2012
HAZ vom 28.12.2012, S. 13:
Hartz IV für 14.000 junge Hannoveraner
Von Andreas Schinkel
In der Region Hannover sind nahezu 14.000 Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren auf Hilfe aus staatlichen Kassen angewiesen - der dritthöchste Wert im Vergleich bundesdeutscher Großstädte. Nur in Berlin und Hamburg leben noch mehr jugendliche Hartz-.IV-Empfänger. Das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Armutsrisiko von Jugendlichen in Deutschland. Was die Quote der jungen Arbeitslosen angeht, rangiert Hannover im oberen Mittelfeld: 12,3 Prozent der jungen Menschen in der Region Hannover beziehen Hartz-IV-Mittel. Im Bundesdurchschnitt liegt die Zahl bei 8,8 Prozent.
Verglichen wurden die 20 größten Jobcenter im Bundesgebiet, sieben davon sind allein für verschiedene Gebiete Berlins zuständig. Addiert man die Zahlen der einzelnen Berliner Jobcenter, steht die Bundeshauptstadt mit mehr als 45.760 jugendlichen Hartz-IV-Beziehern an der Spitze, gefolgt von Hamburg und Hannover.
Mit Erklärungen für die hohen Zahlen in Hannover tun sich die Experten schwer. "Wir haben erhebliche Defizite bei der Integration von Jugendlichen in den ersten Arbeitsmarkt", sagt Dietmar Langer, Experte für Jugendarbeitslosigkeit beim Jobcenter Hannover. Der Arbeitsmarkt sei in bestimmten Branchen, etwa im Handwerk sowie im Hotel- und Gaststättengewerbe, angespannt. Auch übersteige in der Region Hannover die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen die Angebote. "Allein 2.000 Jugendliche stecken derzeit in Qualifizierungsmaßnahmen", sagt Langer. Besorgniserregend sei zudem, dass rund 1.000 Alleinerziehende unter 25 Jahren auf Hartz IV zurückgreifen müssten. "Für diese Gruppe, die in der Regel keine Berufsausbildung hat, bieten wir jetzt Ausbildungsgänge in Teilzeit an", sagt Langer.
Der hannoversche DGB-Regionsgeschäftsführer Andreas Gehrke sieht die Zahlen als Fingerzeig, den Übergang zwischen Schule und Beruf genauer unter die Lupe zu nehmen. "Viele Jugendliche mit schlechten Abschlussnoten werden einfach in Qualifizierungskurse abgeschoben", sagt Gehrke. Der Dschungel solcher berufsfördernder Maßnahmen sei inzwischen undurchdringlich. "Das System muss völlig neu organisiert werden", meint der DGB-Mann. Die hannoverschen Unternehmen fordert er auf, mehr Ausbildungsplätze anzubieten und die Anforderungen an die Jugendlichen zurückzuschrauben. "Es können eben nicht nur Bewerber mit Bestnoten eingestellt werden", sagt er.
Der DGB will mit seiner Studie zeigen, dass die Erfolge beim Abbau der Jugendarbeitslosigkeit nicht die Armut verringert haben. In diesem Sommer wurden in Deutschland nur noch rund 300.000 junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos gemeldet, auf Hartz IV waren jedoch fast doppelt so viele Jugendliche angewiesen.
Viele der hilfsbedürftigen jungen Erwachsenen nehmen an beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen teil, andere sind in Ausbildung, besuchen noch die Schule oder gehen einer Erwerbstätigkeit nach, für die sie aber einen so geringen Lohn erhalten, dass sie auf staatliche Hilfe angewiesen sind.
Zwischen 2500 und 3000 Wohnungslose leben im Stadtgebiet Hannover, 300 bis 500 von ihnen sogar ganzjährig auf der Straße. Mit 25.000 Euro finanziert die Stadt die Winternothilfe, die vom Diakonischen Werk gemeinsam mit der Selbsthilfe Wohnungsloser (SeWo) organisiert wird. Von Oktober bis März sind vier Sozialarbeiter im Einsatz, die gezielt Treffpunkte kältegefährdeter Obdachloser aufsuchen, ihnen Hilfsangebote und Übernachtungsmöglichkeiten nennen und sie gegebenenfalls mit Schlafsäcken und Isomatten ausstatten. Dienstags und donnerstags sind außerdem die Johanniter abends mit einem Bus unterwegs, um Obdachlose mit Suppe und Heißgetränken zu versorgen.
„Wir haben ein gutes Hilfenetzwerk“, sagte Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes. Aber gerade im Winter zögen sich viele Betroffene zurück. „Möglicherweise aus Angst, ihre guten Schlafplätze zu verlieren“, vermutet ZBS-Leiter Schöne. Die Region Hannover fördert elf Tagestreffs und Beratungsstellen für Wohnungslose.
HAZ vom 27.12.2012:
Mittagstisch in Mühlenberg vor Rettung. Aktion Sonnenstrahl will einspringen
Von Heike Schmidt
Der Mittagstisch für Kinder auf dem Mühlenberg steht vor der Rettung. Die Aktion Sonnenstrahl will für ein Jahr dafür sorgen, dass die rund 70 Jungen und Mädchen im Foyer der Grundschule täglich eine warme Mahlzeit erhalten können. Ende November war bekannt geworden, dass der Mittagstisch zum Jahresende geschlossen werden muss. "Wir könnten im Januar starten", erklärt Sigrid Schubach-Kasten, Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins Aktion Sonnenstrahl, der bereits einige Mittagstische wie den an der Fichteschule oder den im Freizeitheim Stöcken unterstützt.
Gekocht wird das Essen von der Aktion Sonnenstrahl, die von Unternehmen wie beispielsweise dem Maritim Airport unterstützt wird. Ein weiterer Vorteil wäre, dass die Kinder noch nicht einmal etwas dazuzahlen müssten. Bislang hatten die Jungen und Mädchen erst 50 Cent, dann einen Euro als Eigenanteil pro Essen beisteuern müssen.
Bislang hatte die Diakonin Karin Klapecki den Mittagstisch hauptamtlich für die Bonhoeffer-Gemeinde geleitet. Da sie vom 1. Januar Angestellte des Stadtkirchenverbandes wird und dieser die Diakonin an einem anderen Ort einsetzen möchte, wurde der Mittagstisch am 14. Dezember eingestellt. Dem Stadtkirchenverband und auch der Stadt war der Erhalt des Mittagstisches allerdings sehr wichtig. Man hatte gerade einen runden Tisch initiieren wollen, als Sigrid Schubach-Kasten ihre Idee vorstellte.
Rund 70 bedürftige Kinder erhileten im Foyer der Grundschule auf dem Mühlenberg bisher täglich eine warme Mahlzeit, insgesamt 12.767 Essen nahmen sie im vergangenen Jahr zu sich.
HAZ vom 24.12.2012:
Marktleute helfen Bedürftigen
Von Tobias Morchner
Mit seiner mobilen Salatbar "The Green Mile" ist Aron Kilick seit zwei Jahren regelmäßig auf Hannovers Wochenmärkten vertreten. Doch obwohl das Geschäftsjahr für den Selbstständigen bereits abgeschlossen ist, stand er am Sonntag noch einmal in seiner Küche. Die zubereiteten Speisen verkaufte der 34-Jährige allerdings nicht wie üblich von seinem Wagen aus. Er verschenkte das Essen in den Räumen der Caritas am Leibnizufer an Wohnungslose.
80 warme Mahlzeiten - Hackfleischbällchen mit Rotkohl und Katoffeln, Nudeln mit Erbsen-Sahne-Soße und Minestrone mit Rindfleisch - gingen auf diese Weise über den Tresen der ökumenischen Essensausgabe. Die Einrichtung, die zeitweise so gut besucht war, dass einige Gäste ihre Mahlzeit nur im Stehen einehmen konnten, wird auch vom Diakonischen Werk unterstützt. Sie ist an Sonntagen normalerweise geschlossen. "Ich habe in diesem Jahr gute Geschäfte gemacht, da wollte ich etwas an die zurückgeben, denen es nicht so gut ergangen ist", sagt Kulick, der das Startkapital für sein Unternehmen in der Quizshow "Wer wird Millionär" gewonnen hatte.
Die Idee zu der Aktion war erst vor vier Wochen entstanden. Auf dem Markt am Moltkeplatz hatte der Salatbarbetreiber Heinrich Plochg von der beachbarten Kirchengemeinde St. Joseph angesprochen. Der Pfarrer war begeistert von der Idee und vermittelte den Kontakt zur ökumenischen Essensausgabe. Auf den Wochenmärkten erzählte Kulick Kollegen von seiner Idee. "Die Jungs von Blumen Hoffmann fanden das Projekt so gut, dass sie den Schmuck für die Tische gestiftet haben", berichtet der Unternehmer.
HAZ vom 20.12.2012:
Diakonie fordert mehr Hilfe für Wohnungslose
Hannover (epd).Von Armut betroffene Menschen und die Diakonie rufen die Bevölkerung auf, Wohnungslose besser zu unterstützen. "In jedem Winter erfrieren auch in Europa wohnungslose Menschen", heißt es in einem Appell des Armutsnetzwerkes, den der hannoversche Diakoniedirektor Christoph Künkel am Mittwoch in Hannover unterzeichnete. "Die Hilfsangebote sind in vielen Kommunen noch immer unzureichend."
In dem Verein Armutsnetzwerk mit Sitz in Sulingen engagieren sich Wohnungslose, Hartz-IV-Empfänger und andere Menschen mit wenig Geld. "Wir wollen die Menschen sensibel machen", sagte Initiator Jürgen Schneider vom Armutsnetzwerk. Schneider ist selbst seit Jahren ohne Wohnung. Er hat den Aufruf auf der Internetseite www.berber-info.de veröffentlicht, auf der er bundesweit Wohnungslose über Hilfsangebote informiert. Der Appell kann auf der Seite unterzeichnet werden.
Allein in Niedersachsen sind nach Expertenschätzungen zwischen 10.000 und 25.000 Menschen ohne eigene Wohnung. Sie leben auf der Straße, in Notunterkünften, sind vorübergehend in Einrichtungen wie Frauenhäusern oder bei Freunden untergekommen. "Man muss sich klarmachen, was es bedeutet, Weihnachten allein und dann noch ohne Dach über dem Kopf zu sein", sagt Künkel. Der Direktor des diakonischen Werkes der größten evangelischen Landeskirche in Deutschland rief dazu auf, auch den Blick nach Osteuropa zu richten. Dort sei die Lage noch dramatischer.
HAZ vom 17.12.2012:
Ein Festessen für Obdachlose
Zum ersten Mal sind Bedürftige zu einer Weihnachtsfeierin der Glashalle des HCC eingeladen. 400 Obdachlose und Betreuer erleben ein Programm mit viel Abwechslung.
Von Michael Zgoll
Auf den Tellern: Geschmorte Entenkeule mit Orangensoße, Preiselbeerbirne und gebutterter Rosenkohl. An den langgestreckten Tischen: Mehrere Hundert Menschen, denen das Leben tiefe Furchen in ihre Gesichter gezogen hat. Die meisten Gäste sind Männer, der Anteil der Kappenträger ist hoch. Drei Gänge serviert das Hannover Congress Centrum (HCC) an diesem sonntäglichen Nachmittag in der Glashalle. Normalerweise zählt das Zooviertel nicht zu den Quartieren, in denen sich die Ärmsten der Armen zu Hause fühlen. Doch heute sind sie eingeladen zu einer "Weihnachtsfeier für Obdachlose und Bedürftige". Fünf Stunden dauert das Programm mit gutem Essen, sieben Künstlern aus der Region und kleinen Geschenken. Die Mitglieder von Fury in the Slaughterhouse haben sich noch einmal zu einem Auftritt zusammengerauft, und Dietmar Wischmeyer trägt als "Günther, der Treckerfahrer" ein paar seiner schrägen Geschichten vor.
Nicht alle Plätze sind besetzt. Einige der geladenen Gäste aus dem Werkheim Büttnerstraße, dem Männerwohnheim an der Schulenburger Landstraße oder einer der anderen Einrichtungen für Bedürftige haben kurzfristig einen Rückzieher gemacht. Die Menschenmenge, die öffentliche Aufmerksamkeit - manchem ist das unheimlich. Doch rund 350 Obdachlose und 50 Betreuer sind da. Die Glashalle durchzieht ein Hauch, der andeutet, dass manche Besucher ihre Kleidungsstücke länger tragen müssen - diese Feier ist eben etwas Besonderes. Viele der Gäste unterhalten sich oder lauschen den Bands, die im steten Wechsel auf die Bühne treten. Zwei Weihnachtsbäume funkeln, die Stimmung ist entspannt. An die 40 Kinder wuseln herum. Sie halten Stofftiere in der Hand, nehmen am Schminktisch Platz, lauschen der Märchenerzählerin. Die meisten kommen von der Kindertafel Mühlenberg, sind mit einem Bus gebracht worden. Später schaut der Weihnachtsmann vorbei und bringt Geschenke mit: Bücher und Spiele, Schals, Mützen und Süßigkeiten satt.
Die Idee zu der Weihnachtsfeier für Obdachlose und Bedürftige hatte Manfred Ilsemann. Der Comic-Verleger, der in Linden den Shop Phantastische Zeiten betreibt, war von einem Projekt fasziniert, das der Musiker Frank Zander in Berlin schon seit 18 Jahren auf die Beine stellt: Eine Weihnachtsfeier für Obdachlose und Bedürftige. Ilsemann eröffnet eine Gruppe im Internetportal Facebook und sucht Mitstreiter - mit großem Erfolg. 15 Köpfe stark ist schließlich das Organisationsteam, zudem wirken 60 Helfer mit. Der Nordstädter Verein Krass Unartig autodidaktischer Künstler tritt als Trägerinstitution auf, die ehemaligen Furys Kai und Thorsten Wingenfelder übernehmen die Schirmherrschaft. Lokale Künstler wie die "Wohnraumhelden" sammeln Spenden von Privatleuten, Vereinen und Kitas ein. Firmen von Conti bis Sparkasse tragen ebenso wie die Niedersächsische Wohnungslosenhilfe, der Paritätische Wohlfahrtsverband oder Stiftungen ihren Teil dazu bei, dass die Kosten von rund 40.000 Euro gedeckt sind. "Außerdem kam uns das HCC bei der Mietzahlung sehr weit entgegen. Köche und Servicekräfte haben an diesem Nachmittag ohne Entgelt gearbeitet", lobt Ilsemann. Und auch das Essen, ergänzt HCC-Geschäftsführer Joachim König, sei von den Lieferanten gestiftet worden.
Doch nicht alle einschlägigen Institutionen konnten sich im Vorfeld mit der Veranstaltung anfreunden. So hatte sich der Verein Selbsthilfe für Wohnungslose, der die Tagestreffs "Szenia", "Saftladen" und "Nordbahnhof" betreibt, kritisch geäußert. Bühnenprogramm und Blitzlichtgewitter im Glassaal des HCC würden nicht zu den Vorlieben von Wohnungslosen gehören. Auch bräuchten sie keine Almosen zu Weihnachten. Wichtiger sei, dass es in den entsprechenden Einrichtungen qualifiziertes Personal gebe, das Menschen in prekären Lebensverhältnissen das ganze Jahr über begleite. Und in den Tagestreffs und Weihnachtsstuben gebe es schließlich auch etliche ehrenamtliche Mitarbeiter, die während der Festtage vor Ort seien.
Doch so berechtigt die Forderung nach vernünftiger dauerhafter Betreuung auch sein mag: An diesem Nachmittag genießen die Obdachlosen in der Glashalle "ihre" Weihnachtsfeier ohne Wenn und Aber. Eine "Cremesuppe von der Freilandkarotte", mit Ingwer und Chili, hat schließlich noch niemand genossen, und - sie schmeckt. Auch "Osssy" Pfeiffer, Dete Kuhlmann und Terry Hoax finden schnell Anklang, und die Radio-ffn-Moderatoren Franky und Caroline Gawehns verbreiten allzeit gute Laune. Fury in the Slaughterhouse, die zum Höhepunkt am frühen Abend auftreten, müssen die beiden kaum ankündigen. Denn diese Band kennen viele Gäste noch von früher, auf die haben sie sich ganz besonders gefreut.
Das Fazit aus Sicht der Organisatoren: Thorsten Wingenfelder spricht von einem "richtig großen Erfolg". Und er verrät, dass eine Neuauflage der Weihnachtsfeier für Obdachlose schon in Planung ist. Möglicherweise, wenn sich noch mehr Sponsoren finden, wird das Ganze sogar eine Nummer größer, dann in der benachbarten Eilenriedehalle. Zu Frank Zanders Bedürftigenfest in Berlin kommen schließlich auch mehr als 3.000 Gäste.
HAZ vom 11.12.2012:
Obdachloser erfriert im Schlafsack
Berlin/Offenbach (dpa) Bei eisigen Temperaturen ist in Rüsselsheim ein Obdachloser im Schlaf erfroren. Wie die Polizei am Montag mitteilte, hatte sich der 38-Jährige aus Magdeburg in der Nacht zum Sonntag mit einem Schlafsack direkt vor die Tür eines Wohncontainers des Diakonischen Werkes gelegt. Der Mann habe sich unbemerkt und ohne sich zu melden im Freien schlafen gelegt.
Auch in den nächsten Nächten soll es laut Deutschem Wetterdienst zweistellige Minusgrade geben. Hoch "Schorsch" gewinnt mit klirrend kalter Luft aus dem Norden die Oberhand über Schneetief "Marie", das Richtung Osten zieht. Von Donnerstag an rechnen die Meteorologen mit milderem Wetter.
HAZ vom 07.12.2012:
Täglich eine warme Mahlzeit
Ökumenische Essensausgabe versorgt bis März rund 140 Bedürftige pro Tag
Von Anne Grüneberg
Es gibt Spaghetti bolognese. "Asphalt"-Verkäufer Andreas Wegner lässt sich seinen Teller füllen, setzt sich an einen Tisch neben die vielen anderen Gäste in der ökumenischen Essenausgabe und genießt. "Hier ist es immer lecker. Und das Geld, das ich hier spare, kann ich für warme Kleidung ausgeben", sagt der 51-Jährige. Seit neun Jahren verkauft er das Straßenmagazin "Asphalt", immer am gleichen Platz vor dem Rewe-Markt in Bemerode. Eine Wohnung hat er, und er lebt von Hartz IV. "Aber das reicht hinten und vorne nicht", erzählt der frühere Lagerarbeiter.
In der ökumenischen Essenausgabe erhalten Bedürftige zwischen Dezember und März eine warme Mahlzeit. Von Montag bis Sonnabend, jeweils von 11 bis 13 Uhr, sind die Räume der Caritas am Leibnizufer eine gefragte Adresse. "Jeden Tag kommen durchschnittlich 140 Menschen zu uns und holne sich ein warmes Mittagessen ab", sagt Pastor Rainer Müller-Brandes, Leiter des Diakonischen Werks Hannover. 1280 Mahlzeiten gingen im vergangenen Winter über den Tresen, dazu rund 2000 Liter heißer Kaffee und Tee. Finanziert wird das Gemeinschaftsprojekt von vier Kirchengemeinden hauptsächlich durch Spenden. In diesem Jahr stehen knapp 45.000 Euro bereit, die dringend benötigt werden.
Gegenüber von "Asphalt"-Verkäufer Wegner setzt sich Uro Rosevic, tiefe Falten im Gesicht, das Haar ergraut. Er hat sich einen Teller Nudeln geholt, dazu einen Becher Kaffee mit Milch und zwei Stück Zuckerkuchen zum Nachtisch. Rosevic kommt nicht jeden Tag hierher, aber häufig. Der 78-Jährige ist Rentner. "Aber meine Rente reicht nicht, ich habe genau 525 Euro im Monat", sagt er und beugt sich beim Sprechen weit über den Tisch. Früher sei er mal Heizungsbauer gewesen, aber wegen einer Herzoperation hätte er in Frührente gehen müssen. "Deshalb bekomme ich jetzt so wenig Geld", schimpft er.
Am nötigsten haben die warme Mahlzeit aber diejenigen, die auf der Straße leben. Von rund 2500 Wohnungslosen in Hannover sind das etwa 300 Menschen, schätzt Pastor Müller-Brandes. Rund 1000 Wohnungslose leben in Obdachlosenheimen, viele andere kommen bei Freunden unter. "Die Essenausgabe hilft vielen, aber es ist auch ein Skandal, dass sie nötig ist, in einem so reichen Land", sagt der Koordinator der Einrichtung, Michael Schroeder-Busch.
Seit 24 Jahren gibt es die Suppnküche schon. Rund 30 Ehrenamtliche helfen täglich, die Mahlzeiten auszugeben und anschließend abzuwaschen. Viele von ihnen sind selbst betroffen, sagt Schroeder-Busch. Gekocht wird das Essen in der Zentralküche des Friederikenstifts, außerdem steuern seit dem vergangenen Winter auch ortsansässige Restaurants im Rahmen der Aktion "Kochen für Obdachlose" warme Mahlzeiten bei.
An Heiligabend gibt es für die Bedürftigen sogar Geschenke. Sie wurden von Schülern der Kardinal-Bertram-Schule gepackt. Drin steckt, was nötig ist: Handschuhe, Schals und Socken, Süßigkeiten und Duschgel.
NP-INFO
Was kann man tun, wenn man einen Wohnungslosen sieht, der sich bei Minustemperaturen im Freien aufhält? Darüber gibt ein Flyer des "Winternotprogramms" Auskunft.
Darin wird die Frage geklärt, wie Hilfe aussehen und angeboten werden kann. Fachleute von Johanniter und Diakonischem Werk raten dazu, die Situation möglichst klar einzuschätzen. Auch wenn ein Obdachloser keinen Kontakt wünscht, ist eine telefonische Meldung an das Winternotprogramm hilfreich.
Die Nummer der Streetworker: 99040-15
HAZ vom 04.12.2012:
300 junge Leute sind in Hannover ohne Wohnung
von Veronika Thomas
Hannover. Das ist eine Steigerung um 20 Prozent. Dies wurde am Montag bei der Vorstellung des „Winternotprogramms für Obdachlose“, das in Hannover zum dritten Mal angelaufen ist, bekannt.
Aufgefallen ist das Problem, weil sich zunehmend junge Menschen an die Zentrale Beratungsstelle (ZBS) der Wohnungslosenhilfe wenden, um sich dort eine Postadresse einzurichten. Sie wollen so sicherstellen, dass sie Briefe, zum Beispiel vom Jobcenter, überhaupt noch erhalten können. Normalerweise wird diese Möglichkeit nur von älteren Wohnungslosen und Haftentlassenen genutzt. „Lange Zeit hatten wir gar keine junge Menschen in der Wohnungslosenhilfe“, sagte ZBS-Leiter Schöne. Dies habe sich seit wenigen Jahren geändert. Die meisten jungen Leute könnten offenbar noch bei Freunden oder Bekannten unterschlüpfen, berichtet der Sozialarbeiter, weil ihr soziales Netz noch einigermaßen stabil sei. „Aber Menschen ohne Arbeit und ohne Wohnung, nur mit einer Postadresse, das ist schon eine Vorstufe zur Wohnungslosigkeit.“ Insgesamt haben 1047 Wohnungslose eine Postadresse bei der ZBS, 2011 waren es noch 939.
Um zu verhindern, dass Wohnungslose in der kalten Jahreszeit in lebensbedrohliche Situationen geraten oder schlimmstenfalls erfrieren, werben Stadt und Region Hannover sowie das Diakonische Werk um Unterstützung durch die Bevölkerung. „Vor allem Schlafsäcke und warme Oberbekleidung sind gefragt“, sagte Hannovers Sozialdezernent Thomas Walter. „Aber wir brauchen auch Menschen mit Zivilcourage, die Wohnungslose ansprechen, wenn diese sich bei Minusgraden im Freien aufhalten und ihr Zustand bedenklich erscheint.“
Zwischen 2500 und 3000 Wohnungslose leben im Stadtgebiet Hannover, 300 bis 500 von ihnen sogar ganzjährig auf der Straße. Mit 25.000 Euro finanziert die Stadt die Winternothilfe, die vom Diakonischen Werk gemeinsam mit der Selbsthilfe Wohnungsloser (SeWo) organisiert wird. Von Oktober bis März sind vier Sozialarbeiter im Einsatz, die gezielt Treffpunkte kältegefährdeter Obdachloser aufsuchen, ihnen Hilfsangebote und Übernachtungsmöglichkeiten nennen und sie gegebenenfalls mit Schlafsäcken und Isomatten ausstatten. Dienstags und donnerstags sind außerdem die Johanniter abends mit einem Bus unterwegs, um Obdachlose mit Suppe und Heißgetränken zu versorgen.
„Wir haben ein gutes Hilfenetzwerk“, sagte Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes. Aber gerade im Winter zögen sich viele Betroffene zurück. „Möglicherweise aus Angst, ihre guten Schlafplätze zu verlieren“, vermutet ZBS-Leiter Schöne. Die Region Hannover fördert elf Tagestreffs und Beratungsstellen für Wohnungslose.
NP vom 04.12.2012:
Winternotprogramm für Hannovers Obdachlose
Stadt, Region und Diakonie bieten Hilfe an und bitten um Spenden
Von Karl Würger
Hannover. Brandes ist alarmiert: "Das kann Menschen das Leben kosten!" Deshalb gab er zusammen mit dem Sozialdezernenten der Region, Erwin Jordan, und seinem Kollegen im hannoverschen Rathaus, Thomas Walter, eine Pressekonferenz. Es war ein gemeinsamer Aufruf, Wohnungslose im Winter zu unterstützen.
Hannover und sein Umland ist für Obdachlose eigentlich ein vergleichsweise guter Platz. Damit die tagsüber eine Anlaufstelle haben und sich aufwärmen können, fördert die Region elf Tagestreffs und Beratungsstellen mit über 600.000 Euro. Hannovers "Winterprogramm für Obdachlose" hat Vorbildcharakter. Woanders tut man weniger.
Und trotzdem kann noch mehr gemacht werden: "Wir brauchen aufmerksame Mitmenschen und freuen uns über Kleiderspenden", sensibilisiert Regionsdezernent Jordan für die Lage. Die kennt keiner besser als Gottfried Schöne, ein alter Praktiker für die Obdachlosenszene und Leiter der "Zentralen Beratungsstelle für Personen in besonderen sozialen Schwierigkeiten" - eine Einrichtung der Diakonie, die sich efffektiv um wohnungslose Mitbürger kümmert. Schöne: "Der Druck steigt: Es gibt zu wenig Wohnungen und zu viele Obdachlose."
Aber es gibt auch viel gute Absicht: Die Stadt hat im letzten Jahr rund hundert Schlafsäcke verteilt. "Wenn 200 gebraucht werden, haben wir auch dafür Geld", sagt Thomas Walter.
Und was sagen die Obdachlosen? "Die Männerwohnheime sind unterschiedlich", so ein Betroffener, "das in der Schulenburger Landstraße ist eine Katastrophe. Lieber frieren als da sein!" Was ist so schlimm da? "Die Aggression, der Alkohol, die Ausstattung."
Dazu sagt Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes: "Natürlich kann man Maximalforderungen stellen - aber die sind nicht immer zu erfüllen."
HAZ vom 03.12.2012:
Der Betthüter
Obdachloser vermittelt sichere Schlafplätze an Schicksalsgenossen - per Internet
Von Sabine Maurer
Fast zwei Drittel seines Lebens hat Helmut Richard Brox auf der Straße verbracht. Er lebt vom Betteln, von Tagelöhner-Diensten, von dem, was andere übriglassen. "Das ist kein Zuckerschlecken. Es gibt keine Verwöhnaromen", sagt der 48-jährige, der quer durch Deutschland unterwegs ist - gerne auch in Frankfurt. Dort gebe es gute Möglichkeiten, nachts in einem Heim unterzuschlüpfen, sagt Brox, der in einem Kinderheim aufgewachsen ist. Mit Obdachloseneinrichtungen kennt er sich aus. Er hat deshalb eine Internetseite für Wohnungslose eingerichtet, die über sichere Schlafplätze informiert. Schon 900 Adressen sind erfasst. Das hat ihm eine Nominierung für den "Deutschen Engagementpreis" eingebracht.
Am Mittwoch wird der Preis in fünf Kategorien in Berlin vergeben. Brox weiß schon, dass er nicht zu den Siegern gehören wird. Die Nominierung hat ihn jedoch gefreut, mit Anerkennung ist er in seinem Leben bislang nicht verwöhnt worden. "Es ist egal, wo ich bin. Ich fühle mich als unerwünschte Person", sagt der blonde Mann mit Brille und Bart. "Wenn ich diese Arbeit nicht hätte, wäre meine Lust am Leben dahin."
www.kurpfaelzer-wandersmann.de, so nennt er sich gerne selbst. Im November vor 13 Jahren hat er die Seite in Berlin in einem Internetcafé eingerichtet. Jungs, die er dort kennengelernte, brachten ihm bei, wie das geht. Fünf Jahre lang veröffentlichte er dort sein Tagebuch, mittlerweile sind www.suchthilfe-deutschland.de und www.ohnewohnung-wasnun.de dazugekommen. Auf dieser Seite veröffentlicht er die Adressen von Obdachlosenheimen, dazu schreibt er Infos wie Öffnungszeiten und spezielle Angebote. Auf die Idee hierzu kam er vor acht Jahren, als er in einem kleinen Ort in Thüringen "verzweifelt und wütend" nach einer Schlafstätte suchte - und auch im Internet keine Adressen fand.
Nach dem aktuellen Entwurf des Armutsberichtes der Bundesregierung waren im Jahr 2010 in Deutschland etwa 248.000 Menschen wohnungslos. Wie viele Einrichtungen es für sie gibt, ist nicht bekannt. Und wer einen Platz in einem Heim ergattert, hat auch dann kein leichtes Leben. Brox berichtet von Schlägereien, Diebstählen und Vergewaltigungen in Obdachlosenheimen. "Da übernachten zwei bis zehn Menschen mit völlig verschiedenen Hintergründen in einem Zimmer - das gibt schnell Mord und Totschlag", sagt er.
Die auf seiner Internetseite angegebenen Obdachlosenheime habe er fast alle selbst besucht und für annehmbar befunden. Etwa 1000-mal täglich werde seine Seite angeklickt, außerdem erhalte er etliche Mails und Anrufe von Hilfesuchenden. Unter ihnen seien neben den "normalen" Obdachlosen auch ehemalige Häftlinge, Deutsche nach einem Auslandsaufenthalt und Studenten auf Wohnungssuche. Mittlerweile sieht Brox sich auch als eine Art Seelsorger. Er bekomme oft mitten in der Nacht Anrufe von verzweifelten Menschen, die kurz vor dem Suizid stünden, sagt er. "Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin eine 110-Nummer." Er tröste dann, verweise an die zuständigen Stellen - oder alarmiere die Polizei.
HAZ vom 08.11.2012:
Wie Gold für die Seele
Seit zwei Monaten verteilt der Verein Helfende Pfötchen Tierfutter in Linden-Nord.
Eine kleine Menschentraube steht vor einer Tür am Kötnerholzweg in Linden-Nord. Es ist ungemütlich an diesem Donnerstagnachmittag. Dunkle Regenwolken hängen am Himmel, der Wind weht, Laub fliegt über die Straße. Die rund 15 Personen vor der Tür stehen an - bei der Tierfutterausgabe. Seit knapp zwei Monaten hat der Verein Helfende Pfötchen Laatzen in Linden wieder eine Ausgabestelle eingerichtet. "Wir sind überglücklich, dass wir wieder einen Platz gefunden haben", sagt Kornelia Brandt-Plömer, Mitbegründerin und erste Vorsitzende des Vereins. Vor über einem Jahr hatten die freiwilligen Helfer schon Tierfutter in der Rampenstrasse ausgegeben. Die Ausgabestelle musste jedoch geschlossen werden. Die Suche nach einem neuen Platz gestaltete sich schwierig. Zum Glück für den Verein erklärte sich die Bundestagsabgeordnete für die Partei Die Linke, Heidrun Dittrich, bereit, den ehrenamtlich tätigen Helfern Parteiräume zur Verfügung zu stellen.
Jeden Donnerstag hat die Ausgabe offiziell von 16 Uhr bis 17.30 Uhr geöffnet. "Die Leute kommen aber schon viel eher", berichtet Dietmar Plömer, der ebenfalls Mitglied im Vorstand des Vereins ist. Oft stünden die Menschen schon ab 15 Uhr oder noch eher vor der Tür und warteten. "Wenn wir dann schon fertig mit Aufbauen sind, machen wir auch eher auf", sagt der 66-jährige Rentner. Immer zwei Personen werden gleichzeitig in die umfunktionierten Büroräume gelassen. Dort stehen grüne Plastikkisten, die sowohl mit Lebensmitteln als auch mit Tierfutter gefüllt sind.
Die Lebensmittelspenden kommen von umliegenden Supermärkten, das Tierfutter von privaten Spendern, Zoohandlungen oder Tierfutterherstellern. Im Grunde sieht es in der Kötnerholzstrasse aus wie in einem kleinen Tante-Emma-Laden. Da sind Brötchen und Brot, Wurst und Käse, Obst und Gemüse. Auf einer aufgebauten Theke steht das Tierfutter. Hundefutter, Katzenfutter, Futter für Nagetiere oder Wellensittiche liegt in Portionen abgepackt bereit.
Auch Marion L. aus Linden ist heute gekommen. "Ich bin froh über die Tafel", sagt die 50-Jährige. 213 Euro hat sie im Monat zum Leben. Sie bezieht Hartz IV. Mit ihrem Sohn, der Arbeitslosengeld I bekommt und monatlich 352 Euro erhält, wohnt sie zusammen. "Ich habe von der Tafel durch Punker erfahren", erzählt sie. Marion L. hat heute nicht nur Tierfutter mitbekommen, sondern auch eine Tüte mit Lebensmitteln. Zu Hause warten noch ein Kater und vier Frettchen. Zwei davon hat sie von einer Nachbarin in Pflege genommen. "Ich hatte auch mal zwei Hunde", sagt Marion L und flüstert dann: "Bis mich ein Nachbar verraten hat." Aus Kostengründen hatte sie ihre Hunde nicht angemeldet und somit nicht versteuert. Am liebsten hätte Marion L. die Tiere behalten. Sogar über einen Umzug in eine andere Stadt habe sie nachgedacht, doch ihre Gesundheit machte ihr einen Strich durch die Rechnung. "Ich bin Krebspatientin", sagt sie. Zusätzlich mache ihr der Rücken zu schaffen. "Ich konnte morgens gar nicht vernünftig mit den Tieren rausgehen." Ihre jetzigen Haustiere will die Frau mit der schwarzen Schirmmütze unbedingt behalten. "Tiere sind die besseren Menschen." Freunde habe sie in Hannover keine, aber die Tiere seien ihr ohnehin lieber. "Die reden hinter deinem Rücken nichts Schlechtes über dich."
Schicksale wie das von Marion L. kennt Kornelia Brandt-Plömer. "Manchmal sind die Tiere das Letzte, was diese Menschen noch besitzen", sagt sie. "Die sind dann wie Gold für die Seele." Der Bedarf einer solchen Tafel sei in Linden zu "300 Prozent" gegeben. "Letzte Woche waren 103 Personen hier, um sich Lebensmittel und Futter zu holen." Auch heute seien schon über 70 da gewesen - dabei ist es noch nicht einmal 17 Uhr. Rund eine halbe Tonne an Tierfutter würden die Ehrenamtlichen jede Woche in Linden und Laatzen, der anderen Ausgabestelle, verteilen, dazu kämen noch die zahlreichen Lebensmittel. "Hier sieht man mal, wie Armut aussieht", sagt Brandt-Plömer. Eine der freiwilligen Helfer ist Katrin Ulbrich. Die 44-jährige arbeitet im Jobcenter und ist somit jeden Tag mit Schicksalen wie denen vor der Tür in der Kötnerholzstraße konfrontiert. "Meine Arbeit war ein Grund für mein Engagement hier", erläutert sie. Natürlich gebe es auch Menschen, die Einrichtungen wie die Tierfutterausgabestelle ausnützen würden. "Ich mache es aber für die, die unverschuldet in Not geraten", sagt Ulbrich. "Die Betroffenen sind hier so dankbar, das merkt man einfach."
Um Futter und Lebensmittel zu erhalten, müssen die Hilfe suchenden Frauen und Männer einen Leistungsbescheid sowie einen Impfpass ihres Haustieres mitbringen. Außerdem sollten sie nachweisen können, dass sich das Tier mindestens drei Monate in ihrem Besitz befindet. Die Ausgabe erfolgt zusätzlich gegen eine kleine Spende.
Nica D. ist eine von denen, die dankbar für die Tafel ist. Die 29jährige bezieht Sozialhilfe und hat heute ihren vier Jahre alten Sohn mitgebracht. Ihre Tiere hatte sie schon bevor sie Sozialleistungen beanspruchen musste. "Ich bin ein echter Tierfan", sagt die junge Frau lächelnd. Neben drei Hunden besitzt die kleine Familie auch noch ein Kaninchen, eine Ratte und eine Schlange. Jede Woche kommt sie, um Futter und Lebensmittel zu holen. Auf die Frage, ob sie nicht ein paar Tiere abgeben würde, antwortet sie bestimmt: "Nein." Lieber würde sie hungern, als auch nur eines hergeben zu müssen. "Dann weinst du", sagt ihr Sohn. Vor der Tür im Kötnerholzweg beginnt es zu regnen.
HAZ vom 16.10.2012:
Cornelia Manns erhält Ehrenpreis
Für ihr jahrelanges Engagement zugunsten der Caritas Straßenambulanz hat der Rotary Club Hannover Eilenriede Cornelia Manns mit dem "Paul Harris Fellow" ausgezeichnet. Gemeinsam mit anderen Frauen engagiert sich Manns im Inner Wheel Club Hannover, der einmal jährlich ein viel beachtetes und erfolgreiches Bridgeturnier zugunsten der Straßenambulanz für Wohnungslose ausrichtet.
Rund 150.000 Euro hat Inner Wheel, das weibliche Gegenstück zu den männlich besetzten Rotariern, in den veragngenen neun Jahren zusammengetragen. Mit dem Geld können jährlich rund 2.000 mittellose Patienten medizinisch versorgt werden. "Damit trägt Inner Wheel maßgeblich zum Erhalt der Straßenambulanz bei", sagte Caritas-Vorstand Andreas Schubert in seiner Dankesrede.
Die Straßenambulanz versorgt durch den Einsatz ehrenamtlich tätiger Ärzte, Pflegerinnen und Fahrer mehrmals wöchentlich kstenlos Wohnungslose und von Armut betroffene Menschen in Hannover.
Rotary International hat diese Auszeichnung für besondere Verdienste geschaffen, für die es eine Ehre ist, ein "Paul Harris Fellow" zu sein.
HAZ vom 11.10.2012:
Keine Steuerlast für Spender
Erleichterung bei der Tafel: Wer Lebensmittel stiftet, muss dafür nichts an den Fiskus zahlen
Manchmal sind Dinge, die auf den ersten Blick selbstverständlich wirken, in Wahrheit ganz kompliziert. So ist es auch mit der Besteuerung von Lebensmitteln, die an Sozialprojekte wie die Hannöversche Tafel gespendet werden.
Die Finanzminister der Länder haben jetzt nach eingehender Prüfung und Rücksprache mit dem Bundesfinanzminister festgestellt: Für diese Lebensmittel brauchen die Spender keine Steuern zu entrichten. Alles andere widerspräche dem gesunden Menschenverstand - zumindest auf den ersten Blcik. Denn in der Logik der Finanzämter war bisher durchaus eine Steuerpflicht gegeben.
Worum geht es ?
Wer Lebensmittel verarbeitet wie etwa Bäcker, Fleischer oder auch Gemüsebauern, der ist beim Einkauf von Zutaten von der Umsatzsteuer (entspricht im Prinzip der Mehrwertsteuer) befreit. "Dadurch entsteht ein Steuervorteil beim Einkauf von Material. Erst beim letztlichen Verkauf der Waren für den Endverbraucher wird dann einmal Steuer bezahlt." Durch das Verschenken der Waren sei die Logik des Steuerflusses unterbrochen. "Die Finanzverwaltung hat das Problem aber erkannt und reagiert", sagt Pilz. Er betont allerdings auch: "Die Regelung gilt nicht, wenn der Spender eine steuerrelevante Spendenquittung erhält. Dan wäre es absurd, wenn er zusätzlich die Umsatzsteuer einsparen darf."
Bei der Hannöverschen Tafel löst die Nachricht Freude aus. "Ich war bestürzt über die ursprüngliche Einschätzung der Behörden - und bin froh, dass das jetzt anders gesehen wird", sagt Organisationschef Horst Gora. Auch Bäckerei-Prokuristin Breitenstein ist erleichtert. "Wir haben nach der Mitteilung unseres Steuerberaters sechs Wochen Kopf gestanden." Täglich würden bis zu zwei blaue Säcke voller Brote, Brötchen, Croissants und Kuchenstücke abgegeben, die am nächsten Tag als unverkäuflich gelten würden. Hätte die Steuerregelung Bestand gehabt, dann hätte in dem mittelständischen Betrieb jemanden auf Stundenbasis eingestellt werden müssen, "um zu registrieren, was wir verschenken", sagt Breitenstein: "Das hätte ich dem Finanzamt in Rechnung gestellt."
Die Hannöversche Tafel verlässt übrigens ihr bisheriges Domizil auf dem Anderter Heidelberg-Zement (ehemals Teutonia) und zieht an den Vahrenheider Markt. "Wir brauchen dringend mehr Platz", sagt Organisationsleiter Gora. 120 Ehrenamtliche unterstützen das Projekt. Sechs Transporter sind täglich unterwegs. In diesem Jahr sind nach Angaben Goras bereits 241 Tonnen Lebensmittel weitergegeben worden, allein im September 2012 waren es 26,24 Tonnen.
Essen an sechs Ausgabestellen
Die gespendeten Lebensmittel werden vom Verein Hannöversche Tafel an derzeit fünf Ausgabestellen in Hannover und einer in Garbsen verteilt. Start ist an den jeweiligen Tagen gegen 10 bis 10.30 Uhr. Mitgebracht werden müssen stets der Personalausweis, ein aktueller Bescheid über Bezug von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe oder ähnlichem und meist auch viel Zeit: Die Wartezeit beträgt oft zwei Stunden. Die Ausgabestellen im Einzelnen.
LINDEN: 14-täglich donnerstags in der Gemeinde St. Benno, Offensteinstrasse 8, Neuanmeldungen ab 11 Uhr
MÜHLENBERG: 14-täglich dienstags in der Kirchengemeinde St. Maximilian Kolbe, Mühlenberger Markt 5
RODERBRUCH: 14-täglich freitags in der katholischen St. Martin Gemeinde, Nußriede 21
VAHRENHEIDE: 14-täglich donnerstags in der Titus-Gemeinde, Weimarer Allee 60
KRONSVERG: 14-täglich freitags im Stadtteilzentrum KroKuS, Thie 6
GARBSEN: mittwochs in der Skorpiongasse 33. Hier werden Neuanmeldungen aber nur in der Zeit von 11.30 bis 12 Uhr entgegen genommen.
Infos: www.hannovertafel.de
HAZ vom 22.09.2012:
Arbeit auf der Straße
Was macht eigentlich ein Streetworker? Stellenanzeigen sprechen oft eine eigene Sprache. Wir erklären, was sich hinter den Berufsbezeichnungen verbirgt.
Streetworker helfen sozial Benachteiligten und Menschen in besonderen Notlagen wie Obdachlosen, ehemaligen Strafgefangenen, Mitgliedern von Straßengangs, Prostituierten oder Migranten. Um den Beruf zu ergreifen, ist in der Regel ein Studium in den Bereichen Sozialarbeit oder Sozialpädagogik erforderlich. Infrage kommen für diese Arbeit auch Psychologen, Pädagogen und Sozialwissenschaftler mit entsprechender Berufserfahrung.
Streetworker arbeiten bei der Diakonie, im Sozialdienst, bei der Caritas und in den Kirchen. Für den Zugang zum gehobenen Sozialverwaltungs-, Sozial- und Justizdienst wird nach den Laufbahnvorschriften der Bundesländer die staatliche Anerkennung vorausgesetzt. Der Verdienst ist abhängig vom Arbeitgeber und relativ niedrig. Oft liegt das Einstiegsgehalt um 2.000 Euro brutto im Monat, im öffentlichen Dienst sind es rund 2.800 Euro brutto.
Streetworker haben keine festen Arbeitszeiten und müssen die zu betreuenden Menschen in Notwohnungen, zentralen Anlaufstellen oder auf der Straße aufsuchen. Sie reden mit den Jugendlichen und schaffen sich einen Überblick über soziale Situationen. Dann erarbeiten sie bestimmte Strategien, die den Betroffenen die soziale Wiedereingliederung ermöglichen.
Zu den Aufgaben eines Streetworkers gehört außerdem Aggressionsabbau bei Jugendlichen, er versorgt Obdachlose mit Essen und Kleidung, hilft bei Behördengängen, der Arbeits- und Wohnungssuche oder begleitet Hilfebedürftige zur Suchtberatung. Seine Arbeit ist interessant und abwechslungsreich, aber auch anstrengend und nicht ungefährlich. Krisenintervention gehört zu dem Job, bei aktuellen Notlagen muss er sofort eingreifen - auch nachts und am Wochenende.
www.sozial.de
HAZ vom 13.09.2012:
200 Meter lange Tafel für Arm und Reich
Evangelische und katholische Kirche bitten als Zeichen der Solidarität mitten in der Innenstadt zu Tisch.
Hannover. Den Einkaufsbummlern bot sich Sonnabend mitten in der Innenstadt ein ausgesprochen ungewöhnliches Bild. Zwischen Kröpcke und Steintor erstreckte sich eine 200 Meter lange Tafel, an der Bürger gemeinsam beim Mittagessen saßen. Manche Passanten blickten denn auch irritiert und eilten schnell weiter. Auch Kai Bernhardt, der mit Frau und Tochter in der Stadt unterwegs war, verstand die Aktion nicht auf den ersten Blick.
„Wir sind zufällig vorbeigekommen und dachten zuerst, das sei ein Angebot ausschließlich für Bedürftige“, sagt der 37-Jährige. Doch freundliche Helfer baten die junge Familie an den Tisch und servierten indonesische Huhn-Gemüsepfanne. Andere Gäste bekamen eine Serviette mit Einladung von Sambamusikern in die Hand gedrückt, die trommelnd durch die Straßen zogen.
Diakonie und Caritas wollten bei der gemeinsamen Aktion Menschen mit weniger und mehr Geld zusammenbringen. Die Sozialwerke der evangelischen und katholischen Kirche registrieren eine wachsende Zahl armer Menschen in ihren Beratungsstellen. „Die Gruppe der Abgehängten wächst trotz guter Konjunktur. Für arme Familien reichen hundert Euro von Staat für den Schulbesuch überhaupt nicht aus“, sagt Hans-Jürgen Marcus, Direktor des Caritasverbands im Bistum Hildesheim. Diakonie-Direktor Christoph Künkel kritisierte in einem Redebeitrag, dass die Bundesregierung Maßnahmen zur Aktivierung von Arbeitslosen um die Hälfte gekürzt habe.
Rund tausend Essen gaben die zahlreich eingesetzten Kirchenmitarbeiter aus, die alle ehrenamtlich im Einsatz waren. Manche Obdachlose nahmen am Tisch Platz, und daneben Menschen, die sich eine warme Mahlzeit ohne Probleme selbst leisten können, darunter auch einige Rats- und Landespolitiker. „Dieses Miteinander finde ich total wichtig, wichtiger als die Mahlzeit selbst und wenn man sich nur gegenseitig guten Appetit wünscht“, sagte die 45-jährige Birgit, Verkäuferin des Obdachlosenmagazins „Asphalt“, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen wollte.
„Uns ist es wichtig, Sensibilität zu schaffen“, sagte Willi Schönamsgruber von der Diakonie. Nicht jeder am Tisch wollte unbedingt ein Gespräch beginnen, doch man nahm sich sicher gegenseitig etwas bewusster wahr. Die Gäste der Tafel konnten auch freiwillig etwas für ein Sozialprojekt spenden. „Man kann so etwas Gutes tun. Das ist eine schöne Aktion“, sagte Kai Bernhardt. Und geschmeckt habe es auch.
HAZ vom 13.09.2012:
Leserbrief von Herrn Erich Schober zu dem Artikel "Mehr Hilfe für Obdachlose" vom 10.September:
Gerade die Diakonie, aber auch die Caritas und das Rote Kreuz bemühen sich das ganze Jahr über um die Obdachlosen in unserer Stadt. Und es geht auch ohne Kontaktstellen wie zum Beispiel Mecki überhaupt nicht. An Profit, Oberflächlichkeiten und große Worte denkt bei uns keiner. Wir wollen nur helfen und mehr nicht - und das über das ganze Jahr hinweg.
NP vom 10.09.2012:
Verein bietet Obdachlosen auch im Sommer Hilfe
Der Verein "In Würde leben" will dauerhaft Kontakt zu Obdachlosen aufbauen und bietet auch im Sommer eine Betreuung an.
Hannover. Hannover schläft noch, die Straßen sind leer. Es ist sechs Uhr in der Grüh. Wilfried Lindwedel ist hellwach. "Normalerweise beginnt meine Tour um vier Uhr", sagt er. Der 59-Jährige ist Vorsitzender des Wohltätigkeitsverein "In Würde leben", der sich um Obdachlose kümmert.
Bis zum Herbst 2011 war Lindwedel Vorsitzender des DRK-Ortsvereins Hannover-West. Doch dann überwarf er sich mit den Spitzen des Regionsverbandes. "Wir gehen andere Wege als die großen Hilfsorganisationen, die ausschließlich darum bemüht sind, die Obdachlosen über den Winter zu bekommen. Im Sommer juckt es keinen, wer da liegt." Die Philosophie sei es, dauerhaft Kontakt aufzubauen und Obdachlose das ganze Jahr zu betreuen.
Die erste Station seiner Route ist eine verfallene Schule. Der Hof ist mit Müll übersät, die Fenster sind eingeworfen, Wände mit Graffiti beschmiert. Lindwedel schaut sich um: "Während der Wintermonate schlafen hier bis zu 30 Obdachlose." Auf dem Boden liegt zusammengekauert und in einem Schlafsack nur ein Mann. Er schreckt kurz auf, ist im nächsten Moment aber schon wieder eingeschlafen.
Ein paar Meter entfernt ein bereits verlassenes Obdachlosenlager: "Man erreicht diese Menschen meist nur in dem Zeitraum zwischen vier und sechs Uhr. In der Nacht sind sie nicht ansprechbar, am Tag mischen sie sich unters Volk." Die zehn ehrenamtlichen Helfer des Vereins, der 110 Mitglieder hat, sind an mehreren Tagen unterwegs, begrenzen sich dabei nicht nur auf die City, sondern gehen auch in die Stadtteile. Sie versorgen die Obdachlosen mit Kleidung und Lebensmitteln: "Wir versuchen, sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern, erledigen mit ihnen die nötigen Ämtergänge und helfen, dass sie die notwendigen Papiere bekommen."
Lindwedel sucht ein Waldstück neben einen Supermarkt auf. Einige verwahrloste Möbelstücke stehen hier, Essensreste und allerlei andere Kleinigkeiten. Die Bewohnerin ist nicht anwesend. "Nicht alle Obdachlose landen wegen Suchtproblemen auf der Straße. Die Frau, die hier lebt, hat nach einigen persönlichen Schicksalsschlägen alles verloren. Helfen lassen möchte sie sich nicht. Das sei kein untypsiches Verhalten: "Die Realität hat uns eingeholt. Man muss es nehmen, wie es ist."
Die eigene Arbeit sei nur in Tropfen auf den heißen Stein, gibt der 59-Jährige zu. Er schätzt die Obdachlosenzahl in Hannover auf 200 bis 230. Nach Stadtangaben leben sogar 300 bis 500 Menschen in den Sommermonaten auf der Straße, weitere 530 sind in verschiedenen Einrichtungen untergebracht.
Eine kleine Organisation wie in "In Würde leben" fehle es an Möglichkeiten, so Lindwedel: "Man kommt gegen die großen Organisationen nicht an. Caritas, das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter - jeder arbeitet für sich. Der Profit steht dort im Vordergrund und nicht mehr das Wohl Hilfebedürftiger."
Aussagen, die Christiane Kemper, Pressesprecherin der Caritas, nicht nachvollziehen kann: "Wir beraten Obdachlose, bieten die offene Teestube und ärztliche Sprechstunden an verschiedenen Standorten an." Auch die Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen bewertet sie als gut. Sie führt auch die Solidaritätstafel gegen Armut und Ausgrenzung an (15. September).
Auch Nadine Heese vom DRK lobt die Kooperation: "Obdachlosigkeit ist nicht unser Hauptaufgabenfeld. Wenn Bedürftige zu uns kommen, wollen wir ihnen natürlich trotzdem weiterhelfen."
Stadtsprecherin Konstanze Kalmus hebt das sehr gut funktionierende Netzwerk der Obdachlosenarbeit hervor: "Besonders das Diakonische Hilfswerk bietet das ganze Jahr über verschiedene Einrichtungen an." Bemerkenswert seien vor allem der Kontaktladen "Mecki" und das Zahnmobil.
Wilfried Lindwedel erreicht seine letzte Station. Drei Obdachlose liegen unten einer Brücke. Lindwedel spricht mit einem der Männer. Der Obdachlose hat Sorgen, er hat Schulden und einen Eintrag bei der Polizei.
HAZ vom 31.07.2012:
Gutscheine statt Bargeld für Bedürftige
Um Obdachlosen, Drogenabhängigen und anderen Menschen in Not zu helfen, bietet die Beratungsstelle Neues Land Gutscheine an, die Bürger mit einer Spende finanzieren können.
Hannover. Manche Bettler fragen ganz offensiv: „Haste mal ’n bisschen Kleingeld?“ Andere sitzen stumm vor einem Pappschild mit dem Hinweis „Habe Hunger“. Die christliche Drogenarbeit Neues Land will spendenbereite Bürger dazu animieren, wohnungslosen, drogenabhängigen, alkoholkranken und anderen bettelnden Menschen auf besondere Weise zu helfen: Jeder, der möchte, kann Gutscheine im Wert von 2,50 Euro kaufen, damit sich die Betroffenen im SOS-Bistro in der Steintorfeldstraße 4A unweit der Hamburger Allee satt essen, duschen und ihre Wäsche waschen können.
Die sogenannten SOS-Gutscheine können die Spender erwerben und direkt an die Bedürftigen weitergeben. Oder sie spenden den Betrag an die hannoversche Drogenhilfeeinrichtung Neues Land, die dann Gutscheine im Wert der erhaltenen Summen verteilt. „Unsere Preise sind Selbstkostenpreise, der Gegenwert für einen Gutschein ist eigentlich viel höher“, sagt Michael Lanzen, Leiter von Neues Land. Die SOS-Gutscheine für jeweils 2,50 Euro können unter anderem im Bistro in der Steintorfeldstraße 4 A, in Kirchengemeinden, in der Drogenberatungsstelle, Steintorfeldstraße 11, in der christlichen Bücherstube, Podbielskistraße 71, oder in der Sonnenapotheke, Lister Meile 13, gekauft sowie im Internet unter der Adresse www.neuesland.de bestellt werden.
Vor drei Jahren gab es die SOS-Gutschein schon einmal, jetzt sollen sie zur Aktionswoche „Summer in the City“ gezielt wieder eingeführt werden. Vom 19. bis 25. August sind haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter in Hannovers Drogenszene unterwegs, um Abhängige an Szeneplätzen wie Methadonausgabestellen oder in Wohnungsunterkünften zum Ausstieg aus ihrer Sucht zu ermutigen. Während der Aktionswoche hat das Drogenkontaktcafé, der Bauwagen von Neues Land unter der Raschplatzhochstraße, täglich von 13 bis 19 Uhr geöffnet, wo Besucher ein kostenloses Mittagessen erhalten. Den Abschluss bildet ein Sommerfest am 25. August am Bauwagen. „Dort erhält jeder bedürftige Gast einen SOS-Gutschein“, sagt Lenzen. Danach soll es die Gutscheine dauerhaft geben.
Der christliche Suchthilfeträger Neues Land betreibt seit 28 Jahren den Bauwagen unter der Raschplatzhochstraße. Suchtkranke erhalten dort kostenlos alkoholfreie Getränke, auf Wunsch auch Hilfe und Beratung. Jeden zweiten Freitag im Monat fährt ein Bauwagen-Team von 22 bis 2 Uhr mit einem umgebauten Fahrradanhänger gezielt die Treffpunkte rund um den Raschplatz an, wo Jugendliche sich zum Alkoholtrinken treffen - die Mitarbeiter der Aktion „Fresh up“ verteilen Mineralwasser und versuchen, mit den jungen Leuten ins Gespräch zu kommen.
Im SOS-Bistro, nur wenige Fußminuten vom Bauwagen entfernt, treffen sich nicht nur Drogenabhängige, sondern auch viele Wohnungslose, Rentner oder psychisch Kranke. Dort können sie duschen, Wäsche waschen und günstig essen. Außerdem gibt es Gesprächskreise, die Möglichkeit zum Krökeln, Schach- oder Tischtennisspielen.
HAZ vom 27.07.2012:
Hilfe in der Straßenambulanz
Wohnungslose und arme Menschen wie Sonja M. können sich in Hannover medizinische Hilfe bei der Straßenambulanz von Caritas, Diakonischem Werk und Ärztekammer Niedersachsen holen. Als die Ambulanz im Februar 1999 ihre Arbeit aufnahm, war das Projekt für einen begrenzten Zeitraum geplant. Durch kontinuierliche Betreuung sollten bei dieser schwer zugänglichen Patientengruppe die Berührungsängste abgebaut werden, um sie in die Regelversorgung zu integrieren
Inzwischen hat sich die Straßenambulanz ungewollt zu einer stark nachgefragten Institution entwickelt. Immer mehr Hartz-IV-Empfänger, Rentner und Menschen ohne Papiere nutzen die kostenlosen Sprechstunden, die die rund 20 ehrenamtlich tätigen Ärzte und Pflegekräfte in einem speziell ausgestatteten Ambulanzmobil und zu festen Sprechzeiten in den Wohnungslosenunterkünften der Stadt anbieten. Bei den vom Armut und von Wohnungslosigkeit Betroffenen hat es sich herumgesprochen, dass die Ärztinnen und Ärzte unkompliziert und kompetent Hilfe leisten, zur Not auch ohne Versichertenkarte.
Eine Auswertung von Patientendaten hat ergeben, dass ein Drittel der Hilfesuchenden unter schweren psychischen Erkrankungen, Sucht- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen leidet. Die Zahl der versorgten Patienten stieg von 2000 bis 2010 von 600 auf 900 Patienten im Jahr. In diesem Zeitraum wurden 16.000 Behandlungsfälle dokumentiert. Sechs Prozent der Hilfesuchenden leben auf der Straße, 30 Prozent in Wohnungslosenunterkünften und 60 Prozent in einer eigenen Wohnung. Ein großer Teil der Erkrankten sucht die Straßenambulanz regelmäßig auf.
HAZ vom 26.07.2012:
Angst ist unnötig
Leserbrief von Frau Annemarie Streit zu dem Artikel "Trinker dürfen sitzen bleiben" (Bank am Braunschweiger Platz) vom 12. Juli:
"Über Ihre Berichterstattung über die Trinker am Braunschweiger Platz bin ich erstaunt. Die Betitelung "Trinker" ist degradierend, besonders, wenn man diese Leute nicht kennt. Es sind in erster Linie Menschen wie du und ich und sie haben den Anspruch, auch so behandelt zu werden. Sie werden in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Geheime Trinker zu Hause gibt es sicherlich in der Überzahl.
Ich kenne den überwiegenden Teil dieser Menschen dort seit über 25 Jahren. Etliche waren schon bei mir zu Hause, wo ich sie mit Kleidung versorgt habe. So bin ich oft unterwegs, um Bedürftigen zu helfen. Diese Hilfe besteht aus Sachspenden, Esswaren oder einfach nur aus Gesprächen, auch aus Besuchen im Krankenhaus oder Hilfe bei Behördengängen. Wenn ich meine Busfahrt mal unterbreche, um ihnen "Guten Tag" zu sagen, sind sie immer freundlich, fragen nach meinem Wohlergehen (wer tut das sonst eigentlich?), bieten mir einen Sitzplatz an, nehmen mir mein Gepäck ab und begleiten mich zur nächsten Busfahrt. Wenn man diese Menschen wahrnimmt, braucht man keine Angst zu haben - schon gar nicht am Braunschweiger Platz. Die Bänke sind ab nachmittags frei und sitzen tut dort fast nie jemand. Und Abfall wird überhaupt nicht hinterlassen.
Also sollte man auf diese Menschen zugehen; sie sind oft sehr einsam und auch besser als mancher Kritik-Übende."
HAZ vom 06.06.2012:
Obdachlose Frau erregt die Gemüter
Anwohner aus der Peiner Straße stören sich an der "Unterkunft" einer Obdachlosen im Gebüsch. Ein Piraten-Politiker fordert einen Runden Tisch
Döhren. Andrea Mühl liebt Bücher. Am liebsten lese sie Krimis oder was zum Lachen, sagt sie. Zurzeit nimmt ein Roman der Schriftstellerin Barbara Noack die 51-jährige mit auf eine Reise in die fünfziger Jahre, in der die kriegsgeplagten Deutschen die eigenen vier Wände wieder in den Mittelpunkt ihres Lebens rückten. Gegen Noacks fiktive Welt ist Mühls Welt klein, ihr Zuhause ein beständiges Provisorium an der Peiner Straße, direkt am Üstra-Depot zwischen Mauer und Gebüsch. Das missfällt einigen Anwohnern, die den versteckt liegenden Schlafplatz der Obdachlosen für eine Müllhalde halten und eine Rattenplage fürchten. Bezirksratsherr Marc Herrmann von der Piratenpartei will das Thema Obdachlosigkeit im Stadtbezirk Döhren-Wülfel auf die Tagesordnung setzen - und übt Kritik an den großen Parteien.
Herrmann hatte per E-Mal vorgeschlagen, das Leben der Obdachlosen im Stadtbezirk und die Einberufung eines Runden Tisches auf der Mai-Sitzung des interfraktionellen Fraktionskreises im Bezirksrat zu diskutieren. Rückmeldung bekam er nur von den Sozial- und Christdemokraten. Diese hätten Bereitschaft signalisiert und kundgetan, über das Thema intern beraten zu wollen. "Mehr kam aber nicht," kritisiert der Piraten-Vertreter. Die Mai-Sitzung wurde schließlich abgesagt, "weil die SPD keinen Bedarf für eine Zusammenkunft sah". Hermann befürchtet nun, dass das Thema erst nach der Sommerpause im Bezirksrat behandelt wird, falls es nicht in der kommenden Interkreis-Sitzung Mitte Juni auf den Tisch kommt. "Wenn der Umbau der Güntherstraße in die Fraktionen gezogen wird, ist das nicht so schlimm", meint der Kommunalpolitiker. "Eine Straße kann warten, ein obdachloser Mensch aber nicht." Zudem kritisiert er die "langsame Entscheidungsfindung der großen Parteien".
Die CDU-Fraktionsvorsitzende Gabriele Jacob kritisiert indes Hermanns Vorgehen. "Das Schreiben ist wenig konkret", meint die Politikerin. Obdachlosigkeit sei in erster Linie Sache der Stadt und durchaus geregelt: "Es muss niemand auf der Straße schlafen." Dennoch sei die Partei bereit, an einer Konferenz zu diesem Thema teilzunehmen - vorausgesetzt, Marc Herrmann formuliere sein Anliegen konkreter. Diese Aussage wiederum kann der Piraten-Politiker nicht verstehen: "Mit einer zeitnahen Nachfrage hätte man Unklarheiten schnell beseitigen können." Zudem habe er den Eindruck, dass einige Kommunalpolitiker keinerlei Berührungspunkte mit Obdachlosen hätten oder haben wollten.
Auch Wilfried Lindwedel, der Andrea Mühl schon häufig besucht hat, sagt, dass es schwer sei, politische Kräfte zu mobilisieren, wenn es um Obdachlose ginge. Lindwedel hatte sich Ende vergangenen Jahres mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) überworfen und seinen Posten als Vorsitzender des DRK-Ortsverbandes Hannover-West aufgegeben. Jetzt hat er den Verein "In Würde leben" gegründet und kümmert sich um Hilfsbedürftige in der ganzen Stadt. "Viele Menschen, die auf der Straße leben, nehmen unser Angebot an", erklärt Lindwedel. Mühl dagegen sei ein schwieriger Fall.
Sie wolle nicht in eine Unterkunft, dort bekäme man Flöhe und würde beklaut, bestätigte die 51-jährige ihre ablehnende Haltung im Gespräch mit dem Stadt-Anzeiger. Wann genau sie ihre Wohnung in Waldhausen aufgegeben hat, kann die gelernte Floristin nicht sagen, will es vielleicht auch nicht erzählen. Der Tod ihrer Mutter, die sie innig geliebt hatte, war der Anfang eines langsamen Abstiegs, erzählt Lindwedel. Mühls Zähne sind faul, ihre Kleidung kaputt, und die Brille, die ihre Augen größer werden lässt, ist mit Kleber nur dürftig geflickt. Wenn sie erzählt, wie sie Flaschen sammelt, bei Penny An der Wollebahn im Biomüll nach Essen wühlt oder neue Krimis und Romane aus dem Bücherschrank am Fiedelerplatz holt, versucht sie ihr Leben als die "große Freiheit" zu verkaufen. Lindwedel nimmt ihr das nicht ab. "Andrea Mühl gibt vor, zufrieden mit ihrem Leben zu sein, an den schlechten Lebensumständen ändert das aber nichts." Doch mehr als seine Hilfe anbieten kann er auch nicht. Nur selten nehme sie etwas an, bestätigt Mühl. "Eine Mutter mit einem Kleinkind gab mir neulich fünf Euro", erinnert sie sich.
In der Döhrener Nachbarschaft äußern sich einige Menschen kritisch über die Obdachlose. "Wenn wir nicht aufpassen, müllt sie uns den gesamten Grünstreifen zu", sagt ein Anwohner aus der Peiner Straße. Dieser Müll kann Mühl zum Verhängnis werden. "Es gibt noch keinen Anlass, die Behausung zu entfernen", heißt es von Seiten der Polizei. Doch sollten Beschwerden eingehen, würden sich die Beamten der Sache annehmen. Der Kontaktbeamte für diesen Bereich habe sich bereits vergeblich bemüht, die Obdachlose zu treffen und mit ihr zu sprechen. Die Polizei dulde Menschen ohne Bleibe zunähst einmal, sagt ein Pressesprecher. Zurzeit prüft die Üstra, ob sich die Behausung auf dem Gelände der Verkehrsbetriebe befindet. "Das Problem war uns bis jetzt nicht bekannt", erklärt Sprecher Udo Iwannek.
Sollte es im Stadtbezirk zu einem Runden Tisch mit Hilfsorganisationen und Politik kommen, wäre auch die Polizei bereit, nach einer Lösung für Mühl und andere Obdachlose zu suchen. "Ich würde die Betroffenen auch gerne an den Tisch holen", sagt Pirat-Vertreter Herrmann. "Es ist wichtig, mit den Leuten zu sprechen und nicht über sie." Ob sich Andrea Mühl allerdings mit Politikern, Polizei und Vereinen an einen Tisch setzt, ist fraglich. "Sie hat sich entschieden, ihr Leben so zu leben", meint Wilfried Lindwedel.
HAZ vom 25.05.2012:
Mehr Obdachlose aus Südosteuropa in der City
Die Zahl der Obdachlosen aus dem Südosten Europas steigt in Hannover an. „Aktuell sind rund 40 Personen dieser Herkunft mit untergebracht“, sagte Sozialdezernent Thomas Walter gestern in der Ratssitzung auf Anfrage der SPD. Diese sogenannten Armutsflüchtlinge kämen aus EU- Ländern wie Rumänien und Bulgarien. „Häufig machen diese Menschen gar nicht ihre Ansprüche geltend“, sagte Walter. Bisher könne die Stadt die neuen Flüchtlinge zwar versorgen, doch Walter befürchtet, dass sich die Zahl der südosteuropäischen Obdachlosen stark erhöht. „Dann muss der Bund die Voraussetzungen dafür schaffen, diese Menschen zu begleiten“, sagte der Sozialdezernent. Im Klartext: Für die Unterbringung solcher Flüchtlinge aus EU- Ländern soll der Bund die Kommunen finanziell unterstützen. Der Deutsche Städtetag ist ebenfalls der Ansicht, dass die Kommunen nicht im Regen stehen gelassen werden dürfen. Nach Angabe des hannoverschen Sozialdezernenten habe der Städtetag bereits das Bundesinnenministerium angeschrieben, um auf die Problematik hinzuweisen.
Rund 500 Obdachlose leben nach Schätzungen der Stadt auf den Straßen Hannovers. Zusammen mit freien Trägern kann die Stadt bis zu 1000 Menschen ein Dach über dem Kopf anbieten.
HAZ vom 28.04.2012:
Zehn Jahre Haft für Obdachlosen
Für den 45-jährigen Christian L. endete ein Trinkgelage im Männerwohnheim an der Schulenburger Landstraße auf furchtbare Weise: Mit äußerster Brutalität brachte Zechkumpan Jörg A. seinen Zimmernachbarn um und verstümmelte ihn grausam – für diese Tat muss der 31-Jährige zehn Jahre in Haft.
Vinnhorst. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts verurteilte ihn am Freitag wegen Totschlags und blieb damit zwei Jahre unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. „Das war ein sehr schrecklicher Vorgang, auch das Gericht steht ratlos vor diesem Geschehen“, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Rosenbusch. Gleichwohl hielt die Kammer dem Verurteilten zugute, dass er zur Tatzeit über die Maßen alkoholisiert war. „Ohne den Einfluss des Alkohols wäre diese Tat nicht denkbar gewesen“, sagte Rosenbusch.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass A. sein Opfer im September 2011 im Alkoholrausch tötete. Um die 15 Flaschen Bier und eine Flasche Schnaps sollen beide zusammen geleert haben. Irgendwann sei die Stimmung gekippt, erklärte Rosenbusch. Die Männer seien in Streit geraten, L. habe A. aus dem Zimmer werfen wollen und ein Messer in die Hand genommen. Daraufhin habe der 31-Jährige seinem älteren Zechkumpan die Waffe entwendet und diesem in den Rücken gestochen. Dann muss der Täter jegliche Kontrolle verloren haben. Eine „Lust“ an der extrem grausamen Art des Tötens hat er dabei nach Ansicht des Gerichts nicht empfunden. Festgenommen wurde A., der sich nur lückenhaft an die fragliche Nacht erinnerte, die Tat in Teilen aber zugab, am Morgen danach – es klebte noch Blut an seinen Schuhen.
In das Urteil fließt auch ein Delikt gefährlicher Körperverletzung ein, das A. laut Rosenbusch ebenfalls unter Alkoholeinfluss begangen hat. Die Kammer ordnete an, dass der Verurteilte drei Jahre der Gesamtstrafe im Maßregelvollzug in einer Entziehungsanstalt verbringen muss. Anwalt Holger Nitz hatte für seinen Mandanten auf eine Freiheitsstrafe von vier Jahren plädiert.
HAZ vom 28.02.2012:
In der Kleiderkammer sind Jungensachen knapp
Wenn die Pattenser Kleiderkammer ihre Ausgabe öffnet, kommen Woche für Woche etwa 20 Bedürftige. Die ehrenamtlichen Helfer sind schon lange für die Einrichtung aktiv.
Von Kim Gallop
Pattensen. An Jocelyne Dettmer und Brigitte Fritsch kommt kein Kleidungsstück vorbei, bei dem ein Knopf fehlt oder ein Reißverschluss klemmt. Die beiden Frauen aus Pattensen arbeiten seit zwanzig beziehungsweise zehn Jahren ehrenamtlich bei der Kleiderkammer der Arbeiterwohlfahrt Pattensen mit.
Wenn der Fehler schnell zu beheben ist, dann greifen sie auch einmal zu Nadel und Faden. Aber sonst sortieren sie fehlerhafte Stücke konsequent aus.
Am Ausgabetag kommen pro Woche etwa 20 Bedürftige, um sich und ihre Familie neu einzukleiden. Die Kleidung haben Menschen aus dem Stadtgebiet Pattensen gespendet. „Ein Besucherin hat uns auch eine ganze Tüte voll Kuscheltiere gebracht“, berichtet Dettmer erfreut. Aktuell fehlen Wintersachen für Alt und Jung und vor allem Kindersachen für Jungs. Es gibt aber auch einen Bedarf an Anziehsachen für sehr, sehr große Jungs: für stattliche Männer, die Größe 70 tragen.
Mitglied Erika Freimann aus Hüpede arbeitet in den Wintermonaten bei der Essensausgabe für Obdachlose der Diakonie in Hannover mit. Nach einem Aufruf an Spender in Pattensen konnte sie eine Menge Mützen, Schals, dicke Socke und warme Jacken nach Hannover mitnehmen. Die Freude und Dankbarkeit der Beschenkten sei sehr anrührend, sagt sie.
Die Kleiderkammer, Hofstraße 8, nimmt dienstags von 9.30 bis 11.30 Uhr guterhaltene Sachen an. Donnerstags von 14.30 bis 17.30 Uhr findet die Abgabe an Bedürftige statt
HAZ vom 20.02.2012:
Obdachlosenunterkünfte kosten zwei Millionen
Obwohl Wohnungslose für die Unterbringung in Obdachunterkünften Gebühren zahlen müssen, lassen sich diese Einrichtungen nicht kostendeckend betreiben. Die Verwaltung hat errechnet, dass der Zuschussbedarf für dieses Jahr 2,146 Millionen Euro betragen wird.
Hannover. Die Kosten lägen noch um gut 714.000 Euro höher, wenn die Betroffenen keinen Eigenanteil zahlen würden. Im kommenden Jahr werden – inklusive einer möglichen Tariferhöhung für städtische Beschäftigte – rund 2,169 Millionen Euro nötig sein, um Wohnungslose im Stadtgebiet unterzubringen. Im Sozialausschuss stimmten die Mitglieder am Montag einstimmig der entsprechenden Satzung zur Gebührenerhebung für die Benutzung von Obdachlosenunterkünften zu.
Stadtweit stehen 298 Plätze in fünf Wohnheimen zur Verfügung, wo obdachlose Männer und Frauen getrennt untergebracht werden. Nur in einer Unterkunft am Burgweg gibt es mehrere Plätze für obdachlose Paare. Zudem sind 142 Wohnungen für Familien in unterschiedlicher Größe verfügbar. Je nach Gebäudeart zahlen Wohnungslose zwischen 3,55 und 5,30 Euro pro Bett und Nacht in einer Gemeinschaftsunterkunft. Für eine Wohnung mit Bad (ohne Heizung) muss ein Quadratmeterpreis von 3,60 Euro monatlich gezahlt werden, samt Heizung summiert sich der Quadratmeterpreis auf eine Spanne zwischen 4,95 und 5,70 Euro.
Die Auslastung der Unterkünfte liegt bei durchschnittlich 75 Prozent, weil die Räume nach dem Auszug der Bewohner renoviert werden müssen und während dieser Zeit nicht vermietet werden können. Außerdem muss die Stadt einige Unterkünfte für Notfälle bereithalten, vor allem während der kalten Jahreszeit. Mit rund 1,93 Millionen Euro schlagen allein in diesem Jahr die Personal- und Betreuungskosten für 28 Mitarbeiter zu Buche – in der Verwaltung wie in den Unterkünften, wo die Betroffenen betreut werden.
Auf eine Anhebung der Nutzungsgebühren für die Unterkünfte will die Stadt zunächst verzichten, weil dies die „Ärmsten der Armen“ betreffen würde, wie ein Mitarbeiter der Verwaltung im Ausschuss ausführte. Mit einem Anstieg der Wohnungslosenzahlen rechnet die Stadt in den nächsten Jahren nicht, allerdings auch nicht mit einem Rückgang.
HAZ vom 05.01.2012:
Notunterkunft wird aufgegeben
Von Ralf Heußinger
Die Obdachlosenunterkunft an der Almhorster Straße 1 soll zum 1. Mai aufgegeben werden. Das Haus ist marode, eine Sanierung würde nach Berechnungen der Stadtverwaltung etwa 360.000 Euro kosten. Die Stadt wolle versuchen, das Grundstück zu verkaufen, sagte Sprecherin Silke Rese-Sussick.
Seelze. Derzeit sind in dem Gebäude zehn Menschen untergebracht. Für diese müssten dann andere Unterkünfte gefunden werden. Eine Möglichkeit gibt es an der Mühlenstraße 6. Auch dort unterhält die Stadt ein Haus für Obdachlose. Derzeit ist es mit neun Menschen belegt.
Das Gebäude ist ebenfalls renovierungsbedürftig, kann nach den Vorstellungen der Stadtverwaltung jedoch ohne größeren Aufwand weiterhin genutzt werden. Von der ursprünglichen Idee, auch dieses Gebäude abzureißen und neu zu errichten, war die Verwaltung im Herbst abgekommen.
Langfristig sollen Wohnungen angemietet werden, um der Verpflichtung nachzukommen, Menschen ohne Heim ein Dach über dem Kopf bieten zu können. „Das Ziel ist, alle Personen in normalen Wohnungen unterzubringen“, sagte Rese-Sussick.
Ein weiteres Gebäude an der Mühlenstraße ist jedoch offenbar so marode, dass es tatsächlich abgerissen werden muss. Das Haus kurz vor der Einfahrt zur Feuerwehr sei abgängig, erläuterte Rese-Sussick.
Die Pläne für die Zukunft der Fläche sind schon recht konkret. Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) hat das Grundstück im Blick und plant, seine neue Rettungswache dort zu errichten. Der ASB habe sich mit der Stadt schon geeinigt, berichtete der ASB-Regionsgeschäftsführer Mohamed Aboutaam. Auch die Stadtverwaltung bestätigte, dass man mit dem ASB gesprochen habe.
Bisher ist der ASB mit zwei Rettungsfahrzeugen an der Schillerstraße stationiert. Das Gebäude sei allerdings inzwischen zu klein geworden, sagte Aboutaam. Wann der Neubau und der Umzug an die Mühlenstraße erfolgen sollen, ist bisher noch unklar. „Es eilt nicht“, sagte Aboutaam. Voraussetzung sei ohnehin, dass man ausreichend Planungssicherheit habe. Noch immer ist nicht endgültig klar, ob die Region ab 2013 die Vergabe der Rettungsdienste ausschreibt.
HAZ vom 05.01.2012:
Das Opfer aus Zimmer 100
Der Bewohner eines Männerwohnheims an der Schulenburger Landstraße wurde misshandelt. Jetzt stehen zwei Männer und eine Frau vor Gericht. Der Fall lässt erahnen, wie es um die Situation in den Unterkünften bestellt ist.
. Als die Polizeibeamten durch die Gänge laufen, sind die Zimmertüren im Männerwohnheim an der Schulenburger Landstraße geschlossen. Das ist ungewöhnlich. Nur eine einzige Tür steht offen, die zu Zimmer 100. Es ist das Zimmer von Detlev B. Der 55-Jährige liegt gekrümmt auf dem Boden, sein Körper ist voller Blut, das Gesicht geschwollen. „Ich habe schon einiges gesehen, aber nicht so etwas“, sagt eine junge Polizistin später vor Gericht. „Der hatte ja gar keine Augen mehr.“
Hannover
Es ist der Nachmittag des 13. Juli 2011, draußen regnet es leicht, noch in der Nacht wird Hannover von einem stundenlangen Stromausfall lahmgelegt werden. Eben in dieser Nacht werden auch drei Tatverdächtige festgenommen: Markus H., Daniel von der B. und eine junge Frau namens Klaudia L. Sie kommen in Untersuchungshaft. Sie sollen dem Bewohner Geld und Schmuck abgenommen und ihn schwer misshandelt haben. Die Verletzungen waren laut einem Gutachten potenziell lebensbedrohlich.
Gestern begann vor dem Amtsgericht Hannover der Prozess. Nicht, dass der Fall besonders spektakulär wäre. Er wurde damals gar nicht erst öffentlich. Die Polizei hatte ihn in ihren Pressemitteilungen nicht erwähnt, die Zeitungen und Rundfunksender hatten nicht darüber berichtet. Ein Streit unter Männern im Trinkermilieu – so etwas passiert ja öfter. Und doch wirft der Prozess ein Schlaglicht auf die Situation in Männerwohnheimen wie eben das in Vinnhorst.
Der Angeklagte Markus H. ist wortkarg. Er trägt eine Lederjacke und längere Haare. Was soll er sagen? „Können Sie sich an nichts mehr erinnern?, fragt die Richterin. Markus H. schüttelt den Kopf: „An nichts.“ Filmriss. Drei Promille Alkohol soll er laut Gutachten an jenem Nachmittag im Blut gehabt haben. Der jungen Frau geht es ähnlich. „Meine Mandantin will sich einer Drogenentwöhnungstherapie anschließen“, erklärt Verteidiger Timo Rahn. Der Angeklagte mit dem adligen Namen, der von seinen Kumpels nur „Lucky“ genannt wird, weiß dagegen noch verhältnismäßig viel. Wie immer sei er an dem Tag an einem der Treffpunkte für Trinker gewesen und habe mit den anderen „so einiges getrunken“. Zwei Liter Sangria, drei Flaschen Wodka, rechnet er zusammen. Oder mehr. Seine Hände zittern unentwegt.
Zu dritt fahren sie später mit der Stadtbahn weiter zu dem Wohnheim an der Schulenburger Landstraße, wo sie einen Kumpel besuchen wollten. Irgendwie muss es da zum Streit mit dem Bewohner von Zimmer 100 gekommen sein. Nur er selbst habe zugeschlagen, versichert Lucky. Wie heftig und wie oft, will er nicht wahrgenommen haben. „Ich habe mich selbst erschrocken, als ich die Bilder von den Verletzungen gesehen habe“, sagt er. Womöglich hatte Detlev B. also noch Glück.
In dem städtischen Wohnheim sind in den vergangenen fünf Jahren drei Männer gewaltsam ums Leben gekommen, sie wurden zu Tode geprügelt oder erstochen. Den Taten ging ein Streit unter alkoholisierten Bewohnern voraus. Erst im September 2011 wurde ein 45-Jähriger von seinem Mitbewohner erstochen. Die Hintergründe der Tat sind unklar. Der Tatverdächtige soll auch bei seiner Festnahme einen Tag später noch zu betrunken gewesen sein, um sich erinnern zu können.
In dem Männerwohnheim leben 140 obdachlose Männer. Die Miete kostet 159 Euro im Monat, die Kosten übernimmt das Arbeitsamt. Die meisten Bewohner sind schwer alkoholabhängig und leiden unter psychischen Problemen. Die Polizei sieht dort kein ungewöhnliches Ausmaß von Gewalt. Die Situation in Vinnhorst sei nicht anders als in anderen Wohnheimen. „Die Klientel in solchen Unterkünften ist schwierig“, stellte ein Polizeisprecher fest.
Aber auch die Bedingungen in den Unterkünften scheinen schwierig. Nach einer Undercover-Recherche hatte der Journalist Günter Wallraff die Situation in der Obdachlosenunterkunft Bunker am Welfenplatz als „Horroszenario“ beschrieben. Auch die Dauerunterkunft in der Schulenburger Landstraße suchte er auf. Fazit: Die Betreuer hätten offenkundig keinerlei Erfahrung mit Alkoholikern und die Alkoholiker keine Perspektive, dort ohne fremde Hilfe herauszukommen. Es soll Obdachlose geben, die lieber auf der Straße erfrieren, als sich der aggressiven Stimmung in den Unterkünften auszusetzen.
Im Flur des Amtsgerichts warten 25 Zeugen. Das Opfer Detlev B., Mitte fünfzig, klein und gebrechlich, kommt in den Saal. Detlev B. erzählt, dass er in Großburgwedel geboren und als Kaufmann in der elterlichen Spedition gearbeitet habe. Irgendwann muss es dann bergab gegangen sein. Er sagt zynisch: „Ich wäre nicht in der 1. Adresse Hannovers zu Hause, wenn ich noch so viel Geld wie früher hätte.“ Man würde gern mehr über ihn erfahren, aber darum geht es in dem Prozess nicht.
Das Opfer erinnert sich selbst gut an den Tattag. Der Bewohner aus Zimmer 109 hatte ihn zu sich gerufen, weil er Freunde zu Besuch habe. Man habe ein Bier zusammen getrunken und palavert. „Plötzlich haben die mich ohne Grund angegriffen.“ Die Besucher hätten ihm 60 Euro, eine Uhr und eine Kette abgenommen. Als er die Sachen zurückforderte, sollen sie ihn geschlagen und getreten haben – allen voran der Mann namens „Lucky“, aber auch die Frau habe zugelangt: „Man hat mit mir Fußball gespielt.“
Die Folgen sieht man heute noch. Sein rechtes Auge ist fast hinter dem Augenlid verschwunden, die Körperhaltung gekrümmt. Die Täter hatten Gesicht und Rippen zertrümmert. Zwischendurch wurde der Bewohner gezwungen, sein T-Shirt auszuziehen und das Blut vom Boden zu wischen. Irgendwann gelang es ihm, sich in sein Zimmer zu schleppen, wo ihn die Polizei fand. Zwei Bewohner, die Zeugen der Tat waren, bezeichnen das Opfer als guten Freund. Wieso sie ihrem Freund nicht geholfen hätten, werden sie gefragt. „Ich hatte selber Angst“, sagt einer. Der andere weiß es nicht. Als er den Saal verlässt, klimpern Flaschen in seinem Rucksack. Der Prozess wird am 25. Januar fortgesetzt.