Sturz ins Leere
Wir, die Firma Stäblein Zaun- und Toranlagen GmbH aus Hannover-Badenstedt, möchten heute „Herrn S“ vorstellen.
Wir, die Firma Stäblein Zaun- und Toranlagen GmbH aus Seelze, möchten heute „Herrn S“ vorstellen.
Er ist aufgewachsen in Hamburg und wuchs mit einem Vater, der Mitglied der Hells Angels war, in einem schwierigen familiären Umfeld auf. S konnte es seinem Vater nie Recht machen und bezog als Kind reichlich Prügel. Durch falsche Freunde kam S dann zu Drogen und wurde abhängig. Er schaffte es jedoch aus eigener Kraft, davon loszukommen und zog nach Hannover – auch, um seinem bisherigen Umfeld zu entfliehen.
In Hannover war es aber, ohne Job und Freunde, ein täglicher Kampf ums Überleben. Aus Stolz, nicht vom Amt Geld zu erhalten und von diversen Arbeitgebern über den Tisch gezogen, häuften sich schnell eine Menge Schulden an.
Aber S ließ sich nicht unterkriegen und fing dann vor 2 Jahren an, bei uns zu arbeiten. Er war zwar immer „das nervöse Hemd“ im Betrieb, aber grundsätzlich ehrlich, pünktlich, zuvorkommend, freundlich und fleißig. Er lernte verschiedene Menschen kennen, sogar auch seine „Traumfrau“. Die Beiden zogen zusammen, lebten eine kleine Weile in ihrer gemeinsamen Wohnung und planten die Zukunft - selbst ein Kind war schon im Gespräch. S war nun seit über 7 Jahren „clean“ und sein Leben hörte sich vielversprechend an. Soviel in Kurzform zu der Vorgeschichte…
Anfang September 2016 fuhr nun S nach getaner Arbeit zur Bank, um seinen Lohn abzuheben. Er gab jeden Monat die gesamte Summe seiner Freundin, die davon Miete, Haushaltsgeld und die sonstigen Kosten abzog und den Rest, je nach Bedarf, in kleinen Mengen S gab, da dieser nicht so gut mit Geld umgehen konnte. Den Lohn im Portemonnaie machte sich S mit seinem Fahrrad von der Sparkasse auf den Weg nach Hause, um den Feierabend mit seiner Freundin zu genießen. Das Fahrrad war sein ganzer Stolz, er hatte sich das wie man so schön sagt „vom Munde abgespart“ und pflegte es auch in jeder freien Minute.
Ein abruptes Ende nahm die Heimfahrt, als eine ältere Dame ein Rotlicht übersah und mit ihrem Skoda S anfuhr. Der Hinterkopf schlug auf die Windschutzscheibe, die sofort zerbrach, mit seinem Bein blieb er so unglücklich hinter dem Nummernschild hängen, dass fast die gesamte Wade abgerissen wurde. Ein schwerer Unfall, die Strasse wurde von der Polizei komplett gesperrt und der Rettungswagen gerufen.
Wegen der Schmerzen wurde ihm ein starkes Schmerzmittel verabreicht…
Was niemand wusste, war, dass S ein ehemaliger Drogenabhängiger war. Wir im Betrieb bekamen wohl mit, dass S von Zeit zu Zeit geheimnisvolle Termine hatte, die er nicht verschieben wollte. Er machte zwei Mal in der Woche sehr pünktlich Feierabend, um diese wahrzunehmen. Im Nachhinein wurde uns klar, dass er zur Therapie und zu seinem Arzt fuhr, um sich Ersatzdrogen geben zu lassen. Aber das wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, genau wie die Ärzte, die ihm nun in guter Absicht etwas gegen die Schmerzen gaben.
S kam also ins Krankenhaus und wurde notoperiert.
Am nächsten Tag besuchte ich ihn und er meinte, dass das Schmerzmittel überhaupt nicht gewirkt hat, aber er „danach sehr gut drauf“ gewesen sei - leider machte es da bei mir immer noch nicht „klick“!
Er war nun also wieder voll „im Trott“ und niemand bemerkte es!
Obwohl er eigentlich im Krankenhaus war, beschaffte er sich nun wieder Drogen und flog deshalb natürlich aus der Behandlung.
Es kommt auch immer dann alles zusammen, wenn man es am wenigsten brauchen kann. Seine Freundin, die beim Jugendamt arbeitet, kannte solche Fälle und er flog hochkant aus der Wohnung, nachdem er das Eine oder Andere versetzt hatte, um die Sucht zu finanzieren. Sie sagte mir, dass sie keine andere Möglichkeit habe...
S meldete sich zum Anfang immer mal im Betrieb und hielt uns auf dem Laufenden, jedoch stets mit der Frage, ob wir ihm Geld leihen könnten. Insgesamt schossen wir fast 1.000 € vor.
S schämte sich sehr und meldete sich immer seltener bei mir. Eines Tages aber rief mich meine Büro-Dame an, ich war grade bei einem Kunden vor Ort, und teilte mir mit, dass S hier sei und mit mir sprechen wolle. Ich fuhr zügig in den Betrieb und fand ihn schnarchend auf der Toilette. Er schlief so fest, dass es nicht möglich war, ihn zu wecken, weder mit Rufen, Schreien, gegen die Tür Klopfen. Letztlich wachte er erst um 15.30 Uhr auf und erzählte, dass er am Freitag aus dem Krankenhaus entlassen worden sei und bis zum heutigen Tag (Montag) nicht geschlafen habe – weil er einfach nicht wisse, wo. Draussen habe er Angst, überfallen und geschlagen zu werden. Auch während des Gesprächs schlief S übrigens immer wieder ein.
Ich besorgte ihm ein „Monteurzimmer“ in Hannover-Mittelfeld und gab ihm das Geld für eine Woche mit, um das Zimmer bezahlen zu können. Am nächsten Tag erfuhr ich jedoch, dass S das Zimmer abgesagt habe, weil er sich das angeblich nicht leisten könne.
Dann hörte ich ca. 4-5 Wochen nichts von ihm.
Eines Tages bekam ich dann eine Nachricht auf meinem Handy, er müsse mich dringend besuchen. Er erzählte, dass er zwischenzeitlich im Gefängnis gesessen habe.
Ich hatte genau an diesem Morgen seine Kündigung geschrieben, die ich ihm dann am Nachmittag übergab. Da wir aber ein sehr familiäres Unternehmen sind, habe ich ihm auch mitgeteilt, dass ich ihn sofort wieder einstellen würde, wenn er sein Suchtproblem lösen würde.
Da unser Betrieb recht klein ist, können wir leider nicht anders reagieren, das bedeutet jedoch nicht, dass wir kein Verständnis für seine Situation haben, oder nicht helfen wollen.
Ich wusste mir bei seinem letzten Besuch einfach nicht mehr zu helfen, ich kenne so etwas nicht. Zum Glück hatte ich von dem Verein Ganz unten e.V. gehört, rief dort an und erzählte die ganze Geschichte. Es gab überraschender Weise direkt eine Zusage für eine Unterkunft, so dass S wenigstens noch am gleichen Tag ein Dach über dem Kopf hatte und erst einmal zur Ruhe kommen konnte..
Im Weiteren Gespräch mit S erfuhr ich, dass ihm mittlerweile fast alles gestohlen worden war. So hat er nun keinen Personalausweis mehr, keine Postadresse… Im Grunde fehlt alles, was man zum Leben benötigt. Nun aber hat er Hilfe, da er von dem Verein Ganz unten e.V. unterstützt wird, bei all seinen Problemen.
Wir alle hoffen, dass sich alles zum Guten wendet, selbstverständlich steht der ganze Betrieb hinter S und wir werden, im Rahmen unserer Möglichkeiten, helfen!
Es ist erschreckend, was aus einem „kleinen“ Unfall resultieren kann…