Neue Kleidung für Flüchtlingskinder –
und ein Kinderlachen als Lohn für uns
Ein Bericht von Arsen Ayrapetov und Stanislav Semenuk
Hochschule Hannover, Fachrichtung: Betriebswirtschaftlehre
Wieder hatten wir den Auftrag zu einem neuen Projekt erhalten. Es sollte um eine Familie gehen, bei denen die Kinder aufgefallen waren: alle hatten zerschlissene Kleidung an, die Jungen dabei Kleidung für Mädchen, alles alt und viel zu klein.
Das waren die ersten Infos und als wir weiterfragten, kam eine schreckliche Lebensgeschichte ans Tageslicht. Uns wurde von einer ehrenamtlichen Helferin berichtet:
„Vor einem Jahr und sechs Monaten wurde das Dorf der Familie, die im Irak lebte, überfallen. Man nahm ihnen alles weg. Warum ? Weil die Familie einen anderen Glauben hat, sie sind nämlich Yesiden. Für einige sind Yesiden Ungläubige und deshalb dürfen sie auch nicht leben. Gezwungenermaßen floh die Familie und lebte monatelang in den Bergen in Zelten. Unter diesen Umständen wurden die Kinder krank. Vor allem der 2-jährige Junge (damals auf der Flucht noch 5 Monate alt) musste ums Überleben kämpfen. Bis heute hat er Probleme und kann nicht laufen (!). Die 8-Jährige müsste seit Jahren zum Augenarzt, weil ihre Augen sich sehr mit dem Schielen verschlechtert haben.
Die Familie hatte dann keine andere Wahl, als zu fliehen, was drei Wochen gedauert hat: Zuerst mit dem Schlauchboot über das Meer nach Griechenland, dann weiter mit dem Zug, mit dem Bus und zum Schluss sogar zu Fuß. Seit drei Monaten lebt die Familie in Deutschland und ist immer noch in einem Asylverfahren. Deswegen haben die Kinder noch keine Möglichkeit auf medizinische Versorgung, was für die Familie zurzeit sehr wichtig ist. Aktuell wohnt die Familie in einer sehr spartanisch ausgestatteten Wohnung in Seelze, teilweise sogar ohne Gardinen. Die Töchter können endlich seit einer Woche in die Schule gehen, es fehlen aber alle notwendigen Schulsachen sowie vor allem Kinderkleidung.
Die Kinder sind sehr schüchtern und reden kaum. Ich habe mich im Kinderzimmer umgeschaut: naja. Okay, Betten zum Schlafen haben sie, das ist ja erstmal das Wichtigste. Aber alles andere wie z.B. Spiele, Stifte, Malbücher u.v.m fehlen. Vor allem aber: KLEIDUNG, KLEIDUNG, KLEIDUNG. Die Mädchen tragen Oberteile, bei denen man schon fast den Bauchnabel sehen kann; Hosen über den Knöcheln, man kann auch sofort sehen, dass alles viel zu eng ist. Als ich mit der Mutter über deren Kleidergröße sprach, antwortete sie mit leiser Stimme und gesenktem Kopf, sie wisse es nicht. Sie haben seit der Flucht nichts Neues bekommen. Ich habe jetzt so grob mir aufgeschrieben, welche Größe passen könnte:
TAMINA, 10 Jahre alt, Größe 134, Schuhe 33-34
SAMIRA, 8 Jahre alt, Größe 134, Schuhe 34-35
CASIA, 5 Jahre alt, Größe 122, Schuhe 28
XERHAT, 2 Jahre alt, Größe 104, Schuhe 24.“
Wir haben uns zunächst auf die Suche nach einem Sponsor gemacht. Sofort waren die Mitarbeiter der NORD/LB Hannover bereit, zu helfen. Eigentlich sollten dort Kleider, Spielsachen etc. gesammelt werden. Da das aber doch einige Zeit in Anspruch nehmen würde und da es sich um ganz unterschiedliche, benötigte Kleidung handeln würde, entschlossen sich die Mitarbeiter, eine Geldspende zu leisten, die prompt kam.
Wir waren von dieser Hilfsbereitschaft sehr überrascht und haben gleich einen Termin mit der Familie vereinbart, für den 13.05.2016.
Die Kinder waren auf den Einkauf schon vorbereitet und sehr gespannt. Der kleine Sohn, der aufgrund seiner Erkrankung nicht laufen kann, musste aber zu Hause bleiben. Wir sind nur mit den Mädchen ins Einkaufszentrum Seelze gefahren.
Wir konnten beobachten, dass die Kinder mit Sorgfalt alle notwendigen Sachen ausgesucht haben. Die Schwestern haben sich gegenseitig geholfen, die passenden Sachen zu finden.
Als die Mädchen viele Kleiderstücke anprobiert haben, haben wir für den kleinen Jungen Shorts und T-Shirts ausgesucht. Danach haben wir auch noch Unterwäsche und Socken für die Kinder gekauft. Zum Schluss gingen wir noch in einen Geschäft, um dort noch Sommerschuhe für die Kinder zu besorgen. Selbstverständlich haben wir den kleinen Jungen nicht vergessen und kauften ihm ein Paar Sommerlatschen.
Als wir wieder bei der Familie zu Hause waren, haben wir alle Tüten ausgepackt, um die Fotos zu machen. Als Kinder am Tisch saßen, konnten wir die große Freude über neu gekauften Sachen in deren Augen sehen. Wir konnten uns gut vorstellen, dass es am Abend noch eine kleine Kindermodeschau geben würde..... Die Eltern haben sich bei uns immer wieder und sehr herzlich bedankt.
Es hat uns sehr Spaß gemacht, die Zeit mit diesen Kindern zu verbringen und ein bisschen Freude zu schenken. Bei dieser Familie konnten wir sehen, dass Menschen nicht nach Deutschland kommen, um ein Leben in Luxus zu finden, sondern um ÜBERHAUPT ein Leben zu haben.