30.03.2012, 11:00 Uhr– die Sonne brennt, die Neugier flammt, und der soziale Stadtrundgang startet in den Redaktionsräumen des Asphalt-Magazins in der Knochenhauerstraße 42 mitten in Hannovers Innenstadt.
Werner und S.*, die auf der Straße gelebt haben, führen in zwei Gruppen durch die Stadt. Eine Schulklasse mit 30 Personen wurde aufgeteilt, und so waren insgesamt 32 Personen anwesend. S.* und Werner erzählten, dass sie noch zwei weitere Kollegen hätten und pro Stadtführer ca. zwei bis drei Führungen pro Monat durchführten. „Bei Wind und Wetter“ wurde mit einem Schmunzeln erzählt, „denn wer auf der Straße lebt, kann sich das Wetter auch nicht aussuchen.“
Der erste Stopp führte zum ka:punkt in der Grupenstraße, einem Treffpunkt der katholischen Kirche, der Jedermann zum Verweilen einlädt. Dort kann man Kontakte knüpfen, sich zurückziehen und in Ruhe einen Kaffee oder Tee trinken oder in Krisensituationen Beratung durch die qualifizierten Mitarbeiter einholen.
Die nächste Station führte zu fairKauf in der Limburgstraße. Dort werden nicht nur gebrauchte Gegenstände verkauft sondern auch Menschen vermittelt, die lange Zeit nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden konnten. Hier wird ihnen z.B. eine Wiedereingliederung durch 1-Euro-Jobs ermöglicht, und seit einiger Zeit bietet fairKauf auch Ausbildungsplätze an.
S.* erzählt, selbst ein Jahr auf der Straße gelebt zu haben. Das geringe Sozialgeld ermöglicht es zwar über die Runden zu kommen, größere Anschaffungen sind aber nicht drin. Das Kaufhaus fairKauf, welches bestens vertraut ist, ermöglicht es, notwendige Gegenstände für die Wohnung preisgünstig zu beschaffen.
Beim nächsten Stopp in der Bahnhofsmission wurde durch eine Mitarbeiterin über die anfallenden Arbeiten in der Mission informiert. Aktuell war ein 17-jähriger Rumäne vor Ort. Er war mittellos in Hannover gestrandet und wollte wieder in seine Heimat nach Rumänien. Die Mitarbeiter der Bahnhofsmission halfen ihm bei der Organisation seiner Heimreise, und am nächsten Morgen konnte er per Bus nach Rumänien reisen.
Überrascht waren wir von ca. 50 unterschiedlichen Flyern, die von verschiedenen Einrichtungen, Vereinen usw. ausliegen. Des Weiteren informierte uns die Mitarbeiterin darüber, dass die Bahnhofsmission jährlich über 25.000 Hilfsleistungen durchführt. Dies ist für das Personal eine große Herausforderung. 25-30 ehrenamtliche und fünf hauptamtliche Mitarbeiter sind beinahe rund um die Uhr vor Ort.
Zwischen den Stopps erfahren wir, dass die Lebensmittelläden im Bahnhof jede Nacht große Mengen Lebensmittel abgeben, die an Wohnungslose verteilt werden.
Das Cafe Connection betrachteten wir mit Abstand. Es ist eine sogenannte „niedrigschwellige Einrichtung“, in der Drogenabhängigen Hilfe angeboten wird.
Hier können gebrauchte Spritzen abgeben werden. Als „Belohnung“ gibt es 10 Cent für die Drogenabhängigen als Gegenleistung. In der angrenzenden Rad-Station arbeiten Meister, aber auch ehemalige Drogenabhängige. Man kann sein Fahrrad hier sicher unterstellen, aber auch Reparaturen oder eine Reinigung durchführen lassen. Die Stadtführer Werner und S.* informieren, dass es hier am Bahnhof sehr oft zu Fahrraddiebstählen kommt und man sein Fahrrad lieber in der Rad-Station abgeben sollte.
Werner erinnert sich an den Ort zurück, den er früher besucht hat, doch seit längerem hat er den Absprung geschafft. Den Fotoapparat haben wir an dieser Stelle lieber in der Tasche gelassen…
Nachdem wir weitere Informationen über „niedrigschwellige Anlaufstellen“ erhielten, gingen wir weiter zum SOS Bistro. Dort kann jeder zum Selbstkostenpreis essen. Aktuell kostet das teuerste Mittagessen 80 Cent. S.* schwärmt von gelegentlichen Kuchenspenden, die abgegeben und dann kostenlos verteilt werden. Für einen SOS Bistro-Gutschein, der u.a. an Obdachlose und Geringverdiener verteilt wird, kann man für 2,50 Euro essen, duschen, Wäsche waschen und trocknen und die zugehörige Kleiderkammer besuchen.
Vor dem Kontaktladen Mecki erfahren wir, dass oft auch psychisch Kranke, Alleinstehende oder ehemalige Wohnungslose zum Publikum gehören. Man kann reden und Freunde treffen, die man auf der Straße kennen gelernt hat. Auf der Tür kann man viele Informationen zu anderen Einrichtungen in der Nähe finden, an die sich Bedürftige wenden können, wenn der Kontaktladen geschlossen hat.
Durch Mietschulden ist S.* damals auf die Straße geraten. Im Kontaktladen und auf der Straße wurde schnell Kontakt zu anderen Wohnungslosen aufgebaut und Informationen über soziale Einrichtungen und Hilfsangebote gesammelt.
Nur weil S.* bemerkte, dass das Leben aus dem Ruder läuft, Hilfe benötigt wird und letztlich die Initiative selbst ergriffen wurde, lebt S.* heute in einer Wohnung. Neben Sozialgeld und den Stadtführungen verkauft S.* das Asphalt-Magazin. Jeden Tag verkauft S.* zwei bis drei Stunden, in der Hoffnung, das Sozialgeld aufstocken zu können.
Insgesamt war die Stadtführung sehr interessant. Man erfährt viel über vorhandene Hilfsangebote für Wohnungslose, bekommt aber auch viele persönliche Einblicke. Auch die Informationen, die vor der Stadtführung über das Magazin Asphalt und über Schulprojekte gegeben werden, sind sehr interessant.
Studenten da und fr
01. März 2013:
Sozialer Stadtrundgang - zwischen Altstadt und Raschplatz - wir waren dabei...
Gestartet in der Asphalt-Redaktion haben wir am gestrigen Nachmittag mit einer Gruppe von Teilnehmern, die unserer fb-Einladung gefolgt sind, Hannover aus einer anderen Perspektive kennen lernen dürfen. Unter kompetenter Führung von Werner ging es zu Fuß zu sozialen Einrichtungen für bedürftige Senioren, Frauen, Männer, Obdachlose, Drogenkranke, Famillien und Kinder. Aufgrund der Gruppengröße (ausgebucht) und aus Respekt vor der Privatsphäre haben wir die Einrichtungen nicht betreten. Asphalt-Verkäufer-Sprecher Werner (rechts mit Spendenschild) hat uns auf sehr persönliche Weise die unterschiedlichen Betreuungsangebote erklärt, viele eigene Erfahrungen aus "Kundensicht" mit einfließen lassen und uns mit der Beantwortung unserer Fragen erfolgreich eine Brücke in eine soziale Szene unserer unmittelbaren Umgebung gebaut. Wir danken der Asphalt-Geschäftsführerin Almut Maldfeld (links mit Spendenschild) für die freundlichen Begrüßungsworte, allen Stadtrundgang-Teilnehmern für die großzügigen Spenden und ganz herzlich unserem "Super-Scout" Werner. Die Spendensumme in Höhe von 300.- € geht zu Gunsten der Asphalt gGmbH. Wer für die nächste Tour eingeladen werden möchte, darf uns gerne eine Mail an
info@nordlind.de senden. Foto: Luna Gebauer