Bericht: Die Hannöversche Tafel
Der zwanzigste September 1999, ein Tag niedergeschrieben als Beginn einer neuen humanitären Hilfe, ein Tag gefüllt mit gutem Gewissen und viel Hoffnung und trotzdem ein Tag, an dem mit einer Tätigkeit begonnen wurde, deren Aussicht sowie Erfolgsgröße nicht planbar war. Vor dreizehn Jahren, am 20.09.1999 wurde die Hannöversche Tafel gegründet, erreicht heute sehr viel Erfolg und verdient viel Lob und Anerkennung . Kurz nach ihrer Gründung wird die Tafel Mitglied im Bundesverband Deutsche Tafel e.V. und ist als mildtätiger Verein eingetragen mit der Berechtigung, Spendenbescheinigungen auszustellen.
Seit Februar 2000 ist der Verein in der Anderter Straße 95 in einem Büro mit einem Lager zu finden, welches von einer Zementfabrik kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Hier werden die Lebensmittelspenden kurzfristig aufbewahrt, um im Anschluss an Hilfsbedürftige verteilt zu werden. Dabei setzen sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter dafür ein, dass die Spenden einer gerechten Verteilung unterzogen werden.
Bis Ende des Jahres stehen der Tafel noch die Räumlichkeiten auf dem Werkgelände von Heidelberg kostenlos zur Verfügung. Nach ihrem Umzug nach Vahrenheide werden aber zusätzliche Kosten wie Miete und Nebenkosten auf den Verein zukommen, die nur durch Spendenbeiträge und Fördermitgliedsbeiträge abgedeckt werden. So sind es heute ca. 240 Fördermitglieder, die diese humanitäre Hilfe unterstützen, eine große Zahl, im Vergleich allerdings zu der geleisteten Arbeit noch etwas aufstockbar. Der Verein freut sich über jedes neue Fördermitglied, worauf er ab Juli 2012 angewiesen ist, um die steigenden Kosten auszugleichen um die Hilfeleistungen fortzuführen.
Auffällig in diesem Verein sind die motivierte Mitarbeit aller Beteiligten und das strukturierte Handeln. So haben die Fahrzeuge, die nach ihrem Kennzeichen gegliedert werden ,ihre bestimmten Anfahrtziele mit der Information, welche Produkte in welchem Maße verteilt werden sollen. Um Ungerechtigkeiten zu vermeiden, muss die Bedürftigkeit nachgewiesen werden, und es wird registriert, welche Hilfebedürftige versorgt werden. Die Registrierungen werden mit einem Computer erfasst. Die gespendeten Tafelfahrzeuge müssen wöchentlich gereinigt und gewartet werden.
Um die Hilfeleistung des Vereins exakt zu demonstrieren, kann man sagen, dass er sich hauptsächlich mit dem Einsammeln und Verteilen von Lebensmitteln, die von Großhändlern und sehr bekannten Lebensmittelketten, aber auch von Betrieben kleiner Größe „Tante-Emma-Laden“ gespendet werden, beschäftigt . So gelingt es den ehrenamtlichen Mitarbeitern, jährlich 330 Tonnen Lebensmittel zu verteilen. Das Klischee, die Tafel würde nur „Müll“ weitergeben , muss an dieser Stelle von uns kritisiert werden, unter anderem auch deshalb , weil wir die Einhaltung der hygienischen Vorschriften zu sehen bekamen. „ Einige meinen, dass wir nur Müll sammeln würden, das stimmt nicht “, so kritisiert Herr Gora das Unwissen einiger Personen und fügt hinzu: „Wir sammeln nur die Lebensmittel ein, die wir auch selber essen würden.Im Übrigen besitzt die Tafel nicht mal eine eigene Mülltonne. “ Die Lebensmittel werden genau auf Haltbarkeit und Eignung zum Verzehr geprüft und an ca. 7000 Menschen/Quartal in Hannover gespendet.
Der Grund für den Besuch des Vereins war eigentlich, zu erfahren, welche Hilfeleistungen er bietet. Die jahrelangen Erfahrungen von Herrn Gora mit Menschen unterschiedlichster Art waren aber ebenso informativ und bedeutsam, auch wenn er bescheidener Weise der Meinung ist, er wäre nicht der Ansprechpartner für das Thema Obdachlosigkeit. Die Hannöversche Tafel verteilt nämlich neben Kindertagesstätten und Schulen auch an Wohnheime für obdachlose Menschen. Bei der Tafel habe ein Obdachloser vier Monate lang mit Erfolg gearbeitet. In diesem Kontext vertritt Herr Gora ebenfalls wie wir die These, dass man in einigen Fällen die von der Obdachlosigkeit betroffenen Personen oftmals durch das gepflegte Aussehen mit bloßem Auge von anderen nicht trennen könne. Hierbei wollen wir aber hinzufügen, dass unsere wissenschaftlichen Überlegungen und Interviews uns zu der Erkenntnis bringen, dass solche Fälle nur dann vorliegen, wenn der Grund für die Obdachlosigkeit nicht monetär ist, d.h. nicht auf finanzielle Lage der jeweiligen Person beruht. Zu dieser Gruppe gehören vor allem Drogenabhängige oder aber auch einfach nur Menschen, die aufgrund ihrer psychischen Lage sich nicht trauen, unter einem Dach zu leben, so z.B. Opfer von Sexualtaten.
Ein türkisches Sprichwort lehrt uns: “ Wertvolle Kriege brauchen tapfere Kämpfer“. So möchten wir die Tätigkeiten von Herrn Gora besonders loben, vor allem nach der ausführlichen Besichtigung der Danksagungen der Kinder , die im Büro des Vereins an die Wand angepinnt sind und die Überschrift trägt :“ Wir hoffen, dass Sie immer ein Dach über Ihrem Kopf haben.“ Horst Walter Gora kämpft seit dreizehn Jahren für Menschen, die er nicht kennt, und wir hoffen, dass er sich auch weitere Jahre mutig und tapfer durchschlägt.
von Ayse Arslaner, Cigdem Simsek, Mohammed Simsek
HAZ vom 11.12.2012, S. 15: 20 Tonnen Lebensmittel im Monat für Bedürftige
Die Hannöversche Tafel ist an den Vahrenheider Markt umgezogen
Verein beliefert 40 Einrichtungen
Von Veronika Thomas
Der Dezember ist gut angelaufen. Im Lager warten einige Kisten mit Tüten voller Süßigkeiten auf die Kleinsten, und gerade ist eine Wagenladung einer großen Drogeriekette eingetroffen - nach erster Sichtung sind Tees, Hustenbonbons und Vitamintabletten dabei. Außerdem haben einige Supermärkte ein paar Hundert Tüten für Bedürftige gepackt, die von Kunden gekauft und an die Hannöversche Tafel weitergegeben worden sind. "Nicht schlecht", meint Horst Gora, organisatorischer Leiter der Tafel, die seit wenigen Tagen am Vahrenheider Markt ihren Sitz hat. "Jetzt sind wir mittendrin", sagt die Vereinsvorsitzende Rosemarie Elisabeth Wallbrecht.
Vorteil sei nicht nur die zentrale Lage, sondern auch der Stadtbahnanschluss, der es den mehr als 120 ehrenamtlichen Mitarbeitern ermögliche, den neuen Standort einfacher als bisher zu erreichen. Mehr als zehn Jahre befanden sich Lager und Büro auf dem Gelände der Teutonia Zementwerke AG in Misburg, die später von Heidelberg-Cement AG gekauft wurden. "Wir sind diesen Firmen sehr dankbar, weil sie uns ihre Räume miet- und nebenkostenfrei zur Verfügung gestellt haben", sagt Wallbrecht. "Wir wussten ja, dass wir irgendwann raus mussten." So steckte der Verein das Geld für die nicht geforderten Mietzahlungen all die Jahre in seine Rücklagen. Dadurch wurde es jetzt möglich, die rund 300 Quadratmeter großen Räume einer ehemaligen Arztpraxis für 215.000 Euro zu kaufen. "Eine große Halle wäre natürlich billiger gewesen", sagt Wallbrecht, die die Hannoversche Tafel 1999 mit gegründet hat. "Aber wir brauchen kein großes Lager." Das Einzige, was ständig vorrätig sei, seien Nudeln und Konserven - die Basisversorgung für die Bedürftigen.
Nahezu alle Lebensmittel, die die 22 ehrenamtlichen Fahrer täglich von Supermärkten und Bäckerein abholen, werden sofort zu den 40 Abgabestellen gebracht. Im Zwei-Wochen-Turnus werden gespendete Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Nudeln, Fertiggerichte, Brot, Milchprodukte und manchmal auch Kekse oder Kosmetika sofort in den Ausgabestellen Linden, Mühlenberg, Garbsen, Vahrenheide, Kronsberg und Roderbruch verteilt. Beliefert wrrden außerdem soziale Einrichtungen der Flüchtlings-, Drogen- und Wohnungslosenhilfe und seit 2005 im Rahmen der "Hannöverschen Kindertafel" - wie die Tafel ein geschützter Begriff - mehr als 200 Schulen und Betreuungseinrichtungen für sogenannte Lückekinder: Sie erhalten vor allem frisches Obst und Gemüse, um daraus gesunde, vitaminreiche Mahlzeiten zuzubereiten.
Alle Waren sind frisch und haben noch ein Haltbarkeitsdatum, ihr einziges Makel sind kleine Verpackungsfehler. Weil die Lebensmittel sonst im Müll entsorgt würden, erhalten die Spender aber keine Spendenbescheinigung. Pro Monat werden durch das Verteilsystem der Tafel 20 Tonnen Lebensmittel eingesammelt und an Bedürftige ausgegeben. "Legt man einen Wert von zwei Euro pro Kilogramm Ware zugrunde, dann verteilen wir für rund 500.000 Euro Lebensmittel pro Jahr", rechnet Wallbrecht vor.
Der Verein würde gerne noch mehr abgeben, der Bedarf sei da, die Zahl der Bedürftigen steigt nach Wallbrechts Angaben weiter an. Zurzeit seien es rund 6.000 Menschen pro Quartal. "Aber wir bekommen nicht mehr Lebensmittel." Andererseits sei sie froh, keine Waren hinzukaufen und dafür Geld nehmen zu müssen, wie es andere Tafeln bereits täten.
"Wir wirtschaften sehr sparsam, mit 1,5 festen Stellen sind wir an der untersten Grenze dessen, was möglich ist", meint die Tafel-Vorsitzende. 100.000 Euro benötige der Verein für Benzin, Büromaterial und Gehälter, lediglich 13.000 Euro kommen durch die 244 Fördermitglieder herein. Der Rest muss über Spenden eingeworben werden. "Die Stadt hat in all den Jahren noch keinen Cent für uns bezahlt", bedauert Wallbrecht.