Eisige Nächte
21.01.2016:
Nun ist also der Winter da. Schön sieht es draußen aus. Die Bäume haben einen Überguss aus Schnee, überall stehen Schneemänner, von fröhlichen Kindern gebaut. Viele freuen sich, wenn sie nach einem langen Arbeitstag zu Hause einen heißen Tee trinken können.
So schön für viele der Winter ist, es ist für die Menschen auf der Straße die härteste Jahreszeit. Viele von ihnen suchen bei eisigen Temperaturen in der Nacht dann doch die Schlafstätten in den Unterkünften für Obdachlose auf. Eine Reihe von ihnen will das nicht, da bietet mitunter die Üstra Unterschlupf in den U-Bahnstationen. Aber für einige ist auch das offenbar keine Alternative zum Schlafen. Selbst, wenn es klirrend kalt ist, der einzige Platz, wo sie sich aufhalten möchten, ist „draussen“, in der „Freiheit“. Für viele Menschen, auch für uns, nicht immer zu verstehen, nur zu akzeptieren.
Von einem Fall möchten wir hier berichten, „Achmed vom Bahnhof“. Woher Achmed kommt, weiß keiner so genau, einige sagen Norwegen, andere Marokko.
Achmed lebt schon so lange auf der Straße, dass es kaum noch Erinnerung an andere Zeiten gibt. Er hat sich „eingerichtet“, wie er sagt. Er „lagerte“ längere Zeit mit allem, was er hatte, hinter der Ausgangstür am Bahnhof, vielleicht hat ihn der eine oder andere dort auch gesehen. Bis zum 19.01.2016, denn da wurde sein Schlafplatz komplett geräumt.
Und daher erreichte uns am Abend des 19.01.2016 der folgende „Hilferuf“ von unseren Helfern vor Ort.
Hierbei handelt es sich um Menschen, die früher selber, teils viele Jahre, auf der Straße gelebt haben, nun aber mit viel Mühe und Geduld den Absprung geschafft haben. Nach wie vor bestehen Kontakte zu denen, denen es noch viel schlechter geht und die noch immer obdachlos sind. Wenn unsere Helfer etwas mitbekommen, informieren sie uns und wir helfen, so schnell es nur geht.
19.01.2016:
„Hallo, wir sind hier auf dem Bahnhof und dem Achmed haben sie alles weggenommen. Er hat keine Decke, nix mehr. Sitzt hier in der Kaffeemühle auf nem Stuhl und friert. Ich selber konnte für Achmed erstmal nur einen heißen Kaffee ausgeben. Der tut mir so leid...“
„Soviel haben wir bis jetzt in Erfahrung gebracht: Auf dem Bahnhof dürfen keine Obdachlosen mehr schlafen.“
„Wir holen jetzt gerade für Achmed 1 Schlafsack und Isomatte. Wenn wir es ihm übergeben, muss ich ihm nochmal erklären, dass er von 22 Uhr bis 6 Uhr am Kröpcke unter der langen Rolltreppe schlafen kann.“
„Ich schicke Dir jetzt mal Bilder, wo sie liegen dürfen, am Kröpcke, wo die Bahnen fahren Linie 4, 5, 6, 11. Der Platz ist gut, Problem ist nur, dass man von oben spucken oder etwas werfen kann, da haben viele Angst, gerade am Wochenende, wenn die Kids Blödsinn machen wollen.“
„So, nun kann ich beruhigt schlafen. Haben soeben alles übergeben. Sein Lächeln und die Freude darüber ist unbezahlbar.“
20.01.2016:
„Guten Morgen. Ich hatte Achmed aufgeklärt, dass er am Kröpcke schlafen kann. Aber er liegt wieder an der Kaffee-Mühle !!!!“
Da hilft wohl leider nur: Dranbleiben...