wasser und heiße Brühe gibt es kostenlos im „Kompass“, der auch ein Rückzugsraum von der öffentlichen Straße sein soll. Aber es geht um mehr. Fünf Sozialarbeiterinnen sollen den Wohnungslosen helfen, den Alltag zu bewältigen – und sie vermitteln Kontakt, etwa, wenn es um Fragen wie Sucht und Schulden geht.
Weil Menschen aus der Trinkerszene aus vielen Ländern kommen, sprechen die Frauen unter anderem Polnisch und Russisch. Und sie warten nicht, dass Wohnungslose von selbst kommen, sondern sprechen sie an, sind in der Gegend um den Raschplatz unterwegs und erzählen auf der Straße und unter Brücken vom Angebot im „Kompass“.
Träger des Projektes ist das Diakonische Werk Hannover, die Stadt finanziert das erste Versuchsjahr mit einer halben Million Euro. „Kompass“ ist Teil des Rathaus-Konzeptes zu Sicherheit und Ordnung am Raschplatz. „Ein Ordnungsdienst wird Präsenz zeigen in der Stadt“, sagt Hannovers Finanzdezernent Axel von der Ohe, am Raschplatz soll zudem öfter gereinigt werden.
Für Konstanze Beckedorf, Stadträtin für Soziales, bemisst sich der Erfolg der sozialen Einrichtung auch daran, „wie sehr wir Zugang finden zu den Menschen und helfen können, dass sie einen besseren Stand finden“.
Niemand wird ausgeschlossen
Mit dem „Kompass“ ist natürlich auch die Hoffnung verbunden, die Situation am Raschplatz zu beruhigen. Beckedorf legte jedoch Wert darauf, dass niemand vom Raschplatz ausgeschlossen werden soll. Auch für Diakoniepastor Müller-Brandes wäre das keine Lösung. „Die Leute wegzuräumen hätte nur zur Folge, dass sie sich 300 Meter weiter treffen.“
Quelle: Wilde
HAZ vom 26.09.2017, S. 25:
Düsseldorf. Das Düsseldorfer Straßenmagazin „fiftyfifty“ ruft Unterstützer dazu auf, den obdachlosen Verkäufern von Zeitschriften die Magazine abzukaufen und nicht nur Geld zu spenden.
„Die gut gemeint zugesteckten Münzen verkehren den ursprünglichen Sinn – nämlich aus Bettlern Zeitungsverkäufer zu machen – ins Gegenteil“, beklagte Geschäftsführer Hubert Ostendorf. Diese Praxis habe dazu geführt, dass die Auflage von „fiftyfifty“ auf 25 000 gesunken sei. Es sei immer schwieriger, kostendeckend zu wirtschaften. Sollte die Auflage weiter sinken, sei man gezwungen, den Verkaufspreis zu erhöhen.
HAZ vom 15.09.2017, S. 15:
Trinker bekommen eigenen Raum
Das 500 000 Euro teure Angebot soll die Szene entzerren, die am Raschplatz für Konflikte sorgt / Entscheidung über umfassendes Ordnungskonzept vertagt
Von Andreas Schinkel
Die Stadt Hannover will die Konflikte mit Trinkern am Raschplatz beilegen – und richtet daher in der Nähe einen sogenannten Trinkraum ein. Dieser soll am 6. Oktober in Betrieb gehen. Rund eine halbe Million Euro lässt sich die Stadt den auf ein Jahr angelegten Versuch kosten. In der Ratspolitik wird das Vorhaben kontrovers diskutiert.
Der Trinkraum mit dem Namen „Kompass“ soll im Gebäude der Spielbank gegenüber dem alten ZOB entstehen. Sechs Mitarbeiter der Diakonie werden die Besucher betreuen. Die Beschäftigten, drei Männer und drei Frauen, sprechen Polnisch, Russisch und Englisch. „Es handelt sich um Mitarbeiter, die Erfahrungen aus der Suchtberatung und der Betreuung von Obdachlosen mitbringen“, heißt es seitens der Stadtverwaltung.
Wein und Bier sind erlaubt
Erlaubt soll das Mitbringen und Konsumieren von leichten alkoholischen Getränken sein, also Wein und Bier. Geöffnet ist der Trinkraum täglich von 11 bis 19 Uhr. Die Zeiten seien mit dem Obdachlosen-Kontaktladen Mecki auf dem Raschplatz abgestimmt. Ein Jahr lang soll der Trinkraum betrieben werden, danach will die Verwaltung ein Fazit ziehen.
Anlass für das Vorhaben sind etliche Klagen über lautstarke Trinkergruppen, die sich auf dem Raschplatz insbesondere bei gutem Wetter versammeln. Die Stadt will die Szene mithilfe des Trinkraums entzerren. Dieser ist Teil eines umfassenden Ordnungs- und Sicherheitskonzepts, zu dem vor allem ein neuer Ordnungsdienst mit rund 50 Mitarbeitern zählt. Eine Entscheidung über das Ordnungskonzept hat die Ratspolitik am Donnerstag verschoben.
Die CDU will den Trinkraum zwar unterstützen, verhehlt aber nicht eine gewisse Skepsis. Sie verweist darauf, dass sich die Stadt Kassel gerade entschlossen hat, ihren Trinkraum zum Ende des Jahres zu schließen. „Ist es vor diesem Hintergrund noch immer zielführend, einen solchen Trinkraum zu eröffnen?“, fragte CDU-Fraktionschef Jens Seidel im Oberbürgermeister-Ausschuss. Schließlich werde in den Plänen ausdrücklich auf Kassel Bezug genommen.
Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) verteidigt seine Strategie. „Wir brauchen Rückzugsräume am Raschplatz, in denen Vertrauen entstehen kann“, sagt er. Man könne die Szene nicht nur über die Polizei ansprechen. In Kassel habe die Bevölkerung den Trinkraum nicht akzeptiert. In Kiel seien aber inzwischen sogar zwei Trinkräume entstanden. „Wir machen hier ein zielgruppengerechtes Angebot“, sagte Schostok.
Die AfD hält nichts von dem Vorhaben. Das sei mit Steuergeld subventioniertes Trinken, sagt AfD-Ratsherr Roland Herrmann. Er befürchtet, dass es im Trinkraum zu Schlägereien und Übergriffen kommt. Die Grünen halten den Trinkraum für eine der besten Maßnahmen innerhalb des Ordnungskonzepts. „Man muss auch nicht immer das Schlimmste befürchten“, sagt Grünen-Ratsherr Daniel Gardemin. Die FDP räumt ebenfalls ein, dass sie intern mit dem Vorhaben gerungen habe. „Aber es kommt auf den Versuch an“, sagt FDP-Fraktionschef Wilfried Engelke.
Endgültig entschieden wird über den Trinkraum in der Ratssitzung am 28. September. Die Entscheidung über das gesamte Ordnungskonzept wurde auf Wunsch der Linken vertagt. „Es ist besser, nach der Landtagswahl über das Konzept zu sprechen“, sagt Linken-Fraktionschef Dirk Machentanz.
Quelle: Heusel
HAZ vom 30.08.2017, S. 7:
Land will Verhütung bezahlen
Bedürftige bekommen Unterstützung
Hannover. Niedersachsen will sich mit einer Bundesratsinitiative dafür starkmachen, dass die Kosten für Verhütungsmittel für Frauen mit geringem Einkommen übernommen werden. Die Landesregierung hat am Dienstag beschlossen, einen Entschließungsantrag in den Bundesrat einzubringen. Es dürfe nicht sein, dass Frauen in prekärer wirtschaftlicher Lage weiter gezwungen seien, auf weniger sichere Verhütungsmittel umzusteigen, und sich so dem Risiko aussetzten, ungewollt schwanger zu werden, sagte Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD). Sie verwies darauf, dass das Land bei Bedürftigkeit die Kosten für eine Abtreibung tragen müsse. „Kein Geld für Verhütung, aber für den Schwangerschaftsabbruch – das ist menschenverachtend und muss korrigiert werden.“
Derzeit werden die Kosten für empfängnisverhütende Mittel von den gesetzlichen Krankenkassen nur für Frauen bis zum 20. Lebensjahr übernommen. Danach müssen Sozialhilfeempfängerinnen Verhütungsmittel aus dem Regelsatz für Gesundheitspflege bestreiten. Dieser beträgt laut Sozialministerium rund 15 Euro pro Monat.
HAZ vom 25.07.2017, S. 20:
Würstchen für Obdachlose
Imbiss verteilt Mittwoch Mahlzeiten
(man). Zwischen 11 und 12 Uhr am Mittwoch lädt der Imbiss Fritzchen Bedürftige und Obdachlose zu einer kostenlosen Mahlzeit ein. Frische Pommes und Würstchen bietet der Imbiss in dieser Zeit in Zusammenarbeit mit der Pattenser Schlachterei Gramann & Ahrberg an. "Wir freuen uns, wenn wir den Menschen, denen es nicht so gut geht, eine kleine Freude machen können - und wenn es auch nur eine warme Mahlzeit ist", sagen die Fritzchen-Inhaber Farhard Ghanay und Behnam Khazai. Das Fritzchen, direkt gegenüber der Kröpcke-Uhr, hat sich seit der Eröffnung im vergangenen Dezember auf die Herstellung von Pommes konzentriert. In Linden wollen die beiden Inhaber in Kürze eine zweite Filiale eröffnen.
HAZ vom 04.07.2017, S. 16:
Projekt WundA holt Obdachlose von der Straße
Ein Pilotangebot der Region bietet wohnungslosen jungen Menschen eine zweite Chance – mit so großem Erfolg, dass es jetzt bis 2021 verlängert wurde.
Von Jutta Rinas
Sie sind jung, manche gerade einmal 18 Jahre alt – und bereits obdachlos. Bis zu 600 solche Jugendliche gibt es in der Region, schätzt Dietmar Langer, Mitglied der Geschäftsführung im Jobcenter Region Hannover. Seit zwei Jahren fängt das Projekt Wohnen und Arbeiten (WundA), eine Kooperation der Pro Beruf GmbH, des Karl-Lemmermann-Hauses und des Jugend-Jobcenters, sie auf und versucht, ihnen eine persönliche und berufliche Orientierungshilfe zu geben.
Quelle: WUNDA
Bis zu einem Jahr bietet das Projekt in speziell dafür eingerichteten Wohnungen einen Platz zum Leben. Dazu kommt ein ganzes Paket an Maßnahmen: Psychosoziale Begleitung gehört dazu, Berufsberatung, Hilfe bei der Wohnungssuche und eine Qualifizierung im Hauswirtschafts- oder Handwerksbereich. Danach sollen die Jugendlichen wieder auf eigenen Füßen stehen.
Der Erfolg ist bemerkenswert. 96 Männer und Frauen haben bislang an dem Projekt teilgenommen. Trotz der schwierigen Lebensumstände hat heute ein Drittel von ihnen eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle, 36 Projektteilnehmer leben in einer eigenen Wohnung oder haben einen Platz in einer der WundA-WGs. Die Bilanz zeige, dass man mit dem Angebot tatsächlich junge Menschen erreichen könne, die dringend Unterstützung bräuchten, aber oft an kein Hilfesystem mehr angeschlossen seien, sagt Erwin Jordan, Sozialdezernent der Region Hannover, die das Projekt mit dem Jobcenter der Region initiiert hat. Ursprünglich war das Projekt auf drei Jahre angelegt. Jetzt wurde es bis Anfang 2021 verlängert.
Junge Erwachsene im Alter von 18 bis 26 finden bei WundA Hilfe. Die Probleme, die dazu führen, dass sie in die Obdachlosigkeit abrutschen, sind vielfältig und oft sehr schwerwiegend. Der 19-jährige Daniel etwa wird ohne Eltern groß, wächst in verschiedenen Jugendhilfeeinrichtungen auf. Mit 18 Jahren plötzlich auf sich allein gestellt zu sein packt er nicht. Er wird obdachlos, irgendwann straffällig, landet im Jugendknast. Danach lebt er zunächst in einem Wohnheim für Strafentlassene, dann gerät er wieder auf die Straße.
75 Prozent der Teilnehmer sind nach Angaben von WundA drogen-, spiel- oder alkoholsüchtig. 67 Prozent sind überschuldet, mehr als die Hälfte hat bereits ein Gerichtsverfahren oder gerichtliche Auflagen hinter sich, 47 Prozent haben eine diagnostizierte psychische Erkrankung. Umso bemerkenswerter ist es, dass so viele einen Neustart schaffen. Wie Daniel. Er hat mit WundA bereits einen Ausbildungsplatz gefunden.
HAZ vom 23.06.2017, S. 21:
Das ist der Rotary-Ehrencodex
Seit 112 Jahren leisten Menschen im Auftrag der Vereinigung humanitäre Arbeit
Rotary, 1905 durch den Amerikaner Paul Harries in Chicago gegründet, ist eine weltumspannende Vereinigung von 1,25 Millionen Menschen. Alle Rotarier sind einem ethisch-moralisch anspruchsvollen Ehrenkodex verpflichtet. Sie dienen in Freundschaft der Menschlichkeit – über alle Grenzen hinweg. Die humanitäre Arbeit von Rotary konzentriert sich auf die Kernbereiche Bildung, Gesundheit, Mutter und Kind, Wasser und Hygiene, Wirtschafts- und Kommunalentwicklung sowie Friedensarbeit.
Rotary hat sich dem Dienst an der Menschlichkeit verschrieben, was die Einzigartigkeit dieser weltweit vernetzten und operierenden Organisation ausmacht. Rotary unterstützt jährlich rund 1000 Großprojekte und wendet dafür 70 Millionen Euro auf. Noch nicht eingerechnet sind Aktivitäten der Rotarierinnen und Rotarier, da sie ehrenamtlich erfolgen.
Quelle: THE ROTARY FOUNDATION
Der Jugend misst Rotary größte Bedeutung zu, der Jugenddienst ist das Flaggschiff der Organisation. Der internationale rotarische Jugendaustausch ist ein wirkungsvoller Dienst für den Frieden in der Welt. Schließlich verbinden Freundschaften lebenslang und kennen keine Ländergrenzen. Austauschschüler vertiefen das gegenseitige internationale Verständnis als Botschafter ihrer jeweiligen Kultur und des Weltfriedens.
„Frieden kann nicht durch Gewalt, nur durch Verständnis erreicht werden“ – 1930 sprach Albert Einstein diese Worte und muss völlig falsch verstanden worden sein. In den vergangenen 87 Jahren waren nur sieben Tage ohne Krieg in der Welt. Rotary teilt Albert Einsteins Meinung. Auch deshalb vergibt die Organisation Stipendien an junge Menschen, die sich in ihrem Leben für den Frieden engagieren wollen. Jahr für Jahr werden von Rotary 100 Friedensstipendien vergeben, eines davon erhielt Caterina Becorpi.
Die Rotary Foundation
„Doing good in the world“ – „Tut Gutes in der Welt.“ Der Auftrag von Arch Klumph an die von ihm im Juni 1917 gegründete Rotary Foundation ist eindeutig. Mit Enthusiasmus und großem Engagement wurde die Herausforderung angenommen und umgesetzt.
Seit 100 Jahren dienen 1,25 Millionen Rotarierinnen und Rotarier in allen Teilen der Welt der Menschlichkeit. Sie geben Hungernden Nahrung und schaffen Perspektiven für die Hoffnungslosen. Sie bauen Brunnen und helfen mit Impfstoffen und Ärzten. Darüber hinaus investieren sie in Kinder- und Jugendbildung. Der rotarische internationale Jugendaustausch ist der größte seiner Art. Bei allen Aktivitäten stets im Blick: das zentrale Ziel der Vereinigung, der Frieden.
800 Rotarier in der Region
Die Mitglieder der 13 Rotary Clubs aus der Region Hannover verhalten sich vorbildlich. Ihr anerkennenswerter Einsatz trägt zu mehr Menschlichkeit bei. Im Jahr 2016 brachten sie 400.000 Euro für regionale und internationale Projekte zusammen.
HAZ vom 15.06.2017, S.19:
Fairkauf bietet immer mehr Jobs
(med). Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze im Sozialkaufhaus Fairkauf ist auf mittlerweile mehr als 100 gewachsen. Das teilte der Vorstand in der jüngsten Genossenschaftsversammlung mit. Das Kaufhaus, das nur gespendete Waren verkauft, besteht in Hannover seit zehn Jahren und dient auch als Qualifizierung für Langzeitarbeitslose an sechs Standorten. Der Aufsichtsrat wurde für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Er besteht aus Unternehmerin Katja Flöge, Birgit Feeß vom Unternehmensnetzwerk PHR, Anwalt Carl-Alexander Schiedat, Juristin Hamideh Mohagheghi, der Abgeordneten Kerstin Tack sowie Stadtsuperintendent Hans-Martin Heinemann und Propst Martin Tenge.
HAZ vom 09.06.2017, S. 15:
Stadt geht gegem Trinker und Bettler vor
OB Schostok richtet neuen Ordnungsdienst mit 53 Mitarbeitern ein / Schärfere Regeln auch für Straßenmusiker / Lob von Kaufleuten, Kritik von CDU und Grünen
Von Andreas Schinkel
Mehr Ordnungshüter, strengere Vorschriften für Bettler und Straßenmusiker – die Stadtverwaltung will auf Hannovers Plätzen härter durchgreifen. Anlass sind die zunehmenden Probleme mit Trinkergruppen und Bettlerbanden in der Innenstadt „In vielen Fällen müssen wir einräumen, dass die Sorgen in der Bevölkerung begründet und nachvollziehbar sind“, sagte Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) gestern bei der Vorstellung der Strategie im Ratsausschuss. Knapp 4 Millionen Euro kostet die Initiative im ersten Jahr. Zieht man anfängliche Kosten etwa für die Ausstattung des Ordnungsdienstes ab, bleiben Ausgaben von 3,5 Millionen Euro jährlich.
Kernstück des Konzepts ist die Bildung einer Ordnungstruppe, die täglich im gesamten Stadtgebiet patrouillieren soll. 38 zusätzliche Stellen schafft die Stadt und stockt damit ihr bisheriges Personal aus 15 Parkrangern und Ordnungshütern kräftig auf. Eine Leitstelle in der Feuerwache am Weidendamm soll die 53 Mitarbeiter koordinieren. Gekleidet in blaue Uniformen, ausgestattet mit Handys und E-Bikes, laufen sie anfangs Streife mit der Polizei. „Wir geben aber keine Aufgaben ab“, betont Polizeidirektor Uwe Lange. Bei den zunehmenden Problemen in der Stadt handele es sich nicht um Straftaten, für die die Polizei zuständig wäre, sondern um Ordnungswidrigkeiten. Die Ordnungskräfte können Platzverweise erteilen, Bußgeld nehmen, Identitäten feststellen und sogar Kleidung durchsuchen.
Quelle: Archiv HAZ
Feste Regeln für das Betteln
Die Ordnungstruppe soll schärfere Regeln für Bettler und Straßenmusikanten durchsetzen. Die Stadt legt jetzt fest, welche Art von Bettelei in Hannover nicht mehr erlaubt ist. Das Anfassen und Festhalten von Passanten wird nicht mehr toleriert, ebenso ein Versperren des Wegs. Auch das Betteln von Kindern bis zum Alter von 18 Jahren will die Stadt untersagen, ebenso das Mitleid erheischende Betteln mit kleinen Kindern im Arm. Das Diakonische Werk unterstützt die neuen Vorschriften. „Wir müssen den Anblick von Elend ertragen, aber die Instrumentalisierung des Bettelns verhindern“, sagt Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes.
Für Straßenmusikanten gelten ebenfalls strengere Vorschriften. 17 Plätze hat die Stadt ausgewählt, auf denen Straßenmusiker spielen dürfen, in der Lister Meile sind es neun Standorte. Musiziert werden darf nur zwischen 12 und 20 Uhr. Die Darbietung darf nicht länger als 30 Minuten zu Beginn einer vollen Stunde dauern. Alle zwei Stunden müssen Musiker den Ort wechseln.
Um die Probleme mit Trinkergruppen auf dem Raschplatz in den Griff zu bekommen, will die Stadt ab 1. September einen Aufenthaltsraum im Spielbank-Gebäude gegenüber dem ZOB einrichten. Betrieben wird der Trinkraum von Sozialarbeitern der Diakonie.
Lob für das Konzept kommt von der City-Gemeinschaft sowie von SPD und FDP. Die Liberalen wünschen sich aber noch eine Telefonnummer, über die Bürger den Ordnungsdienst erreichen können. Kritik üben CDU und Grüne. Die erhöhte Anzahl von Ordnungshütern wäre längst nötig gewesen, sagen die Christdemokraten. Die Grünen fordern mehr Sozialarbeit und weniger Beschränkungen für Musiker.
HAZ vom 24.04.2017, S. 10:
Spanisches Büfett für Obdachlose
Tapasbar Besitos lädt zum Social Lunch ein
(ton). Ein spanisches Büfett mit sozialer Note – das tischt Marc Schinköth, Geschäftsführer der Tapasbar Besitos in der Goseriede, seinen Gästen am Mittwoch, 26. April, auf. Denn an diesem Tag ist das Restaurant zwischen 12 und 15 Uhr für diejenigen geöffnet, die es sich sonst nicht leisten können, an gedeckten Tischen mediterrane Köstlichkeiten zu genießen. Gemeinsam mit dem Caritasverband Hannover lädt das Besitos 120 Wohnungslose zu einem kostenlosen spanischen Büfett und Getränken ein. Wer teilnehmen will, muss sich vorher beim Tagestreff des Caritasverbands anmelden.
Die Kosten für das Mittagessen trägt Schinköth, seine Mitarbeiter arbeiten an diesem Tag ehrenamtlich. Das Social Lunch soll den Wohnungslosen Räume öffnen, die sonst für sie verschlossen sind. Einen Tag lang sollen sie ein ganz normaler Gast sein und etwas bestellen dürfen, ohne etwa komisch angeguckt zu werden. Der erste hannoversche Social Lunch fand im November 2014 statt. Der Caritasverband freut sich über weitere Restaurants, die sich dem Projekt anschließen.
HAZ vom 15.04.2017, S. 32:
Wohnungsloser verbrennt auf der Straße
Ein Rettungswagen entdeckt den brennenden Mann durch Zufall im Vorbeifahren – Hintergründe unklar
Von Thomas Maier
Gross-Gerau/Darmstadt. Der Mann brannte nach Augenzeugenberichten am ganzen Körper „wie eine Fackel“: Der Tod eines Obdachlosen in der Nacht zum Karfreitag im südhessischen Groß-Gerau stellt die Polizei vor Rätsel. „Es wird in alle Richtungen ermittelt“, sagte ein Polizeisprecher in Darmstadt. Der 44-Jährige starb trotz sofortiger Hilfe noch an Ort und Stelle.
Der Vorfall spielte sich nach Berichten von Augenzeugen in einer verkehrsberuhigten Sackgasse in der Innenstadt in der Nähe des Bahnhofs ab. Ein Anwohner hatte dort gegen Mitternacht für sich einen Rettungswagen gerufen, wie er sagte. Als der Notarzt eingetroffen sei, habe dieser den Obdachlosen entdeckt.´Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat inzwischen eine Obduktion angeordnet. Diese sollte noch im Laufe des Freitags stattfinden, sagte der Polizeisprecher am Freitagnachmittag. Wann mit Ergebnissen zu rechnen sei, konnte er allerdings nicht sagen.
Der Anwohner, der den Notarztwagen angefordert hatte, war zusammen mit seiner Frau Zeuge des grausigen Geschehens. Er stand am Freitag noch sichtlich unter Schock. Zwei weitere Obdachlose hätten zum Zeitpunkt des Vorfalls in ihren Decken gelegen, berichtete er. Freunde des Toten legten am Ort des Geschehens am Freitagvormittag Blumen nieder. Laut „Darmstädter Echo“ schliefen neben dem Brandopfer zwei Männer, die durch einen glücklichen Zufall ohne größere Verletzungen davonkamen. Der eine erlitt Brandwunden an den Händen und am Kopf. Die Dreiergruppe habe am Abend zuvor wohl gemeinsam Wodka getrunken. Am Tag darauf ist ihr Kumpel tot, ihre Habseligkeiten verbrannt.
Quelle: DPA
Nach Schilderung von Anwohnern nächtigen Obdachlose seit Längerem in der Gasse. Beschwerden der Anwohner bei der Stadt über Belästigungen seien ohne Erfolg geblieben.
In Berlin hatten an Weihnachten vergangenen Jahres eine Gruppe Jugendlicher und junger Männer versucht, einen Obdachlosen anzuzünden, der in einer U-Bahn-Station schlief. Der Fall sorgte bundesweit für Entsetzen.
In Italien hatte im März der grausame Feuertod eines Wohnungslosen für Entsetzen gesorgt. In Palermo hatten Unbekannte den Mann in der Nacht mit einer brennbaren Flüssigkeit überschüttet und anschließend angezündet. Eine Überwachungskamera filmte die Szene. Die Polizei konnte kurze Zeit später einen Tatverdächtigen festnehmen. Starke Verbrennungen an der Hand überführten den Mann.
HAZ vom 01.04.2017, S. 18:
Stadt sucht einen Trinkerraum für die Raschplatzszene
Ausschank im Trinkraum nicht ausgeschlossen / Skepsis in der Ratspolitik / Protec läuft ab Ende April jeden Nachmittag Streife auf dem Raschplatz
Von Andreas Schinkel
Schlägereien, wildes Urinieren, Pöbeleien gegen Passanten: Gegen die Probleme mit der Trinkerszene auf dem Raschplatz versucht die Stadtverwaltung jetzt, mit neuen Maßnahmen vorzugehen. So erwägt die Verwaltung, einen Trinkraum für die Szene zur Verfügung zu stellen, in dem möglicherweise sogar Alkohol angeboten werden könnte. Im Gespräch ist insbesondere ein Raum in dem Gebäude, in dem auch die Spielbank betrieben wird – allerdings auf der dem ZOB zugewandten Seite. Der Raum gehört dem Vernehmen nach der Grundstücksgesellschaft HRG, einer Tochter von Stadtsparkasse und Üstra, die auch Eigentümerin der Niki-Passage ist. Bei der Spielbank ist man nicht begeistert. „Mit uns hat keiner gesprochen“, heißt es aus internen Kreisen.
Quelle: Schaarschmidt/Dröse
Für einen solchen Trinkraum gibt es Vorbilder.
„Andere Städte haben bereits gute Erfahrungen mit einem solchen Angebot gemacht“, sagt Stadtsprecher Andreas Möser. In Kassel etwa betreibt ein Verein seit vier Jahren einen Trinkraum, finanziell unterstützt aus der Stadtkasse. Man habe die Trinkerszene entzerren und die Innenstadt befrieden wollen, lautete die Begründung für das Projekt. Im Winter halten sich zwischen 80 und 90 Menschen in dem Raum auf, im Sommer sind es deutlich weniger. Der Verein überlegt, eine Außenterrasse einzurichten. Im Kasseler Trinkraum werden keine alkoholischen Getränke verkauft, Bier und Wein darf jeder mitbringen, Hochprozentiges ist dagegen verboten.
In Hannovers Ratspolitik trifft das Vorhaben auf Skepsis. „Ich befürchte, dass sich durch ein solches Komfortangebot die Szene am Raschplatz ausweitet“, sagt FDP-Fraktionschef Wilfried Engelke. Er schlägt eine Testphase von einem Jahr vor. CDU-Fraktionschef Jens Seidel meint, dass der Raum nicht angenommen werde. „Im Gegensatz zu Heroinsüchtigen, die ungestört sein wollen, bevorzugen Trinker die Öffentlichkeit“, sagt Seidel.
Als weitere Maßnahme will die Stadt die Kontrollen am Raschplatz ausweiten. Nicht nur städtische Mitarbeiter werden ein Auge auf die Trinkergruppen werfen. Nach Informationen der HAZ sollen ab Ende April zusätzliche Mitarbeiter der Sicherheitsfirma Protec täglich auf dem Raschplatz nach dem Rechten sehen. Durchgehend von mittags bis abends sollen Doppelstreifen Präsenz zeigen. Beauftragt werden die Protec-Leute von der HRG.
Seit einigen Jahren gilt der Raschplatz als Schmuddelecke hinter dem Bahnhof. Nächtliche Partygänger erleichtern sich dort in dunklen Ecken, immer wieder kommt es zu Schlägereien zwischen den vornehmlich osteuropäischen Trinkern. Erst kürzlich ist ein Obdachloser auf dem Raschplatz mit einem Pflasterstein fast totgeprügelt worden. Der Tatverdächtige wurde inzwischen ermittelt.
HAZ vom 01.04.2017, S. 20:
Zwei Obdachlosen-Treffs haben neue Räume
Nordbahnhof zieht an die Schulenburger Landstraße, Dach über dem Kopf (DüK) an die Berliner Allee
Von Bärbel Hilbig
Die beiden großen Obdachlosentreffs Nordbahnhof und Dach über dem Kopf (DüK) haben jeder eine neue Bleibe gefunden. Beiden Tagestreffs war 2016 unabhängig voneinander von ihren jeweiligen Vermietern gekündigt worden. Die Suche nach neuen Räumen erwies sich als schwierig. „Wir haben ein Jahr lang gesucht, es wollte uns niemand haben“, berichtet Petra Tengler, Geschäftsführerin der Selbsthilfe für Wohnungslose (Sewo), die den Nordbahnhof in der Nordstadt betreibt. Auch die Stadt habe sich nicht hilfreich gezeigt.
Der Tagestreff Nordbahnhof gehört wie das DüK zu einem Netz von sieben Tageseinrichtungen für Obdachlose mit gestaffelten Öffnungszeiten. Wohnungslose können ohne Anmeldung vorbeikommen und duschen, einen Kaffee trinken, essen, Wäsche waschen und einen Computer nutzen. Der Ausfall auch nur einer der Einrichtungen hätte eine beträchtliche Lücke gerissen.
Die Probleme sind nun gelöst: Das DüK, eine Einrichtung der Diakonie, geht an die Berliner Allee 8, nur einen kurzen Fußweg vom Hauptbahnhof. „Wir wollten dringend in der Innenstadt bleiben und dort für die Menschen da sein“, erklärt Pastor Rainer Müller-Brandes, Leiter des Diakonischen Werks Hannover. Die Immobilie, zwischen Brautmode und Sanitärhandel gelegen, sei der Kirche auf Vermittlung der Stadt angeboten worden. Noch muss das Gebäude umgebaut werden. Der Umzug ist zum August oder September geplant. Bis dahin bleibt das DüK wie in den vergangenen 25 Jahren in der Lavesstraße 72.
Am neuen Standort fasst die Diakonie auf vier Etagen mit jeweils 200 Quadratmetern mehrere Einrichtungen zusammen. Der Tagestreff im Erdgeschoss bietet Obdachlosen bis 14 Uhr Duschen und Kochgelegenheiten. „Sie können sich aufwärmen und ohne Termin mit unseren Sozialarbeitern sprechen“, erläutert Müller-Brandes. In die oberen Etagen ziehen die zentrale Beratungsstelle der Wohnungslosenhilfe (ZBS) und die Straffälligenhilfe Resohelp, die bisher beide in der Hagenstraße zu finden sind.
Der Nordbahnhof, der als einziger Tagestreff auch sonntags öffnet, zieht vom Engelbosteler Damm eine Haltestelle weiter stadtauswärts an die Schulenburger Landstraße 34. Nach Abschluss des Umbaus geht der Betrieb am 10. April weiter. Ein Mitarbeiter hatte die leer stehenden Räume einer ehemaligen Sparkassenfiliale entdeckt. Vermieter ist die Sparkasse Hannover. „Wichtig ist uns, dass die Räume sinnvoll genutzt werden und nicht leer stehen“, sagt Sprecherin Dagmar Lietz.
NP von 24.03.2017, S. 17:
Pole mit Pflasterstein attackiert
HANNOVER. Am Abend strömten hier noch die Kinobesucher hinaus, um kurz vor Mitternacht lag ein Mann blutend und mit schweren Kopfverletzungen in einer Ecke am Eingang des Raschplatz-Kinos: Der 41-jährige Pole war mit einem Pflasterstein attackiert worden. Der Obdachlose wurde von einer Passantin entdeckt, die sofort die Beamten in der gegenüberliegenden Polizeistation informierte. Die leisteten Erste Hilfe, bis der Rettungswagen eintraf, in der Klinik wurde der Mann notoperiert – bis Redaktionsschluss schwebte er in Lebensgefahr. Die Polizei stellte den Pflaster- stein sicher und teilte nur mit, „dass der Auffundort auch der Tatort ist“, so Sprecherin Kathrin Pfeiffer.
Quelle: Heusel
Identifiziert wurde der Mann von anderen Obdachlosen, die den Polen „Darek“ nennen. Die Polizeibeamten waren mit einem Foto des Opfers in die Szene gegangen, um dessen Identität zu ermitteln. Ob Darek sein richtiger Name ist, blieb unklar. „In der Szene laufen viele Dareks und Mareks herum“, erzählt Sozialarbeiter Achim Teuber vom Kontaktladen Mecki am Raschplatz.
Es ist beileibe nicht der erste Fall von Gewaltkriminalität gegen Obdach- und Wohnungslose am Raschplatz. „Allerdings gibt es in Hannover nicht übermäßig viele Übergriffe – in Ostdeutschland ist Gewalt von Rechten auf klassische Wohnungslose weitaus mehr verbreitet“, berichtet Teuber. Und er sagt auch: „Es gehört schon eine gewisse Geistesverfassung dazu, sich über einen hilf- losen, schwachen Menschen herzumachen.“
Teuber mag sich nicht vor- stellen, dass der Osteuropäer Opfer eines internen Streits unter Trinkern geworden ist, zumal schon einiges dazugehört, einen Pflasterstein gegen einen lebendigen Menschen einzusetzen. Aber natürlich gebe es auch Streit innerhalb der Trinkerszene und natürlich mit der Drogenszene, die eben- falls in und um den Raschplatz vertreten ist.
Homogen ist auch die Obdachlosenszene nicht, erklärt Thomas Eichler, Vertriebsleiter der sozialen Straßenzeitung „Asphalt“: „Die Szene wechselt nach Uhrzeit. Abends sind mehr Nordafrikaner da, tagsüber kommen im Wechsel Osteuropäer und Deutsche.“
Wer „Platte macht“, sich also einen Unterschlupf für die Nacht sucht, habe zwei Möglichkeiten, so Teuber: „Entweder man versteckt sich so, dass man nicht gefunden wird, oder man sucht sich einen halbwegs beleuchteten Eingang in der Hoffnung, bei einem Angriff Hilfe zu bekommen.“ Der 41- jährige Pole habe ja in dem Ein- gang gelegen, als er attackiert wurde. Was mag den Mann in die Trinkerszene gebracht haben? „Die wollten alle ein besseres Leben, manche sind bereits seit Jahren hier.“ Es komme auch auf die Realitäten im Heimatland an: „Als die russische Schwarzmeerflotte zusammenbrach, hatten wir hier lauter russische Musiker in der Stadt.“ Aktuell käme der Groß- teil der osteuropäischen Ob- dachlosen aus Polen, auch aus Litauen, zunehmend würden Weißrussen und Russen in Hannover landen.
Für den Absturz stünde – wie bei deutschen Obdachlosen – nicht selten Trennung oder Scheidung am Anfang: „Die sind als Paar gekommen, haben hier gearbeitet, einer ist dann abgestürzt.“ Es gebe auch viele, „die lange schwarz- gearbeitet haben“ und damit keine Arbeitsnachweise hätten. Die meisten hätten natürlich keine Krankenversicherung.
Betroffen zeigte sich Diakoniepastor Rainer Müller-Bran- des: „Der Angriff auf einen ost- europäischen Obdachlosen am Raschplatz zeigt, dass es oft die Schwächsten der Gesellschaft trifft.“ Er forderte alle Bürger auf, „den Anblick von Elend“ zu ertragen und zu helfen, wenn jemand in Not sei: „Da ist jeder Einzelne von uns gefordert.“
GEFÄHRLICHES LEBEN
Obdachlose Menschen leben gefährlich. So die obdachlose Frau, die im März 2016 in der Nähe des Friederikenstiftes schlief und von dem Neonazi Patrick I. angegriffen wurde. Die 41-Jährige wurde von dem 35-Jährigen mit Tritten auch gegen ihren Kopf attackiert. Im März 2017 erhielt er dafür fünf Monate Haft.
Ein 56-Jähriger, Trinker und obdachlos, wurde – schlafend auf einer Bank in der Bahnhofstraße – gegen den Kopf getreten. Da man dem vermeintlichen Täter die Tat nicht beweisen und das Opfer sich nicht erinnern konnte, wurde das Verfahren eingestellt. Die Polizei, die Stadt sowie die HRG als Betreiber der Raschplatzfläche haben ihre Präsenz dort verstärkt, da bekannt sei, dass es dort in der Szene der Trinker und Drogenabhängigen auch zu Streitigkeiten untereinander kommt, berichtete gestern Stadt-Sprecher Andreas Möser. Eine deutliche Zunahme von Gewaltdelikten habe die Polizei bisher nicht registriert. Für den Bereich Raschplatz/Andreas-Hermes-Platz/Weißekreuzplatz werde mit Blick auf den Frühsommer konkret geprüft, ob und welche zusätzlichen Kontrollen not- wendig seien, so Möser weiter.
HAZ vom 04.03.2017, S. 9:
Klage wegen teurer Jedermann-Konten
Verbraucherschützer gehen gegen mehrere Geldhäuser vor und fordern Einschreiten der Bankenaufsicht, um sozial Schwache zu schützen
Von Albrecht Scheuermann
Hannover/Berlin. Seit Juni 2016 muss jede Bank oder Sparkasse in Deutschland ein Konto für jedermann, ein sogenanntes Basiskonto, anbieten. Damit sollen auch sozial Schwache ihre Geldgeschäfte erledigen können. Verbraucherschützer werfen jedoch mehreren Banken vor, durch überhöhte Gebühren diese Kundengruppe fernzuhalten. Die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hat deshalb jetzt die Deutsche Bank, ihre Tochter Deutsche Postbank und die Sparkasse Holstein verklagt. Zugleich forderte der Verband die Finanzaufsichtsbehörde Bafin auf, sofort einzuschreiten.
„Viele Kreditinstitute halten sich nach Auffassung des VZBV nicht an die gesetzlichen Vorgaben für Basiskontoentgelte“, sagte Dorothea Mohn, Leiterin Team Finanzmarkt bei der Verbraucherzentrale.
Das Zahlungskontengesetz gibt allen Verbrauchern seit dem 19. Juni 2016 einen gesetzlichen Anspruch auf ein Girokonto auf Guthabenbasis. Damit sollen auch Geringverdiener, Sozialleistungsempfänger, Flüchtlinge oder Obdachlose ein Konto bekommen. Laut Gesetz müssen die Entgelte angemessen sein. Dies ist nach Ansicht der Verbraucherschützer häufig nicht der Fall. Oft müssten gerade diese finanzschwachen Kunden sogar mehr für ihr Konto bezahlen als die Inhaber von normalen Konten.
So verlangt die Postbank für das Basiskonto monatlich 5,90 Euro im Vergleich zu 3,90 Euro für ein normales Konto beziehungsweise 1,90 Euro, wenn es rein online geführt wird. Bei der Deutschen Bank sind es 8,99 Euro statt 4,99 Euro. Der VZBV forderte die Bafin auf, zügig „Leitlinien zur Angemessenheit von Basiskontoentgelten zu formulieren“. Den Betroffenen sei es nicht zuzumuten, „auf ein mögliches höchstrichterliches Urteil mehrere Jahre zu warten“.
In der Region Hannover unterhält die Sparkasse Hannover mit Abstand die meisten Basiskonten. Nach Angaben eines Sprechers nutzen etwa 15 000 Kunden dieses Angebot, ein Drittel davon seien Flüchtlinge. Die Entgelte für das Basiskonto unterscheiden sich nicht von den normalen Privatgirokonten. Dies bedeutet, dass monatlich pauschal 7 Euro fällig werden, junge Kunden zahlen nur die Hälfte davon oder gar nichts. Die Sparkasse sehe die Basiskonten als Teil ihres öffentlichen Auftrags.
Anders als die Sparkasse verlangt die Hannoversche Volksbank für Basiskonten höhere Gebühren als für normale Konten. Monatlich sind es 7,50 Euro statt 6,50 Euro beziehungsweise 2,50 Euro für reine Onlinekonten. Zusätzlich müssen die Inhaber von Basiskonten nach Angaben eines Sprechers 10 Cent pro Buchungsposten bezahlen.
Er begründete die höheren Preise mit höheren Kosten für die Überwachung der Basiskonten. Zudem gebe es für sie nicht die Möglichkeit der „Quersubventionierung“, weil diese Kunden ansonsten keine Bankleistungen nachfragen. Die höheren Gebühren seien eine Frage der Gerechtigkeit, sagte der Sprecher. Finanziell spielten die Einnahmen praktisch keine Rolle, da die Bank nur „deutlich unter hundert“ Basiskonten führt.
Die Sparda-Bank Hannover macht dagegen nach eigenen Angaben bei den Gebühren für die rund 150 Basiskonten keinen Unterschied. Die Kontoführung ist also kostenlos, dazu kommen 12 Euro jährlich für die Bankkarte.
HAZ vom 03.03.2017, S. 15:
„Stadt muss auch Elend aushalten“
(pah). In der Debatte um die Trinkerszene am Raschplatz meldet sich jetzt auch die Diakonie zu Wort. Neben all der berechtigten Diskussion über Platzverweise, Alkoholverbote und hartes Durchgreifen dürfe das Soziale „nicht aus den Augen verloren werden“, sagt Pastor Rainer Müller-Brandes, Leiter des Diakonischen Werkes Hannover. Die Betroffenen zu verdrängen sei keine Lösung. „Eine Stadtgesellschaft muss es aus meiner Sicht aushalten, auch das Elend zu sehen.“ Am Raschplatz von „optimalen Bedingungen“ für Trinker und Bettler zu sprechen, empfindet Müller-Brandes als zynisch. „Ich erlebe am Hauptbahnhof alle zwei Wochen grölende Fußballfans als sehr viel aggressiver als jemanden, der auf seiner Isomatte unter einem Vordach sitzt.“
HAZ vom 03.03.2017, S. 8:
Armutsquote auf neuem Höchststand
Hannover. Die Zahl der armutsgefährdeten Menschen in Niedersachsen steigt. 16,5 Prozent sind zwischen Harz und Heide betroffen, mehr als im bundesweiten Durchschnitt, der bei 15,7 Prozent liegt. Das geht aus dem aktuellen Bericht zur Armutsentwicklung in Deutschland hervor, den der Paritätische Wohlfahrtsverband gestern vorgelegt hat. Die Quote in Niedersachsen erreichte damit den höchsten Stand seit Beginn der Erhebung im Jahr 2005. Als besorgniserregend beurteilt der Verband vor allem, dass sich auch bei Menschen mit Arbeitsplatz das Armutsrisiko verfestige und das Einkommen kaum noch zum Leben reiche. Alleinerziehende seien überdurchschnittlich oft betroffen, knapp die Hälfte ist gefährdet. Aber auch junge Wissenschaftler hätten oft kaum genug Geld zum Leben. „An Hochschulen arbeiten Hunderte Wissenschaftler mit Zeitverträgen in prekären Verhältnissen“, kritisierte die Landesvorsitzende des Paritätischen, Birgit Eckhardt.
HAZ vom 01.03.2017, S. 15:
Händler fordern: Stadt muss am Raschplatz durchgreifen
Zwei Krisentreffen, kein Ergebnis: Die Trinkerszene hinter dem Bahnhof zwinge ihre Kunden zu einem „Spießrutenlauf“, sagen die Geschäftsleute.
Von Peer Hellerling
Die Geschäfte entlang des Raschplatzes nehmen die Trinkerszene nicht mehr länger hin, die sich dort ausgebreitet hat. „Die Situation vor Ort ist weder für unsere Kunden, noch für unsere Angestellten erfreulich“, sagt Rossmann-Sprecher Stephan-Thomas Klose. „Es ist eine massive Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs.“ Erst im Herbst 2016 habe es ein Gespräch mit der Stadt gegeben, „aber seitdem ist nicht viel passiert“.
Deshalb gab es vor ein paar Tagen erneut ein Krisentreffen mit der HRG, der Betreiberin des Platzes – auf Drängen der umliegenden Geschäfte. In der Einladung heißt es, die Passerelle dürfe „kein weiteres rufschädigendes Image“ erhalten. Die Geschäfte würden monatlich Geld verlieren, wenn nur ein paar Kunden die Promenade und den Raschplatz meiden. Und das nur, „weil eine Hausverwaltung nur an Profit denkt“, wie es im Einladungsschreiben heißt. „Es ist fünf vor zwölf.“
Quelle: Körner
Rossmann-Sprecher Klose bestätigt das und nennt es einen „Spießrutenlauf“, den die Kunden auf dem Weg in die Bahnhofsfiliale zu absolvieren hätten. Neben dem Drogeriemarkt seien vorrangig die Filialen von Lidl, der Back-Factory und die Läden am angrenzenden Gang der Promenade betroffen. Klose: „Immerhin ist es für viele Bahnreisende der erste Eindruck, den sie von Hannover bekommen.“
Seitens der Stadt verweist man hingegen auf die vielen Maßnahmen, die bereits getroffen wurden. Bahn, HRG, Handel und Polizei seien seit Längerem in Kontakt. „So sind bei der HRG die Zeitabstände zwischen den Kontrollgängen des Sicherheitsdienstes verkürzt worden“, sagt Stadtsprecher Andreas Möser. Außerdem habe die HRG ihre Reinigungsintervalle erhöht, im vergangenen Sommer traten zudem bei der Kulturveranstaltung „Summer in the City“ mehrere Bands und Solokünstler hinter dem Bahnhof auf. So sank die Zahl der Trinker nach Angaben der Stadt zuletzt immerhin von zuvor 40 bis 50 auf nur noch zehn bis 20 – gemessen allerdings im kalten Dezember. Darüber hinaus seien Streetworker und ein Sicherheitsdienst im Einsatz.
Aus Sicht der Gewerbetreibenden ist das aber noch längst nicht genug. „Die Szene muss ans Licht“, sagt Rossmann-Sprecher Klose. Stattdessen würden die Trinker weiterhin „im etwas schummrigen Licht und unter dem Wetterschutz sitzen“. Den Geschäften blieben bloß Hausverbote, auf dem Platz selbst „kann aber nur die Stadt aktiv werden“, sagt Stephan-Thomas Klose.
Wenigstens ein kleiner Lichtblick: Die HRG will die Flächen unterhalb der Bahnhofstreppe in den kommenden zwei Jahren umgestalten. Die dunklen Ecken sollen verschwinden und mehr Platz für Geschäfte entstehen.
HAZ vom 27.02.2017, S. 7:
Obdachloser verletzt Obdachlosen schwer
Bremen. Ein Obdachloser hat in der Bremer Innenstadt einen anderen Obdachlosen angegriffen und dem 47-Jährigen dabei schwere Kopfverletzungen zugefügt. Wie die Polizei mitteilte, hatten Zeugen den 41-jährigen Mann dabei beobachtet, wie er auf sein Opfer eintrat, das auf einer Matratze lag. Der Grund für die Attacke war zunächst unklar, die Polizei vermutet, dass der mutmaßliche Täter auf der Suche nach Geld war. Kurz nach der Tat konnte die Polizei den 41-Jährigen festnehmen.
HAZ vom 25.02.2017, S. 18:
Toter aus der Leine war Wohnungsloser
(lok). Die Polizei konnte den Toten identifizieren, der am 12. Februar aus der Leine in Limmer geborgen worden war. Da die Identität der Person vorerst nicht geklärt werden konnte, baten die Ermittler die Öffentlichkeit hierbei um Mithilfe. Letztendlich brachten Zeugenhinweise und Befragungen die Beamten zum Ergebnis, dass es sich bei dem Toten um einen 52-Jährigen ohne festen Wohnsitz handelte. Anzeichen für einen gewaltsamen Tod gibt es laut Polizei nicht.
HAZ vom 20.02.2017, S. 11:
Schwestern kochen für Obdachlose
200 kommen ins Friederikenstift
Von Mathias Klein
Rund 200 arme Menschen sind am Sonnabend der Einladung der Schwesternschaft des Friederikenstifts zum Mittagessen gefolgt. Serviert wurden Currywurst mit Kartoffelsalat und Krautsalat sowie Schokoladenpudding zum Nachtisch.
Quelle: Eberstein
Die Mahlzeit hatte die Schwesternschaft bereits zum vierten Mal organisiert. „Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass es sehr viele arme Menschen gibt, die kein Geld für tägliche Mahlzeiten haben. Und es werden immer mehr“, sagt Schwester Sabine Ritter. An diesem Sonnabend wollen sie und ihre etwa 20 Mitstreiter den armen Menschen eine besondere Wertschätzung zukommen lassen: „Deshalb bedienen wir unsere Gäste am Tisch.“
„Unsere Gäste lieben Süßes“, berichtet Schwester Sabine Ritter. Deshalb gibt es zum Mittagessen der Schwesternschaft auch süße Getränke wie Coca-Cola und Sprite.
Die Schwesternschaft hatte die Besucher der ökumenischen Essenausgabe am Marstall in den großen Saal des Friederikenstifts eingeladen sowie auch die Mitarbeiter der Essenausgabe. Finanziert wird die Aktion aus den Mitgliedsbeiträgen der Schwesternschaft.
HAZ vom 01.02.2017, S. 7:
Anschlag auf Obdachlose in Hamburg?
Hamburg. Die Hamburger Polizei fahndet nach einem Mann, der in der Nacht zu Dienstag in Nähe der Landungsbrücken einen Brandanschlag auf zwei Obdachlose verübt haben soll. „Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen wird davon ausgegangen, dass ein bislang unbekannter Mann die Schlafstätte der beiden Obdachlosen anzündete“, teilte die Polizei am Dienstagnachmittag mit. Die Täterbeschreibung lautet auf einen circa 30 Jahre alten, dunkel gekleideten Mann.
Nach Angaben der Hamburger Feuerwehr wurden die Rettungskräfte um 2.38 Uhr von Passanten zu dem Parkdeck Höhe Brücke C in Hafennähe gerufen. Dort fanden sie nach eigenen Angaben einen etwa drei Quadratmeter großen, brennenden Müllhaufen vor. Das Feuer sei gelöscht und zwei leicht verletzte Männer in ein Krankenhaus gebracht worden. Die beiden 32 Jahre und 43 Jahre alten Männer hatten laut den Polizeiangaben nebeneinander in einem Parkhaus in Hafennähe geschlafen. Offensichtlich hatten sie den Brand rechtzeitig bemerkt. Nach ambulanter Behandlung hätten sie das Krankenhaus wieder verlassen können.
HAZ vom 07.02.2017, S. 28:
Obdachlos im Schatten der Macht
Udo (58) bettelt in Berlins Regierungsviertel: Er schläft an der Spree – doch jetzt soll er vertrieben werden
Von Jan Sternberg
Berlin. Der Eiswind pfeift über die Spree und die Brachfläche vor dem Berliner Hauptbahnhof. Neben dem Holzsteg, der den Bahnhof mit Kanzleramt und Reichstag verbindet, sitzt einer, dem das alles nichts ausmacht. Udo hat seine Arbeitsausrüstung dabei. Isomatte unter dem Hintern, Wolldecke um die Beine, Stiefel und Wadenwärmer. Und vor allem seine schwarze Pelzmütze mit dem silbernen Bundesadler-Anstecker. Udo ist der Brückenkanzler. Vor ihm steht ein Hut, darin liegt Kleingeld. Er begrüßt alle, die hier herübermüssen. Touristen, Abgeordnete, Staatssekretäre, Mitarbeiter. Udo drängt sich nicht auf, aber wenn einer reden will, ist er sofort hellwach. Kein Penner, sondern ein kompromissloser Geist. Ein alter Sozialdemokrat übrigens, weswegen er mit den Roten aus dem Bundestag besser klarkommt als mit den Schwarzen und Grünen. Udo ist 58 und kommt aus Westfalen. Sein Nachname tue nichts zur Sache, sagt er, aber eines solle man wissen: Als Kind habe er auf dem Schoß Herbert Wehners gesessen. Es gebe Fotos.
Udo schläft unten an der Spree, sein Zelt hat er in eine Nische des Betonufers gestellt. Drinnen ist es wärmer als gedacht. „14 Grad am Morgen“, sagt Udo grinsend und zeigt sein Geheimnis: Ein halbes Dutzend Grabkerzen mit Steinen beschwert. Ein Kachelofen für Obdachlose. Die Steine speichern die Wärme der Flamme. Udo hat sich eingerichtet im Schatten der Macht. Sieben Zelte stehen am Ufer, und zwischen Zelten und Fluss ein Schuttcontainer des Bezirksamts Berlin-Mitte. Er steht dort als Vorbereitung auf die Räumung. Bereits vergangene Woche sollten die Zelte hier verschwinden. Stephan von Dassel, grüner Bezirksbürgermeister, wollte nicht länger mit ansehen, wie sich wilde Zeltlager in seinen Parks ausbreiten. Im Tiergarten kampierten junge Flüchtlinge, von denen es hieß, einige hätten sich prostituiert. Neben dem Bahnhof Zoo und dem Hauptbahnhof hatten sich osteuropäische Gruppen angesiedelt. Beide Stellen sind bereits geräumt. Nur die Zelte im Spreebogen stehen noch. Denn Udo, der Brückenkanzler, hat seine Bekannten im Bundestag alarmiert, als die Arbeiter anrückten. Und er ist im Büro des Bezirksbürgermeisters aufgelaufen. „Das ist ein Rechter, der sich nur profilieren will“, sagt er über den grünen Bezirkschef.
Eins ist für Udo klar: In eine Massenunterkunft bekommen sie ihn nicht. „Da gibt es Mäuse, Ratten. Flöhe, die Krätze“, zählt er auf. „Bei uns ist es sauber, hier kann man vom Boden essen.“ Alle drei Tage geht er im Hauptbahnhof duschen. Alle zwei Wochen kommt ein Arztmobil der Caritas. „Hausbesuche, wo hat man das noch?“, scherzt Udo.
Der Brückenkanzler ist noch nicht lange dabei – und wird es auch nicht mehr lange sein. Bis vor drei Jahren war Udo Mitinhaber einer mittelständischen Firma in München. Eines Samstagmorgens stürzte er in seiner Wohnung, brach sich drei Wirbel. Und er brach auch psychisch zusammen. Er verlor die Firma und das Ersparte, schließlich kündigte er die Wohnung und beantragte Hartz IV. Er bekomme nichts, war die Antwort, schließlich gebe es die Lebensversicherung. Die ist mit 60 fällig. Udo zeigte dem Staat den Mittelfinger und kaufte sich ein Zelt.
Zwei Jahre hat er noch. Oder weniger: Plötzlich steht ein alter Freund aus München vor dem Zelt, seit 20 Jahren haben die beiden sich nicht gesehen. Er hat Udo in einem Fernsehbeitrag erkannt. Die beiden liegen sich in den Armen, weinen und Udo überfordert alles ein bisschen. Nun könnte er bald ein Zimmer in einem Hostel haben und einen Minijob. Vielleicht lässt das Grünflächenamt ihn bis dahin in Ruhe. „Aber was ist mit den anderen?“, fragt er. Mit seinen Nachbarn am Spreebogen? „Wo sollen die hin?“ Der Bezirksbürgermeister hat gesagt: „Kein Mensch ist gezwungen, auf der Straße zu nächtigen.“ Aber wenn er es will?
Aber was ist mit den anderen? Wo sollen die hin?
Quelle: Sternberg
Viele Obdachlose stammen aus Osteuropa
Die Zahl der Obdachlosen in Berlin steigt seit Jahren. Je nach Quelle und Definition ist von 3000 bis 10 000 Menschen die Rede, genaue Zählungen gibt es nicht. Inzwischen leben auch viele Menschen aus Osteuropa auf der Straße. Manche kamen als Arbeitsmigranten und scheiterten, andere finden in ihrer Heimat noch weniger Hilfe. Die zentralen Notunterkünfte sind oft überfüllt. Manchmal wollen Menschen aber auch nicht mit Fremden Matte an Matte auf dem Fußboden schlafen und suchen sich Plätze im Freien, zum Beispiel unter Brücken.
Rund 920 Schlafplätze werden in Berlins Notübernachtungen für Obdachlose vorgehalten.
Zuletzt hatte der Bezirk Mitte illegale Zeltlager von Obdachlosen wegen der katastrophalen hygienischen Verhältnisse räumen lassen. Die Berliner Verkehrsbetriebe zählen immer mehr Obdachlose in U-Bahnhöfen und hatte den Senat zum Handeln aufgefordert. Das Unternehmen hält die Stationen Südstern und Strausberger Platz nachts offen, damit Menschen in kalten Nächten eine Zuflucht finden.